
Silicon Knights Historie
Geschrieben von Falko Anonymous am 06.09.2015
Viele unserer geliebten Videospiele werden von Firmen hergestellt, die zum Teil bereits eine lange und interessante Geschichte hinter sich haben. Einige dieser Firmen wollen wir euch in nächster Zeit vorstellen. Nachdem wir das letzte Mal über den ehemaligen Nintendo-Entwickler Left Field Productions berichtet haben, erzählen wir euch heute die turbulente Geschichte von Silicon Knights - den Machern von Eternal Darkness.
Die Logosammlung von Silicon Knights
Silicon Knights war ein unabhängiges kanadisches Entwicklungsstudio für Videospiele mit Sitz in St. Catharines in der Provinz Ontario.
Status des Unternehmens: unbekannt; vermutlich geschlossen
Beziehung zu Nintendo: Von 2000 bis 2004 exklusiver Second-Party-Entwickler von Nintendo.
Der am 14. Juli 1966 geborene Denis Dyack studierte in den 80er-Jahren unter anderem Informatik und machte darin seinen Master. Auf Grund seiner Begeisterung für Videospiele beschloss er nach dem Studium, sich zusammen mit seinem Studienkollegen Rick Goertz selbständig zu machen und ein eigenes Entwicklungsstudio für Videospiele zu gründen.
Im Juli 1992 gründen Denis und Rick unter dem Namen Silicon Knights (SK) ihr Studio. Als Erstes erschaffen sie das Strategiespiel Steel Empire (US-Titel: Cyber Empires) für den PC, das noch im selben Jahr von Strategic Simulations Inc. (SSI) veröffentlicht wird. Darauf folgen noch zwei weitere Strategiespiele für den PC, die 1993 und 1994 erscheinen. In diesen Jahren erstellen Denis und Ken McCulloch, einer der ersten Angestellten bei SK, nebenbei Konzepte für zwei Action-Adventure-Spiele mit den Namen The Pillars of Nosgoth und Too Human. Die Suche nach einem Investor und Vertriebspartner für die beiden Spiele gestaltet sich aber mühsam. Schließlich übernimmt Crystal Dynamics in Zusammenarbeit mit Activision die Finanzierung und den Vertrieb für The Pillars of Nosgoth. Allerdings verlangen die Unternehmen neben der PC-Version auch Umsetzungen für die neuen 3D-Konsolen: PlayStation, 3DO und Sega Saturn.
Mit dem Action-Rollenspiel Blood Omen: Legacy of Kain liefert Silicon Knights seinen ersten großen Titel ab.
Doch während der Entwicklung an The Pillars of Nosgoth kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Die Arbeiten an den 3DO- und Sega Saturn-Versionen werden schließlich eingestellt, da sich diese Konsolen weit unter den Erwartungen verkaufen. Mit der Konzentration auf die PC- und PlayStation-Versionen und nach einigen Änderungen am Design und Gameplay erscheinen die beiden Versionen letztlich 1996 und 1997 unter dem Namen Blood Omen: Legacy of Kain. Das Spiel wird weltweit von Kritikern und Spielern gefeiert und verhilft SK zu einem ausgezeichneten Ruf. Nach dem Erfolg von Blood Omen: Legacy of Kain gibt Activision an Crystal Dynamics den Auftrag für einen Nachfolger. Auf Grund des gestiegenen Personalbedarfs bei Entwicklungen von 3D-Spielen einigen sich SK und Crystal Dynamics auf eine Kooperation. Wegen kreativer Unstimmigkeiten kommt es aber 1997 zu einem Rechtsstreit zwischen den beiden Firmen. Am Ende bekommt Crystal Dynamics Recht und darf das Spiel mit oder ohne der Unterstützung von SK fertigstellen, da Crystal Dynamics der Lizenzinhaber ist und den Auftrag von Activision erhalten hat. Als Crystal Dynamics auch noch von Eidos übernommen wird, trennen sich die Wege von SK und Crystal Dynamics endgültig und die Arbeiten an dem Spiel werden eingestellt.
