Diablo IV für Xbox Series X im Test – Ein höllisch guter Serienteil
Geschrieben von Felix Kraus am 23.06.2023
Diablo IV ist seit wenigen Wochen für Xbox One, PlayStation 4, Xbox Series X|S, PlayStation 5 und PC erhältlich. Nachdem sich Blizzard mit der Ankündigung des Mobile-Spin-offs Diablo Immortal nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert und etliche Memes hervorgebracht hat, waren alle Augenpaare auf den neuesten Serienteil gerichtet. Allgemein ließ Blizzard zuletzt keinen Skandal vermissen und verlor dadurch eine Menge seines hohen Ansehens. Viele waren sich daher sicher: Die Zukunft des nordamerikanischen Entwicklungsstudios steht und fällt mit der Veröffentlichung von Diablo IV. Dem schien sich auch Blizzard bewusst zu sein, denn bereits mit den ersten Trailern wollte man alle Zweifel der geduldigen Fans aus dem Weg räumen. Diablo IV präsentiert sich wieder deutlich düsterer als Diablo III, dessen Stil von vielen als „zu bunt“ kritisiert wurde. Auch die Charakterentwicklung scheint wieder mehr Komplexität zu bieten und der linearen Struktur des Vorgängers den Rücken zu kehren. Doch auch gänzlich neue Ideen sollen der berühmten Spielereihe zu frischem Glanz verhelfen. Erstmals bereist ihr eine offene Spielwelt, in der ihr jederzeit auf andere Spieler/-innen treffen könnt. Zudem sollen ein PvP-Modus und große Multiplayer-Events für zusätzliche Würze im Endgame sorgen. Ob das alles funktioniert und mit welchen Einschränkungen ihr rechnen müsst, erfahrt ihr im nachfolgenden Text.
Die Zwischensequenzen in In-Game-Grafik brauchen sich nicht vor den restlichen Filmchen zu verstecken
© Blizzard Entertainment, Inc.
Die komplette Geschichte bzw. den Mythos von Diablo zusammenzufassen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Das Universum und dessen Details sind nicht nur in den einzelnen Spielen, sondern auch in Zusatzliteratur festgehalten, welche einzelne Handlungsstränge nochmals näher elaboriert. Daher folgt nun ein kurzer Abriss über die Ausgangslage, mit der ihr im neuesten Serieneintrag konfrontiert werdet. Diablo IV spielt in der von Erzengel Inarius und Dämonenmutter Lilith erschaffenen Welt Sanktuario, wo ursprünglich die Menschen bzw. Nephalem, Engel und Dämonen friedlich und unter Ausschluss des Himmels und der Hölle koexistieren sollten. Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Sanktuario ist ein blutiger Kriegsschauplatz und Schlachtfeld des endlosen Konflikts der beiden Großmächte. Die ohnehin schon trostlose Situation spitzt sich zu, als die einst verbannte Lilith wieder zurückkehrt und eine Anhängerschaft um sich schart, um Sanktuario endgültig von den Fesseln des Himmels und der Hölle zu befreien. Dass der löbliche Plan allerdings mit dem ein oder anderen Haken daherkommt, unterschlägt die Tochter des großen Übels Mephisto jedoch geflissentlich. Und so liegt es an euch und den letzten verbleibenden Horadrim – eine uralte Bruderschaft von Magiern – jenes Vorhaben zu durchkreuzen und sowohl Lilith als auch ihre unglückliche Liebe Inarius in die Schranken zu weisen.
Ehe ihr euch in die gut zwanzigstündige Kampagne stürzen dürft, müsst ihr euren Charakter erstellen. Ihr habt richtig gehört: „erstellen“, nicht nur „auswählen“. Erstmals in der Geschichte von Diablo dürft ihr die optischen Merkmale eurer Spielfigur anpassen und so euer digitales Ebenbild formen. So könnt ihr ganz klassisch zwischen zwei Geschlechtern wählen, die Haut einfärben, den Haarwuchs bestimmen, Kriegsbemalung auftragen und Accessoires anlegen. Abgeschlossen wird das Ganze mit der Benennung eures Charakters und der vorläufigen Auswahl einer Weltstufe, das Diablo-Äquivalent zu Schwierigkeitsgraden. Der Baukasten fällt dabei nicht zu knapp aus, kann aber längst nicht mit einem Editor à la Saints Row mithalten. Das muss er aber auch nicht, denn die neue Freiheit dient vielmehr der Unterscheidung in der sogenannten Shared World. Da sollen schließlich nicht alle gleich aussehen. Zweck erfüllt.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Spielereihe dürft ihr euch auf den Rücken eines Pferdes schwingen und damit die Welt erkunden
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Habt ihr die Regler nach euren persönlichen Vorlieben verschoben, geht es auch schon mit der nächsten Neuerung weiter. Wie üblich bietet Diablo IV bombastische Zwischensequenzen mit vorberechneten Inhalten, doch dieses Mal dürft ihr euch auch über Zwischensequenzen in In-Game-Grafik freuen, die euren Charakter in Nahaufnahmen zeigen. Das mag zunächst nach nicht allzu viel klingen, macht sich aber besonders in der Erzählweise bemerkbar. Wart ihr früher vielmehr ein Nebencharakter für die Kernhandlung, bekleidet ihr nun endlich die Rolle des Protagonisten und fügt euch deutlich homogener in die Geschichte ein als zuvor. Erstmals seid ihr mittendrin als nur nebendran und das verleiht der Kampagne zusätzliches Gewicht. Nichtsdestotrotz dürft ihr keine vielschichte Geschichte wie die eines The Witcher III erwarten. Die Handlung ist unterhaltsam, spannend und ebnet den Weg für zusätzliche Inhalte oder gar neue Ableger, verläuft jedoch strikt linear und bietet keinerlei Entscheidungsfreiheit. Für ein Hack 'n' Slay-Rollenspiel, dessen Haupt- und Nebenmissionen aus „hole dies und töte das“ bestehen, liefert Diablo IV dennoch ordentlich ab.
