Rare Historie
Geschrieben von Falko Anonymous am 21.05.2015
Viele unserer geliebten Videospiele wurden von Firmen hergestellt, die bereits eine lange, interessante Geschichte hinter sich haben. Einige dieser Firmen wollen wir euch in nächster Zeit vorstellen und beginnen heute mit einer wahren Legende: Rare!
Rare ist ein Entwicklungsstudio für Videospiele mit Sitz in der Kleinstadt Twycross in der englischen Provinz Leicestershire. Es ist heute zu 100% ein Tochterunternehmen der Microsoft Studios.
Status des Unternehmens: aktiv
Beziehung zu Nintendo: Von 1994 bis 2002 ein exklusiver Second-Party-Entwickler von Nintendo.
Im Oktober 1958 wird Christopher Stamper (Chris) geboren. Im Februar 1961 erblickt sein kleiner Bruder Timothy Stamper (Tim) das Licht der Welt. Beide beginnen, sich während ihrer Schulzeit für Elektrotechnik zu interessieren und studieren im Anschluss Physik und Elektrotechnik. Während Chris sich mit der Entwicklung und Programmierung von Mikroprozessoren beschäftigt, zeigt Tim mehr Interesse am Design und der Grafikerstellung. Nach einigen Jobs bei Herstellern von Arcade-Automaten beschließen die Gebrüder Stamper, eine eigene Firma zu gründen. So entsteht im Jahr 1982 Ashby Computers & Graphics Limited (A.C.G.) in dem kleinen, idyllischen Dorf Ashby-de-la-Zouch. Die ersten Mitarbeiter sind Tims damalige Freundin und spätere Ehefrau Carole Ward und der gemeinsame Freund John Lathbury, ein Programmierer und Ingenieur, den sie zuvor bei einem Automatenhersteller kennengelernt hatten. Das erste Spiel der Firma ist ein Pac-Man-verwandtes Arcade-Videospiel mit dem Namen Dingo, dass sie im Auftrag des japanischen Videospielehersteller Jaleco erstellen. Doch aufgrund der geringen Gewinnmargen für Entwickler von Arcade-Spielen entscheiden sich Tim und Chris für eine Konzentration auf den Markt der Heimcomputer. Für diesen Zweck erschaffen sie eine eigene Publisher-Marke namens Ultimate Play the Game, unter der sie ihre Spiele für den britischen Markt selbst vermarkten. So entstehen in den Jahren 1983-1987 zahlreiche hochkarätige Klassiker wie Jetpac, Knight Lore und Sabre Wulf, die überwiegend für den ZX Spectrum entwickelt werden. Viele dieser Titel erreichen in den Wertungen einen Durchschnitt von über 90%. Ultimate Play the Game wird innerhalb kürzester Zeit das beliebteste und bekannteste britische Entwicklerstudio für Heimcomputer.
Die Logos von A.C.G. und Ultimate Play the Game. Sie prangten in den 80ern auf vielen von Kritikern und Spielern geliebten Spielen.
Als 1983 in Japan eine neue Konsole der Firma Nintendo den dortigen Konsolenmarkt überrollt, werden auch Tim und Chris auf das Gerät aufmerksam. Sie importieren sich eines dieser Famicoms, wie sie dort genannt werden, und studieren es. Sie finden heraus, wie das Famicom arbeitet und programmieren einige Demos dafür. Dabei erkennen sie das Potenzial der kleinen, günstigen und dennoch leistungsfähigen Konsole und fassen den Entschluss, in den Konsolenmarkt einzusteigen. Zu diesem Zweck reisen die beiden nach Japan zu Nintendo und präsentieren den Verantwortlichen als erstes westliches Studio überhaupt ihre Demos. Diese sind durch das Auftreten der Stamper-Brüder und den Demos sehr beeindruckt. Und so erhalten Chris und Tim eine damals einzigartige Lizenz. Während die bisherigen Dritthersteller nur eine begrenzte Anzahl an Spielen pro Jahr produzieren dürfen und diese der strengen Qualitätssicherung Nintendos unterliegen, dürfen die beiden eine unbegrenzte Anzahl an Spielen pro Jahr auf den Markt bringen.
