Der Anfang vom Ende oder das Ende vom Anfang? – Welche Rolle The Legend of Zelda: Breath of the Wild in der Zelda-Lore spielt Spezial
Geschrieben von Daniel Kania am 01.05.2017
Seit einigen Tagen bereits kann ich stolz behaupten, das bislang größte The Legend of Zelda-Abenteuer durchgespielt zu haben. Was "Durchspielen" bei einem solch monströsen Spiel, wie Breath of the Wild es ist, bedeutet, kann ein Jeder für sich selbst ausmalen. Doch auch wenn die Verheerung besiegt wurde und Link sich wieder an seine Vergangenheit erinnern kann, so verbleiben noch immer zahlreiche Mysterien und Wunder in diesem großen Hyrule. Als großer Fan der Zelda-Lore habe ich mir gleich einmal meinen Shiekah-Stein gegriffen, um allerlei Daten und Informationen zu sammeln, welche sich im Spiel verstecken und darauf warten, von uns Spielern entschlüsselt zu werden.
Eines soll dieses Spezial ganz sicher nicht. Es soll keine passende Platzierung für Breath of the Wild innerhalb der Zelda-Zeitlinie finden. Wer sich tief mit der Materie auskennt, der wird schnell auf viele Widersprüche und Hindernisse treffen, welche eine eindeutige Zuordnung unmöglich machen. Zumindest würde ich dies mit dem aktuellen Wissensstand behaupten und mich, um ehrlich zu sein, gar nicht erst wagen, eine treffende Zuordnung zu versuchen. Stattdessen möchte ich einige Gedanken mit euch teilen – durchaus könnten diese weitere Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Platzierung anregen, doch dies ist in erster Linie nicht meine Absicht. Als ich auf meine Reise durch Breath of the Wilds Hyrule zurückblickte, wurden mir als Zelda-Theoretiker und -Fan einige Dinge bewusst, die ich mindestens als "aufregend" beschreiben würde. Solltet ihr genauso Lore-vernarrt sein wie ich, oder ihr wollt einfach nur einer kleinen Geschichtsstunde lauschen, dann seid ihr hier ganz richtig.
2011 veröffentlichte Nintendo The Legend of Zelda: Skyward Sword für die Wii und setzte damit erneut auf eine innovative Steuerung. Neben der Bewegungssteuerung von Wii-Fernbedienung und Nunchuk, welche eure Bewegungen 1:1 im Spiel wiedergeben konnten, wurde vor allem auch die Geschichte des Spiels beworben. Denn zur Feier des 25. Jubiläums der Serie entschied man sich, eine offizielle Zeitlinie (oder im Englischen: Timeline) zu veröffentlichen, welche die Ereignisse der bisher erschienenen Spiele, inklusive des zu der Zeit neuesten Ablegers, in eine chronologische Reihenfolge brachte – mit Skyward Sword direkt an der Spitze.
Skyward Sword erzählt die bislang frühsten Ereignisse in der Welt von Hyrule. So früh tatsächlich, dass das heute als Hyrule bekannte Königreich damals noch gar nicht etabliert war. Die Menschen lebten hoch oben in den Wolken im Wolkenhort und flogen auf Wolkenvögeln von fliegender Insel zu fliegender Insel. Im Intro des Spiels wird von einem epischen Kampf zwischen Gut und Böse erzählt. Irgendwann nach dem Erschaffen der Welt durch die drei heiligen Göttinnen Din, Farore und Nayru, kam das Unheil aus den Ritzen der Erde und sorgte für Chaos und Entsetzen unter den Völkern des Erdlandes. Um das heilige Erbe der Göttinnen zu schützen, schickte die Beschützerin der Menschen und der gesamten Welt, die Göttin Hylia, ein Stück des Landes, und damit auch einige Überlebende der menschlichen Rasse, hoch empor in den Himmel. Daraufhin besiegte Hylia das Böse und verbannte es schließlich. Im Verlauf von Skyward Sword muss man sich der Aufgabe stellen, dieses Böse erneut in seine Schranken zu weisen.
