
Persona 3 Reload für PlayStation 5 im Test – Ein gelungenes Wiedersehen mit der S.E.E.S.-Crew
Geschrieben von Felix Kraus am 10.02.2024
Mit Persona 3 Reload lässt euch ATLUS erneut die Abenteuer der S.E.E.S.-Crew in zeitgemäßer Optik und mit einigen Extrafunktionen erleben. Der nunmehr 18 Jahre alte dritte Teil der beliebten JRPG-Reihe hat seinerzeit die Persona-Formel revolutioniert und so den Nährboden für die nächsten, weitaus bekannteren Ableger der Hauptreihe geschaffen. So nahm man Abschied von starren Dungeon-Erkundungstouren aus der Egoperspektive und eine ausgeprägte Social-Sim-Komponente gesellte sich zum typischen Rollenspiel-Gameplay hinzu. Ursprünglich für die PlayStation 2 veröffentlicht, sieht man dem Original das Erwachsenenalter mittlerweile deutlich an – eine hohe Hürde und häufig auch Ausschlusskriterium für eine, insbesondere jüngere Spielerschaft. Persona 3 Reload möchte ebendiese holprige Zeitreise obsolet machen und verspricht vollständigen Spielgenuss in einem modernen Gewand. Wir haben uns ausgiebig mit dem Remake beschäftigt und wollen euch nun unseren Eindruck schildern.
In Persona 3 Reload schlüpft ihr in die Rolle eines Schülers, dessen Eltern zehn Jahre zuvor bei einem tragischen Unfall verstorben sind und der nun einen neuen Lebensabschnitt in der fiktiven Hafenstadt Tatsumi Port Island beginnen möchte. Dort wird er erstmals Zeuge der sogenannten Dark Hour, eine zusätzliche Stunde nach Mitternacht, die einzig von Personen mit dem „Potenzial“ wahrgenommen werden kann – der Rest ruht derweil in Särgen. In dieser Zeit erhebt sich ein himmelhoher Turm inmitten der Häuserlandschaft, in dessen Innern es von grotesken Kreaturen wimmelt. Gemeinsam mit eurem neuen Freundeskreis erklimmt ihr das rätselhafte Bauwerk und geht der unheilvollen Stunde auf den Grund.
Die Geschichte unterscheidet sich kaum bis gar nicht vom Original – und das ist auch gut so. Die Handlung ist einfach zu folgen, besitzt ein paar überraschende Wendungen und kann auch heute noch mit ihrer einzigartigen, verhältnismäßig düsteren Prämisse punkten. Der elegante Mix aus epischer Weltrettung und profanem Teenagerdasein bereitet immer noch eine Menge Spaß. Neben der allumfassenden Rahmenhandlung gibt es auch jede Menge Sub-Plots zu entdecken, welche euch die einzelnen Figuren und deren Motive näherbringen. Ob Prüfungsstress, Schulromanzen oder Familiendrama, Persona 3 Reload hat jede Menge Themen im Gepäck und bietet daher ein breites Spektrum an Identifikationsmöglichkeiten. Bei der Inszenierung liegt der Fokus jedoch deutlich auf der Hauptgeschichte. Dort greift man nicht selten zu aufwendigen Zwischensequenzen in Spielgrafik oder lässt sogar kleine Anime-Filmchen ablaufen, während die Nebenhandlungen lediglich mit Dialog-Boxen und pragmatischen Animationen daherkommen. Doch trotz ungleicher Priorität kann Persona 3 Reload in puncto Geschichte vollends überzeugen. Könnt ihr euch auf die spezielle Ausgangssituation einlassen, erwarten euch etwa sechzig Stunden pure Unterhaltung.
