
Studio Ghibli: Geschichte, Wirkung und Zukunft der legendären Filmschmiede Spezial
Geschrieben von Laura Strack am 16.12.2023
Bereits 2013 verkündete das weltbekannte Studio Ghibli, dass sein Meisterregisseur Hayao Miyazaki nicht mehr an der Produktion abendfüllender Filme beteiligt sein wird. Kurzerhand wurde dieser im Folgejahr mit einer der höchsten Auszeichnungen der Filmwelt belohnt: dem Ehrenoscar für sein Lebenswerk. Zehn Jahre später und in einem stolzen Alter von 82 Jahren veröffentlicht Hayao Miyazaki als Regisseur nun aber doch noch einmal einen neuen Film unter der Flagge des von ihm gegründeten Studios: Der Junge und der Reiher. Während der Film in Japan nahezu frei von Marketing bereits am 14. Juli dieses Jahres erschien, wurde der Kinostart in Deutschland auf den 4. Januar 2024 datiert.
Ob der neue abendfüllende Film Miyazakis künftig in einer Reihe mit den Klassikern „Mein Nachbar Totoro“, „Prinzessin Mononoke“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“ genannt werden kann, werden erst die folgenden Wochen zeigen; ein wirtschaftlicher Erfolg ist der Film aber schon jetzt. Anlässlich des Kinostarts möchte ich mit euch einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft, auf das Gesamtwerk des Studios sowie auf seinen Einflusshorizont werfen.
Ein Blick in die gesamte Filmografie des Studios lohnt sich, denn sie hält neben Hayao Miyazakis Werken auch viele andere wichtige Persönlichkeiten und Perlen bereit. Unvergessen ist da beispielsweise das 1988 veröffentlichte starke Kriegsdrama „Die letzten Glühwürmchen“, das parallel zu Miyazakis Klassiker „Mein Nachbar Totoro“ erschien; der Kontrast zwischen beiden Filmen könnte kaum ausgeprägter sein. Verantwortlich dafür zeichnet der 2018 leider verstorbene Regisseur Isao Takahata, der auch Gründungsmitglied des Studios ist. Takahatas letztes Werk, „Die Legende der Prinzessin Kaguya“, wurde ebenso von den Kritikern gefeiert und erhielt durch seine eindrucksvolle und originelle Animation verdient eine Oscar-Nominierung; wenngleich dieser bis vor Kurzem noch teuerste Film des Studios an den Kinokassen aber leider floppte.
Takahata hat nach Miyazaki bei den meisten Filmen des Studios Regie geführt. Schon lange vor der Gründung des Studio Ghibli im Jahr 1985 arbeiteten die beiden im Zuge zahlreicher Projekte intensiv zusammen. Dadurch entwickelten sich Freundschaft wie auch Rivalität und die beiden versuchten stets, sich in Qualität und Erfolg ihrer Filme zu übertrumpfen. Erwähnenswert ist auch der dritte Gründervater des Studio Ghibli, Toshio Suzuki, welcher vor allem als Produzent an fast allen Produktionen beteiligt war. Laut Miyazaki wäre die Gründung des Studios ohne Suzuki nie zustande gekommen. Zwar wird Hayao Miyazaki häufig als Synonym für das Gesamtwerk des Studios verwendet, doch es wird deutlich, dass es vielmehr das Trio bestehend aus Miyazaki, Takahata und Suzuki ist, das federführend die Filmografie und das Unternehmen prägte. So tauchen bei vielen Filmen tatsächlich alle drei Namen irgendwo im Mitarbeiterstab auf, wie etwa bei „Nausicaä aus dem Tal der Winde“, dessen Erfolg die Finanzierung der Studiogründung erst ermöglichte.
Obwohl die Arbeit der drei also gleichermaßen wichtig ist, ist es dennoch Miyazaki, der das Außenbild des Studio Ghibli am stärksten prägt. Sein Zeichen- und Animationsstil sowie die wiederkehrenden Themen und Motive stellten sich schnell als Publikumsmagnet heraus. Es entstanden Charaktere und Welten, die Kinder wie Erwachsene in ihren Bann zogen, was in seinen erfolgreichsten Filmen „Prinzessin Mononoke“, „Chihiros Reise ins Zauberland“ sowie „Das wandelnde Schloss“ gipfelte. Doch auch seine früheren Werke, darunter „Das Schloss im Himmel“ oder „Porco Rosso“, sind sehenswert und seine Tätigkeit als Mangaka und Drehbuchautor erwähnenswert.