In der Gegenwart war das Böse als "Der Verbannte" bekannt, obwohl seine Ur-Form deutlich furchteinflößender war. Der Todbringer, der Quell alles Bösen auf der Welt, wird von Link in der Vergangenheit ein für alle Mal im Master-Schwert verbannt. Es saugt die Essenz des Bösen in sich, auf dass es niemals wieder freikommen wird. Bevor aber der Todbringer seinem Ende gegenübersteht, verflucht er die Reinkarnation der Göttin Hylia und den mutigen Helden für alle Zeiten. Man sagt, das Böse würde immer wieder zurückkehren, und mit ihm ein neuer Held und die Reinkarnation der Göttin, welche wir schlicht und ergreifend als Zelda kennen. Der Fluch des Todbringers wirkte, schließlich können wir zahlreiche Male aufzählen, bei denen Ganon(dorf) oder ein anderer Bösewicht auftauchte, um das Land wieder einmal in Chaos zu versetzen.
In Hyrule erzählt man sich Geschichten von einem erbitterten Kampf gegen die Verheerung. Impa erzählt Link, was geschah.
Wer keine Tomaten auf den Augen hat, der wird in Breath of the Wild auf eine sagenhafte Legende gestoßen sein, welche dem Volkesglauben nach vor 10.000 Jahren stattgefunden haben soll. Zu dieser Zeit war Hyrule sehr weit fortgeschritten. Allein die Tatsache, dass jene Legende selbst lange nach irgendeinem bereits bekannten Zelda-Titel spielen muss, gibt uns ein Gefühl dafür, wie weit in der Zukunft Breath of the Wild oder jene Legende tatsächlich liegen müssen. Die Shiekah, welche in keinem Zelda-Ableger zuvor so stark vertreten waren, stellten die hoch-entwickelste Kultur dar und besaßen das Wissen über erstaunliche Technologien. Schon für einige Zeit lebte man in Frieden gemeinsam, da kam den Shiekah ein brillanter Einfall. Wieso nicht die Technologie nutzen, um ewigen Frieden zu erschaffen? Die Menschen kannten die Verheerung zu diesem Zeitpunkt schon und wussten, dass sie tief im Inneren schlummern und nur darauf warten würde, überraschend auszubrechen. Aus diesem Grund konstruierte man zahlreiche Verteidigungsanlagen und bestialische, mechanische Abwehrmechanismen, darunter die vier Titanen und Horden an Wächtern. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Böse wieder erwachen würde.
Und tatsächlich. Sobald die Verheerung Ganon von 10.000 Jahren ausbrach, war Hyrule bereit. Eine ganze Armee an Wächtern umkreiste das formlose Monster und die vier Titanen attackierten die Verheerung, was Ganons Stärke um einiges schwächte. Damit war es dem Helden der damaligen Zeit möglich, die Verheerung mit einem finalen Schlag des Master-Schwertes niederzustrecken. Mit der Macht der Göttin versiegelte die Prinzessin schließlich das Böse und alle hätten friedlich weiterleben können, hätten sich König und Gefolgschaft nicht gefürchtet. Sie kritisierten das leichtsinnige Verhalten der Shiekah und verbannten sie schließlich aus Hyrule. Viele, viele Jahre später – 100 Jahre vor den Ereignissen von Breath of the Wild – wurden die antiken Shiekah-Technologien wiedergefunden. Unter König Rhoam versuchte man, den Plan der Vorfahren zu rekonstruieren. Man wusste, die Verheerung würde eines Tages wiederkehren, also ernannte man neue Recken, welche für das Schicksal von Hyrule verantwortlich waren. Doch zu spät. An oder kurz nach dem 17. Geburtstag der Prinzessin, wie wir sie aus Breath of the Wild kennen, erwachte Ganon erneut. Mit einer Prinzessin, welche nicht sofort bereit war, dem Bösen gegenüberzutreten und einem Volk, welches das Wissen über die antiken Shiekah fast verloren hatte, war Hyrule dem Untergang geweiht. Für 100 Jahre schon kämpft Prinzessin Zelda im Schlossinneren mit Ganon und versucht seine Macht einzugrenzen. Schließlich erwacht Link aus seinem langen Schlaf, der ihm neue Kräfte gegeben hat. Neue Kräfte, mit denen er die Verheerung endgültig besiegen werden sollte.
Einige Orte aus Breath of the Wild rufen Erinnerungen an frühere Zelda-Teile wach. Zufall oder eindeutige Verbindung?
Beim "auserwählten Volk" werden die meisten wahrscheinlich zuerst an die Hylianer denken. Wie kann man es ihnen auch vorwerfen? In den meisten Spielen haben die Hylianer den Großteil von Hyrule unter ihrer Kontrolle oder sind zumindest mit anderen Völkern verbündet oder befreundet. Außerdem tragen zwei Abkömmlinge der Hylianer ein Triforce-Fragment in sich – Link das Triforce des Mutes und Zelda das Triforce der Weisheit. Tatsächlich sogar ist Zelda die als Mensch wiedergeborene Göttin Hylia. Hylia wählte das Volk der Hylianer (Man merkt die Gemeinsamkeiten im Namen, oder?) für ihre menschliche Manifestierung, ein anderes Volk aber erhielt eine genauso wichtige Aufgabe zugeteilt. Den Shiekah, welche schon seit Urzeiten das Erdland, sprich das spätere Hyrule, bewohnten, wurde die Ehre zuteil, die menschliche Hylia, und somit auch die königliche Familie, zu beschützen. Das ist die typische Rolle, welche die Shiekah in vielen Spielen einnehmen, so etwa in Ocarina of Time oder sogar schon in Skyward Sword.
Nun, wäre es nicht einfach nur sinnig, wenn die Shiekah – das älteste und wohl auch intelligenteste Volk, welches je in Hyrule gelebt hat – alles versuchen würden, um das Wohlergehen der Königsfamilie zu gewährleisten? Natürlich wäre es das. Doch anstatt einer Impa, welche die Prinzessin vor direkten Angriffen beschützt, hatten die Shiekah einen viel raffinierteren Plan. Durch ihre lange Geschichte müssen sie sich auch sehr wohl über den Fluch des Todbringers bewusst sein. Möglicherweise ist in den Überlieferungen bereits verloren gegangen, dass es sich um einen Fluch handelt, doch dass das Böse stets wiederkehrt und im Anschluss dazu ein Held erscheint, das ist traditionelles Wissen. Wie wäre es also, wenn man den Helden praktisch obsolet macht? Wenn man so mächtige Waffen entwickelt, dass man sich selbst gegen das Böse beschützen kann? Kurz gesagt: Wieso bekämpft man das Übel nicht an der Wurzel? Die Shiekah-Technologie ist so eindrucksvoll, es würde nicht überraschen, wenn sie selbst dazu in der Lage wären, den Fluch des Todbringers zu beseitigen. Und wenn sie ihn schon nicht gänzlich aufheben können, dann zumindest die Intervalle, in denen Ganon oder eine andere dunkle Macht auftaucht, erhöhen. Wir wissen natürlich nichts Konkretes von anderen bösen Kräften während den zwei Angriffen der Verheerung Ganon, doch zumindest das ist schon eine große Leistung: die Verheerung konnte für etwa 9.900 Jahre versiegelt werden. Wenn wir da an andere Zeitabstände wie zwischen Ocarina of Time und Twilight Princess oder Ocarina of Time und The Wind Waker, welche beide je etwa 100 Jahre betragen, ansehen, dann kann man definitiv von einem Riesenerfolg für die Shiekah sprechen.
Von Anfang an wird einem klar: "Hier musst du hin!" – Handelt allerdings mit Vorsicht, statt mit Nachsicht.
