Unser Test zum Spiel: Schwebebahn Simulator
Liebes Tagebuch,
ich weiß, es ist etwas ungewöhnlich, dass ich nach 53 Jahren Lebenserfahrung meinen ersten Eintrag vornehme. Dies gilt insbesondere, weil es zugleich auch mein letzter sein wird. Ich halte dieses eintönige Dasein nicht mehr aus! Irgendjemandem muss ich es erzählen, aber niemand redet mit mir! Die Fahrgäste reagieren gar nicht auf mich und es ist, als wäre ich Luft. Tatsächlich musste ich heute feststellen, dass ich unsichtbar bin! Jetzt will ich es zumindest dir sagen, mein Tagebuch, du verstehst mich! Was? Ich wirke verwirrt und schreibe sinnloses Zeug? Entschuldige, das war wohl etwas zu hastig, also fangen wir mal ganz von vorne an: Mein Name ist Horst Bremser, mein Beruf ist die artgerechte Beförderung von Humanfracht in der Wuppertaler Schwebebahn und ich habe ein Problem.
Voller Vofreude steigen die Passagiere in die Schwebebahn von Wuppertal. Ihr müsst sie sicher zur nächsten Haltestelle bringen.
Mein Tag beginnt morgens im Büro. Ich meine nicht nur meinen Arbeitstag, sondern wirklich mein ganzes Leben! Mir wurde leider nicht die Befugnis erteilt, den Arbeitsplatz zu verlassen. Beim fachmännischen Betätigen der Ausgangstür kann ich lediglich meine Muttersprache auswählen und lande postwendend wieder im Büro. Sind hier magische Kräfte am Werk? Da mir diese nicht-mobile Basis allerdings in keinster Weise Lebensfreude spendet, wähle ich früher oder später jeden Tag die andere Tür und begebe mich damit in die Führerkabine meiner gelie… meiner Schwebebahn.
Mit Grauen denke ich an meinen ersten Arbeitstag zurück. Ich wurde an eben diese Stelle gesetzt und sollte losfahren. Keine freundlichen Worte, keine Einarbeitung, keine Kollegen, die mich auf die Feinheiten und Gefahren dieser verantwortungsvollen Aufgabe hinwiesen. Nur eine Reihe Hebel und Schalter. „Nun gut,“ dachte ich, „probieren geht über studieren.“ Einen Knopf nach dem anderen betätigte ich erwartungsfroh. „Schau an, ein Scheibenwischer!“ Aber fahren wollte das Ungetüm nicht. Es hat mich – nicht zum letzten Mal, wie ich noch berichten werde – buchstäblich hängen lassen. (Entschuldige das Wortspiel, liebes Tagebuch, aber ein Hauch von Humor ist die letzte Freude, die mir noch bleibt.) Also musste ich doch die knappe digitale Gebrauchsanweisung studieren, um dann doch losschweben zu können.
Ich muss dir sicherlich nicht lang und breit meine Aufgabe erklären: Gas geben, bei der nächsten Haltestelle bremsen, die Türen öffnen und sie wieder schließen. Viel mehr gibt es da gar nicht zu sagen. Aber nicht jeder ist auch qualifiziert für diese Tätigkeit! Ein wachsames Auge ist gefragt, denn die Türen sollten erst geschlossen werden, wenn alle Fahrgäste aus- oder eingestiegen sind. Auch das rechtzeitige Bremsen ist wichtig, sonst rast man an der Haltestelle vorbei! Zugegeben, diese Herausforderung kann man nach zwei oder drei Haltestellen meistern. Es ist auch nicht so, als hätte ein Versagen irgendwelche Konsequenzen. Einmal habe ich sogar eine junge Frau überfahren. Allerdings gab es keine Kollision, keine Leiche, keine Blutflecken. Ich war geschockt, aber auch dankbar.
Weißt du, Tagebuch, in meinen unzähligen Berufsjahren ist mir diese Tätigkeit zu langweilig geworden. Wann es begonnen hat? Etwa bei der dritten Haltestelle an meinem ersten Arbeitstag. Doch ich will nicht unfair sein: Hin und wieder kommt etwas Abwechslung auf. Ich erinnere mich noch daran, als sich eine Tür nicht schließen wollte. Dann erhielt ich die Anweisung, zu ihr zu gehen und sie manuell zu schließen. Aber wie sollte ich das machen? Ich konnte meine Hände nicht finden! Ist das alles hier ein Albtraum? Nein, wollen wir mal nicht in Panik verfallen. Trotzdem: wildes Drücken von Knöpfen half mir nicht weiter. Kurz vor der Verzweiflung kam der Hinweis, dass ein Kollege die Tür für mich repariert hätte. Seltsam, ich hatte ihn gar nicht gesehen… Egal, die Tür war geschlossen und es konnte weitergehen. Ich hasse Türen! Entschuldigung für den Ausbruch, aber dieses Ereignis wiederholte sich später erneut. Einmal konnte ich die Türen gar nicht schließen, also alle Türen! Keine Ahnung, warum sie nicht reagierten, ich hatte alles genauso gemacht wie sonst auch.
Aber reden wir von etwas Schönerem: beim Herumfahren kann man ja immerhin die Landschaft bestaunen. Wobei, wunderschön ist etwas anderes. Schon recht monoton das Ganze, besonders wenn man sein Leben lang dieselbe Strecke fahren muss. Außerdem spielen mir die Augen immer wieder Streiche: die Landschaft scheint sich am Horizont, manchmal sogar erst kurz vor meiner Nase aufzubauen. Sie ploppt einfach auf und ist da – ich muss mal zum Augenarzt. Diese geistlosen Fahrgäste anzusehen macht es nicht besser. Wenn sie sich an Haltestellen bewegen, dann machen ihre Beine nach wenigen Schritten eine Pause, aber die Körper bewegen sich trotzdem permanent weiter. Sind das Gespenster? Bin ich vielleicht tot? Das würde auch erklären, warum ich meinen Körper verlassen und die Bahn von außen betrachten kann. Aber wenn ich dann an die Stelle blicke, an der ich sitzen sollte, dann ist da niemand! Ich habe Angst, liebes Tagebuch!
Als ich diese mysteriösen Details erstmals entdeckte, da wollte ich fliehen. Doch ich konnte nicht! Selbst bei geöffneten Türen hielt mich eine finstere Macht davon ab, auch nur die Haltestelle zu erkunden! Ich sagte es dir ja schon, ich lebe nur in der Schwebebahn und im Büro. Ich bin gefangen, ich bin – in der Hölle? Gas geben, bremsen, Türen öffnen, Türen schließen, Gas geben, bremsen, Türen öffnen, Türen schließen. Ich drehe durch, Tagebuch, ich kann nicht mehr. Was hat das für einen Sinn? Niemand sagt es mir. Du redest ja auch nicht mit mir, da ist die digitale Bedienungsanleitung gesprächiger. Wenn ich die nach dem Sinn meines Lebens frage, sagt sie mir folgendes: „Ziel des Spiels ist es, genug Erfahrungspunkte durch das Befahren der Strecke zu erreichen, um den Rang ‚Veteran‘ zu erlangen.“ Soll es das gewesen sein? Ich bin am Ende. Liebes Tagebuch, ich werde meine jämmerliche Existenz beenden. Vielleicht habe ich Glück und werde im Landwirtschaftssimulator wiedergeboren.
In der Fahrerkabine betätigt ihr die Schalter und beobachtet auf dem Monitor, ob alle ein- bzw. ausgestiegen sind.
Unser Fazit
1
Völlig misslungen