Unser Test zum Spiel: Giana Sisters: Twisted Dreams

Ich kann mir persönlich zwar überhaupt nicht vorstellen, dass irgendein Zocker dieses Spiel nicht kennt, aber euer Videospiel-Opa erklärt es euch einmal: The Great Giana Sisters ist ein C64-Klassiker, der 1987 von Time Warp Productions und dem deutschen Publisher Rainbow Arts bei uns veröffentlicht wurde. Das Jump'n'Run hatte unheimlich starke Ähnlichkeiten zu Super Mario Bros. und einige Wochen nach Erscheinen der Amiga-Fassung im Jahr 1988 verschwand der Titel ganz plötzlich wieder aus den Regalen. Laut einer weit verbreiteten Legende sah sich Nintendo in seinen Marken- und Urheberrechten verletzt und stoppte deshalb angeblich den Verkauf. Offizielle Belege gibt es dafür allerdings nicht. Der angebliche Rechtsstreit mit Nintendo machte das Spiel jedoch weltweit bekannt und es erreichte in der Szene sehr schnell einen Kultstatus. Auch an mir ist das Abenteuer natürlich nicht vorübergegangen. Dank meines etwas älteren Bruders bekam ich als sechsjähriger Fratz nämlich die Möglichkeit, die zwei Damen auf dem guten alten C64-Brotkasten durch ihr geklontes „Mario“-Abenteuer zu begleiten. Und was soll ich sagen, es machte genauso viel Spaß wie Nintendos Original.


So sieht es in meinen Träumen allerdings nicht aus.

Nun kehren die berühmten Geschwister dank eines erfolgreichen Kickstarter-Projekts zurück. Der deutsche Entwickler Black Forest Games reanimiert mit Giana Sisters: Twisted Dreams das Ur-Jump'n'Run und versorgt es mit einer aufpolierten Grafik und einem rundum erneuerten Gameplay. Am 31. August 2012 endete die Finanzierungskampagne erfolgreich, insgesamt konnte Black Forest Games 186.158 US-Dollar von 6.149 Unterstützern einsammeln. Im Oktober 2012 wurde das Spiel dann auf den Download-Plattformen Gamersgate, GOG.com und Steam veröffentlicht. Seitdem befand sich die Wii U-Portierung in Arbeit. Aber endlich hüpfen die weiblichen Hüpfer endlich auch auf Nintendos Touchscreen-Konsole.

Wie damals ist der Einstieg famos einfach und ohne jeglichen Firlefanz. Es gibt bis auf ein Mini-Intro auch keinen großartigen Plot. Nicht einmal die obligatorische „Rette die Prinzessin aus den Fängen des bösen Widersachers“-Geschichte wurde dem Abenteuer angedichtet. Wobei, in diesem Fall wäre es wohl ein Prinz gewesen, der von einer schrecklichen Hexe gefangen wurde, aber das wäre vielleicht wirklich etwas ungewöhnlich. Umso besser, dass die großartigen Gianas mitten in der Nacht einfach nur in eine Traumwelt gesogen werden und dabei zahlreiche Diamanten einsammeln. Reichtum ansammeln, wild herumhüpfen und dabei große Heldentaten vollbringen; träumen kann so schön sein. Doch laut den Entwicklern ist die Story tiefgründiger als man denkt.

Denn Maria wird in eine Traumwelt entführt, in der ein riesiger roter Drache sie gefangen hält. Ähnlich wie Freddy Krüger, nur etwas netter. Es liegt nun an ihrer Schwester Giana, sie aus der Traumwelt zu retten. Giana hat zum Glück in der Vergangenheit gelernt, wie sie ihre eigenen Träume manipulieren kann. Diese neue Fähigkeit setzt sie in ihren Träumen ein und kann so nun zwischen der netten blonden und der punkigen rothaarigen Charakterin wechseln. Die beiden Mädels stehen laut Black Forest symbolisch für die pubertäre Entwicklung, den Zwiespalt zwischen Wut und Selbstbewusstsein. Der Wechsel der Charaktere wirkt sich auf die Fähigkeiten, die Umgebung und auch die Musik aus. Die Pubertät hat Gott sei dank allerdings nur wenig Einfluss auf das Gameplay.