Mit dieser besonderen Lizenz im Gepäck verkaufen Tim und Chris 1985 Teile der Vermarktungs- und Produktionsrechte von Ultimate Play the Game an die Vertriebsfirma U.S. Gold und gründen im Gegenzug in Twycross, einem kleinen Dorf nicht weit von Ashby-de-la-Zouch entfernt, das Tochterunternehmen Rare Limited. 1987 erscheint im Westen das erste Spiel von Rare namens Slalom unter dem direkten Vertrieb von Nintendo für das Nintendo Entertainment System (NES), wie das Famicom dort nun genannt wird. Da das NES vor allem auf dem US-Markt reißenden Absatz findet, gründen Chris und Tim in Miami/USA eine Vertriebsgesellschaft namens Rare Coin-It. Diese soll vor Ort den Vertrieb und die Lizenzierung eigener Konsolen- und Automatenspiele auf dem amerikanischen Kontinent übernehmen.
Der Großteil der Rare-Belegschaft zur Zeit der Gründung. Von l. nach r.: Tim Stamper, Carol Stamper, Chris Stamper, Angestellte.
Durch den guten Ruf, den sich die Brüder mit Ultimate Play the Game erworben haben, und der einzigartigen unbegrenzten Lizenz wird Rare schnell zu einem bedeutenden Entwicklungspartner für andere Dritthersteller wie Acclaim, GameTek, Tradewest und Milton Bradley. So entwickelt Rare allein von 1986 bis 1993 über 50 Module für das NES und den Game Boy. Darunter Konvertierungen (Marble Madness, Silent Service), Auftragsarbeiten (Jeopardy!, Who Framed Roger Rabbit) und eigene Produktionen (Snake Rattle N Roll, Battletoads). Von Snake Rattle N Roll und der Battletoads-Reihe werden sogar Portierungen für die SEGA-Konsolen erstellt. Somit schafft Rare einen Produktionsausstoß von fast einem Videospiel pro Monat. Und jedes davon ist kommerziell erfolgreich. Diese Einnahmen ermöglichen es den Brüdern, zu expandieren. Anfang der 90er erwerben sie das kleine Entwicklungsstudio Zippo Games, das zuvor häufiger bei Entwicklungen von Rare mitgeholfen hatte. Einige Zeit später wird dieses in Rare Manchester umbenannt.
Doch ein wirkliches Spiele-Highlight wie zu Spectrum-Zeiten gelingt Chris und Tim nicht. Doch das sollte sich schon bald ändern...
Da sich das NES selbst nach dem Erscheinen seines Nachfolgers, dem Super Nintendo (SNES), noch gut verkauft, produziert man bei Rare weiterhin NES-Module. Erst drei Jahre nach der Erstveröffentlichung des SNES wagt man bei Rare den Sprung in die 16-bit-Ära mit einigen grafisch verbesserten Battletoads-Spielen. In der Zwischenzeit arbeitet Rare mit der Unterstützung von Silicon Graphics, einem Hersteller von speziellen Grafik- und Computerprozessoren und Workstations, an einer neuen Technologie, die Advanced Computer Technology (ACM) getauft wird. Wurden bei der Spieleentwicklung bisher die Grafiken überwiegend in 2D gezeichnet und dargestellt, werden mit dieser Technologie alle Objekte zuerst als Vektorgrafik erstellt und dann in 2D-Grafik umgewandelt. Das ermöglicht unter anderem wesentlich flüssigere Bewegungsdarstellungen und glaubwürdigere Schatteneffekte.