Spielerisch erwartet euch der mittlerweile klassische Persona-Mix aus japanischem Rollenspiel, einer ausgeprägten Social-Sim-Komponente sowie einer Prise Lebenssimulation. Sehr früh werdet ihr in das sogenannte Specialized Extracurricular Execution Squad, kurzum S.E.E.S., aufgenommen und könnt fortan mit eurem neuen Freundeskreis auf Monsterjagd gehen. Hierfür besucht ihr den eingangs erwähnten Turm, den Tartarus, wo ihr allerlei Ungetüm findet, was euch ans Leder möchte. Gemeinsam mit eurem vierköpfigen Trupp erkundet ihr die vielen Ebenen des kolossalen Bauwerks, bergt Schätze, rettet verschleppte Personen und tretet den feindseligen Schatten in rundenbasierten Gefechten gegenüber. Diese spielen sich nun deutlich flotter und dynamischer als im Original. Nach wie vor versucht ihr, die Schwächen eurer Gegner auszumachen und ihnen mit effektiven Attacken auf den Boden zu zwingen, um einen weiteren Zug zu erhalten. Jedoch dürft ihr den nächsten Zug nun auch an eine andere Figur abgeben. Klingt vertraut? Richtig. Die besagte Funktion wurde erstmals vor acht Jahren mit Persona 5 eingeführt und wurde jetzt von Persona 3 Reload übernommen, wodurch die taktischen Möglichkeiten innerhalb eines Kampfes drastisch zunehmen. Habt ihr die passenden Leute im Schlepptau, könnt ihr herkömmliche Gefecht innerhalb der ersten paar Züge und ohne Gegenwehr für euch entscheiden – zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Komplett neu sind hingegen die Theurgie-Angriffe. Hierbei handelt es sich um heftige Spezialattacken, die zuvor aufgeladen werden müssen. Dies geschieht, indem ihr bestimmte Aktionen während des Kampfes ausführt. So füllt sich Yukaris Leiste beispielsweise auf, indem ihr andere heilt, während Junpei kritischen Schaden verteilen muss, um den Füllstand nach oben zu treiben.

Neben der Übergabefunktion sorgen auch die neuartigen Theurgie-Angriffe für zusätzliche Dynamik
© ATLUS / SEGA
Um solche speziellen Manöver auszuführen, benötigt es die geeignete Magie – und hier kommen die Personas ins Spiel. Die Personas sind magische Wesen, die dem Charakter der jeweiligen Person entspringen. Während eure Mitstreitenden jeweils nur eine Persona führen können, kann euer Protagonist gleich mehrere kontrollieren und so ein vielseitiges Team zusammenstellen. Neue Personas erhaltet ihr als Belohnung für erfolgreiche Kämpfe oder durch die Fusion eures Bestands. Wie eure Spielfigur erhalten auch die Personas Erfahrungspunkte und steigen im Level auf. Solche Stufenanstiege heben nicht nur die Attributswerte der jeweiligen Persona an, sondern schalten auch neue Fähigkeiten frei, von denen insgesamt acht gleichzeitig erlernt werden können. Die Personas sind ein elementares Konzept der Persona-Spiele, ihr solltet also schon eine gewisse Experimentierfreude mitbringen, wenn ihr Persona 3 Reload vollumfänglich genießen möchtet.
Denn auch außerhalb des äußerst gelungenen Kampfsystems spielen sie eine tragende Rolle. So profitieren auch die Social-Links von den mysteriösen Geschöpfen. Social-Links sind Bekanntschaften, die ihr während eures virtuellen Alltags schließen und pflegen könnt. Je höher der Level eines Social-Links, desto größer der Bonus bei der Fusion einer Persona des passenden Arkanas (der Typ bzw. die Kategorie der Persona). Und andersherum genauso. Habt ihr eine Persona des passenden Arkanas im Team und ausgerüstet, lassen sich ebendiese Social-Links leichter ausbauen. Einige Social-Links können einfach so gestartet werden, andere verlangen wiederum nach speziellen Items oder einem bestimmten Sozialwert. Von Letzteren gibt es insgesamt drei (Mut, Charme und Wissen), die ihr mit Nebenbeschäftigungen trainieren könnt. So könnt ihr beispielsweise euer Wissen erhöhen, indem ihr bestimmte Literatur lest, Mahlzeiten esst oder schlicht in der Schule aufpasst. Ihr könnt sogar Liebesbeziehungen aufbauen – allerdings nur zu weiblichen Figuren. Die Social-Links sind vielleicht nicht jedermanns Sache, jedoch eine entspannte Abwechslung zum Turm-Gekloppe und häufig auch zuckersüß anzusehen, insofern euch typische Coming-of-Age-Geschichten zusagen.