Nach dem Rückschlag widmet sich SK dem Projekt Too Human, das exklusiv für die PlayStation erscheinen soll. Während dieser Zeit findet sich mit Electronic Arts auch ein Vertriebspartner für den Titel. Zusätzlich beginnt SK 1998 im Auftrag von Nintendo mit der Entwicklung eines Horror-Adventures für das Nintendo 64, das sich an der Resident Evil-Reihe orientieren soll. Auf der E3 1999 werden beide Spiele vorgeführt und für Too Human mit dem 1. Quartal 2000 erstmals ein Releasezeitraum benannt. Nachdem es SK aber nicht gelingt das Spiel bis zu diesem Zeitpunkt fertigzustellen, stellt Electronic Arts die weitere Finanzierung ein.
Zur E3 2000 ist Eternal Darkness auf dem N64 spielbar (links), erscheint aber nach kompletter Überarbeitung für den GameCube (rechts).
Daraufhin gehen SK und Nintendo eine engere Partnerschaft ein. Nintendo beteiligt sich an dem Studio und finanziert deren Projekte. Im Gegenzug entwickelt das Studio exklusiv für die Nintendo-Systeme. Die Entwicklung von Too Human für die PlayStation muss deshalb eingestellt werden, obwohl sich das Spiel kurz vor der Fertigstellung befindet. Auf der E3 2000 geben Nintendo und SK ihre Partnerschaft der Öffentlichkeit bekannt und kündigen mit Eternal Darkness den Titel und mit Halloween den geplanten Release des Horror-Adventures an. Doch erneut kann SK einen geplanten Termin nicht einhalten und Nintendo beschließt, die Entwicklung von Eternal Darkness auf dem GameCube fortzusetzen, da sich der Lebenszyklus des N64 dem Ende nähert. Die nötig gewordene Neuentwicklung von Eternal Darkness für die neue PowerPC-Architektur des GameCube lässt das ursprüngliche Ziel, das Spiel als Launch-Titel für den GameCube herauszubringen, verstreichen. Im Jahr 2002 gelangt das Spiel schließlich in die Händlerregale. 6 Jahre nach Blood Omen: The Legacy of Kain kann SK endlich wieder ein fertiges Produkt vorweisen. Und wie schon Blood Omen wird Eternal Darkness von den Kritikern sehr positiv aufgenommen. Doch ein großer kommerzieller Erfolg bleibt dem Titel verwehrt.
Ein Blick hinter die Kulissen von Silicon Knights während der Entwicklung von Metal Gear Solid: The Twin Snakes.
Nach der Veröffentlichung von Eternal Darkness bekommt Denis von Nintendo und Konami das Angebot, ein Remake des ersten Metal Gear Solid-Teils für den GameCube zu entwickeln. Er nimmt das Angebot sofort an. Die Entwicklung des Spiel erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Shigeru Miyamoto und Hideo Kojima und erscheint im März 2004 weltweit. Wieder sind die Resonanzen hervorragend und dieses Mal stimmen auch die Verkaufszahlen. Danach wendet sich Denis und sein Studio wieder seinem ewigen Wunschprojekt Too Human zu. Schon während der Arbeiten an Metal Gear Solid: Twin Snakes hatte ein kleines Team bei SK mit der Wiederbelebung ihres "Babys" begonnen - diesmal für den GameCube. Es soll der nächste große Titel des Studios werden. Aber auch diese Version wird bald wieder eingestellt. Denn obwohl die Beziehung zwischen Nintendo und SK sehr gut ist und Denis im Mai 2004 noch über eine rosige Zukunft als exklusiver Nintendo-Entwickler erzählt, wird die Partnerschaft im folgenden September überraschend von Denis beendet. Der Anlass dafür war, dass Nintendo kurz zuvor dem Studio das Konzept und die geplante Spezifikationen ihres GameCube-Nachfolgers, die Wii, bekannt gegeben haben. Denis stört dabei weniger das neue Steuerungskonzept, sondern vielmehr die schwache Leistung gegenüber der Konkurrenz und glaubt daher nicht an einen Erfolg des Systems.