Nintendo arbeitet zu dieser Zeit ebenfalls mit Silicon Graphics zusammen, um die erste 3D-Konsole zu entwickeln, und erfährt von dem Projekt. Sie bieten Tim und Chris für deren neue Technologie eine Auswahl ihrer Marken an. Die beiden entscheiden sich für Donkey Kong. Sie beginnen nun, auf Basis der ACM-Technik ein Jump'n'Run für das SNES mit dem Titel Donkey Kong Country zu erschaffen. Dieses erscheint 1994 weltweit zum Weihnachtsgeschäft. Das erste Konsolenspiel mit vorgerenderten 3D-Grafiken sorgt überall für großes Staunen und wird mit über 8 Millionen verkauften Modulen zum zweiterfolgreichsten Titel für das SNES - hinter Super Mario World. Es gewinnt zahlreiche Preise.
Damit diese revolutionäre Technologie nicht für Konkurrenzkonsolen eingesetzt wird, entscheidet sich die Führung von Nintendo 1994 für eine finanzielle Beteiligung bei Rare. Chris und Tim stimmen der Offerte zu und verkaufen 25% ihres Studios an Nintendo. Kurze Zeit später erwirbt Nintendo nochmals einen Anteil von 24% und besitzt damit insgesamt 49% des Studios. Für den Fall, dass die Brüder ihr Studio eines Tages verkaufen wollen, sichert sich der Konzern zusätzlich ein Vorkaufsrecht über die restlichen 51%. Rare, das sich zwischenzeitlich auch Rareware nennt, produziert nun auf Grundlage seiner ACM-Technik weitere Spiele für das SNES wie Killer Instinct (1995), Donkey Kong Country 2 (1995), Donkey Kong Country 3 (1996) und Ken Griffey Jr.'s Winning Run (1996). Dem Studio gelingt es sogar, die ACM-Technik für den Game Boy umzusetzen und entwickelt darauf die Donkey Kong Land-Spiele.
Ein weiteres Spiel auf Basis der ACM-Technik ist ein Rail-Shooter mit einer James Bond-Lizenz, die Nintendo 1995 anlässlich eines neuen Bond-Films erwirbt. Aus Zeitmangel wird die Entwicklung des Spiels für das SNES jedoch eingestellt und auf die kommende 3D-Konsole, das Nintendo 64 (N64), verlagert. Wegen der wesentlich größeren Leistungsfähigkeit des N64 wird der Rail-Shooter zu einem echten 3D-Ego-Shooter umprogrammiert. In der letzten Entwicklungsphase wird kurzfristig noch ein Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler eingefügt. Als das Spiel 1997 unter dem Namen GoldenEye 007 veröffentlicht wird, glaubt aber kein Außenstehender mehr an einen möglichen Erfolg. Schließlich sind Ego-Shooter damals wegen ihrer umständlichen Steuerung auf den Konsolen nicht sehr beliebt und die Kinovorführung des dazugehörigen Films liegt schon fast zwei Jahre zurück. Doch das Endprodukt lässt alle Kritiker und Spötter verstummen. Es revolutioniert das Genre der Ego-Shooter auf den Konsolen und beeinflusst dieses nachhaltig. GoldenEye 007 kann zahlreiche Preise einfahren und wird im Westen zu einem wahren Systemseller. 25% aller N64-Besitzer kaufen sich den Bond-Shooter. Deutsche Videospieler bekommen hingegen nicht viel von der Revolution mit, denn GoldenEye wird aufgrund der Gewaltdarstellung hierzulande indiziert..
Bevor GoldenEye 007 auf den Markt kommt, stellt Rare aber bereits zwei andere Spiele für das N64 fertig. Das erste N64-Spiel ist Killer Instinct Gold (1996), eine Portierung ihres Prügel-Arcade-Hits Killer Instinct 2. Dieses Spiel landet in Deutschland, wie schon der SNES-Vorgänger, auf dem Index und kann hier nur durch einen damals mühsamen Import erstanden werden. Das zweite Spiel nennt sich Blast Corps (1997) und ist ein explosionsgeladenes Actionspiel, in dem man mit verschiedensten Fahrzeuge zahlreiche Objekte zerstört, um einem führerlosen Atomtransporter den Weg freizuräumen. Diese Spiele werden von der Presse ebenfalls hoch gelobt und zum Teil mit Wertungen von über 90% gewürdigt.