Die Spielwelt von Persona 3 Reload bereist ihr teilweise per Oberweltkarte und teilweise zu Fuß. Ihr wählt also auf der Oberwelt das gewünschte Gebiet aus und wenn ihr dort seid, überlässt das Spiel euch die Kontrolle. Die Hafenstadt Tatsumi Port Island ist nicht sonderlich groß und die Anzahl an begehbaren Umgebungen überschaubar. Wer Persona 5 gespielt hat, ist sicherlich erst einmal ernüchtert über die geringe Auswahl. Allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass Persona 3 seinerzeit auf der PlayStation 2 erschien, während Persona 5 auf der weitaus performanteren PlayStation 3 debütierte. Vielleicht empfindet der eine oder andere es auch als erfrischend, in einer komprimierten Spielwelt unterwegs zu sein, wo doch der Trend hin zu überwältigenden Größen geht.
Wo wir schon bei der Spielwelt sind, müssen wir auch den Elefanten im Raum ansprechen: den Tartarus. Verwöhnt von den eindrucksvollen Palästen in Persona 5, mag der Tartarus mit seinen zufallsgenerierten Korridoren und Ebenen nicht unbedingt ansprechend wirken. Dass das ursprünglich noch viel dröger war, ist da nur ein geringer Trost. Trotz der komplexeren Strukturen und der phänomenalen Lichtstimmung stellt der Tartarus leider die größte Schwachstelle von Persona 3 Reload dar. Immerhin hält sich die Zeit, die ihr darin verbringt, in Grenzen und gelegentliche Außeneinsätze bringen etwas frischen Wind in die Schattenbekämpfung. Ein weiterer großer Kritikpunkt, der vorab bereits vielerorts geäußert wurde, ist das Fehlen einiger Inhalte, die seinerzeit mit alternativen Versionen des Hauptspiels ausgeliefert wurden. So kommt ihr in Persona 3 Reload weder in den Genuss des Epilogs „The Answer“ noch dürft ihr das Abenteuer als Frau bestreiten. Ob die beiden Zusatzinhalte noch (kostenpflichtig) nachgeliefert werden, ist unklar, aber auch nicht auszuschließen.
Audiovisuell macht Persona 3 Reload nahezu alles richtig. Die Grafik ist zeitgemäß und hebt die ursprüngliche Optik des Originals verlustfrei in die Moderne. Sowohl die vielen Charaktere als auch die Umgebungen haben eine erfolgreiche Frischzellenkur genossen, ohne an Wiedererkennungswert einzubüßen. Hierfür kam die Unreal Engine 4 zum Einsatz, das erste Mal im Falle von ATLUS. Natürlich hat auch die Detailfülle zugenommen, was sich in allen Bereichen bemerkbar macht. Zudem dürft ihr euch über erweiterte Mimik und Gestik der einzelnen Figuren freuen, wodurch die vielen Unterhaltungen deutlich lebhafter erscheinen. Gemischte Gefühle ruft derweil das Beleuchtungssystem hervor. Wo der Tartarus mit seiner Lichtstimmung besticht, fällt diese auf der Oberwelt etwas ernüchternd aus, insbesondere im Wohnheim. Ein seltsamer Kontrast, der leider deutlich ins Auge fällt. Dafür dürft ihr euch auf geschmeidige, stabile sechzig Bilder pro Sekunde sowie einen außergewöhnlichen Soundtrack freuen, der euch noch lange im Ohr hängenbleiben wird. Ein paar Extrapunkte verdient sich das Spiel zudem mit dem stylischen UI, das mit tollen Illustrationen und Animationen auffällig hervorsticht.