Nach der Trennung von Nintendo sucht Denis nach der für ihn bestmöglichsten Plattform für sein langjähriges Projekt und entscheidet sich für die XBox 360. Denis gelingt es Microsoft direkt als Geldgeber und Vertriebspartner für Too Human zu gewinnen. Um die Zeit zur Entwicklung einer eigenen Spiele-Engine für die XBox einzusparen und um sich ausgiebig dem Inhalt und der Handlung des Spiels zu widmen, erwirbt SK erstmals eine fremde Engine: die Unreal 3-Technologie von Epic. Außerdem plant Denis schon während der Arbeit an Too Human, die neue Marke zu einer Trilogie auszubauen. Nebenbei geht Denis noch eine Partnerschaft mit SEGA ein, um mit der Entwicklung eines Survival-Horror-Spiels (The Box) für die PlayStation 3 und die XBox360 zu beginnen.
Doch beide Projekte stehen unter keinem guten Stern. Too Human wird auf der E3 2006 erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. Doch das dort gezeigte Material wird von den Fachbesuchern nicht gerade positiv aufgenommen und von manchen Vertretern der Branche gar als miserabel und erbärmlich bezeichnet. Als das Spiel im August 2008 nach mehreren Verschiebungen und einer 14 -jährigen Odyssee endlich das Licht der Welt erblickt, sind die Bewertungen von Medien und Spielern eher verhalten. Das Spiel wird ein kommerzieller Flop. Microsoft beendet in Folge dessen die Zusammenarbeit. Die Fortführung der Trilogie ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss.
Too Human auf der PlayStation (oben links), dem GameCube (oben rechts) und der XBox 360 (unten), auf der es letztlich erscheint.
Das zweite Projekt The Box hingegen wird nie fertig gestellt. Nachdem SK den mit SEGA vereinbarten Termin (Februar 2007) zur Abgabe des Spiels nicht einhalten kann, wird dieser auf den November verschoben. Als sich aber bereits im August für SEGA abzeichnet, dass dieser Termin ebenfalls nicht eingehalten werden kann, stellt SEGA die weitere Finanzierung des Projekts ein. SK versucht das Spiel, das sich nun über 3 Jahre in der Entwicklung befindet, zu retten und sieht sich nach einem neuen Investor um. Mit THQ wird dieser auch gefunden. Die Arbeiten an dem Spiel, das von THQ in The Ritualyst umbenannt wird, gehen nun wieder voran. Doch als im Laufe des Jahres 2009 immer noch kein Produktionsende in Aussicht ist, zieht auch THQ die Finanzspritze heraus. Wie schon so oft in der Geschichte des Studios wird ein jahrelanges Projekt ohne Ergebnis eingestellt und die mühsame Arbeit zahlreicher Programmierer und Designer war umsonst. Als Trostpflaster lässt THQ einen Teil des Entwicklungsteams Vigil Games bei der Fertigstellung von Darksiders unterstützen.
Denis sieht die Schuld für die Verzögerungen an seinen Spielen bei Epic und dessen Unreal-Technologie. Bereits 2007 beschuldigte Denis erstmals die Firma Epic eine unfertige Unreal-Technologie an SK lizenziert zu haben und eine verbesserte Version zurückgehalten zu haben, um die Fertigstellung von Too Human zu sabotieren. Seine Vorwürfe lauteten, dass Epic befürchtet habe, Too Human sei ein zu großer Konkurrent für dessen eigenes Actionspiel Gears of War. Außerdem seien die gezahlten Lizenzerlöse nicht wie vertraglich vereinbart zur Fertigstellung der Unreal-Engine genutzt, sondern für die Entwicklung von Gears of War eingesetzt worden.