Bei den Nintendo-Fans erlangt das Studio nun endgültig Kultstatus. Jedes angekündigte Spiel von Rare wird mit Sehnsucht erwartet. Und von diesen gibt es zahlreiche. Weltweit wartet man auf die bereits angekündigten Spiele wie Dream, Conker's Quest und Donkey Kong World. Auf der E3 1997 werden dann erstmals bewegte Bilder zu den beiden erstgenannten Spielen gezeigt. Das 3D-Jump'n'Run Dream wird dabei unter seinem neuen Namen Banjo-Kazooie präsentiert und überzeugt die Messebesucher vor allem durch die Grafik, das Gameplay und seinen Spielwitz. Conker's Quest ist ein ähnliches 3D-Jump'n'Run - nur farbenfroher. Während man auf Conker noch einige Zeit warten muss, wird Banjo-Kazooie für das Weihnachtsgeschäft 1997 angekündigt. Rare kann den Termin jedoch nicht einhalten und folglich wird das Spiel aufs nächste Jahr verschoben. Um die Fans zu vertrösten, hat Rare für das Jahr 1997 aber noch eine Überraschung in petto: Im November 1997 veröffentlichen Rare und Nintendo weltweit Diddy Kong Racing, das erst kurz zuvor auf der IFA in Berlin enthüllt wurde. Der gelungene Mix aus Adventure und Funracer sorgt für ein begeistertes Echo bei Medien und Spielern.
Banjo-Kazooie folgt daraufhin im Sommer 1998 und sorgt wie bei Spielen von Rare mittlerweile üblich für Beifall. Es soll 1998 aber das einzige fertiggestellte Produkt des Studios bleiben. Denn während Rare für die Öffentlichkeit auf seinem Höhepunkt angelangt ist, rumort es im Inneren. Hatten 1997 bereits einige wenige Angestellte das Unternehmen verlassen, um ein von Sony finanziertes Studio mit dem Namen Eighth Wonder zu gründen, folgt nach der Fertigstellung von Banjo-Kazooie ein wahrer Exodus von Angestellten. Über die wahren Gründe kann man bis heute nur spekulieren. Einige Ex-Angestellte sagten in Interviews aus, dass ein strenger Führungsstil der Gebrüder Stamper und angeblich harte Arbeitsbedingungen dafür verantwortlich seien. Eine gemeinsame offizielle Stellungnahme gibt es jedoch nicht. Viele der Abgänger gründen neue Studios (Free Radical Design, Zoonami) oder werden von anderen Spieleherstellern (Eidos, Factor 5) mit offenen Armen empfangen.
Obwohl Rare ein Highlight (hier Banjo-Kazooie) nach dem anderen produziert, kehren immer mehr Angestellte dem Studio den Rücken zu.
Rare kann den Mitarbeiterschwund anfangs kaum kompensieren. Und so dauert es über ein Jahr, bis mit dem Titel Conker's Pocket Tales für den Game Boy Color das nächste fertige Spiel von Rare in den Regalen steht. Auch an der Qualität der neuen Spiele, die 1999 veröffentlicht werden, kann man negative Auswirkungen des Exodus wahrnehmen. Der Third-Person-Shooter Jet Force Gemini und das 3D-Jump'n'Run Donkey Kong 64, wie Donkey Kong World am Ende genannt wird, sind zwar weiterhin sehr gute Spiele, die jedoch an die Spitzenklasse der vorherigen Titel nicht direkt anknüpfen können. Das größte Opfer des Exodus wird Conker's Quest. Es wird in Twelve Tales: Conker 64 umbenannt und auf unbestimmte Zeit verschoben.
