Unser Test zum Spiel: Bravely Second: End Layer
Bravely Second: End Layer beginnt beinahe genau da, wo uns sein Vorgänger, Bravely Default aus dem Jahre 2013, verabschiedet hat. Beinahe? Nun, zunächst einmal erklärt euch das Spiel, was im Titel davor alles passiert ist und welches Schicksal die verschiedenen Charaktere ereilt hat. Auf dieser Grundlage beginnt Bravely Second: End Layer eine neue Handlung mit neuen und alten Charakteren aus dem Lande Luxendarc. Bei einer Audienz des Kaisers Verheer wird Agnès Oblige, die mittlerweile Päpstin geworden ist, vor den Augen ihrer treuen Leibgarde entführt. Yew Geneolgia, ein Mitglied der Drei Kavaliere der Kristallgarde, schwört Agnès aus den Fängen des Dunklen Kaisers, wie er fortan genannt wird, zu retten und den Frieden in Luxendarc wieder herzustellen. Doch zu welchem Zweck hat Verheer Agnès entführt und warum spielen die Naturgesetze in vielen Teilen Luxendarcs verrückt? All diese Fragen und noch viele mehr werden sich euch beim Durchspielen von Bravely Second: End Layer offenbaren.
Yew Geneolgia und Magnolia Arch sind zwei neue Charaktere in Bravely Second: End Layer.
Die Story an sich ist zu weiten Teilen keine wirkliche Meisterleistung, es gibt zwar immer wieder interessante Wendungen und unerwartete Momente, jedoch zieht sie sich manchmal scheinbar endlos in die Länge, ohne dass irgendetwas wirklich Relevantes passiert. Im Endeffekt läuft es allerdings doch immer darauf hinaus, dass das, was gerade geschieht, mit der Haupthandlung verknüpft ist, es sei denn, ihr spielt Nebenquests. Dies wirkt sich sowohl positiv als auch negativ auf euer Spielerlebnis aus: Durch diese langatmigen Passagen sinken natürlich die Spannung und eure Haltung gegenüber dem Spiel, unbedingt weiterzocken zu wollen. Andererseits gibt es euch einen tiefen Einblick in die Charaktere und häufig auch die Welt Luxendarc an sich. Die Dialoge und Erzählungen verflechten sich immer weiter und vertiefen damit eure Beziehung zur Geschichte des Kontinents und seinen Bewohnern. Der Anfang mag vor allem den Spielern, die den Vorgänger nicht gespielt haben, etwas abrupt und hakelig vorkommen, doch mit zunehmender Spielzeit lernt ihr das Tempo des Titels kennen und könnt euch gut darin einfühlen. Zudem wird die Handlung, die zunächst etwas banal wirkt, ebenfalls immer besser.
Einen ganz großen Pluspunkt heimst sich Bravely Second: End Layer allerdings mit seinem Humor ein. Dieser ist wirklich originell und bringt euch immer wieder zum Schmunzeln. Dabei sind es nicht die stereotypischen „One-Liner“, die ihr als Humor-Fastfood-Kost in jedem anderen Videospiel zu sehen bekommt, sondern wirklich interessant konstruierte und unerwartete Situationen, die ihr dem Spiel so gar nicht zugetraut hättet. An allen Ecken und Enden merkt man, dass der Titel sich selbst nicht so ganz ernst nimmt, was aber überhaupt nicht negativ zu werten ist, sondern einfach nur charmant daherkommt. Dazu tragen vor allem die verschiedenen Anspielungen auf andere Videospiele, Filme oder Bücher bei, die manchmal dezent und manchmal sehr offensichtlich sind. Diese tauchen meistens in den Nebenquests auf, die das Spiel neben der Haupthandlung für euch parat hält und über die ich nun einige Worte verlieren möchte:
Ein Großteil der Nebenquests sind dazu da, euch mit neuen Jobklassen zu versorgen. Häufig trefft ihr während der Missionen auf zwei Charaktere aus dem Vorgänger Bravely Default, die sich auf die eine oder andere Art und Weise verändert haben. Einige haben einen Sinneswandel durchgemacht, andere ihre Professionen geändert. Bald entsteht ein Konflikt zwischen den beiden Figuren und ihr müsst euch auf eine Seite schlagen. Dabei kommt es zum Kampf gegen einen der Asterisken(Job-Kristall)-Träger, an dessen Ende ihr seine Profession übernehmt. Ihr müsst euch also am Ende jeder Nebenmission entscheiden, welchen der zwei angebotenen Jobs ihr in euer Repertoire übernehmen möchtet. Die Entscheidungen sind dabei teilweise wirklich nicht einfach und wollen sorgsam überlegt sein. Diese Mechanik ist durchaus interessant und ermutigt euch, Bravely Second: End Layer noch ein zweites Mal anzugehen. Vor allem, weil ihr mit verschiedenen Jobs auch unterschiedliche passive Boni bekommt und somit die Skillung eurer Charaktere ganz individuell anpassen könnt. Hiermit bekommt der Titel eine ganz eigene Art von Tiefe, die einiges an Zeit beansprucht, wenn man sich denn in sie hineinfuchsen und alles optimieren möchte – was auf einem normalen Schwierigkeitsgrad aber normalerweise nicht nötig ist.
