Der Kampf zwischen Göttern, Dämonen und Menschen beginnt heute!
Shin Megami Tensei IV: Apocalypse verschlägt euch in eine düstere Zukunftsvision von Tokio. Kurz nach dem Ausbruch eines weltweiten Konflikts wird die japanische Hauptstadt das Ziel eines Bombenangriffs. Bevor die verheerenden Sprengköpfe die Stadt in Schutt und Asche legen können, verbindet sich jedoch ein junger unbekannter Mann mit der Stadtgöttin Masakado. Zusammen erschaffen sie eine riesige Kuppel, welche Tokio umschließt und den Angriff abwehrt. Doch die Rettung hat auch einen Haken: Dämonen laufen nun frei herum und greifen Menschen an, weswegen diese gezwungen sind, sich in den unterirdischen Bahnhöfen zusammenzurotten und zu verschanzen.
Die Handlung von Shin Megami Tensei IV: Apocalypse wird hauptsächlich über ausladende Dialoge erzählt.
In dieser düsteren Zeit kristallisieren sich innerhalb der Bevölkerung Tokios verschiedene Gruppierungen heraus, die alle verschiedene Ziele verfolgen. Zu Beginn des Spiels steht allerdings eine einzige Organisation an der Spitze und hat sämtliche Menschen unter sich vereint: Die Hunter. Ihr, der „namenlose“ Nanashi, seid ein Anwärter auf den Hunter-Titel und schlagt euch mit eurer Freundin Asahi mit langweiligen Aufgaben herum. Als Hunter bekommt ihr schließlich die Fähigkeit, mit eurem Smartphone Dämonen zu beschwören und für euch kämpfen zu lassen.
Ihr merkt schon, die Handlung von Shin Megami Tensei IV: Apocalypse ist ein ganz schöner Brocken. Immer wieder werden neue Charaktere eingeführt, neue Fraktionen und Bündnisse geschmiedet. Aber trotz allem: Das Spiel wird niemals unübersichtlich oder langweilig! Jede einzelne Szene hat eine klare Aussage, ein klares Ziel und am Ende wisst ihr stets, was ihr als Nächstes angehen müsst. Zudem möchtet ihr immer wissen, wie es weitergeht, da bei so gut wie jeder abgeschlossenen Mission etwas Neues aufgedeckt wird.
Die erzeugte Spannung liegt vor allem an der großartigen Darstellung der Dämonen und Götter. Hierbei verweist das Spiel immer wieder auf verschiedene Kulturen und Religionen und baut sein eigenes kleines Pantheon auf. Denn auch wenn einem die Einteilung „Götter und Dämonen“, „Lucifer und Merkabah“ sehr an die christliche Mythologie erinnert, vermittelt der Titel hier ein sehr komplexes Ranggefüge der verschiedenen Gottheiten und Dämonen. Es gibt niemals nur zwei Fraktionen, mal abgesehen davon, dass „Gut“ und „Böse“ in Shin Megami Tensei IV: Apocalypse keine Rolle spielen. Vor allem der Charakter Dagda, der seinen komplett eigenen Plan verfolgt, ist wahnsinnig faszinierend. Das Spiel schlägt dadurch des Öfteren erwachsene Töne und Thematiken an. Wenn ihr kindgerechte und leichtherzige Unterhaltung sucht, seid ihr hier definitiv falsch!
Doch kommen wir endlich zum Gameplay! Um in Tokio zu bestehen, müsst ihr euch mit Dämonen anlegen, sie rekrutieren und für euch kämpfen lassen. Klingt ein bisschen nach Pokémon? Naja, nicht ganz. Dämonen lassen sich nämlich nicht einfach mit einem kleinen rot-weißen Ball fangen. Trefft ihr auf eine Gruppe von Dämonen, so könnt ihr im Kampfbildschirm die Option „Talk“ auswählen und euch mit dem Gegenüber unterhalten. Hierbei müsst ihr sehr vorsichtig vorgehen, da jeder Dämon seine eigenen Verhaltensmuster aufweist. Dem einen imponiert es, wenn ihr besonders dominant seid, der andere mag es lieber, wenn ihr ergeben seid und ihm einen Teil eurer Items überlasst. Oftmals werdet ihr dabei echt fies über den Tisch gezogen und die Dämonen verschwinden, ohne euch irgendeine Gegenleistung zu geben. Oft kommt es aber auch dazu, dass sie sich euch anschießen.
