Gemma rennt
Kennt ihr den Film Lola rennt? Dieser dreht sich um eine junge Frau, die praktisch durchgehend in Bewegung ist – Action pur! Daran musste ich denken, als ich das erste Mal Ninja Pizza Girl spielte, denn dieses „Girl“ namens Gemma darf auch keine Sekunde verschnaufen, damit sie die Pizza rechtzeitig ausliefern kann. Das erste, was mir – nein – was wohl jedem bei dem Spiel auffällt, ist aber der Titel: „Ninja Pizza Girl“! Genial! Vermutlich reichte allein dieser Glücksgriff aus, um den Erfolg der Kickstarter-Finanzierung zu sichern – egal, was es für ein Gameplay bietet und ob dieses gelungen ist. Trotzdem ist die Frage nicht unwichtig, ob sich hinter einer tollen Idee am Ende dann auch ein cooles Spiel verbirgt. Genau das zeigt euch jetzt unser Spieletest!
Den Rahmen des Pizzamädchen-Games liefert eine Story, die mit Comic-Standbildern erzählt wird. Sie ist in englischer Sprache gehalten, hat also keine deutsche Übersetzung zu bieten. In einer recht düster wirkenden Zukunft trägt Gemma für ihren Vater Pizza zu diversen Kunden. Diese haben dann immer etwas zu erzählen und liefern auf diese Weise verschiedene kleine Geschichten, die recht ernst sein können, aber auch oft mit einer großen Prise Humor gewürzt sind. Zu welcher Kategorie es gehört, dass Gemma zu ihrem Leidwesen öfter mal Kunden beliefern muss, die nur mit ihrer Unterhose bekleidet sind, überlasse ich mal eurem Urteil.
Auch eine Love-Story hat Platz im Ninja Pizza Girl-Universum. Wenn zwei verschiedene Kunden vom jeweils anderen erzählen, kann eine Pizzalieferung dem Liebesglück auf die Sprünge helfen. Zwar bezweifelt Gemmas Vater, dass eine mit reichlich Knoblauch belegte Pizza, die der Verliebte seiner Flamme als Liebesbotschaft zukommen lässt, die richtige Wahl für die Entfachung romantischer Gefühle ist, aber wenn die Pizza Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit aufkommen lässt, dann ist es einen Versuch wert. Insgesamt sind die verschiedenen Story-Abschnitte eine nette Hintergrundunterhaltung, aber nicht von großer Bedeutung.
Von sehr großer Bedeutung ist natürlich das Gameplay. Im Grunde haben wir es mit einem Plattformer zu tun, bei dem Rennen und Springen die wichtigsten Elemente sind. Im Gegensatz zu einem klassischen Jump ‘n‘ Run im Mario-Stil könnt ihr euch keine Pausen erlauben. Ein Countdown läuft auch hier in jedem Level (wie bei Super Mario Bros.), aber im Gegensatz zum pummeligen Italiener, der wohl beim Pizzadienst eher Kunde als Lieferjunge ist, ist das Zeitlimit sehr knapp gesetzt – verschnaufen heißt verlieren! Das ist aber auch nachvollziehbar: Die Kunden wollen keine Stunden auf ihr Abendessen warten und es schon gar nicht kalt geliefert bekommen. (Warum hat Mario eigentlich ein Zeitlimit…) Ebenfalls nicht zu verwechseln ist Ninja Pizza Girl mit einem Endless-Runner, bei dem das Rennen automatisch abläuft und man nur mit Sprüngen auf Hindernisse reagieren muss. Hier seid ihr für die Bewegungen zuständig und könnt jederzeit anhalten oder die Richtung wechseln.
Eure wichtigsten Aktionen sind also das Rennen und Sprünge, mit denen ihr Hindernissen ausweichen könnt. Als echtes Ninja-Girl beherrscht ihr auch Wandsprünge und könnt sogar manche Wände im Vorbeirennen zerschmettern, wenn sie euch im Weg stehen und wertvolle Sekunden kosten könnten. Sogar tiefe Stürze übersteht unsere Heldin verletzungsfrei, wenn ihr rechtzeitig per Knopfdruck reagiert und ihr somit eine sanfte Landung beschert. Auch gemeine Gegner stellen sich euch in den Weg – konkurrierende Ninjas greifen euch an, verspotten euch sogar, wenn ihr einen Fehler macht und suchen sich Verstecke, aus denen sie wie aus dem Nichts auftauchen, um euch anzugreifen. Durch einen Doppelsprung auf den Kopf der Störenfriede oder durch Slides, die Fußballfans auch unter dem Namen Blutgrätsche kennen, sind eure Feinde schnell aus dem Weg geräumt. Ohnehin müsst ihr euch darunter keine epischen Ninja-Kämpfe vorstellen. Im Grunde sind die Gegner nur Hindernisse, die euch wertvolle Sekunden auf dem Weg zum Ziel kosten können.