Giana Sisters: Twisted Dreams ist ein so dermaßen klassisches Jump'n'Run, dass man eigentlich mit dem Vorurteil „Langweilig“ an das Spiel herangehen könnte. Doch die Entwickler haben das einfache und bereits 100 Mal gespielte Genre mit einer interessanten optischen und spielerischen Idee ausgestattet. Ihr wechselt nämlich mit einem Button zwischen den Träumen und den Figuren hin und her. Und zwar nahtlos in Echtzeit und wann immer ihr wollt! Dabei morpht quasi die gesamte Welt von einer idyllischen in eine eher düstere Traumwelt. Natürlich wechseln dabei die passenden Sonder-Fähigkeiten.

Und auch wenn der Wechsel primär eine wichtige Rolle für das Gameplay in Giana Sisters: Twisted Dreams spielt, ertappte ich mich oftmals dabei, einfach mal so hin und her zu wechseln. Der optische Effekt und der musikalische Wechsel machen einfach Laune. Hinzu kommt, dass wie im Original die musikalische Videospiel-Legende Chris Hülsbeck für die bekannten Giana-Melodien verantwortlich ist. Für den HD-Teil hat er natürlich die musikalischen Evergreens in die Neuzeit verfrachtet. Doch wer nicht auf Retro-lastige Elektroklänge steht, wechselt einfach zur etwas raueren Schwester. Dank der schwedischen Heavy Metal-Band Machinae Supremacy und Fabian Del Priore wird der Hörgenuss plötzlich zur rockigen Gitarrennummer. Wer das einmal gehört und gesehen hat, wird sich sofort in den nahtlosen Traumwelt-Wechsel verlieben.


Die Metal-Göre im Biene Maja-Land.

Der ständige Wechsel dient aber, wie angeschnitten, hauptsächlich zum Voranschreiten innerhalb der zahlreichen Level. Zahlreiche Hindernisse wie Brücken oder Plattformen sind oftmals nur in einem der beiden Träume vorhanden. Insgesamt müssen 3 Welten mit insgesamt 23 Levels (Illuminati!?) gemeistert und über 10.000 Diamanten gesammelt werden. Viele Edelsteine liegen ganz profan in der Gegend herum, einige sind aber auch gut versteckt. Generell kann man die klassischen Jump'n'Run-Level relativ schnell durchqueren, wer aber alle Diamanten finden möchte, muss sich auf die Suche begeben und ständig zwischen den Träumen wechseln.

Auf Leicht befindet sich der Schwierigkeitsgrad auf dem üblichen Super Mario-Niveau. Wer es gerne härter hat, steigert ihn einfach Stück für Stück. Dies geht bis zur absoluten Hardcore-Variante, in der ihr nur ein einziges Leben für das gesamte Spiel besitzt. Solltet ihr sterben, fängt das Spiel von vorne an. Also ein Modus für echte Emos, die sich gerne selbst verletzen. Die drei Welten von Giana Sisters: Twisted Dreams wurden im Design übrigens recht detailliert und abwechslungsreich gestaltet, allerdings besticht die Umgebung sehr oft durch eine gewisse Sterilität. Das liegt aber eher an der mangelnden Bewegung beziehungsweise den nur sehr wenigen Animationen im Hintergrund. Gestalterisch und Licht-technisch bewegen sich die magischen Geschwister aber auf einem hohen Niveau. Etwas mehr Leben im Hintergrund hätte der Atmosphäre aber gut getan.

Jede Welt hat natürlich ihren Endboss, zu dem ihr nur gelangt, wenn ihr mindestens die Hälfte der Diamanten in jedem Level aufsammelt. Die Mechanismen der Endgegner sind allerdings recht simpel gehalten und gut zu erkennen. Doch ganz so hirnlos wie die Teufel, Quälgeister und anderen Monster, die in den Träumen herumgeistern, sind sie trotzdem nicht. Normale Gegner laufen nämlich meistens nur völlig stupide von rechts nach links und wieder zurück oder fliegen wie hirnlose Zombies durch die Gegend. Im Prinzip warten sie nur darauf, von euch „behüpft“ zu werden.