In der Mitte des Jahres 2000 gelangt, ebenfalls durch den Exodus mehrmals verschoben, der inoffizielle GoldenEye-Nachfolger Perfect Dark in die Händlerregale - außer in Deutschland. Abermals verzichtet Nintendo auf einen Deutschland-Release, um einer möglichen Indizierung aus dem Weg zu gehen. Der Ego-Shooter erlangt, trotz vergleichbarer Qualität zu GoldenEye 007, aber leider nur einen geringen Bruchteil der Verkaufszahlen seines geistigen Vorgängers. Der absichtliche Verzicht von Chris und Tim auf die James Bond-Lizenz - man möchte lieber eine eigene, neue Marke etablieren - wird einen Großteil dazu beigetragen haben. Der Kern des Entwicklerteams von Perfect Dark verlässt im Anschluss das Studio, um sich überwiegend den zuvor emigrierten Kollegen bei Free Radical Design anzuschließen.
Das Jahr 2000 ist der Ursprung einer schwerwiegenden Veränderung: die Stampers beschließen, ihren verbliebenen Anteil an Rare in Höhe von 51% zu veräußern. Wahrscheinlich erkennen die beiden, dass ihr Studio seinen Zenit erreicht hat und man zu dieser Zeit einen hohen Preis erzielen kann. Die Führung von Nintendo, die über das Vorkaufsrecht verfügte, lehnt aber eine komplette Übernahme ab. Der Konzern hält das Studio nach dem Weggang zahlreicher fähiger Spieleprogrammierer und Spieledesigner nicht mehr für produktiv genug, wie auch die letzten beiden Jahre belegten. Zusätzlich verfügt Nintendo zu diesem Zeitpunkt durch die schwachen Verkäufe des N64 und der anstehenden Veröffentlichung des GameCubes und des Game Boy Advance nicht über einen allzu großen finanziellen Spielraum. Deshalb dürfte der Preis von rund 100 Millionen Euro, den Chris und Tim für ihren Anteil verlangen, für Nintendo zu hoch gewesen sein. Und so kam es, dass sich bei Rare zahlreiche Manager von anderen Spieleherstellern wie Electronic Arts, Activision, THQ und Microsoft die Klinke in die Hand gaben.
Ist das Zersägen des N-Logos im Intro von Conker's Bad Fur Day die Rache von Rare für Nintendos Politik gegenüber dem Spiel?
In der Zwischenzeit wird bei Rare selbstverständlich weiterhin an Spielen gearbeitet. So erscheinen zum Jahreswechsel 2000/2001 das sehr gute 3D-Jump'n'Run Banjo-Tooie und der weniger gelungene Mario Kart-Klon Mickey's Speedway USA für das N64. Im März 2001 findet schließlich auch Conkers Odyssee ein Ende. Die Überraschung über das fertige Spiel ist allerdings groß. Aus dem einst farbenfrohen und familienfreundlichen Abenteuer mit dem niedlichen Eichhörnchen-Paar Conker und Berri ist ein 3D-Jump'n'Run geworden, das aus Conker einen Säufer und aus Berri ein leicht bekleidetes Dummchen macht - beide sind allerdings noch immer Eichhörnchen. Dazu garniert mit einer Gewaltdarstellung, einer unflätigen Ausdrucksweise und einem schwarzen Humor, der sogar der South Park-Serie Konkurrenz macht. Der Chefdesigner Chris Seavor ist auf sein Produkt sogar so stolz, dass er selbst den dauerbetrunkenen Hauptdarsteller Conker vertont. Nintendo ist von diesem Wandel allerdings weniger begeistert. Und so wird das Spiel von Nintendo aus allen Publikationen verbannt und auch nicht mehr aktiv beworben. Nintendo lehnt gegenüber Rare sogar den Vertrieb für Japan und Europa ab. Zumindest für Europa kann Rare mit THQ allerdings einen alternativen Vertriebspartner gewinnen.