Unverwundbar ist Gemma aber nicht. Wenn sie viel einstecken musste, macht sich ihre Stimmung durch die Farbgebung bemerkbar, die der ganze Bildschirm einnimmt. Wird alles also blass und grau, dann solltet ihr vorsichtig sein, sonst kann Gemma zusammenbrechen! Die Folge ist allerdings nicht der klassische Bildschirmtod. Ihr dürft sie durch schnelles Knopfdrücken wieder auf die Beine holen und dann weiterlaufen – habt aber wieder einige Sekunden verloren! Ist der Countdown abgelaufen, dann ist die Liefer-Mission gescheitert und ihr müsst das Level von vorn beginnen. Die Schwierigkeit ist im Verlauf des Abenteuers ansteigend und auch jederzeit in den Optionen einstellbar.
Schafft ihr es rechtzeitig zum Kunden, so erhaltet ihr eine Bewertung. Wie gut diese ausfällt, hängt von den Sekunden ab, die am Ende noch übrig sind. Daraus ergibt sich reichlich Langzeitmotivation, weil ihr jedes Level erneut aufsuchen könnt, um noch ein Bisschen Zeit mehr herauszuholen und eure Bewertung zu verbessern. Um das zu erreichen, müssen nicht nur eure Reaktionen gut funktionieren, sondern es ist hilfreich, sich gut einzuprägen, an welchen Stellen Gegner und Hindernisse warten, die euch beim ersten Versuch so geärgert haben. Zudem gibt es immer neue Pfade zu entdecken, die vielleicht kürzer sind oder weniger Schwierigkeiten beinhalten als der ursprünglich gewählte Weg.
Der Side-Scroller bietet oben und unten verschiedene Ebenen, zwischen denen ihr wechseln könnt, teilweise auch müsst, um voranzukommen. Beispielsweise versucht ihr mit euren Jump ’n‘ Run-Skills über verschiedene, kleine Plattformen zu hüpfen. Springt ihr daneben, dann fallt ihr herunter, lauft dort aber einfach weiter. Vielleicht begegnet euch aber bald ein Trampolin, das euch wieder den schnellen Weg nach oben anbietet. Den besten Weg zu finden und auf diesem zu bleiben ist also eure Herausforderung – besonders beim zweiten oder dritten Durchgang, nachdem ihr gescheitert seid oder einfach euren Rekord verbessern wollt. Beim ersten Mal spielt die Taktik dagegen meist keine große Rolle. Ihr gebt einfach Gas und reagiert spontan auf alles, was euch erwartet, um somit hoffentlich rechtzeitig ans Ziel zu kommen.
Das Spielprinzip ist repetitiv und birgt schon die Gefahr einer gewissen Eintönigkeit. Neben den Story-Einwürfen gibt es aber auch weitere Elemente, die dem entgegenwirken sollen. So gibt es hin und wieder Herausforderungen, die leicht vom beschriebenen Spielprinzip abweichen. Beispielsweise müsst ihr eine bestimmte Anzahl von Items einsammeln. Diese liegen übrigens auch in normalen Leveln überall verteilt und gehen neben der verstrichenen Zeit in die Statistik ein, bzw. können genutzt werden, um in einem Shop Dinge zu kaufen, die Gemmas Stimmung verbessern können. Ein weiteres Beispiel für alternative Level-Strukturen: Eine Pizza muss besonders heiß beim Kunden ankommen. Jetzt spielt aber die Zeit keine Rolle, weil einige brennende Mülltonnen im Level verteilt sind. Eine Wärmeanzeige zeigt den Zustand der Pizza an und füllt sich in der Nähe des Feuers, sinkt ansonsten stetig. Ist die Pizza kalt, habt ihr verloren.
Grafik und Sound würde ich als gelungen, aber eintönig beschreiben. Die elektronischen Hintergrundklänge sind natürlich (wie immer bei Musik) Geschmackssache, passen aber ganz gut zum Setting. Etwas mehr Abwechslung hätte aber sicher nicht geschadet. Optisch sind die Level im Grunde recht ansprechend gestaltet und vermitteln das Gefühl einer unbehaglichen, düsteren Zukunft. Daran habe ich mich aber schnell sattgesehen und die Hintergründe, Gegenstände und Gegner tauchen immer wieder in bekannter Form auf. Sicher war einfach kein riesiges Budget für eine umfangreichere Gestaltung vorhanden, aber etwas mehr Variantenreichtum wäre wünschenswert gewesen.
Unser Fazit
7
Spaßgarant