Unser Test zum Spiel: Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara

Ich muss ein Geständnis ablegen: Ich habee keinen blassen Schimmer von Dungeonss & Dragons. Mit diesen Worten habee ich meine Glaubhaftigkeit bestimmt binnen Sekunden abgeschossen, doch lasst mich erklären: Bei Familien-Treffen waren Brettspiele für mich stets ein „Wenn’s sein muss“-Thema. Oder ich habee mit Senioren Mensch ärgere dich nicht gespielt, wenn ich mich vor der Arbeit drücken wollte. Da ich also kaum Berührung hatte mit Brettspielen, fragte ich einfach ganz lieb meine Klassenkameraden, wie denn dieses Dungeonss & Dragons funktioniert. Umso überraschter war ich, wie begeistert die Antwort ausfiel und wie viel Euphorie dahinter steckte. Mit dieser geballten Information dachte ich dann, ich sei bestens vorbereitet auf Capcoms Arcade-Collection Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara. Werden Capcoms Arcade-Hits also gerecht gegenüber der RPG-Brettspiel-Vorlage? Und wenn nicht, sind sie trotzdem spielenswert? Um all diese Fragen zu beantworten, holte ich meinen Zaubermantel und mein Schwert aus der Besenkammer und begab mich in das persönliche Neuland.


4 gegen 1, das nenne ich fair. Aber damit das Gute siegt, muss man sich eben auch mal zusammenrotten.

Jetzt habe ich erfolgreich um den heißen Brei herum geredet, denn was ist denn dieses Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara genau? Hierbei handelt es sich um zwei Arcade-Games, die jeweils 1993 und 1996 erschienen sind. Und da Arcade-Automaten zu dieser Zeit in Deutschland nicht öffentlich erlaubt waren, feiern die beiden Dungeons & Dragons-Spiele somit ihre Deutschland-Premiere. In diesem feinen Download-Paket haben sich Tower of Doom und Shadow over Mystara versteckt. Daher werde ich mich ausnahmsweise einmal gegen den Review-Strom lehnen und beide Titel getrennt beleuchten. Schließlich brauchen wir ja Licht, wenn wir Dungeons erkunden wollen. HA HA HA! Ok, Verzeihung, der war wirklich schlecht. Fangen wir lieber an…

(n)Tower of Doom
Das Land Dorakin wird von Ogern, Monstern und anderen fiktiven Fabelwesen überfallen, die den Menschen Not und Leid bringen. Natürlich kann man da nicht tatenlos zusehen und so befiehlt euch Corwin Linton, Mitglied des Hohen Rats des Landes, der Sache nachzugehen und den Drahtzieher in die Schranken zu weisen.

Ihr habt dabei die Wahl zwischen vier Helden mit jeweils verschiedenen Attributen. Wenn ihr neu seid, dann ist der Krieger mit seinen ausbalancierten Werten die ideale Wahl. Wollt ihr aber mehr Nahkampfschaden austeilen, solltet ihr zum Zwerg greifen. Doch nicht nur in Muckis steckt Kraft und das beweist die Elfen-Frau mit ihren mächtigen Zaubern am besten. Dafür kann sie allerdings nicht gut mit schlagkräftigen Argumenten umgehen. Benötigt ihr aber einen Kämpfer, der besonders gut in der Verteidigung ist, dann solltet ihr euch an den Kleriker wenden. Seine Stärke sind die defensiven Zauber, mit denen ihr Gegner betäuben oder fesseln könnt.

Habt ihr euch entschieden, werdet ihr sofort auf das Schlachtfeld geworfen. Auf ein Brettspiel-Schlachtfeld? Tja, Capcom dachte eher an das Arcade-Geschäft und welches Genre war besonders beliebt in den Arcade-Hallen? Richtig, Prügler, so weit das Auge reicht. Und genau in diesem Gebiet befindet sich auch Tower of Doom, denn hierbei handelt es sich um ein mehr oder weniger klassisches Scroll-Beat’em up, wie man es von Streets of Rage oder Final Fight kennt. Mit Schlägen und Tritten bahnt ihr euch also den Weg durch die Monsterherde und müsst von Punkt A nach Punkt B gelangen. Doch das ist nicht alles: Ihr habt ein Arsenal an Waffen zur Verfügung, die ihr im Kampf einmalig benutzen könnt. Dabei handelt es sich aber meistens um Wurf-Waffen, die ihr dann gegen eure Gegner schleudern könnt.

Wenn ihr bestimmte Charaktere ausgewählt habt, stehen euch sogar mächtige Zauber zur Verfügung, die gerne mal den ganzen Bildschirm in einen Effektrausch verwandeln. Doch eure verfügbaren Waffen oder Zauber vom Anfang werden kaum ausreichen. Die Lösung: Schatzsuche. Ihr werdet ab und zu nämlich auf Schatzkisten stoßen, die euch neben Geld auch gerne mal Ausrüstung oder Zauber ausspucken. Viele Schätze liegen außerdem griffbereit auf der Straße. Doch diese sind meistens nicht so mächtig, wie man es gerne hätte. Wenn ihr also mehr wollt, solltet ihr die Gegend nach Geheimgängen absuchen, denn die führen zu besonders wertvollen Schätzen. Im Verlauf der Story werden eure Waffen aber auch automatisch verstärkt. Praktisch, oder? Wenn wir schon bei neuen Wegen sind: Nach jedem Level-Abschnitt wird euch anhand der Geschichte die Wahl gegeben, welchen Weg ihr einschlagen wollt. Das gibt dem Spiel einen enormen Wiederspielwert, auch wenn sich am Verlauf der Story wenig ändert.

Doch nicht nur Zauber und Waffen machen euch stärker. Ein besonderes RPG-Element hat es nämlich in Dungeons & Dragons geschafft: Das Aufleveln. Sobald ihr den Abschnitt und den dazugehörigen Boss besiegt habt, werden euch Erfahrungspunkte gutgeschrieben, die dann euer Level steigern. Jedoch muss ich ganz ehrlich zugeben, dass das nicht ganz so funktioniert wie ich dachte. An sich ist das natürlich eine super Idee, doch ich konnte nie einen Unterschied spüren nach einem Level-Up. Auch ein spürbarer Effekt der Ausrüstung blieb mir verwehrt: Ich fühlte mich jedes Mal genauso „schwach“ wie zuvor. Nur die neuen Zauber gaben mir einen spürbaren Stärkeschub. Ich kann verstehen, dass auch die Monster immer stärker werden, doch mir fehlt einfach das Gefühl des „Ich bin stärker geworden“. So funktioniert dieses System nicht ganz. Auch Eric empfand keinen nennenswerten Unterschied nach einem Level-Aufstieg, als wir uns gemeinsam durch die Feindeshorden kloppten.

Aber immerhin hat man versucht, sich mit diesen RPG-Elementen der Vorlage anzunähern, was bei einem Arcade-Prügler durchaus schwierig sein kann. Ansonsten funktioniert die Steuerung nach der Eingewöhnung ganz gut, sodass man immer die Kontrolle über seine Figur hat. Leider wurden die Waffen-Menüs nicht gut untergebracht, denn sie befinden sich ganz unten im Kämpfer-Profil. Das ist aus dem Grund unpraktisch, weil beim Durchsuchen der Waffen die Kampfumgebung nicht mehr richtig im Blick ist. Und das Spiel bietet euch nur wenige Kampf-Pausen, also müsst ihr immer mit dem Risiko spielen, dass ihr beim Auswählen der Waffen vermöbelt werdet.

Die Grafik ist sehr detailliert und die Effekte wissen absolut zu gefallen. Ich habe nichts gefunden, was „schlecht“ aussah und selbst für heutige Verhältnisse ist die Sprite-Qualität gut gealtert. Ob das Charakter-Design der Vorlage gerecht wird, kann ich aber nicht beurteilen. Ich vertraue den damaligen Herren von Capcom aber mal in der Hinsicht, dass sie sich Mühe dabei gegeben haben, das Dungeons & Dragons-Universum gerecht im Spiel zu illustrieren. Die Musik hat mich persönlich sehr an das SNES-Spiel The Magical Quest starring Mickey Mouse erinnert, das ebenfalls von Capcom stammt. Genau aus diesem Grund hat mir die Musik besonders gut gefallen und die ruhigen Klänge lassen mich gleich vom Elfenreich träumen. Und wenn es hart auf hart kommt, wird ordentlich trompetet.


Zu viert macht die Keilerei einen Heidenspaß!

Shadow over Mystara
Nach den Ereignissen von Tower of Doom ziehen unsere Helden in das Land von Glantri, um weiteren notbedürftigen Menschen das Leben zu erleichtern und gegen die Monster zu kämpfen. Doch unsere Helden erfahren, dass ihr Sieg im letzten Spiel nur der Anfang war, denn die Hexenmeisterin Synn schwor Rache gegen die Helden. Ach ja, natürlich will sie das Land erobern, wie kann es auch anders sein. Auf unsere Helden wartet ein noch größeres und gefährlicheres Abenteuer als je zuvor.

Den Großteil dieser Kämpfer kennen wir schon aus (n)Tower of Doom: den Krieger, die Elfin, den Zwerg und den Kleriker. Die Attributen sind ebenfalls gleich geblieben, weshalb ich nicht näher auf sie eingehe. Lieber möchte ich euch den Zuwachs vorstellen. Unsere Helden haben nämlich noch weitere Mitstreiter finden können. Sie habt ihr jetzt auch die Wahl zwischen einer Diebin und einem mächtigen Zauberer. Die Diebin hat schnelle Nahkampf-Attacken drauf, die jedoch nicht allzu stark sind. Ihre wahre Stärke liegt bei den Schätzen: Sie kann verschlossene Schätze mithilfe ihrer Betrüger-Fähigkeiten aufknacken und Fallen aufspüren (euch wird beim falschen Schatz ein Ausrufezeichen eingeblendet). Der Zauberer wiederum ist nicht für Anfänger gedacht. Mit den schwächsten Schlägen und der niedrigsten Reichweite ist er für den Nahkampf absolut ungeeignet. Er vertraut auf starke Magie, von der er ziemlich viel vorzuweisen hat. Und dank seines Magie-Stabs kann er seine Zauber noch variieren, wodurch er komplexeste Kämpfer von allen ist.

Sonst ist alles beim Alten geblieben. Das Waffen/Zauber-System sowie das Level-System wurden übernommen von Tower of Doom und auch das Kampfsystem findet sich in identischer Form wieder. Besserungen habe ich leider nicht vorfinden können, was ich angesichts der Level-Up-Problematik etwas schade finde. Trotzdem ist Shadow over Mystara weiterhin geschmeidig spielbar, wenn nicht sogar etwas geschmeidiger als sein Vorgänger. Eine erfreuliche und merkbare Besserung gibt es aber: Das Waffen/Zauber-Menü wurde angepasst. So wird nun ein Ringmenü eingeblendet, wie man es von Secret of Mana kennt. Dadurch habt ihr nicht nur den Überblick über alle Utensilien, ihr habt gleichzeitig euren Blick immer aufs Kampffeld gerichtet. Das macht das Spielerlebnis um einiges angenehmer.

Des Weiteren könnt ihr immer noch auf Schatzsuche gehen und geheime Gänge finden. Auch die Wahl zwischen verschiedenen Wegen ist wieder dabei. Diesmal gibt man euch aber nicht nur zwei Alternativen, sondern gleich vier. Also noch mehr Wiederspielwert. Davon kann man nie genug haben. Die Grafik und die Musik befinden sich auf dem gleichen Niveau wie beim Vorgänger. Auf der grafischen Seite wirkt das Spiel sogar ein kleines bisschen feiner, es wurden aber ziemlich viele Gegner (und Helden) einfach übernommen. Immerhin haben die Protagonisten eine Alternativ-Farbe. Ansonsten kann man sehr zufrieden sein mit Grafik und Sound.

Hiermit habe ich euch beide Spiele einmal vorgestellt. Das war auch so einiges, nicht wahr? Aber es war längst nicht alles! Beide Spiele könnt ihr zu viert im Multiplayer spielen. Und wie sich jeder denken kann, blüht ein Beat’em up im Mehrspieler besonders auf. Doch mich hatte es letzte Woche stark erwischt mit der Magen-Darm-Grippe und so konnte ich schlecht weitere Mitspieler zu mir einladen. Musste ich also auf Multiplayer-Abende verzichten? Nein, denn Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara hat tatsächlich einen Online-Modus spendiert bekommen. Ihr könnt darin entweder einem Spiel beitreten oder selber ein Spiel eröffnen. Es lassen sich auch neue Regeln aufstellen, die euren Mitstreitern das Leben entweder einfacher oder schwerer machen. Aber falls ihr keine Zeit für langes Suchen habet, dann hüpft ihr einfach mitten ins Geschehen und die Party kann losgehen. Bei schlechter Verbindung laggt es natürlich, doch zum Glück ist mir das selten passiert.

Auch sonst will euch die Neuauflage mit zusätzlichen Boni verwöhnen. Das fängt bei diversen HD-Filter-Optionen an (die Kabinet-Einstellung sticht dabei besonders hervor, da sie euch quasi vor den Arcade-Automaten stellt) und endet auch nicht bei der Auflistung aller gefundenen Schätze. Es warten nämlich noch besondere Achievements und Bestenlisten auf euch. Und bevor ich es vergesse: Selbst Einsteiger können sich an das Beat’em up-Fest wagen. Man kann den Schwierigkeitsgrad nämlich ändern und selbst wenn man auf dem Schlachtfeld sterben sollte, kann direkt danach dank einer virtuellen Münze wieder dort weitergeprügelt werden, wo man draufgegangen ist. Und ihr habt unendlich viele Münzen, also auch unendliche Continues. Ohne die wäre das Spiel aber auch eine richtig schwitzige Herausforderung.

Doch nicht alles ist schön im Regenbogenland (voller Gnome): Wenn Capcom etwas so richtig vergeigt hat, dann ist es die deutsche Lokalisierung. Das fängt schon beim Startbildschirm an („Drücken sie + drücken“) und macht sich auch sehr stark im Spiel bemerkbar. So sagen Gegner zum Beispiel „Ich werde Sie vernichten“ (ich gehe nicht davon aus, dass die Feinde besonder höflich sein wollen). Es ist an sich ja toll, dass es deutsche Texte gibt. Aber eine Lokalisierung bringt nichts, wenn man den Satz erst noch entschlüsseln muss, bevor man ihn verstehen kann. Nächstes Mal die Hausaufgaben machen, Capcom.


In diesem Modus habt ihr das Gefühl, als stündet ihr direkt vor dem Arcade-Automaten.

Unser Fazit

9

Geniales Spiel

Meinung von Hans-Jürgen Eisenbeis

Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara geht einen ganz anderen Weg als DuckTales: Remastered. Das Spiel an sich wurde nahezu unverändert portiert und mit vielen zahlreichen Optionen versehen, die das Spielerlebnis verfeinern sollen. Also ein fauler Job mit einer simplen Portierung? Das absolut nicht, denn der Port ist 1A gelungen und spielt sich fabelhaft auf dem HD-Fernseher. Die neuen Optionen wurden sinnvoll eingefügt und auch der Online-Modus läuft fast immer flüssig, wenn ich ihn brauchte. Auch die beiden Spiele an sich können überzeugen mit gewaltiger Beat’em up-Action und einem RPG-System, das dann leider doch nicht sein vorhandenes Potential nutzt. Jedoch bezweifle ich, dass Fans vom Dungeons & Dragons-Brettspiel ihre Freude an Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara haben werden. Die Spielbarkeit ist allerdings sehr gut gealtert und ist auch heute noch recht fein, selbst wenn man sich an die Steuerung gewöhnen muss. Beat’em up-Fans können wirklich bedenkenlos zugreifen. Aber an der deutschen Sprache müssen wir noch arbeiten, Capcom.

Awards

Spiele-Hit

Die durchschnittliche Leserwertung

4 User haben bereits bewertet

Kommentare 1

  • otakon

    Ssssssssswitch

    Sehr schöner Testbericht.
    Hab mir das Spiel geholt und find es echt gut, bin mal gespannt auf den Multiplayer - den konnte ich bislang noch nicht ausprobieren.