Klasse Mechaniken treffen auf einen Mangel an Kreativität

In letzter Zeit habe ich viel über die Shin Megami Tensei-Reihe nachgedacht und deswegen kam mir der Gedanke mal einen Test zu einem der Ableger der Reihe zu schreiben. Das ich jetzt einen Test zum 4. Teil schreibe hat zwei Gründe. Zum einen ist es passend, da ja bald SMT IV: Apocalypse in den USA erscheint (und irgendwann vielleicht auch mal hierzulande) und zum zweiten gibt es bislang nur einen Test zu SMT IV, welcher von jemanden stammt der eher Unerfahren mit SMT ist (oder es zumindestens beim Verfassen seines Testes war).
Demnach kann ich als langjähriger Veteran von sowohl dem Megami Tensei-Franchise, als auch der Shin Megami Tensei - Reihe eine etwas andere Meinung zu SMT IV präsentieren und auch auf Dinge eingehen, die ein Neuling so nicht könnte. Entsprechend werde ich hier SMT IV auch stark mit seinen Vorgängern vergleichen.





In Shin Megami Tensei IV schlüpft der Spieler in Rolle des jungen Mannes Flynn, welcher im mittelalterlichen Königreich Mikado als Teil der Unterschicht aufgewachsen ist. Zu Beginn des Spiels wird dieser in die Reihen der Samurai aufgenommen, welche die Beschützer von Mikado darstellen. Folglich verbringt der Spieler auch die ersten Spielstunden damit Mikado vor Dämonen zu schützen. Der Aufenthalt in Mikado ist allerdings nur der Auftakt von SMT IV und den größten Teil des Spiels verbringt der Spieler in den Ruinen des post-apokalyptischen Tokyos, wie es eben Tradition für SMT ist. Ebenfalls der Tradition entsprechend ist, dass der Spieler im Laufe des Spiels mehrere Entscheidungen treffen muss und so bei einer von drei Gesinnungen (Law, Neutral und Chaos) landet, von denen jede ihr eigenes Ende hat.


[Blockierte Grafik: http://www.siliconera.com/wordpress/wp-content/uploads/2013/05/smtiv_eng_08_thumb.jpg]Die Story ist leider eines von SMT IVs größten Schwächen.
Das wohl größte Problem an der Story von SMT IV ist wie viel an Plotpunkten und Thematiken einfach aus SMT I & II wiederverwertet wurde. Ein gutes Beispiel ist die Traumsequenz direkt zu Beginn des Spiels, welche der Traumsequenz aus SMT I zum Verwechseln ähnlich ist, nur mit einem bedeutenden Unterschied: Die Traumsequenz in SMT I war viel besser umgesetzt.
SMT IV ist einfach voll von Momenten, die wie in SMT I & II sind, aber eben nicht so gut.
Selbst zwei Charaktere aus SMT I & II wurden zurückgebracht und einer wirkt eher nur wie Fanservice und der Andere wurde in eine Rolle gesetzt, die völlig gegen seinen zuvor etablierten Charakter steht.


Eine gute umgesetzte und originelle Story sucht man bei SMT IV vergebens.


Natürlich hat SMT IV auch eigene Ideen, aber diese gehen eher unter im Vergleich zu den von früheren Titeln entliehenen Ideen. Mal ganz abgesehen davon das auch nicht alle neuen Ideen wirklich gut sind. Paradebeispiel dafür ist das Finale des neutralen Pfades, welches einfach nur kitschig herüberkommt und vielleicht in ein Persona gepasst hätte in einem SMT aber eher unpassend wirkt. Wobei nur wenige Spieler dieses Finale ohne Guide jemals sehen werden, da die Entwickler es unnötig schwer gemacht haben die Gesinnung Neutral zu behalten, durch einen Mangel an an wirklich neutralen Entscheidungsmöglichkeiten.
Insgesamt wirkt die Story eher wie eine Ansammlung von schlechter ausgeführten Plotpunkten aus den ersten beiden Teilen und SMT Klischees als eine eigenständige Geschichte.



Wie schon erwähnt spielt SMT IV in zwei sehr unterschiedlichen Settings. Zum einen das post-apokalyptische Tokyo und das mittelalterliche Mikado.
Das Tokyo von SMT IV orientiert sich stark an dem von SMT I, allerdings kann es sich durch einige eigene Ideen davon abheben, nur eine Kopie zu sein. Vor allem durch unterirdische Wohngegenden und eine gut organisierte Gilde von Dämonenjägern kann sich SMT IV von seinem Vorbild abheben. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass dank der zahlreichen Nebenaufgaben und vielen NPCs das Setting gut etabliert und mit vielen Details versehen wird.
Mikado schneidet dagegen nicht so gut ab. Anfangs wird Mikado noch einigermaßen interessant, aber nachdem der Spieler Tokyo erreicht, rückt Mikado in den Hintergrund und im Spiel wird sich schlicht kaum noch mit Mikado beschäftigt. Dadurch hat Mikado am Ende bei mir nur den Eindruck einer schlechten Version von Tokyo Millenium aus SMT II hinterlassen hat.