Spielerisch bleibt Diablo IV seinen Wurzeln treu und wirkt insgesamt wie ein Mix aus Diablo II, Diablo III und der Free-to-Play-Konkurrenz Path of Exile. Ihr überblickt das Geschehen von oben, manövriert eure Figur durch die Spielwelt und deren Dungeons, klickt eure Widersacher in den Tod und heimst dafür kostbare Belohnungen sowie Erfahrungspunkte ein. Es ist genau dieser Gameplay-Loop, der Diablo als Spieleserie seit jeher beflügelt und Fans frohlocken lässt. Das dynamische Spielgefühl von Diablo III wurde mit wenigen Abstrichen übernommen und sorgt auch dieses Mal für ein geschmeidiges, flottes Spielerlebnis. Fallen die Kämpfe zu Beginn noch recht anspruchslos aus, nimmt deren Herausforderung mit fortschreitender Spieldauer merklich zu. Gerade auf den höheren Weltstufen reicht es irgendwann nicht mehr aus, stumpf auf eine Taste zu hämmern, bis der Feind leblos umkippt. Dort zwingen euch verheerende Angriffe gerne mal zum Ausweichen oder in die Flucht. Anders als im dritten Teil dürft ihr nicht mehr endlos oft aus dem Gefahrenradius hechten, sondern müsst zwischen euren Ausweichschritten einen fünfsekündigen Cooldown abwarten, was vermutlich auf den PvP-Modus zurückzuführen ist. Dort sollen die Gefechte schließlich nicht zum kollektiven Bodenturnen verkommen. Auch der Umgang mit Heiltränken wurde überarbeitet. Zu Beginn stehen euch vier Fläschchen zur Verfügung, die ihr während eines Kampfes verbrauchen könnt. Habt ihr diese aufgebraucht, müsst ihr in die Offensive gehen oder einen Heiler bzw. einen Heilbrunnen aufsuchen. Hier scheint ebenfalls die Online-Komponente dahinterzustecken, denn wie spaßig wären schon PvP-Gefechte, wenn sich die jeweiligen Teilnehmer/-innen minutenlang mit Heiltränken zuschütten?
Das Inventar ist übersichtlich und bietet ausreichend Stauraum für kostbare Beute
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Je nachdem, für welche der fünf Charakterklassen – Barbar, Druide, Nekromant, Jäger oder Zauberer – ihr euch entschieden habt, spielt sich Diablo IV ein kleines bisschen anders. Während zum Beispiel der Barbar mit seinen Gegnern auf Tuchfühlung geht, agiert der Zauberer aus der Entfernung und der Nekromant schickt vorzugsweise sein knochiges, fauliges Gefolge an die Front. Manche Klassen sind flexibler als andere. So handelt es sich beim Barbaren um eine reine Nahkampfklasse, wohingegen der Jäger sowohl im Nah- als auch im Fernkampf funktioniert. Entscheident hierfür ist selbstverständlich eure Punkteverteilung. Attributspunkte werden wie in Diablo III automatisch vergeben, zumindest bis zu den Paragonstufen, die ab Level 50 beginnen. Anders verhält es sich mit den Fähigkeitenpunkten – die müssen manuell verteilt werden. Pro Stufenaufstieg erhaltet ihr einen Punkt, den ihr im üppigen Fertigkeitenbaum ausgeben könnt. Zur Auswahl stehen aktive und passive Fähigkeiten. Für zusätzliche Übersicht könnt ihr im dazugehörigen Menüpunkt nach Schlagwörtern suchen und euch entsprechende Skills hervorheben lassen. Möchtet ihr also mit dem Barbar auf Blutungsschaden setzen, könnt ihr nach dem besagten Begriff filtern und euch so alle relevanten Knotenpunkte highlighten. Seid ihr unzufrieden mit eurer Verteilung, könnt ihr die Punkte gegen eine moderate Summe wieder zurücksetzen lassen und von Grund auf neu investieren. Traut euch also, zu experimentieren.