Unabhängig davon geht die Zusammenarbeit von Rare und Nintendo weiter. Ein schon länger für das N64 angekündigtes Spiel mit dem Titel Dinosaur Planet wird nun mit der Star Fox-Lizenz versehen und für den kommenden GameCube entwickelt. Außerdem wird an Fortsetzungen zum Ego-Shooter Perfect Dark und dem Rennspiel Diddy Kong Racing gearbeitet. Zusätzlich befindet sich ein völlig neues Action-Adventure mit dem Titel Kameo in der Entwicklung. Am 23. September 2002 erscheint zunächst das ehemalige Dinosaur Planet unter dem Namen Star Fox Adventures für den GameCube. Doch es sollte das letzte Spiel für eine Nintendo-Heimkonsole werden...
Nur zwei Tage nach dem US-Release von Star Fox Adventures, am 25. September 2002, erreichte eine Meldung die Spielergemeinde: Microsoft kauft Rare.
Schon seit einiger Zeit gingen Gerüchte über einen Verkauf des Spieleentwicklers um die Welt. Doch keiner konnte oder wollte diesen Gerüchten Glauben schenken. Als es offiziell vermeldet wird, ist die Empörung unter den Nintendo-Anhängern groß. Viele sehen lange Zeit die Hauptschuld des Verkaufs bei Nintendo. Einige prognostizierten sogar das Ende des japanischen Konsolenherstellers. Doch wenn man einmal hinter die Kulissen blickt, erkennt man, dass der Verkauf des Studios, der durch die Stampers forciert wurde, Nintendo langfristig nur Vorteile brachte. Er spülte Nintendo viel Geld in die gerade klamme Kasse, das sie unter anderem für den Kauf und die Finanzierung der Retro Studios verwendeten. Außerdem erreichten alle nachfolgenden Spiele aus dem Hause Rare nie mehr die Qualität aus der SNES- und N64-Zeit, da zahlreiche Talente dieser Ära das Studio bereits verlassen hatten.
Doch zurück zu den Hintergründen des Microsoft-Deals: Ursprünglich sollte vor Microsoft ein anderer Bieter den Zuschlag für Rare erhalten, der sowohl von Nintendo als auch von Rare bevorzugt wurde: Activision. Microsoft und Activision leisteten sich ein wahren Bieterwettstreit um das Kultstudio, den Letzterer für sich entschieden hatten. Da Rare bereits mit Kameo, Donkey Kong Racing und Perfect Dark Zero in der Entwicklung weiterer GameCube-Spiele vertieft war, hätte die Übernahme eines unabhängigen Spieleherstellers dem Studio die weitere Zukunft erleichtert. Die Projekte hätten immerhin ohne Einschränkungen fortgeführt werden können. Auch für die Nintendo-Fans wäre dieses Schicksal wohl leichter zu verkraften gewesen. Doch Activision sprang aus bis heute unbekannten Gründen kurz vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages ab. Und so fragten die Stampers bei Microsoft nach, ob ihr Angebot noch stehe. Microsoft sagte daraufhin zu und erwarb das gesamte Studio inklusive seiner Markenrechte (darunter Banjo, Perfect Dark und Killer Instinct) für die Summe von 375 Millionen Euro. Rare wurde somit ein einhundertprozentiges Tochterunternehmen von Microsoft und nun in die Microsoft Game Studios integriert. Aufgrund seines Bekanntheitsgrades darf das Studio aber weiterhin unter eigenem Namen agieren. Chris und Tim behalten ihre Führungspositionen und Microsoft gewährt den beiden weiterhin freie Handlungsgewalt.
Rare, das nun Spiele exklusiv für die Xbox produzieren muss, stellt die Arbeiten an Donkey Kong Racing ein. Die in der Entwicklung befindlichen Titel Kameo und Perfect Dark Zero hingegen werden für die Xbox umprogrammiert und sollen darauf vollendet werden. Doch die Konvertierungen gestalten sich für die Entwicklerteams schwieriger als gedacht und so erreichen zwei andere Spiele von Rare zuerst den Markt: Grabbed by the Ghoulies (2003) und Conker: Live & Reloaded (2005). Ersteres spielt sich wie eine Mischung aus Banjo-Tooie und Starfox Adventure. Doch qualitativ kann der Titel nicht an diese Vorbilder anknüpfen und da der durchschnittliche Xbox-Spieler einer anderen Zielgruppe angehörte, wie man sie auf Nintendo-Konsolen erreichte, wird Grabbed by the Ghoulies zum ersten kommerziellen Flop der langjährigen Studiogeschichte. Conker hingegen kann die Actionfans überzeugen. Während der Einzelspielermodus lediglich ein grafisch stark verbessertes Remake des N64-Originals ist, das allerdings von Microsoft stark geschnitten wird, kann der neue Mehrspielerpart einen Großteil der Spieler unterhalten. Conker: Live & Reloaded verbleibt in den Top 10 der meistgespielten Xbox-Live-Titel der ersten Xbox.
