© Splitter Verlag / Éditions Glénat by Jan Kounen, Omar Ladgham & Mr Fab, Bildmontage: © ntower
Der Turm 1 in unserer Graphic-Novel-Rezension
Geschrieben von Simon Münch am 08.02.2024
Im Jahr 2072 ist die Welt eine andere: Der letzte Zufluchtsort der verbliebenen Menschheit ist ein himmelhoher Turm in der ehemaligen Metropole Brüssel, der durch Künstliche Intelligenz am Laufen gehalten wird. Der Weg nach draußen ist todbringend, denn vor dreißig Jahren ist ein Krankheitserreger aufgetaucht, der die Menschheit nahezu ausradiert hat. Diese düstere Dystopie nutzt die Graphic Novel Der Turm des Künstlerteams Jan Kounen, Omar Ladgham und Mr Fab. Was passt besser, als einen Turm der Zukunft in diesem Turm der Gegenwart zu betrachten? Wir haben uns einen Blick in den ersten Band des Werks gegönnt und verraten, wieso er euren Blick ebenfalls wert sein könnte.
Die letzte Hoffnung der Menschheit ist vor Rost nicht gefeilt …
© Splitter Verlag / Éditions Glénat by Jan Kounen, Omar Ladgham & Mr Fab
Bereits seit vergangenem November gibt es die französische Graphic Novel hierzulande im Splitter Verlag auf Deutsch zu lesen. Wie bereits eingangs erwähnt, sind drei Personen die Federführer dieses Projekts. Hierbei sind es Jan Kounen und Omar Ladgham, die die Handlung planen, wohingegen Mr. Fab der Geschichte mit seinen Zeichnungen Leben einhaucht.
Nach dreißig Jahren der biologischen Katastrophe leben die verbliebenen Menschen in einem hoch technologisierten Turm, den sie nicht verlassen dürfen, denn die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft ist zu groß. Während Tiere und Pflanzen keinerlei Probleme mit dem Bakterium haben und dieses nur übertragen, tötet es Menschen rasant und gilt als hochinfektiös. In all dem Chaos dort draußen ist es Newton, eine KI, die den Menschen versucht dabei zu helfen, ein schönes, aber vor allem kontrolliertes Leben zu führen. Die Handlung rückt dabei verschiedene zentrale Figuren und ihre Probleme in den Mittelpunkt. Deren Geschichten werden immer wieder abwechselnd erzählt.
Was die Handlung von Der Turm so faszinierend macht, ist die Tatsache, dass die Menschen zwar alle eingepfercht sind, aber versuchen, eine gewisse Normalität zu leben. Das Perfide dabei ist, dass jener Turm über wunderbare Fensterfronten verfügt, was die Menschen nach draußen blicken lässt und ihnen immer wieder vor Augen führt, was sie nicht mehr haben. Einige der Menschen kennen das Leben vor der Katastrophe gut, wohingegen andere Teil der neuen Generation sind, die nur dieses neue, eingeschlossene Leben kennen. Gleichwohl die Zahl der Menschen eher gering ist, entstehen verschiedene Gruppierungen, die einander nicht immer wohlgesonnen gegenüberstehen. Manche Ebenen sind gar völlig von dem Rest der Gesellschaft abgeschnitten, was ebenfalls viel über die menschliche Natur verrät. Im Laufe der Handlung erhaltet ihr dank des Expeditionsteams, das mit Schutzanzügen Jagd auf Tiere macht, einen Blick nach draußen, seht aber auch, wie einzelne Personen innerhalb des Turms leben und handeln. Schnell wird klar, dass der Turm wie ein Druckkochtopf wirkt und zu rosten beginnt ...
Der Drang der Menschheit, den Weg aus dem Turm zu finden, der doch eigentlich ihren Schutz gewährleistet, bringt dem Werk eine nachdenkliche Tiefe, die auch immer wieder aufgegriffen und im Laufe der Handlung ins Zentrum gerückt wird. Ist es ein gutes Leben, wenn man nach dem Diktat einer KI lebt? Diese Frage ist ebenso vertreten wie die tiefe Sehnsucht nach dem, was längst vergangen ist. Dabei gehen die vielseitigen Charaktere unterschiedlich mit dieser Frage und ihren Gefühlen um, was als perfekter Stoff für eine dramatische Geschichte dient.
Der Zeichenstil von Mr. Fab ist schonungslos und glänzt besonders dort, wo es hässlich zugehen soll. Auch die Natur, die sich langsam die Straßen Brüssels zurückerobert, wirkt eindrucksvoll gezeichnet und bildet einen direkten Kontrast zu den teils modernen oder menschlichen Inhalten, die vereinzelte Panels abbilden. Viele Details schmücken die Szenen aus, wohingegen das wahre Highlight die vielseitigen Gesichter sind, die besonders durch ihre glaubhaften Ausdrücke zu fesseln wissen. Etwas auffällig sind die wenigen Sprechblasen, die verwendet wurden. Tatsächlich erzählt diese Graphic Novel den Großteil der Geschichte über großflächige Bilder. Hier kann man sich fragen, ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist: Durch den doch spärlichen Text ist die Lesezeit sehr kurz, was mir weniger gut gefallen hat.
Splitter Verlag hat dieser Graphic Novel ein Hardcover im Großformat spendiert, das einen wertigen Eindruck macht. Die deutsche Übersetzung wirkt authentisch und schreckt ebenso wenig vor umgangssprachlicher sowie ungeschmückter Sprache zurück. Der Druck überzeugt ebenfalls mit satten Farben und angemessener Papierstärke. Fans von Science-Fiction und Action mit einem Hauch von nachdenklichem Tiefgang werden hier sicherlich Spaß am Lesen finden.
Wenn ihr euch einen ersten Eindruck von den tollen Illustrationen verschaffen möchtet, könnt ihr hier verschiedene Seiten aus der Graphic Novel online einsehen.
- Hardcover, farbig
- ISBN: 978-3-96792-397-1
- 23,1 x 32,2 cm, 64 Seiten
- 16,00 €
Unser Onlinemagazin ntower ist Mitglied der Affiliate-Netzwerke Amazon PartnerNet, AWIN, Webgains, Rakuten Advertising, Media Markt E-Business GmbH und Saturn online GmbH. Bei einer Bestellung über einen unserer Affiliate-Links erhalten wir über den jeweiligen Shopbetreiber eine variable Provision. Für Endkunden entstehen keine Zusatzkosten.
Lust auf mehr Artikel dieser Art? Dann schaut gern im Nerdkultur-Bereich vorbei und genießt weitere Rezensionen und spannende Berichte!