SMT IV bietet gewohnt gutes Art Design und Musik, aber die Designs der neuen Dämonen lassen sehr zu wünschen übrig.


[Blockierte Grafik: http://1.bp.blogspot.com/-QmOVPTcFbCc/U-dYSvO9OjI/AAAAAAAAAzw/USsuDxZYjro/s1600/Shin-Megami-Tensei-IV-3.jpg]Grafisch bietet SMT IV sehr schön gestaltete Areale, welche gekonnt die Konzeptzeichnungen von SMT IVs Art-Team umsetzen, und sind trotz simpler Darstellung recht ansehnlich, dank stilvoller Animationen.
Das Art Design ist mal wieder sehr gut gelungen und das Design der Umgebungen komplementiert fantastisch die dichte Atmosphäre des Spiels.
Auch die Charakter Designs von Masayuki Doi, welcher zuvor vor allem an den Trauma Center Spielen gearbeitet hatte, sind durchweg gut und passen vom Stil her problemlos zu Kazuma Kanekos Designs für die Vorgänger.


Weniger gut sieht es da bei den Designs der Dämonen aus. Die meisten der Designs in SMT IV sind alte Designs von Kazuma Kaneko, die alle in der Zeit von 1992 - 2009 entstanden sind. Allerdings ist Kaneko hier zum ersten mal in der Geschichte von SMT nicht verantwortlich für die neuen Designs. Anstelle von Kaneko treten mehrere Gastdesigner, welche ihrer Aufgabe schlichtweg nicht gerecht wurden. Es gibt einige wenige gute neue Designs (Minotaur und Chemtrail), aber die meisten Designs sind entweder unpassend für ein SMT, den vorherigen Designs hoffnungslos unterlegen, oder einfach nur schlecht und manchmal sogar alles drei. Die Designs von Sanat, Asmodeus, Lucifer, Merkabrah und der vier Erzengel will ich dabei besonders hervorheben, da sie einfach nur grausig sind.



In Sachen Musik herrschte im Vorfeld ja viel Unmut bei westlichen Fans, da Shoji Meguro keine Kompositionen zu SMT IV beitrug. Wenn ich mir das Endergebnis allerdings anhöre muss ich sagen, dass der Unmut unbegründet war. Die drei Komponisten von SMT IV machen einen tollen Job und bieten dem Spieler einen konsistent guten Soundtrack, welcher auch einiges an Abwechslung bietet und stets passend gewählt ist.



SMT IV orientiert sich in Sachen Gameplay stark an Shin Megami Tensei III: Nocturne.


Die wohl größte Stärke von SMT IV liegt in seinem Gameplay, welches größenteils erfolgreich aus SMT III entnommen wurde.
Im Prinzip handelt es sich bei SMT, um die ursprüngliche Monster-Sammel-Spielreihe, wobei SMT dieses Konzept deutlich anders angeht als andere Spiele mit einer ähnlichen Idee. In den meisten RPGs, in denen Monster gesammelt werden, geht es darum sich ein Team zusammenzustellen und dieses zu trainieren. In SMT hingegen ist jede Gruppenzusammenstellung nur vorübergehend, denn Dämonen verlieren schnell an nutzen und müssen durch neue bessere Dämonen ersetzt werden.

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Neue Dämonen könne vor allem auf zwei Arten rekrutiert werden. Zum einen kann der Spieler im Kampf ein Gespräch mit einem Dämon beginnen und dabei versuchen Geld und Items zu ergattern, oder einen Waffenstillstand verhandeln, oder eben einen Dämon auf die eigene Seite ziehen.
Die zweite Methode ist das Fusionieren mehrerer Dämonen, woraus ein neuer Dämon entsteht.
Ein so entstandener Dämon hat im Übrigen das Potenzial besonders mächtig zu sein, da er Fähigkeiten der Dämonen, aus denen er entstanden ist, erben kann.




Bezüglich der Dämonen zeigt sich auch eine der stärken von SMT IV, denn hier wird einem die bis größte Auswahl an Dämonen geboten, welche bislang in einem Megami Tensei zu finden ist.
Durch die große Auswahl an Dämonen und das Fusionssystem ergeben sich dem Spieler somit viele Möglichkeiten immer wieder neue unterschiedliche Gruppen aufzubauen.


Auch bei der Individualisierung des Protagonisten wird dem Spieler einiges an Freiheit geboten, so darf der Spieler das Wachstum seiner Werte selbst bestimmen und auch welche Fähigkeiten gelernt werden ist dem Spieler überlassen. Neue Fähigkeiten lernt der Protagonist im übrigen von seinen Dämonen und zwar immer dann wenn ein Dämon alle seine verborgenen Fähigkeiten gelernt hat.
Ein netter Zusatz sind die Applications, welche man im Spiel erwerben kann, um sich Vorteile zu verschaffen, wie zum Beispiel mehr Erfahrungspunkte bei erfolgreichen Gesprächen mit Dämonen.
Dadurch kann der eigene Spielstil noch mehr individualisiert werden, auch wenn die Applications nicht gerade optimal gebalanced sind.