„Arrietty“ (2010) - in Deutschland eher unbekannt - basiert auf der Erzählung „Die Borger“ (1952). Das Drehbuch stammt von Miyazaki.
© Kabushiki Kaisha Studio Ghibli
Abseits der drei erwähnten Größen gibt es noch einige wenige Filme des Studios, die von anderen Regisseuren stammen. Der etwas kürzere, aber ebenso fantasievolle Film „Das Königreich der Katzen“ stammt beispielsweise von Hiroyuki Morita, was aber auch seinen einzigen Beitrag zur Filmografie darstellt. Hiromasa Yonebayashi leistete mit „Arriety – Die wundersame Welt der Borger“ einen gelungenen und auch finanziell erfolgreichen Regie-Beitrag, während sein zweiter Film „Erinnerungen an Marnie“ vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhielt; Yonebayashi verließ das Studio Ghibli in der Folge und gründete mit Studio Ponoc sein eigenes Unternehmen. Warum er hierdurch womöglich sogar zum Fortbestehen der Wirkung des Studio Ghibli beitragen könnte, wird später thematisiert. Aber auch abseits des Regie-Postens gibt es viele tragende Positionen im Mitarbeiterstab der Filme; insbesondere die unzähligen Zeichner, die teils unter harten Arbeitsbedingungen die Fleißarbeit für das Studio leisteten, können an dieser Stelle leider nicht alle namentlich geehrt werden. Eine hervorgehobene Nennung verdient aber trotzdem der Komponist Joe Hisashi, der den Soundtrack vieler Ghibli-Filme komponierte. Er sorgte auf musikalischer Ebene für die Schaffung eines Wiedererkennungswerts des Studios; besonders die Melodien für „Mein Nachbar Totoro“ gehören in Japan zum Kulturgut.
Vergessenswert sind hingegen die jüngsten Arbeiten des Sohnes von Hayao Miyazaki, Goro Miyazaki. Insbesondere in Sachen Animation trifft dieser gemeinhin nicht den Geist des Studio Ghibli. Während er unter anderem mit „Der Mohnblumenberg“ noch einen grundsoliden Film schuf, der gut in das Gesamtwerk des Studios passte, handelt es sich bei seinen beiden letzten beiden Werken um qualitativ mäßig umgesetzte CGI-Werke mit diskutablem Storytelling und World Building. Als ein würdiger Anwärter auf die Nachfolge seines Vaters als Großmeister der Animationskunst tritt er also aktuell (noch) nicht auf.
Selbst wenn man die Filme des Studio Ghibli nicht kennen sollte, stößt man in anderen filmischen Werken sowie in Videospielen unentwegt auf Spuren der Einflüsse des Studios. Erst kürzlich betonte Wes Ball, der Regisseur des angekündigten The Legend of Zelda-Live-Action-Films, dass insbesondere Miyazakis Werke als Inspirationsquelle für seine zukünftige Umsetzung dienen würden. Das kommt auch nicht allzu überraschend, denn gerade Fans der The Legend of Zelda-Videospiele sind unlängst diverse Parallelen zwischen den Spielen und den Welten des Studio Ghibli aufgefallen. Besonders offensichtlich erscheinen diese im aktuellen Ableger The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom mit dessen drei Ebenen.

Wenn wir Link – hier aus Breath of the Wild – passend einkleiden, sticht eine gewisse Ähnlichkeit heraus; erst recht mit passendem Reittier
© Nintendo / Kabushiki Kaisha Studio Ghibli
Aufgrund der Kombination aus Natur, hochentwickelter Technologie und antiken Strukturen ähneln die Himmelsinseln des Videospiels deutlich der fliegenden Insel Laputa aus dem Ghibli-Erstling „Das Schloss im Himmel“ – wohlgemerkt ein Film aus dem Jahr 1986. Auch viele Kreaturen in der Welt Hyrules sowie die Ästhetik der Natur scheinen besonders von einem anderen Ghibli-Klassiker inspiriert: „Prinzessin Mononoke“; das Videospiel scheint die Welten Ghiblis durch die Möglichkeit der Interaktion gar ein wenig erlebbar zu machen. Betrachtet man nun noch die letzte Ebene der Spielwelt, den Untergrund, so scheint der Vergleich zu dem Meer der Fäulnis aus „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ nicht fern. Die Ästhetik, deren Dunkelheit und die Vegetation beider Gebiete vermitteln eine ähnliche Stimmung und stellen jeweils einen gefährlichen, lebensfeindlichen Ort dar. Sogar Protagonist Link selbst weist Ähnlichkeiten zu einem Ghibli-Charakter, Ashitaka aus „Prinzessin Mononoke“, auf. Nicht nur wurde jeweils ein Arm beider Protagonisten durch eine bösartige Macht verletzt bzw. verflucht, ihr veränderter Arm verleiht ihnen auch besondere Fähigkeiten. Während einzelne Vergleiche zwischen den Welten Zufall sein könnten, erscheint die schiere Menge der Überschneidungen hier doch verblüffend.