Habt ihr erst ein Mal ein paar Dämonen gesammelt, könnt ihr in den Kampf ziehen. Hierbei wird rundenbasiert vorgegangen: Erst das eine Team, dann das andere. Führt ihr während eures Zuges einen kritischen Angriff durch oder greift die Schwachstelle des Gegner an, erlangt ihr einen weiteren Zug mit einem Charakter. Andersrum bekommt ihr einen Zug abgezogen, wenn ihr den Gegner verfehlt. Hinzu kommt die Fähigkeit „Smirk“, welche euch im nächsten Angriff einen garantierten kritischen Treffer und manchmal auch einen weiteren Zug beschert. Einen kleinen Haken gibt es natürlich auch: Eure Gegner können ebenfalls „smirken“ und weitere Züge bekommen. Das Kampfsystem wird durch diese Gegebenheiten sehr komplex und ermutigt euch dazu, die Schwachstellen des eigenen Teams und die des Gegners genau zu analysieren.
Es lohnt sich also vor allem für Bosskämpfe ein Team zusammenzustellen, welches weit aufgefächert ist und in dem nicht jeder Dämon die gleiche Schwachstelle besitzt. Apropos Kämpfe, Bosse und Schwierigkeitsgrad. Shin Megami Tensei IV: Apocalypse kommt mit drei Schwierigkeitsgraden, die nicht ganz so gut auf sich abgestimmt sind, daher. Während der Erste wirklich leicht ist und euch das ganze Spiel eigentlich in einem Rutsch durchspielen lässt, haut euch der Zweite schon mächtig auf die Zwölf. Der Dritte wiederum ist wirklich nur etwas für absolute Kenner der Serie und macht für Anfänger und Fortgeschrittene absolut keinen Sinn. Schön wäre ein weiterer Grad gewesen, der zwischen dem Ersten und Zweiten angesiedelt ist, da hier doch eine recht große Lücke entsteht. Glücklicherweise kann man die Schwierigkeit jederzeit im Spiel abändern. Die Bosse sind durchweg fordernd und lassen euch nicht selten beim ersten Versuch sie zu bekämpfen ins Gras beißen.
Werden euch die Gegner, denen ihr euch in den Weg stellen müsst, zu schwer, lohnt es sich eine Fusion von verschiedenen Dämonen vorzunehmen. Hierzu gibt es einen eigenen Menüpunkt, in dem ihr euch beim Fusionieren wild austoben könnt. Das macht vor allem viel Spaß, weil man auf vorgefertigte Kombis zurückgreifen kann, aber auch selbst den Mixer spielen darf. Je nachdem welche Skills und passive Fähigkeiten die ursprünglichen Dämonen hatten, erhält der neue Dämon ähnliche, meist verbesserte Werte. Welche Skills übernommen werden, könnt ihr sogar selbstständig festlegen und das solltet ihr auch tun. Denn wenn ihr einen neuen Dämon in den Kampf schickt und dieser einen Level aufsteigt, kommt es dazu, dass ihr euch von diesem Dämon sogenannte „Whispering Skills“ abholen könnt. Das bedeutet, dass ihr euch an der Skillauslage des Dämons bedient und euer Fähigkeitenrepertoire damit bereichert. Mit gleichen Fähigkeiten wertet ihr eure Skills zudem auf. Das ganze Fusionskonzept ist derart komplex, dass man es hier nicht in aller Gänze beschreiben kann, ermutigt aber immer wieder zu neuen Kombinationen und dazu, sich die Skills seiner Dämonen so zurechtzulegen, dass euer Charakter auch etwas davon hat.
Wenn man jetzt liest „Tokio, Untergangssetting, Zerstörung etc.“ denkt man vielleicht: „Wow, ich renne die ganze Zeit in einer düsteren Stadt herum und bringe düstere Schergen zur Strecke“. Das wird dem Spiel allerdings nicht gerecht. Ja, es ist oft düster und ja, ihr müsst viele Dämonen erledigen, aber die Umgebungen, welche euch von Shin Megami Tensei IV: Apocalypse aufgetischt werden, sind wahrlich vielseitig, farbenfroh und erstaunen immer wieder. So entstehen einige Augenöffner-Momente, auch wenn das Spiel an vielen Stellen eher einen finsteren Ton anschlägt.