Als Microsoft Anfang 2005 bereits den Start der Xbox 360 für Weihnachten vorbereitet, wird Rare dazu verpflichtet, mindestens einen Launch-Titel für die Konsole abzuliefern. Tim und Chris beschließen, die mittlerweile fast fertiggestellten Projekte Kameo und Perfect Dark Zero für die Xbox 360 anzupassen. Beide erscheinen pünktlich zum Launch der Konsole am 22. November 2005 in den USA und am 2. Dezember 2005 in Europa. Das Action-Adventure und der Ego-Shooter werden positiv aufgenommen und knacken jeweils die Millionenmarke an verkauften Exemplaren. Rare scheint sich nun in der Microsoft-Familie eingelebt zu haben und die Videospieler warten gespannt auf den nächsten Titel.
Dieser erscheint ein Jahr später unter dem Namen Viva Pinata. Rare setzt große Hoffnungen in diese bunte und humorvolle Lebenssimulation, die entfernt an Spiele wie Harvest Moon und Animal Crossing erinnert. Man lässt für die neue Marke sogar eine CGI-animierte Cartoon-Serie produzieren. Das Spiel wird im Vorfeld von den Medien begeistert aufgenommen und für zahlreiche Preise (unter anderem Spiel des Jahres) nominiert. Es erhält zum Release auch sehr gute Wertungen, doch gewinnen wird es keinen einzigen Preis. Auch die Verkaufszahlen von Viva Pinata bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Später sagt ein Sprecher von Rare, dass man von Microsofts Unterstützung für Viva Pinata enttäuscht sei, da diese die Marketing-Maschinerie lieber auf das zeitgleich veröffentlichte Gears of War von Epic Games konzentrierten.
Kurze Zeit später, am 2. Januar 2007, geben Chris und Tim ihren Rücktritt bekannt. Sie verlassen das Studio, das sie vor über 20 Jahren gegründet hatten, um andere Interessen zu verfolgen - wie es offiziell heißt. Gregg Mayles und Mark Betteridge, die beide bereits seit den 80ern bei Rare arbeiten, übernehmen nun die Leitung. Aber auch deren Führung sorgt nicht für den gewünschten Wandel im Unternehmen. Zwar können die Spiele Banjo-Kazooie: Nuts & Bolts und ein neuer Viva Pinata-Teil ordentliche Bewertungen einfahren, die Verkaufszahlen dieser Spiele hingegen bleiben weit unter den Erwartungen von Microsoft.
Das ehemalige Kultstudio wird zur Entwicklung von Kinect- und Partyspielen verdammt, die sich an Nintendos Wii Sports orientieren.