Manchen Geschäften sollte man besser nachts nachgehen...
Einen Kritikpunkt gibt es dann aber doch. Es kann vorkommen, dass ihr trotz des Erledigens von Nebenmissionen nicht genug Erfahrungspunkte und somit Level bekommt, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Dann müsst ihr leider wohl oder übel auf Grinden zurückgreifen. Gut ist hierbei, dass das Spiel euch in dieser Hinsicht entgegenkommt. Wenn ihr einen Kampf innerhalb der ersten Runde beendet, könnt ihr mithilfe eines Klicks auf „L“ einen zweiten Kampf auslösen und so weiter. Je mehr Kämpfe ihr in Reihe absolviert, desto höher ist der Wert, mit dem eure angesammelten Erfahrungs- und Jobpunkte am Ende multipliziert werden. So könnt ihr auf effiziente und schnelle Art und Weise eure Level pushen und die kommenden Abenteuer angehen.
Es geht sogar noch eine Spur professioneller! Während des Kampfes könnt ihr eure Aktionen aufzeichnen und diese in den Auto.-Kampfeinstellungen abspeichern. Stellt ihr eure abgespeicherten Aktions-Ketten ein, so werden diese während eines Kampfes automatisch ausgeführt, ohne dass ihr irgendetwas drücken müsstet. Drückt ihr während des Kampfes auf die linke oder rechte Taste des Steuerkreuzes beschleunigt oder verlangsamt ihr das Geschehen, um euch mehr Zeit zu verschaffen oder langatmige Aktionen zu überspringen. Zudem könnt ihr, nachdem ihr einen bestimmten Charakter getroffen habt, die Wahrscheinlichkeit steigern oder senken, dass ihr in den Dungeons und der Weltkarte auf Monster trefft. Dies ist vor allem dann praktisch, wenn ihr kurz davor seid zu sterben und keine Heilitems und MP mehr übrig habt. Dann schaltet ihr Monsterbegegnungen einfach komplett aus und begebt euch ins nächstgelegene Dorf. Der Titel mixt hierbei also klassische RPG-Elemente mit neuen Techniken, was erstaunlich gut funktioniert. Zocker, die so gar nicht auf Grinden stehen, seien trotzdem gewarnt, diese Momente des Spiels sollten euch nicht sonderlich gut gefallen.
Der Kampf gestaltet sich im Großen und Ganzen genauso wie im Vorgänger. Das bedeutet, dass ihr in Bravely Second: End Layer während einer Auseinandersetzung mit einem Gegner die Möglichkeit habt, entweder eine Aktion pro Runde zu machen, Brave oder Default einzusetzen. Bei Ersterem erhaltet ihr eine weitere Aktion, könnt aber in der darauffolgenden Runde nichts tun. Dieser Befehl lässt sich bis zu drei Mal wiederholen und euch so drei Züge auf einmal ausführen. Wählt ihr Default, setzt ihr eine Runde aus und geht in eine defensive Haltung. Ihr bekommt am Ende der Runde einen BP (Battle-Point) gutgeschrieben und könnt diesen dafür aufwenden, um in einer zukünftigen Runde Brave einzusetzen, ohne dass ihr danach eine Runde aussetzen müsstet. Ihr müsst eure BP also immer genau im Blick haben, denn ihr regeneriert normalerweise jede Runde nur einen davon und könnt nur eine Aktion machen, solange euer Punktestand am Anfang jeder Runde wieder auf 0 steht.