Für die Auflockerung zwischen den Kämpfen dienen die ausladenden Gespräche und die abwechslungsreich gestalteten Dungeons. Immer wieder diskutiert ihr mit verschiedenen Figuren über die derzeitige Lage, schmiedet neue Pläne oder schließt neue Bündnisse. Diese Gespräche sind unheimlich interessant und gut inszeniert, tendieren aber dazu leicht in die Länge gezogen zu sein. Trotzdem werden alle JRPG-Enthusiasten hier sicher ihre helle Freude haben, nicht allein, weil immer wieder lustige, traurige und spannende Momente entstehen, die für das Genre unverzichtbar sind. Auch die Verliese, Höhlen und Irrgärten, in denen ihr euch des Öfteren wiederfindet, machen Spaß, sehen wunderbar aus und bringen dem Spiel die Auflockerung, die zwischen Kampf und Gespräch benötigt wird. Nicht selten werdet ihr hier auch vor kleine Rätsel gestellt, bei denen ihr euren Grips einschalten müsst.
Wer sich mit Shin Megami Tensei auskennt, wird von der Grafik wenig überrascht sein. Es ist immer noch ein Mix zwischen einer 3D-Umgebung, 3D-Charaktermodellen und 2D-Charakter-Sprites. Vor allem die zweidimensionalen Abbildungen der Figuren kommen manchmal etwas arg verwaschen daher und man fragt sich, ob das nicht auch mit einer besseren Auflösung funktioniert hätte. Dafür sind die Charaktere, Dämonen und Götter in der Nahaufnahme, während Gesprächen etc., aber wirklich wunderbar gestaltet. Vor allem die nicht-menschlichen Charaktere sprühen dabei nur so vor Einfallsreichtum und Kreativität, was sich auf das ganze Spiel auswirkt. Die verschiedenen Stadtteile und Dungeons, in denen ihr euch bewegt, kommen dabei ebenfalls sehr detailreich und stimmig daher. Wenn man sich also erst einmal auf den Mix zwischen zwei- und dreidimensional eingestellt hat, kommt man schnell dahinter, was das Spiel so ansprechend macht.
Auch der Soundtrack lässt beinahe keine Wünsche offen. Oft wird hierbei eine leicht bedrückende, mysteriöse und düstere Note angeschlagen, es kommt aber auch immer wieder zu schnellen, treibenden Melodien, die euch zum Kämpfen motivieren oder schlicht harmonischen Tönen, die euch über die Stadtkarte von Tokio begleiten. Insgesamt bieten sich hier zwar keine Ohrwürmer, die euch wochenlang nicht aus dem Kopf gehen, ein stimmiges Gesamtbild wird dennoch vermittelt. Ein kleiner Kritikpunkt existiert dann allerdings doch: In manchen Bosskämpfen flacht der Soundtrack sehr ab und fällt äußerst minimalistisch aus. Die Entscheidung dafür ist nicht ganz nachvollziehbar, fällt aber auch nicht besonders schwer ins Gewicht.
Was man eventuell bemängeln könnte, sind die doch sehr ähnlichen Strukturen, Dämonen und Visualisierungen, welche sehr an den Vorgänger erinnern. Auch wenn die Handlung komplett anders ist, sind die Parallelen einfach nicht zu übersehen. Wer also in eine wirklich neue Welt eintauchen möchte, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Auch das Kampfsystem kann nur mit wenigen unmerklichen Änderungen glänzen, ist aber zugegeben in den vorherigen Teilen schon beinahe zur Perfektion getrieben worden, sodass Änderungen vermutlich eher negativ aufgefallen wären.
Kommen wir nun noch zum Umfang und der Lokalisierung des Spiels. Mit Shin Megami Tensei IV: Apocalypse erhaltet ihr für den Kaufpreis unheimlich viel Content. Das Spiel ist ein wahres Monster geworden, was wiederum Fans der Serie nicht unbekannt vorkommen dürfte. Die Haupthandlung lässt euch für rund fünfzig Stunden in das düstere Tokio eintauchen und gegen Götter und Dämonen gleichermaßen antreten. Je nach dem, welchen Schwierigkeitsgrad ihr gewählt habt, ist da aber sicherlich noch mehr Spielzeit drin. Nach dem ersten Durchspielen ermutigt das Spiel übrigens dazu, der Handlung noch einmal zu folgen, da es verschiedene Enden gibt. Ein einziger Wermutstropfen ist allerdings die fehlende Lokalisierung: Das Spiel ist komplett auf Englisch! Das ist in so weit nicht das Problem, allerdings ist die verwendete Sprache auf gehobenem Niveau und dürfte dem ein oder anderen Englisch-Laien in die Verzweiflung treiben.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel