
Retro Studios Historie
Geschrieben von Falko Anonymous am 21.06.2015
Viele unserer geliebten Videospiele werden von Firmen hergestellt, die zum Teil bereits eine lange und interessante Geschichte hinter sich haben. Einige dieser Firmen wollen wir euch in nächster Zeit vorstellen. Nach Rare berichten wir heute über ein Kultstudio, dessen Ruf mittlerweile denselben Stellenwert genießt.
Ein Redesign des Logos hat das Entwicklerstudio unter dem Namen Retro Studios bisher mitgemacht
Retro Studios ist ein US-amerikanisches Entwicklungsstudio für Videospiele mit Sitz in Austin im Bundesstaat Texas.
Derzeitiger Status des Unternehmens: aktiv
Beziehung zu Nintendo: Seit 2002 ein 100%-iges Tochterunternehmen des Nintendo-Konzerns.
Der noch junge US-Amerikaner Jeff Spangenberg bringt sich selbst das Programmieren bei und verzichtet zugunsten eines frühen Einstiegs in die Videospiele-Industrie auf eine College-Ausbildung. Er ist in der zweiten Hälfte der 80er Jahre als Programmierer an der Entwicklung verschiedener Spiele wie Space Harrier (1985), Side Pocket (1986) und Slam-Dunk (1988) beteiligt. Daraufhin gründet Spangenberg ein kleines Einzelunternehmen mit dem Namen Team Design. Da dieser Name aber bereits von einem anderen Unternehmen verwendet wird, benennt er es kurzerhand in Punk Development um. Nachdem er für RazorSoft an zwei Spielen gearbeitet hat, gründet er am 14. August 1991 zusammen mit einigen befreundeten Programmierern und Spiele-Designern eine größeres Studio namens Iguana Entertainment in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien. Nach der Fertigstellung ihrer ersten Videospiele Aero the Acro-Bat (1993) und NBA Jam (1994) entscheidet sich die Firma für einen Umzug nach Austin im US-Bundesstaat Texas. Durch den Erfolg der ersten Spiele wird Acclaim auf das noch junge Studio aufmerksam und gibt ein Kaufangebot ab. Jeff und seine Mitgründer nehmen das Angebot an und verkaufen ihre kompletten Firmenanteile an Acclaim. Jeff bleibt zunächst Präsident des Studios und beginnt mit der Entwicklung des Ego-Shooters Turok: Dinosaur Hunter für das N64. Kurz nach der Veröffentlichung des Spiels kommt es zu Streitigkeiten zwischen Jeff und Acclaim.
Iguana Entertainment werden die meisten wohl von Turok für das N64 kennen. Rechts seht ihr Jeff Spangenberg.
1998 verlässt Jeff Spangenberg, begleitet von einem Rechtsstreit mit Acclaim, das Studio und gründet zum 1. Oktober 1998 in Austin die Retro Studios. Auf der Suche nach einem Geldgeber und Vertragspartner wird Jeff bei Nintendo fündig. Die ersten Angestellten des neuen Entwicklungsstudios sind überwiegend Mitläufer von Iguana Entertainment. Im ersten Jahr verbringt Jeff hauptsächlich seine Zeit mit der Suche nach weiteren fähigen und talentierten Angestellten. Dabei kann er unter anderem erfahrene Entwickler und Designer von id Software (Doom/Quake), Valve (Half-Life) und Epic MegaGames (Unreal) abwerben. Im zweiten Jahr beginnt das aufgestellte Team dann mit der Arbeit an zukunftsfähigen 3D-Engines, die für eine noch unveröffentlichte Heimkonsole von Nintendo genutzt werden sollen. Außerdem werden mehrere Konzepte erstellt, die für die ersten Spiele des neuen Studios in Frage kommen. Retro Studios entschließt sich dazu, mit der Entwicklung von vier Spielen zu beginnen: einer Football-Sportsimulation, einem actionlastigen Rennspiel, einem Ego-Shooter und einem Action-Rollenspiel. Die Entwicklungen an den Spielen gehen wegen ständiger interner Querelen und Machtkämpfen aber nur schleppend voran und als Shigeru Miyamoto das Studio im April 2000 besichtigt und sich den aktuellen Status der Spiele vorführen lässt, ist er nicht wirklich begeistert. Dennoch trifft Nintendo noch zum Ende des Jahres die Entscheidung, dem neuen Studio eine seiner populärsten Marken zu überlassen: Metroid. Auf Grund dessen wird der eigene Ego-Shooter bei Retro Studios eingestellt und mit der Arbeit am neuen Metroid-Abenteuer begonnen. Anfangs ist lediglich fest geplant, dass man die bisherige 2D-Spielereihe in 3D neu erschaffen will.
Die Heimstätte einiger großartiger Spiele in Austin, Texas - hier kurz nach seiner Fertigstellung und daher mit dem alten Logo.