Dieses System bietet dem Spiel eine gewisse taktische und strategische Tiefe, da man seine Züge und Aktionen sehr genau planen und auf die Fähigkeiten seiner Gegner abstimmen kann. Des Weiteren wurde das System um ein bestimmtes Feature erweitert, welches namensgebend für das Spiel ist: das Bravely Second. Hierbei geht es in der Tat um Sekunden, denn aktiviert ihr das Bravely Second per Start-Taste, könnt ihr die Zeit anhalten und eine Aktion innerhalb eines Sekundenbruchteils ausführen, ohne dabei BP zu verlieren. Doch solltet ihr dieses Feature mit großem Bedacht einsetzen, denn das Bravely Second lädt sich erst mit der Zeit wieder auf. Eine Ladung braucht dabei stolze acht Stunden, maximal könnt ihr euch so 3 Ladungen ansparen.
Auch Städte aus dem ersten Teil wollen von euch besichtigt werden.
Neben dem Bravley Second hat sich auch in Hinsicht der verschiedenen Professionen, die ihr annehmen könnt, etwas getan. Es gibt nämlich allerhand neue Jobs, die von euch erkundet werden möchten. An dieser Stelle eine kleine Anmerkung zur Zensur der Tomahawk-Klasse: Ja, die Klasse wurde in der Tat „reworked“. In der westlichen Version des Spiels trägt sie den Titel Falkenauge und ähnelt einem Cowboy, anstatt einem Indianer. Die Skills und passiven Fähigkeiten sind allerdings die gleichen. Mit dem Falkenauge reihen sich noch einige andere Jobs, wie der Zauberer, der Exorzist, der Katzenliebhaber, der Patissier und der Astrologe in die Riege der spielbaren Professionen ein. Besonders in Hinsicht auf die Klassen, bei denen ihr euch jetzt so gar nicht erschließt, was denn damit genau gemeint sein könnte – wir schielen leicht auf den Katzenliebhaber – sei euch gesagt, dass Bravely Second: End Layer einige wirklich interessante Konzepte und Spielmechaniken ausgegraben hat, die sich wunderbar in das Spiel einfügen und überhaupt nicht anecken. Sobald ihr euch für einen Job entschieden habt, bekommt ihr am Ende jedes Kampfes Job-Erfahrungspunkte, die euch in eurem Job-Level aufsteigen lassen.
Mit jedem Joblevel spielt ihr neue aktive oder passive Fähigkeiten frei, bis auf Zaubersprüche, die müsst ihr im Magieladen eures Vertrauens erwerben. Wirklich interessant sind dabei auch die passiven Fähigkeiten, denn Bravely Second: End Layer belässt es nicht dabei, dass ihr euch eine Jobklasse aussuchen könnt, ihr dürft euch auch noch für ein Job-Geschick entscheiden. Durch dieses Geschick erhaltet ihr die Fähigkeiten einer zusätzlichen Profession, wenn auch nicht ihre Statuswerte. Im Unterpunkt Unterstützungsfähigkeiten lässt sich euer Charakter noch genauer definieren und formen. Hier könnt ihr passive Fähigkeiten auswählen, die ihr euch mit dem Aufsteigen von Jobleveln erspielt habt und die fortan die Skills eures Charakters verbessern. Ihr seht schon, dass das Konzept sehr detaillierte und unterschiedliche Spielweisen unterstützt. Das mag am Anfang etwas kompliziert erscheinen, geht aber nach wenigen Stunden in Fleisch und Blut über und je mehr ihr freispielt, desto interessanter wird das Ganze.
