Gehyped – Die schonungslose Wahrheit über „richtig“ und „falsch“ in der Sprache

Hallo zusammen!


Nach längerer Zeit gibt es wieder einen kleinen Blogeintrag von mir. Ich warne direkt: In bezug auf Videospiele ist das ganze "Off Topic", aber es ist ein Thema, das Viele interessiert und Alle betrifft:


Die deutsche Sprache – ein echtes Reizthema!


Es tobt fast schon ein Krieg über den korrekten oder falschen Gebrauch unserer zentralen Kommunikationsgrundlage. Habt ihr auch den Eindruck, dass es Menschengruppen gibt, die unsere schöne Sprache in einem fast unerträglichen Maße vergewaltigen? Oder kennt ihr diese Spießer, für die der fehlerfreie Gebrauch des Deutschen das höchste Gut im Universum ist? Nervt es euch tierisch, wenn jemand meint, euch erklären zu müssen, dass der gerade gesprochene Satz zwingend einen Genitiv erfordert hätte?


Wer beim Lesen einer dieser Fragen nickend vor dem Bildschirm saß, ist vielleicht selbst schon mitten drin im Sprach-Krieg. Aber wer ist eigentlich im Recht? Die „Sprach-Fanatiker“, deren liebstes Hobby das Korrigieren von Fehlern ist oder "Freigeister", die sich die Sprache so hinbiegen, wie es gerade passt? Ihr werdet überrascht sein: Das kann ich euch klar beantworten! Nicht weil ich es mir gerade ausdenke, sondern weil ich mich mit dem Thema sehr gut auskenne. Die Wissenschaft hat eine klare Antwort.


Die Antwort


Also wer hat Recht? Wieder werden einige von euch überrascht sein (und bei manchen Menschen könnte es zu leichten Herzinfarkten führen ;) ). Die Freigeister sind im Recht! „Alta, hab isch voll die korrekte Sprache, ey!“ – gegen einen solchen Satz kann man prinzipiell nichts einwenden. Wer sich jetzt die Tränen abwischen und den Notruf wählen will, sollte einmal durchatmen und dann friedlich weiterlesen. Die nackte Wahrheit ist: Es gibt keine „richtige“ Sprache! Es gibt einfach nur Sprache. Weder Wortschatz, noch Grammatik oder Aussprache sind durch gottgegebene Regeln zementiert! Die Sprache ist frei. Sie ist ein lebendiges Wesen, das sich erfolgreich dagegen wehrt, eingesperrt zu werden, egal wie sehr es manche Menschen auch versuchen.


Aber was ist mit dem Duden?“ denkt sicher so mancher. „Da stehen unsere Wörter drin. Und auch wie Grammatik sein muss, kann man nachlesen!“ Tja, das könnte man denken. Stimmt nicht ganz. Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. In Grammatiken und Wörterbüchern stehen keine Regeln, die uns vorschreiben, wie unsere Sprache sein muss! Es handelt sich lediglich um Versuche (!) zu beschreiben (!), wie unsere Sprache im Moment (!) funktioniert. Vielleicht haben einige von euch schon einmal gehört, dass Wörter in den Duden neu aufgenommen werden bzw. gestrichen werden, wenn sie veraltet sind. Die Regie führt dabei kein Duden-Autor, sondern die Menschen „auf der Straße“.


Im Falle der Grammatik ist es noch deutlich komplizierter. Die Regeln einer Sprache existieren bereits. Sie sind in einer Art Evolutionsprozess gewachsen und können von Sprachwissenschaftlern lediglich beobachtet und beschrieben werden. Und das gelingt nicht immer zu 100 %. Hinzu kommt, dass man nur eine ganz bestimmte Sprachvariante zu einem bestimmten Zeitpunkt erforschen kann. Etwas allgemein Umfassendes wie „die eine Grammatik der deutschen Sprache“ gibt es nicht.