Obwohl die Football-Simulation und das Rennspiel, das mittlerweile den Namen Thunder Rally trägt, gute Fortschritte erzielen, trifft Nintendo aus Kostengründen die Entscheidung, die weitere Entwicklung dieser Spiele aufzugeben. Auch das Action-Rollenspiel, welches noch auf der E3 2001 in einem Trailer mit dem Titel Raven Blade der Weltöffentlichkeit präsentiert wird, fällt dem Rotstift zum Opfer. Ein Großteil der Angestellten, die an diesen Spielen gearbeitet haben, werden im Anschluss entlassen oder verlassen die Firma. Der Rest wird in das Team integriert, das bereits voll mit der Arbeit am 3D-Metroid beschäftigt ist.
Raven Blade-Screenshot aus dem E3-Trailer von Nintendo. Leider wurde die Entwicklung des Action-Rollenspiels eingestellt.
Nachdem 2001 und 2002 mehrere Fotos von Jeff in gewissen Clubs mit leicht bekleideten Frauen im Internet die Runde machen und die Unternehmensführung der Retro Studios ebenfalls nicht Nintendos Idealen entspricht, beschließt der Konzern, ihn für seine Mehrheitsanteile an dem Entwicklerstudio mit 1 Million US-Dollar auszuzahlen. Am 2. Mai 2002 ist die Übernahme abgeschlossen und Retro Studios wird nach Nintendo Software Technology das zweite interne Entwicklerstudio von Nintendo auf dem amerikanischen Kontinent. Nintendo trennt sich im Anschluss von Jeff. Bei Retro Studios wird nun Steve Barcia zum Präsidenten befördert. Steve war einer der ersten Angestellten des Studios und zuvor der leitenden Entwickler für Raven Blade.
Im Oktober 2002 sind die Arbeiten am 3D-Metroid endlich abgeschlossen und das erste Spiel der Retro Studios erreicht fast genau vier Jahre nach der Gründung den Gold-Status. Am 15. November 2002 wird es in Nordamerika unter dem Namen Metroid Prime veröffentlicht. Die Kritiker und Medien feiern den Titel. Der entstandene Mix aus Ego-Shooter und Action-Adventure wird auf eine Stufe mit hochkarätigen Spielen wie Half-Life, Halo, GoldenEye 007 und Perfect Dark gestellt und kann auch einige Preise zum Spiel des Jahres (u.a. von Edge und GameSpot) gewinnen. Auch die Spieler sind begeistert. In der ersten Woche wandert das Spiel in den USA bereits über 250.000 mal über die Ladentheke. Mit dem europäischen und japanischen Release Anfang 2003 knackt der Titel schnell die Millionenmarke.
Screenshot aus Metroid Prime. Das Spiel übertrug das Metroid-Franchise und dessen Spielkonzept erfolgreich in die dritte Dimension.
Durch den Erfolg von Metroid Prime beginnen nach einer kurzen Verschnaufpause im Januar 2003 die Arbeiten an einem direkten Nachfolger. Außerdem plant man bereits zu diesem Zeitpunkt, aus der Metroid Prime-Saga eine Trilogie zu machen. Zu Beginn der Entwicklung des zweiten Teils treten intern aber weiterhin Unruhen auf und einige Entwickler verlassen das Studio. Daher entscheidet sich Nintendo für einen weiteren Führungswechsel. Im April 2003 wird Steve Barcia entlassen. Michael Kelbaugh, der vor fast 15 Jahren als Produkttester bei Nintendo of America begann und zu diesem Zeitpunkt leitender Direktor der Testabteilung ist, wird zum neuen Präsidenten der Retro Studios. Daraufhin konzentriert sich das Studio auf die Entwicklung von Metroid Prime 2: Echoes. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 2004 gelangt das Spiel in den Handel und erlangt wie schon sein Vorgänger hervorragende Kritiken von Medien und Spielern. Zu Beginn 2005 startet Retro Studios mit den Arbeiten am dritten Metroid Prime-Abenteuer für die kommende Wii. Im Sommer 2007 ist das Spiel fertiggestellt. Unter dem Titel Metroid Prime 3: Corruption erscheint es im Handel und verkauft sich bis zum Ende des Jahres über eine Million mal.
Nach der Fertigstellung des dritten Teils nimmt das Studio zwei Projekte in Angriff. Das erste ist eine Portierung der beiden ersten Prime-Teile vom Gamecube auf die Wii, bei der vor allem die Steuerung für die Wii-Fernbedienung angepasst wird. Das zweite Projekt ist die Wiederbelebung der Donkey Kong Country-Reihe. Allerdings verlassen im April 2008 einige führende Schlüsselfiguren (Jack Matthews, Mark Pacini und Todd Keller) das Studio, um das neue, unabhängige Entwicklerstudio Armature Studio (Batman: Arkham Origins Blackgate) zu gründen. Doch die auftretende Lücke an wertvollem Know-How wird relativ schnell wieder geschlossen und die Projekte erreichen trotz kleinerer Verzögerungen die gewohnte Qualität. Nach dem Release von Donkey Kong Country Returns Ende 2010 wird mit der Entwicklung eines weiteren DKC-Titels begonnen, der Anfang 2014 unter dem Namen Donkey Kong Country: Tropical Freeze für die Wii U in den Handel gelangt. Danach beginnt das Entwicklungsstudio unbestätigten Gerüchten zufolge mit der Entwicklung eines Spiels für die Wii U bzw. deren möglichen Nachfolger.
Autor: Falko Anonymous