Kurz darauf reicht SK vor einem US-Bundesgericht eine Klage gegen Epic ein. In dieser Klage verlangt Denis als Schadenersatz einen Teil der Einnahmen der Gears of War-Verkäufe in Höhe von ca. 50 Millionen Euro. Doch solange die Anklage vom Gericht geprüft wird, hält Denis den Betrieb seines finanziell angeschlagenen Studios aufrecht. Er kann nach dem Entwicklungsstopp von The Ritualyst 2009 Activision und Marvel zu einer Kooperation für ein X-Men-Spiel gewinnen. Während der Arbeit kommt es zwischen SK und Activision zu kreativen Differenzen über das X-Men-Spiel. Wieder einmal kommt es zu Verzögerungen. Unter anderem daher, so später ein Ex-Silikonkrieger, weil Denis durch den Konflikt mit Activision das Interesse an dem X-Men-Titel verliert und immer wieder einen Teil des Entwicklungsteams abzieht, um mit anderen Projekten zu beginnen. Um den zeitlichen Druck zu erhöhen, kündigt Activision 2010 das Spiel mit dem Namen X-Men Destiny an und lässt einen Trailer veröffentlichen. Gerüchten zufolge soll Activision daraufhin Denis angekündigt haben, das Spiel spätestens im Herbst 2011 zu veröffentlichen - ob fertig oder nicht. Außerdem werde Activision den Namen Silikon Knights in Zusammenhang mit X-Men Destiny groß propagieren, um eventuellen Schaden durch ein schlechtes Endprodukt von sich selbst abzuwenden. Als X-Men Destiny schließlich für die XBox360, PS3 und Wii im September 2011 in den Regalen steht, fällt das Urteil vernichtend aus. Mittelmäßig, geistlos und chaotisch sind in diesem Zusammenhang noch die harmloseren Begriffe und Bewertungen von rund 30% sind keine Seltenheit.
X-Men Destiny ist geprägt von Missmanagement und Querelen zwischen Entwickler und Publisher.
In der Zwischenzeit gibt das US-Bundesgericht Anfang 2011 einen Teil der Klage zur Verhandlung frei: „Epic hätte ein mögliches Motiv, Silicon Knights und andere Entwickler dazu zu verleiten, ein Lizenzabkommen mit Ihnen einzugehen, um die Entwicklungskosten eigener Spiele zu decken und die Arbeiten der Lizenznehmer und zugleich Konkurrenten wie Silicon Knights zu verzögern", lautet die Begründung des Gerichts.
Während SK sich nach dem finanziellen und rufschädigenden Debakel von X-Men Destiny immer mehr verkleinert, weil Mitarbeiter das Studio verlassen bzw. entlassen werden müssen, fällt im Frühjahr 2012 das Gerichtsurteil: Sämtliche Anklagepunkte von SK werden abgewiesen. Doch es kommt für Denis und sein Unternehmen noch viel schlimmer. SK muss 4,5 Millionen US-Dollar an Epic zahlen und die Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von rund 4,7 Millionen US-Dollar tragen, da während der Verhandlung ans Licht kam, dass SK widerrechtlich Code der Unreal-Technologie in X-Men: Destiny und anderen nicht veröffentlichten Spielen verwendet hat und so gegen das Lizenz-Vertragsrecht verstoßen hat. Zusätzlich muss SK auf eigene Kosten alle Kopien von Too Human und X-Men Destiny aus dem Handel entfernen und sämtliche nicht veröffentlichte Projekte vernichten, die Code der Unreal-Technologie beinhalten. Auch die Berufung, die SK einleitet, kommt im Winter 2012 zu dem selben Urteil. Denis Dyack verlässt daraufhin sein Studio und gründet im Frühjahr 2013 das Studio Precursor Games mit einigen Ex-Silikonkriegern. Die übrigen Mitarbeiter gründen Studios wie Phantom Compass bzw. kommen bei anderen Entwicklern wie PixelNAUTS unter. SK selbst, das nur noch über eine Handvoll Angestellte verfügt, verkauft sein Inventar größtenteils an Precursor Games, schließt die Büros und verschwindet von der Bildfläche. Jegliche Kontakte sind nicht mehr existent. Doch offiziell wird das Studio weder geschlossen noch ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Ob Epic sein Geld erhalten hat ist ebenfalls unklar.
Denis Dyack (ganz vorne; mitte) und die Belegschaft von Silicon Knights, als die Welt noch in Ordnung war (2007).
Autor: Falko Anonymous