Doch reine Körperkraft bringt nichts ohne die passende Ausrüstung. Deshalb werdet ihr auch regelrecht überschüttet mit neuen Ausrüstungsgegenständen, die im Inventar mit eurer aktuellen Ausstattung verglichen werden können. Wie üblich erkennt ihr die Seltenheitsstufe eurer Beute anhand des traditionellen Farbcodes und könnt sofort ausmachen, welcher Gegenstand besonders wertvoll ist und einen näheren Blick verdient hat. Neben Rüstung und Waffen findet ihr außerdem noch die serientypischen Juwelen, die ihr beim Juwelenschmied zu größeren Exemplaren zusammenfügen und anschließend in eure Ausrüstung stecken könnt, um von zusätzlichen Boni zu profitieren. Apropos Juwelenschmied, in den vielen Lagerplätzen und Ortschaften auf der weitläufigen Weltkarte findet ihr allerlei Anlaufstellen für euren Heldenbedarf. Neben dem besagten Juwelenschmied gibt es noch den herkömmlichen Schmied, diverse Händler, den ein oder anderen Auftraggeber und sogar einen Alchemisten, wo ihr eure Heiltränke dauerhaft verbessern, Elixiere brauen und Räucherwerke fertigen könnt. Es lohnt sich also, regelmäßig in den Städten vorbeizuschauen.
Weltenbosse sind ein möglicher Zeitvertreib, sobald ihr die Kampagne durchgespielt habt
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Ob ihr Diablo IV alleine oder in einer Gruppe bestreitet, bleibt euch überlassen. Ihr könnt euch online mit bis zu drei weiteren Spieler/-innen zusammenschließen und mit ihnen gemeinsam das Spiel genießen. An den Konsolen könnt ihr zudem auch lokal mit einer anderen Person zusammen spielen. Hierfür benötigt ihr jedoch beide ein eigenes Profil auf der jeweiligen Plattform sowie einen eigenen Battle.net-Account, der mit dem besagten Profil verknüpft ist. Immerhin seid ihr nun deutlich unabhängiger von eurem Mitstreiter bzw. eurer Mitstreiterin. Zwar teilt ihr euch immer noch einen Bildschirm, blockiert euch aber nicht länger gegenseitig mit Menüs die Sicht.
Die Spielwelt von Diablo IV ist riesig und bietet haufenweise Nebenmissionen, kleinere Events und Dungeons, um die vielen Spieler/-innen bei Laune zu halten. Und das ist längst nicht alles. Habt ihr die Kampagne erst einmal beendet, eröffnen sich euch noch weitere Möglichkeiten zum Zeitvertreib. So könnt ihr Aufgaben für den Baum des Flüsterns abschließen, Höllenfluten trotzen, Weltenbosse bezwingen, Albtraum-Dungeons durchqueren oder ganz schlicht in den vereinzelten PvP-Zonen Backpfeifen verteilen. Im nächsten Monat soll außerdem noch ein teils kostenpflichtiger Battle Pass hinzukommen, um die Langzeitmotivation zu verstärken. Es gibt also reichlich zu tun in Sanktuario, doch am Ende hängt es von der Post-Launch-Unterstützung ab, ob Diablo IV denselben Status eines Dauerbrenners erreicht wie seine Vorgänger.
Optisch lässt Diablo IV kaum Wünsche offen und stellt eine konsequente Weiterentwicklung zu den vorherigen Teilen dar. Die Spielwelt ist düster, detailliert und trotz der vorherrschenden Ödnis abwechslungsreich gestaltet. Ihr reist durch staubige Wüsten, eisige Tundren, stinkige Sümpfe, steinige Bergschluchten, über karge Steppen und macht sogar einen Abstecher in die feurige Hölle. Die Gebiete gehen nahtlos ineinander über und können ohne weitere Ladezeit betreten werden, was zum allgemeinen Spielfluss beiträgt. Nichtsdestotrotz möchte sich nicht dasselbe Gefühl einer großen Abenteuerreise einstellen, wie es in den Vorgängern der Fall war. Dort fand jeder Akt der Kampagne an einem anderen Schauplatz statt, wodurch man sich wie ein Weltenbummler vorkam. Ebenso liebevoll wie die mannigfaltigen Umgebungen präsentieren sich auch die vielen Gegnermodelle. Diablo IV bietet eine Vielzahl grotesker Kreaturen, die darauf warten, euch das Fleisch von den Knochen zu reißen. Viele der Monster sind auch schon in früheren Spielen der Reihe aufgetreten und zielen direkt auf eure Nostalgie ab. All das wird abgerundet von einem stimmungsvollen Orchester-Soundtrack, der die freudlose Atmosphäre mit jedem Ton einfängt. Diablo IV mag in Anbetracht seiner Cross-Gen-Natur vielleicht keine grafischen Maßstäbe setzen, trotzdem kann der Titel auf audiovisueller Ebene vollends überzeugen.
Und auch technisch lässt sich kaum bis gar nichts aussetzen. Das Spiel läuft mit geschmeiden sechzig Bildern pro Sekunde über den Bildschirm und das sowohl im Einzelspieler- als auch im lokalen Mehrspielermodus. Einzig der Online-Zwang kann zu gelegentlichen Aussetzern führen, die sich in sogenanntem Rubberbanding äußern. Abgesehen davon läuft Diablo IV einwandfrei auf der Xbox Series X.