Die Ursachen - Ein Blick zurück


Aber wie kommt es dann, dass wir den Eindruck haben, es gäbe die eine deutsche Sprache mit klaren, festen Regeln? Historisch betrachtet hat es eine Entwicklung gegeben von variantenreichen Sprachen, Dialekten und Akzenten zu einem „Hochdeutsch“. Früher waren verschiedene Gebiete – auch innerhalb Deutschlands – stärker voneinander getrennt und haben variantenreiche Sprachausprägungen entstehen lassen. Einflüsse von anderen Sprachen gab es auch schon immer, z.B. aufgrund von Kriegen, Wanderungen etc. Sprache war also immer schon lebendig und hat sich verändert. Durch die Festlegung von Landesgrenzen und das Aufkommen überregionaler Medien (Schrift, später auch Radio und Fernsehen) gab es Tendenzen, Sprache zu vereinheitlichen, was auch durchaus gewollt war.


Trotzdem: Einheitlicher Sprachgebrauch ist sinnvoll


Immer vor Augen sollte man nämlich Sinn und Zweck von Sprache haben: Kommunikation! Wenn Kommunikation funktioniert, hat Sprache ihren Zweck erfüllt. Es macht also Sinn, einheitliche Standards zu haben – das heißt aber nicht, dass man Details gesetzlich regeln müsste (oder könnte). Für die Verständigung ist es nicht entscheidend, ob ich wegen dem Fehler oder wegen des Fehlers sauer bin – Hauptsache die Botschaft kommt an. Wir müssen einsehen, dass wir den Sprachgebrauch nicht vorschreiben können – es wird ihn weiterhin in vielen Variationen geben und diese werden sich alle weiter verändern.


Allerdings: Es gibt eine Ausnahme! Die Schriftsprache als zentrales Kommunikationsmittel wird weitestgehend geregelt. In Schulen, Behörden etc. gibt es weiterhin Begriffe wie „Fehler“. Dort werden Standards vorgeschrieben und Ideen wie die „Rechtschreibreform“ pflichtbewusst umgesetzt. Aber muss das privat auch gelten? Nein! Wer darauf besteht, dass mit „ß“ zu schreiben, wird nicht von der Polizei abgeholt. Wer in SMS auf Großschreibung verzichtet, verstößt gegen kein Gesetz. Wenn Firmen, Videospielmagazine oder Privatpersonen auf „korrekte“ Rechtschreibung bestehen, dann liegt das alleine an deren persönlichen Überzeugungen, an eigenen ästhetischen Ansprüchen und an dem allgemein hohen Ansehen einer „fehlerfreien“ Rechtschreibung, dem man persönlich gerecht werden möchte.


Wie man den "Hype" ändern kann


Allerdings hat man es nicht leicht, wenn man so stark auf „Fehlervermeidung“ fixiert ist. Sehr leicht schleichen sich Fehler ein (sicher auch in diesem Text) – und von manchen Fehlern wissen die meisten Leute gar nicht, dass es (streng genommen) welche sind! Beispiel gefällig? Ein Wort, dass ich in letzter Zeit häufig lese – auch in „offiziellen“ Texten oder bei Menschen mit wenig „Fehlern“ in der Rechtschreibung – ist „gehyped“. Der Fehler liegt dabei gar nicht darin, dass das Wort „hype“ so undeutsch ist – das ist vielmehr ein Beleg für die Lebendigkeit der Sprache. Genauso wie „Kindergarten“ ein korrektes Wort auch im Englischen ist, haben wir viele Anglizismen, die völlig korrekt zum Bestandteil der deutschen Sprache geworden sind. Das Problem bei „gehyped“ (genau wie bei „gehated“ oder vergleichbaren Sprachkreativitäten) liegt in der Flexion – also praktisch in der Veränderung des Wortes durch Präfix „ge“ und – hier der „Fehler“ – das „(e)d“ am Ende. Man ist versucht zu glauben, das Wort müsse mit „ed“ geschrieben werden, weil es im Englischen diese Endung in der Vergangenheitsform gibt. Wir verwenden aber das englische Wort in einem deutschen Satz, also „untersteht“ jede Veränderung des Wortes den Regeln der deutschen Sprache. In diesem Fall müsste es also „gehypet“ heißen, weil dasselbe Prinzip greift wie bei „gemacht“, „gebaut“ oder „gefreut“. In unserem Satz bilden wir schließlich keine englische Vergangenheitsform.
Nachtrag: Inzwischen hat sich in der Schreibung "gehypt" eingebürgert - also wurde das stumme "e" für überflüssig erklärt und gestrichen.