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Das Kampfsystem funktioniert größtenteils genau wie in SMT III. In Kämpfen werden kleine Kacheln angezeigt, von denen jede für eine Aktion steht. Der Spieler kann neue Aktionen gewinnen indem er die Schwächen seiner Feinde ausnutzt, oder kritische Treffer landet. Allerdings können auch Aktionen verloren werden, durch Ausweichen des Gegners, oder wenn ein Gegner mit einer Attacke getroffen ist gegen die dieser immun ist. Vorsicht ist vor allem auch geboten, da all dies auch für den Gegner gilt. Neu ist allerdings der sogenannte Smirk Status, welcher zufällig einem Charakter verliehen werden kann, der erfolgreich eine Schwäche ausgenutzt hat, einen kritischen Treffer gelandet hat, oder von einer Attacke getroffen wurde, gegen die er immun ist. Im Smirk Status erhöhen sich die Angriffswerte drastisch und man ist nur schwer zu treffen, aber der Status hält nur kurze Zeit an. Eine nett gemeinte Idee, aber im Endeffekt behindert sie das Gameplay eher als es zu bereichern, in erster Linie wegen der Zufälligkeit des Ganzen.






Das Dungeon Design ist dieses mal leider eine völlige Enttäuschung.


Eine kleinere Enttäuschung war für mich, dass die Mondphasen aus den Vorgängern ersatzlos gestrichen wurden. Diese hatten Auswirkungen auf das Verhalten von Dämonen und manche Ereignisse geschahen nur zu bestimmten Mondphasen. Durch den Wegfall der Mondphasen verliert SMT IV noch etwas an Tiefe gegenüber seinen Vorgängern.


[Blockierte Grafik: http://www.siliconera.com/wordpress/wp-content/uploads/2013/07/smtiv_naraku_01_thumb.jpg]Für einen Aspekt ist SMT ebenfalls bekannt, nämlich den hohen Schwierigkeitsgrad. Hier möchte ich als Veteran mal sagen, dass ich SMTs hohen Schwierigkeitsgrad für sehr übertrieben halte. Mit SMT verhält es sich ähnlich, wie mit Spiele-Reihen wie zum Beispiel Dark Souls. Die Spiele sind eigentlich nicht so grausam schwer, wie ihr Ruf vermuten lässt. Viel eher wird der Spieler in SMT nie, oder nur wenig, an die Hand genommen und es wird vom Spieler erwartet die Mechaniken der Spiele gut zu verstehen, um Erfolg zu haben, weswegen die Spieler für Einsteiger anfangs viel Geduld erfordern. Ein weiterer Faktor ist auch, dass SMT sich deutlich anders spielt als viele JRPGs und entsprechend einer gewissen Umgewöhnung bedarf.


SMT IV hat obendrein aber auch keinen wirklich ausgewogenen Schwierigkeitsgrad. Fängt der Anfang noch recht herausfordernd an, so sackt nach dem zweiten Boss der Schwierigkeitsgrad enorm ab und sofern man die Mechaniken gut verstanden hat, dürfte der Rest des Spiels kein wirkliches Problem darstellen. Insgesamt war mir SMT IV daher viel zu einfach.
Ein wichtiger Aspekt von SMT waren schon immer die großen und komplex aufgebauten Dungeons, aber leider versagt SMT IV hier auf ganzer Linie. Dungeons in SMT IV sind einfach zu klein und zu simpel strukturiert, um mit den Dungeons der Vorgänger mithalten zu können. Besonders nach den großartigen und massiven Dungeons von Strange Journey ist dies eine ziemlich große Enttäuschung. Dies ist auch mein größtes Problem mit SMT IV, denn gutes Dungeon Design ist mir sehr wichtig und das SMT IV in diesem Bereich so schwach ist, stört mich sogar mehr als die schlechte Story.

Mein Fazit

8

Ein Spiele-Hit

Meinung von Cú Chulainn

Shin Megami Tensei IV bietet eine schwache Story, einen unausgewogenen Schwierigkeitsgrad und schlecht Dungeon Designs, weswegen es nicht mit seinen Vorgängern mithalten kann. Trotzdem ist es aber ein gutes Spiel, welches eben auch klasse Mechaniken, eine menge Inhalt und mit zahlreichen Möglichkeiten zur Gestaltung der eigenen Abenteuergruppe auch ordentlich Variation für mehrere Durchläufe bietet.
Mein persönliches Highlight: Das Kampfsystem, die große Anzahl an rekrutierbaren Dämonen, der Soundtrack und das klasse Art Design

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