Aufgrund der Parallelen wünschen sich Fans schon lange eine Zusammenarbeit zwischen dem Studio Ghibli und den The Legend of Zelda-Machern. Vielleicht kann Wes Ball in seiner kommenden Film-Umsetzung diesem Wunsch noch einen Schritt weiter entgegenkommen; wenngleich eine Verschmelzung der Welten schon stattzufinden scheint, hält man sich die obigen Beispiele vor Augen. Doch solche Vorhaben müssen nicht immer gelingen. Ein gescheiterter Versuch, die Welten Ghiblis mit denen des Zelda-Franchise zu kombinieren, findet sich im Action-Adventure Baldo: The Guardian Owls; aber vielleicht musste dieser Versuch auch misslingen, schließlich waren weder die Köpfe des Studio Ghibli noch Produzenten der Zelda-Videospiele daran beteiligt.

„Prinzessin Mononoke“ dient durch seine Kreaturen, Naturdarstellungen und dem Leitthema der Umweltzerstörung als Insipirationsquelle für viele kreative Köpfe
© Kabushiki Kaisha Studio Ghibli
Denkt man an Ghibli'eske Einflüsse auf die Videospielwelt, kommen einem hingegen häufiger auch die beiden fantasievollen Rollenspiele der Ni no Kuni-Reihe in den Sinn; am ersten Ableger hat das Studio Ghibli sogar federführend mitgewirkt. Weder am zweiten noch am bereits angekündigten dritten Teil ist das Studio zwar weiterhin beteiligt, dennoch ist es als Inspirationsquelle unverkennbar präsent. Die Spiele sind aufgrund des gelungenen Gameplays und der Ghibli-artigen Ästhetik für Fans des Studios einen Blick wert. Besonders ein spezieller Punkt dieser Ästhetik färbt auch auf viele weitere Videospiele ab, die viele von uns kennen und lieben: Ori and the Blind Forest sowie dessen Nachfolger oder Spiritfarer fallen aufgrund detailverliebter Naturdarstellungen sowie der besonderen Charakterdesigns auf.
Betrachtet man die Vorgeschichte der Gründungsmitglieder des Studios, reicht deren Einfluss noch viel weiter zurück. Schon lange vor dem Film „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ arbeiteten Isao Takahata als Regisseur und Hayao Miyazaki als Zeichner gemeinsam an der Fernsehserie „Heidi“ (1974), welche auch in Deutschland als Klassiker gilt. Eine ähnliche Konstellation der Zusammenarbeit bestand in den darauffolgenden Jahren auch für die Serien „Marco“ und „Anne mit den roten Haaren“, welche einen ebenso respektablen Bekanntheitsgrad in Deutschland erlangten. Bei allen genannten Serien handelt es sich um in Japan produzierte Anime, die also auch die Kindheit unserer Boomer-Generation geprägt haben. Insbesondere Heidi gilt zudem als früher Wegbereiter für die Verbreitung von Anime und Manga in Europa.
Neben dem drolligen Maskottchen Totoro ist besonders die riesige Spannweite der Zielgruppe der Filme das Markenzeichen des Studios. Während die Fantasie junger Zuschauer durch die bunten und einfallsreichen Welten angeregt wird, finden erwachsene Zuschauer Gesellschaftskritik und komplexe soziale Konflikte vor. So bieten die meisten Filme des Studios inhaltlich wie visuell eine hohe Spannbreite von Leichtigkeit bis Tiefgang und sind somit auf eine besonders große Gruppe an Personen zugeschnitten.

„Chihiros Reise ins Zauberland“ hat – wie viele Filme des Studios – keine Vorlage. Das Drehbuch des kreativen Meisterwerks entstammt Miyazakis Ideen.