Da steh' ich nun, ich armer Tor...


So, jetzt kommt aber die entscheidende Frage: Wenn ich das weiß, wie gehe ich damit um? Soll ich mich ärgern, wenn ich sowas lese? Soll ich auf diese Fehler hinweisen? Ich persönlich sage: Nein. Es wird „falsch“ verwendet, das ist immer öfter zu sehen, ich werde es nicht aufhalten können – und vielleicht wird es irgendwann als offiziell korrekt anerkannt (siehe oben: Grammatik versucht, die Realität zu beschreiben). Vielleicht auch nicht – aber lohnt es sich, ständig verärgert darüber zu sein? Ich finde nicht…


Also, wie seht ihr das? Seid ihr Grammatik-Polizisten oder Sprach-Jongleure? Ist Sprache für euch ein emotionales Thema oder lässt euch das kalt? Ich bin gespannt auf eure Reaktionen! :)

Kommentare 11

  • Danke, lieber Frau Holle! :D

  • Sehr schöner Blogbeitrag! Hat mir nicht nur gut gefallen, sondern auch nebenbei meinen Horizont um ein kleines Stückchen erweitert. Danke dafür.

  • @ MeoMab: Es ist ein Unterschied, ob jemand nicht in der Lage ist, sich in seiner Muttersprache auszudrücken, oder ob er es nicht will. Gerade wenn es um Sprache von Eltern vs. Kinder geht, hat das oft mit Abgrenzung und Gruppendynamik zu tun. Das muss noch nicht heißen, dass die "Sprache der Mutter" nicht beherrscht würde.Missverständnisse gibt es auch zahlreich zwischen Menschen, die "dieselbe Sprache sprechen". Das hat eher etwas mit Kommunikation allgemein zu tun als mit einer scheinbaren Qualität einer Ausprägung von Sprache.


    Das heißt übrigens nicht, dass man nicht das Recht hat, seine Abneigung gegenüber anderen Sprachvarianten kundzutun. Es heißt nur, dass man nach dem Maßstab neutraler Argumente schlechte Karten hat, seine Meinung zu rechtfertigen.


    @ BurningWave: Danke! :)

  • Sehr schöner Beitrag, der mich auf mein Seminar in der Linguistik, welches heute beginnt, eingestimmt hat. Finde das Thema auch sehr interessant und sehe mich selber im Mittelfeld. Einerseits denke ich, dass gewisse "Normen" (gibt es so gesehen ja trotzdem nicht) schon eingehalten werden sollten (vor allem im Satzbau), sehe mich aber neuen Wörtern und Formulierungen gegenüber nicht abgeneigt.


    Man kann das aktuelle Sprachgeschehen ja immer in mehrere Kategorien einteilen und in diesen Kategorien ist diese Art der Sprache für sich dann auch richtig. Es gibt dann zwar die von dir so schön genannten Sprach-Polizisten, die meinen, dass manche dieser Kategorien falsch sind. Aber das kann man so nicht sagen - zumindest finde ich, dass es man es nicht komplett so festlegen kann. Sprache ist lebendig und kein festgesetzter Kanon, auch wenn einige das gerne so hätten. :D

  • @Roman: Klar ist es Geschmackssache, ich finds aber bei z.B. Anglizismen oder anderen Modewörtern einfach nur peinlich, dass manche Menschen nicht in der Lage sind, ihre Gedanken in Ihrer Muttersprache auszudrücken. Und als Vater muss ich über die schon erwähnten Missverständnisse und wie man Kommunikation verkomplizieren kann den Kopf schütteln, vor allem wenn ich sehe, dass die Kommunikation meistens schriftlich abläuft (twitter, facebook, whatsapp, sms), wobei man sich m.M.n. mit kleinem Aufwand sehr gut und genau ausdrücken kann.

  • @ MeoMab: Missverständnisse beim Schreiben kommen schnell auf, stimmt. Wie ich schon zu AnGer schrieb, geht viel verloren, wenn nur das Wort da ist und nicht z.B. eine humorvolle oder ernste Betonung. Kommunikation ist insgesamt komplizierter als man denkt. Es gibt dafür auch verschiedene Modelle - aber das würde hier wohl zu weit führen. Wichtig ist nur: Nicht immer kommt bei anderen das an, was wir eigentlich sagen wollen.