Wie das gesamte Spiel ist die Steuerung von Giana Sisters: Twisted Dreams simpel gehalten. Es wird gerannt und gehüpft und die beiden Heldinnen besitzen jeweils eine Spezialattacke. Während Giana den Wirbelsprung a lá Super Mario beherrscht und über größere Abgründe gleiten kann, ist die rothaarige Giana-Variante in der Lage, mit einer Art Dash-Attacke Hindernisse zu durchbrechen, Gegner niederzuwalzen und sich von Wänden abzustoßen. Durch den fließenden Wechsel werden die beiden Fähigkeiten während des Spielens ständig kombiniert. Im Verlauf des Abenteuers müsst ihr diese Fähigkeiten dann mit exaktem Timing einsetzen. Insbesondere durch die Dash-Attacke gewinnt das Spiel enorm an Geschwindigkeit und Dynamik. Überspitzt gesagt wechselt ihr im Gameplay zwischen Mario und Sonic. Was mich zu der Idee geführt hat, dass Nintendos Schnurrbartträger und der blau angelaufene Igel ja einal zusammen ein Jump'n'Run bestreiten könnten.

Der Touchscreen der Wii U bekommt leider keine besonderen Fähigkeiten verliehen. Lediglich der Off-TV-Modus kann wie so oft genutzt werden. Die Entwickler aus dem Schwarzwald hatten es bis zum Erscheinungstermin aber nicht geschafft, in diesem Modus auch die Musik auf das Wii U GamePad zu streamen. Mithilfe eines Patches soll dies aber in naher Zukunft behoben werden. So völlig ohne Sound macht der Off-TV-Modus abends auf der Couch auch fast keinen Spaß. Zudem gibt es für Wii U-Besitzer gegenüber den bereits erschienenen Plattformer-Titeln kaum einen Mehrwert.


Respekt an den Kaäitän und seine Mannschaft, das Schiff in diese kleine Bucht bekommen zu haben.

Unser Fazit

7

Spaßgarant

Meinung von Holger Wettstein

Ich weiß, sehr viele Pressekollegen haben Giana Sisters: Twisted Dreams 80% oder eine 8 gegeben, bei mir bekommt der sehr solide und spaßige Plattformer aber „nur“ 7 von 10 Punkten. Was aber wahrlich keine schlechte Wertung ist. Für mich persönlich hat es allerdings nicht zum Spiele-Hit gereicht. Hierfür mangelt es meiner Meinung nach am letzten Feinschliff und am fehlenden Mehrwert für Wii U-Käufer. Die Hintergründe wirken manchmal zu leblos, die Gegner sind hirnlos stupide und das sehr klassische Gameplay hatte man als begeisterter Videospieler schon zu oft in den Fingern. Der fulminante Echtzeitwechsel wirkt in der ersten halben Stunde durchaus beeindruckend, das Gameplay flutscht und auch die netten Damen sind sympathisch, doch letztendlich ist Giana Sisters: Twisted Dreams ein Jump'n'Run, wie man es kennt. Wer aber wirklich Bock darauf hat, wieder einmal einen ganz geradlinigen Plattformer ohne großartigen Schnickschnack und mit einem optional sehr fordernden Schwierigkeitsgrad zu zocken, der wird enormen Spaß daran haben. Fans der Geschwister Giana brauche ich sowieso keine Kaufempfehlung aussprechen. Diese haben sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sicherlich bereits vor einem Jahr die so gut wie identische PC-Variante auf Steam heruntergeladen.

Die durchschnittliche Leserwertung

5 User haben bereits bewertet

Kommentare 2

  • lyle

    Turmheld

    Die Kritikpunkte finde ich ja irgendiwe ein wenig unbedeutend. "Die Hintergründe wirken manchmal zu leblos, die Gegner sind hirnlos stupide und das sehr klassische Gameplay hatte man als begeisterter Videospieler schon zu oft in den Fingern." Trifft irgendwie alles auch auf die neuen Super Mario Bros. Spiele zu und da stört es keinen. Mich würde ja auch mal interessieren wie gut die Steuerung funzt. Manche bezeichnteten sie als zu unpräzise.
    Ansonsten werde ich es mir sofort laden, wenn wir eine Wii U haben.

  • Holger

    Administration

    Steuerung funktioniert tadellos. Da hatte ich schon unpräzisere Kolllisionsabfragen in JnRs.


    Zu den Kritikpunkten. Wenn sie dich nicht stören dann greif unbedingt zu. :)