© Kabushiki Kaisha Studio Ghibli
In dem wohl bekanntesten Film des Studios, „Chihiros Reise ins Zauberland“, finden wir beispielsweise eine vermeintlich wahrgewordene Fantasie vieler Kinder vor: Voll von Fabelwesen, ulkigen Figuren und natürlich einem Drachen, begibt sich ein Kind auf eine Reise, um sich selbst und seine Eltern zu retten sowie über sich hinauszuwachsen. Erwachsenen Zuschauern offenbaren sich in der Geschichte viele weitere Schichten, wie die Kapitalismuskritik sowie die Auseinandersetzungen mit den Themen der Identität und Zugehörigkeit. Liebte man einen Film des Studios als Kind, so reifen ebenjene Filme mit einem gemeinsam. Schaut man sie Jahre später, präsentieren sich einem Facetten, die man in jüngeren Jahren womöglich nicht erkannt hat.
Selbst dem wohl düstersten Film des Studios, „Die letzten Glühwürmchen“, gelingt dieser anspruchsvolle Spagat. Während Kinder in den noch sehr jungen Hauptcharakteren eine Identitätsfigur vorfinden und so womöglich eine erste Heranführung an eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg erhalten, eröffnet sich für erwachsene Zuschauer mit ihrem bereits vorhandenen Hintergrundwissen das schreckliche Gesamtbild einer realen sinnfreien Zerstörung, verursacht vom Zweiten Weltkrieg. Die schönen, gemeinsamen Momente der Geschwister kontrastieren hier besonders tragisch mit den unschuldigsten Opfern, die ein Krieg einfordern kann.
Neben den bloßen Inhalten seiner Filme sind auch Qualität, Authentizität und Exklusivität wichtige Markenzeichen des Studios. Es finanziert sich nicht durch den Verkauf billiger Massenwaren, veröffentlicht auch von den erfolgreichsten Filmen keinen zweiten Teil und produziert Kurzfilme, die exklusiv in Japan im Ghibli-Museum zu sehen sind. Auch offizielles Merchandise wird nur über ausgewählte Partner verkauft. Das Interesse und die Exklusivität spiegelten sich kürzlich in dem Versuch wider, in Frankfurt am Main einen Pop-up-Store für Ghibli-Merchandise zu betreiben. Die dort vorhandenen Artikel sollten laut ursprünglicher Planung rund einen Monat lang erhältlich sein, waren aber nach wenigen Tagen bereits ausverkauft; nun sollen sie immerhin dauerhaft ins Sortiment aufgenommen werden.
Trotz der bisherigen Lobeshymnen sowie diverser Veröffentlichungen des Studios ist diesem bereits seit ungefähr 15 Jahren kein internationaler Erfolgshit mehr gelungen. Die jüngsten Produktionen, darunter „Wie der Wind sich hebt“ sowie „Erinnerungen an Marnie“, hinterließen keinen bleibenden Eindruck, da sie trotz wertiger Animationsarbeit und solidem Storytelling keine ikonischen Figuren oder ein herausstechendes World Building vorweisen konnten, wie es beispielsweise den Klassikern „Prinzessin Mononoke“ oder „Das Wandelnde Schloss“ gelang.

Während „Der Junge und der Reiher“ bereits in vielen Länder anlief, gibt es in Deutschland zur Weihnachtszeit immerhin erste Vorpremieren
© Kabushiki Kaisha Studio Ghibli
Andere Produktionen aus der jüngeren Vergangenheit fliegen zudem unverdient unter dem Radar der internationalen Zuschauerschaft. Da wäre zum Beispiel „Die rote Schildkröte“ (2016), entstanden in japanisch-französischer Zusammenarbeit unter der Regie des Franzosen Michael Dudok de Wit. Der Film kommt komplett ohne gesprochener und geschriebener Sprache aus, womit es sich um ein eher ungewöhnliches, aber sehenswertes Projekt des Studio Ghibli handelt. Oder auch das visuell eindrucksvoll inszenierte Märchen „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ aus 2013, dessen Produktion acht Jahre andauerte und das Lebenswerk Takahatas würdig abschloss.