Neben diesen Neuerungen gibt es in Bravely Second: End Layer noch eine Aufbaukomponente, die der des ersten Teils ähnelt. Während eurer Reise trefft ihr auf einen Charakter, der euch erzählt, dass der Mond vom Dunklen Kaiser zerstört wurde und nun euch bittet ihm zu helfen, diesen wieder aufzubauen. Dabei kommt die Streetpass-Funktion des 3DS zum Tragen. Sobald ihr andere Zocker auf eurem 3DS trefft, wächst die Population des Mondes an, und ihr könnt die Zeit verkürzen, die es braucht um die verschiedenen Institutionen wieder aufzubauen. Doch was ist Sinn und Zweck hinter dem Ganzen? Mit dem Wiederaufbau bewirkt ihr verschiedene Effekte: Zum einen schaltet ihr weitere Items frei, die ihr bei NPCs in Dungeons kaufen könnt, zum anderen könnt ihr diverse Komponenten für Spezialangriffe erwerben, die ihr selbst zusammenstellen könnt. Dieses Feature ist an sich interessant, führt aber dazu, dass Spieler, die ihren 3DS nicht pausenlos durch die Gegend tragen, deutlich länger brauchen, um die Bauvorhaben abzuschließen. Jedoch kann man sich auch komplett ohne StreetPass die nötigen Vorteile verschaffen, es dauert halt eben ein bisschen länger.
Ein Rotmagier heizt seinem Gegner mächtig ein.
In Sachen Grafik ist der Titel wirklich einsame Spitze und das, obwohl viele Texturen beim näheren Hinschauen ein wenig verwaschen aussehen. Dies fällt allerdings nicht so häufig auf, da man von den scheinbar handgemalten Hintergründen, liebevoll gestalteten Vordergründen und detailreichen Charakteren überwältigt wird. Es gibt in Bravely Second: End Layer wirklich viel zu sehen und es lohnt sich immer wieder mal einen kleinen Moment anzuhalten, um seine Umgebung genauer zu betrachten und dem Werk der kreativen Köpfe von Square Enix Tribut zu zollen. Dies spiegelt sich auch in der Vielfalt der Schauplätze wieder, die keinen Wunsch offen lässt und euch immer wieder in interessante und lebendige Gegenden versetzt. Der ebenfalls sehr gute 3D-Effekt verstärkt diesen Eindruck nur noch. In noch keinem anderen Spiel hatte ich den Schieberegler des 3DS so oft nach oben geschoben, wie in Bravely Second: End Layer. Die Tiefe und die verschiedenen Ebenen, die durch den Effekt erschaffen werden, passen sehr gut zum Aussehen des Titels und sind vor allem in den Städten eine wahre Augenweide.
Auch im auditiven Bereich gibt es überhaupt nichts zu meckern, eher das komplette Gegenteil ist der Fall. Die Stimmgewalt des Casts der Synchronsprecher, dessen Vielfältigkeit und schauspielerischen Leistungen sind wirklich hervorragend. Ich habe selten eine derart gute Synchronisation gehört, die auf die Charaktere perfekt passt und keinen Wunsch offen lässt. Ein einziger Wermutstropfen ist, dass die Synchronisation leider komplett auf Englisch ist und der deutsche Text dazu teilweise nicht an die Klasse und den Wortwitz der Ausgangssprache herankommt. Die Soundeffekte, die sich beinahe gruselig echt anhören, machen ebenfalls eine stolze Figur. Ob es das Klappern eines Gebisses ist oder das Knistern eines Lagerfeuers bei Nacht, die Geräusche sind perfekt und erschaffen eine ganz besondere Atmosphäre. Auch der Soundtrack reiht sich in diese Qualität nahtlos mit ein. Ob ein rasantes, episches Gitarrensolo während großer Kämpfe oder ein leises Piano-Spiel im hohen Schnee, asiatische Klänge im Badehaus oder fröhliche Akkordeonmusik auf hoher See, der Soundtrack passt sich perfekt jeder Situation an, bleibt euch im Ohr und lässt euch aufs ein oder andere Mal unbewusst mitsummen.
Auch hinsichtlich des Spielumfangs weiß Bravely Second: End Layer ganz und gar zu überzeugen. Rund fünfzig Stunden solltet ihr mindestens für euren ersten Trip im Lande Luxendarc einplanen und danach ist noch lange nicht Schluss. Schließlich könnt ihr euch an einem höheren Schwierigkeitsgrad messen und dabei neue Job- und Fähigkeitskombos ausprobieren. Vor dem Fazit noch ein gut gemeinter Rat: Sprecht mit den Tieren! Ihr wisst nicht, wozu eure vierbeinigen Freunde alles in der Lage sind …
Überall in Bravely Second: End Layer trefft ihr auf interessante Landschaften.
Unser Fazit
9
Geniales Spiel