  • @ MeoMab: Ob eine Entwicklung der Sprache als Fort- oder Rückschritt wahrgenommen wird, ist in der Regel reine Geschmackssache. Sprache wird nicht erfolgreich Variationen etablieren, die nicht funktionieren, weil die Verständigung nicht mehr erfolgreich ist. Insofern: Auch wenn's sich bescheuert anhört, ist es nicht von natur aus unterlegen, sondern unterliegt nur einer individuellen Bewertung.
    Das kann z.B. etwas mit der Abgrenzung verschiedener Gruppen zu tun haben. Menschen verschiedener Schichten haben eigene Sprachen ("Soziolekte"), Jugendliche grenzen sich durch ihre Sprache von der Elterngeneration ab. Alles nichts Ungewöhnliches...

  • @ AnGer: Gegen Anglizismen kann ich überhaupt gar nichts sagen. Einflüsse anderer Sprachen sind die normalsten Entwicklungen überhaupt. Die hat es immer gegeben und viele, für uns gewohnt klingende Wörter, sind auch irgendwann mal eingewandert. Geradezu lächerlich ist es zu sehen, wie sich z.B. viele Franzosen dagegen wehren (ähnlich wie Amerikaner, die sich aus Nationalstolz gegen Einwanderung wehren...). Eine innere Gegenwehr ist ein rein psychologischer Effekt, der etwas mit der Akzeptanz von Veränderungen zu tun hat - mit Qualität von Sprache hat das nichts zu tun.

  • @ AnGer: Es ist richtig, dass gerade in der geschriebenen Kommunikation kleine Änderungen teilweise goße Einflüsse auf den Inhalt dert Botschaft haben können. Das macht sich da besonders bemerkbar, weil ein sehr großer Teil der Kommunikation, nämlich der non-verbale (Gestik, Mimik, Betonung, ...) wegfällt. Deshalb ist es natürlich wichtig,so präzise und korrekt zu schreiben, dass die Botschaft ankommt, wie man es möchte. Auf der anderen Seite gibt es Konventionen, die in den meisten Fällen keine besondere Funktion haben (z.B. Großschreibung).

  • Ich zähle vermutlich eher zu den Grammatik-Polizisten und versuche auch im Chat oder bei Kommentaren wie diesem hier die Regeln der Schriftsprache einzuhalten. Auf der anderen Seite habe ich aber verstanden, dass es meist wenig sinnvoll ist, jemanden auf seine (Schreib-)Fehler hinzuweisen, da es oft nichts bringt oder sogar zu Ärger auf beim Schreibers führt. Solange also der Inhalt verständlich ist, halte ich meinen Mund, ansonsten gebe ich den Hinweis, etwas ausführlicher und genauer zu schreiben, weil durch den besonders im Netz genutzen "eigenen" Schreibstil oft auch Missverständnisse entstehen. Natürlich hast Du recht damit, dass eine Sprache lebendig ist und sich weiterentwicklt, aber die Richtung, die die Entwicklung aktuell nimmt (siehe dein Beispiel oben im zweiten Abschnitt), ist für mich ein Rückschritt.

  • Eine gewisse grammatikalische Qualität gehört einfach dazu. Ich glaube, das berühmte Interpunktionsbeispiel mit Opa und dem Essen muss ich nicht wiederholen. Semikolons setze ich zwar öfter mal ein, aber sie sind eigentlich überflüssig.


    Was das Vokabular angeht, bin ich flexibel, auch wenn ich das zwanghafte Benutzen von Anglizismen gerade als hoch anglophiler Mensch nicht gutheiße. Vielfach erkennt man daran auch, ob der Mensch die Sprache wirklich beherrscht oder nur "buzzwords" benutzt. Gerne ergeben sich ja da auch lustige Ereignisse, wie die amerikanischen Touristen, die die Flucht ergriffen, weil ein Taschenladen "body bags" (engl. Leichensäcke) verkauft hat. Genauso furchtbar manche Manga–Fans mit ihrem "kawaiiiiiiiiiiiii" (bitte richtig schrill ausgesprochen vorstellen).