Microsofts Geduld ist durch den ausbleibenden Erfolg nun zu Ende. Der Konzern greift erstmals direkt ein und beginnt ab 2009 mit der Umstrukturierung des Kultentwicklers. Rare wird ab sofort zur Entwicklung von Kinect-Spielen eingesetzt. Weitere Entwicklungen für Nintendos mobile Spielkonsolen, die bisher toleriert wurden, werden untersagt. Mark Betteridge und weitere Angestellte werden in der Folge entlassen bzw. verlassen Rare. Der Microsoft-Manager Scott Henson übernimmt daraufhin den Chefposten. Das erste Spiel für Kinect mit dem Namen Kinect Sports wird Ende 2010 fertiggestellt. Der Mix aus Fitness- und Partyspiel wird weltweit ein großer Erfolg und kann sich mehrere Millionen mal verkaufen. Daraufhin werden mehrere DLCs und weitere Nachfolger entwickelt. Nebenbei werden die Klassiker früherer Tage wie Perfect Dark und Killer Instinct technisch leicht überarbeitet und als Download-Spiele vertrieben. Ein komplett neuer Teil der Killer Instinct-Reihe hingegen wird von Microsoft bei einem externen Entwicklungsstudio in Auftrag gegeben. Rare übernimmt lediglich eine beratende Rolle. Die Abgabe der früheren Rare-Marke an ein externes Studio stellt wohl den absoluten Tiefpunkt der Firmengeschichte dar.
Im Jahr 2014 gelangt Kinect Sports: Rivals in den Handel. Doch der Boom der aktiven Sportspiele, den Nintendo einst mit Wii Sports einleitete, ist bereits wieder Geschichte. Und so verkauft sich das Spiel sehr bescheiden. Wieder einmal in der Studiogeschichte verlassen mehrere Angestellte die Firma und gründen zum Teil neue Indie-Studios (Starfire Studios, Playtonic Games). Microsoft verkündet in der Zwischenzeit, dass Kinect bei Rare keine Priorität mehr in der Spieleentwicklung darstelle und man an etwas völlig Neuem arbeitet.
Während der Großteil der Belegschaft 2014 mit der Arbeit an dem neuen Projekt beginnt, macht sich ein kleines Team Gedanken darüber wie man das 2015 anstehende 30-jährige Jubiläum Rares feiern könnte. Den Zuschlag bekam eine Spielesammlung für die XBox One mit dem Namen Rare Replay. Dabei wählte man passend zum Jubiläum 30 Spiele aus, was angesichts einer Auswahl an knapp über 100 Spielen sicherlich nicht leicht war. Priorität hatten vor allem Spiele, die für die Marke Rare standen - und für die man keine Lizenzen benötigte. Herauskam eine beachtliche Sammlung an überwiegend (zu ihrer Zeit) hochkarätigen Titeln wie Sabre Wulf, Snake Rattle 'n' Roll und Banjo-Kazooie gespickt mit zusätzlichen Features (z.B. Rückspulfunktion und Online-Multiplayer). Die Sammlung erschien weltweit am 4. August 2015 und ist wohl eine der besten Spielesammlung, die jemals für eine Konsole veröffentlicht wurde.
Die Entwicklung an dem neuen Projekt gingen ebenfalls gut voran und dieses wurde zeitgleich mit der Rare-Sammlung auf der E3 2015 unter dem Titel Sea of Thieves angekündigt. Das Spiel orientiert sich dabei deutlich an den Rare-Spielehits vergangener Tage. Die Optik ist comichaft und farbenfroh, die Spielwelt mit lauter kleinen Details gespickt und der gewohnt Rare-typische Humor ist ebenfalls enthalten. Doch das Spielkonzept selbst ist ziemlich neu. In dem Online-Mehrspielerspiel erkundet man mit einem Piratenschiff die offene Spielwelt bestehend aus mehreren Inseln und erlebt in der Gruppe kleine Abenteuer oder liefert sich Gefechte mit anderen von Spielern gesteuerten Piratenschiffen.
Nach einigen Verschiebungen und Beta-Tests erschien das Spiel schließlich im März 2018. Die Resonanz auf den Hoffnungsträger des Studios fielen aber verhalten aus. Viele störte der Schwerpunkt auf den Mehrspielermodus und dem damit verbundenen Online-Zwang. Auch die Langzeitmotivation lässt für ein MMO-Titel stark zu wünschen übrig. Zumindest an Letzterem versucht Rare bis heute zu arbeiten und spendiert immer wieder Updates, die neue Inhalte bringen. Woran die Frauen und Männer bei Rare sonst noch arbeiten, ist derzeit nicht bekannt.