Der bald erscheinende Film „Der Junge und der Reiher“ blickt auf eine Produktionszeit von immerhin stolzen sieben Jahren zurück. Dies sei darauf zurückzuführen, dass Miyazaki, der hier wieder als Regisseur auftritt, in jüngeren Jahren noch sieben bis zehn Minuten Film pro Monat produzieren konnte, nun sei es nur noch eine Minute. Auch das Budget kann sich sehen lassen. Die exakte Höhe ist zwar nicht bekannt, es handelt sich jedoch um den teuersten Film des Studios, womit sich das Budget auf mindestens 60 Millionen Euro beläuft. Aber schon zum jetzigen Zeitpunkt wurde bereits ein Bruttoertrag von rund 100 Millionen US-Dollar eingespielt.
Wenngleich der finanzielle Erfolg des Films damit sicher scheint, stellt sich trotzdem die Frage nach der Zukunft des Studios im Allgemeinen. Mit Blick auf die Tatsache, dass Isao Takahata bereits verstorben ist und Toshio Suzuki (75) sowie Hayao Miyazaki (82) bereits ein stattliches Alter erreicht haben, werde ich „Der Junge und der Reiher“ mit einem faszinierten, aber auch wehmütigen Blick betrachten; vielleicht ist es das letzte prägende Werk eines Studios, welches besonderen Einfluss auf die Filmgeschichte und darüber ausüben könnte.
Erst kürzlich verkaufte Studio Ghibli über 40 Prozent seiner Anteile an die Nippon Television Network Corp. Grund dafür ist ein fehlender Nachfolger für die Führung des Studios. Weder Miyazaki noch sein Sohn selbst hatten den Wunsch, dass dieser zum neuen Inhaber des Studios wird; dennoch wurde ihm diese Rolle in Ermangelung an Alternativen angeboten. Der anteilige Verkauf an Nippon TV erscheint als eine Notlösung, die jedoch in Anbetracht langjähriger Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen verschmerzbar scheint.
Einige frühere Mitglieder des Studios haben hingegen ihre eigenen Wege eingeschlagen und zeigen somit eine Alternative auf, um das Wirken des Studios fortbestehen zu lassen. Nachdem die Produktion von Filmen bei Studio Ghibli nach dem angekündigten Ruhestand Miyazakis im Jahr 2013 zunächst komplett stillstand und die Zukunft auch für die Mitarbeiter ungewiss schien, entschloss sich Produzent Yoshiaki Nishimura – unter anderem beteiligt an „Das wandelnde Schloss“ – im Jahr 2015 für die Gründung von Studio Ponoc. Einige weitere Mitarbeiter, darunter der bereits erwähnte Regisseur Hiromasa Yonebayashi, folgten ihm. Mit dem bereits erschienen Film „Mary und die Blume der Hexen“ sowie dem aktuell in Japan anlaufenden „The Imaginary“ wurden bereits Filme produziert, die unverkennbar das Ghibli-Erbe fortführen möchten.
Andererseits scheinen die Filme aktuell weit entfernt davon, in die Fußstapfen der bekanntesten Ghibli-Produktionen zu treten. Es handelt sich um solide Produktionen, die jedoch im Schatten der Ghibli-Filme stehen und unter dem Druck der Erwartungshaltungen der Zuschauer ächzen. So enthält „Mary und die Blume der Hexen“ zahlreiche Anspielungen auf Klassiker des Studio Ghibli. Es gelingt dem Film aber nicht wirklich, als ein eigenständiges originelles Werk aufzutreten. Doch es ist zu früh, über die Arbeit des vergleichsweise noch jungen Studios zu urteilen; es benötigt Zeit, um seine eigenen Wege einzuschlagen. Die Manpower und das Potenzial sind vorhanden und vielleicht schafft es Ponoc zukünftig, einen eigenen Stil mit den Einflüssen des Studio Ghibli zu kombinieren und eigene zeitlose Klassiker hervorzubringen.
Die Zukunft des Studio Ghibli selbst mag aktuell ungewiss sein, doch eines scheint eindeutig: Aufgrund der originellen Kreationen und dem unverkennbaren Stil wird sein Einfluss auf die Popkultur weiterhin erkennbar sein. Selbst wenn das Studio eines Tages keine eigenen Produktionen mehr hervorbringt, wird dessen Geist viele kreative Köpfe der Medienbranche inspirieren. Außerdem gibt es einen Funken Hoffnung für die nahe Zukunft des Studios: Großmeister Miyazaki hat bereits verlautbaren lassen, dass er durchaus Lust auf die Produktion eines weiteren Films hätte.