Dieser Sieg kommt allerdings nicht ohne seine Verluste. Wie bereits angedeutet, wurde das Volk aus Hyrule verbannt, in der Angst, sie würden noch wahnwitzigere Maschinen bauen. Während der Königsfamilie einige treu geblieben sind und sich an einem etwas abgelegenen Ort, wahrscheinlich dem heutigen Kakariko, niedergelassen haben, entstand eine Gegenbewegung unter den Shiekah. Diese Rebellen sind in Breath of the Wild als der Yiga-Klan bekannt und haben ein umgedrehtes Shiekah-Auge als Wahrzeichen. In der Wüste lebend warten sie auf die bestmögliche Gelegenheit, den Helden zu besiegen, um die Siegeschancen der Verheerung zu erhöhen. Dabei bleiben sie selbstverständlich ohne Erfolg. 100 Jahre nach dem erneuten Angriff der Verheerung Ganon leben nur noch drei wahre Shiekah: Impa, Purah und Robelo. Zwar ist das Shiekah-Mädchen Paya direkt mit Impa verwandt, es ist allerdings unbekannt, woher die anderen "Shiekah" aus Kakariko stammen. Nichtsdestotrotz hatten die alten Shiekah-Mönche ein letztes Ass im Ärmel. Dieses zeigt sich in Form der vielen Schreine, die in Hyrule aufgetaucht sind und den Helden stärken sollen. Diese Shiekah, haben echt an alles gedacht!
Der typische The Legend of Zelda-Antagonist in Ganon, soviel sollte feststehen. Der Gute wurde bisher auch schon dutzende Male in diesem Spezial erwähnt. Naja... fast! Auch wenn es sich mit bislang einer einzigen Ausnahme in allen The Legend of Zelda-Spielen um denselben Ganon(dorf) handelt, so wird seine Form gerne einmal unterschieden. Als Ganondorf versteht man die mehr oder wenige menschliche Inkarnation des Dämonenkönigs aus Ocarina of Time, wie auch Twilight Princess und The Wind Waker. Sobald Ganondorf aber seine wahre Macht entfesselt, indem er das ganze Triforce oder bloß Teile davon verwendet, verwandelt er sich in eine wilde, wütende Bestie in Schweine-Gestalt. Dann kommt es vor, dass man diese Kreatur nur noch Ganon nennt.
Man braucht keinen Körper, um Unheil anzurichten. Nach der Niederlage der Verheerung Ganon verwandelt er sich in hasserfüllte Materie.
Nun scheint es aber so, dass wir in Breath of the Wild einen ganz speziellen Fall haben. Zelda, welche schlussendlich die Kräfte von Hylia in sich erwecken kann, kann die Kraft des gesamten Triforce nutzen. In der Szene, als sie sich der Verheerung gegenüberstellt, ist dies eindeutig an ihrer Hand zu erkennen. Wenn die Königsfamilie nach einiger Zeit also das ganze Triforce an sich genommen hat, heißt das im Umkehrschluss, dass Link nur noch das Master-Schwert bleibt und Ganon – dem, was von ihm übrig ist – ebenso völlig ohne Triforce auskommen muss. Kann man hier also wirklich vom gewöhnlichen Ganon sprechen? Nein. Schon zig Mal habe ich den wahren Namen laut ausgesprochen. Bei diesem Ganon handelt es sich um die Verheerung Ganon. Wie die Beschreibung dieses Monsters im Spiel selbst verrät, wartete es in seinem Kokon, um seinen Körper wiederherzustellen. Man sieht, dass trotz der Nebel-gleichen Form noch ein wenig Bewusstsein in dieser Kreatur stecken muss. Es versucht den ewigen Zyklus aufrechtzuerhalten und möchte sich mit einem neuen Körper materialisieren. Dies schlägt allerdings fehl, sobald Link auftritt, weshalb die Verheerung in einem unfertigen und sehr aggressiven Zustand erscheint.
Sobald diese Form von Link niedergeschlagen ist, kommt es zum ultimativen Showdown. Die Überreste der Verheerung, sein blinder Hass und sein wilder Zorn, bilden eine neue, gigantische Kreatur in Form eines Schweins. Auf diese Weise hat Ganon seine ursprüngliche Bestien-Gestalt wieder, hat aber jeden Funken an Bewusstsein für seinen unendlichen Zorn aufgegeben. Aufgeben ist hier ein gutes Schlüsselwort, denn diese Form von Ganon hat den ewigen Zyklus, in seinem Drang nach Zerstörung, von sich aus aufgegeben – sie strebt eine Reinkarnation gar nicht mehr an. Ob das Böse in dieser Zeit tatsächlich niemals zurückkehren wird, bleibt fürs Erste ein Mysterium. In jedem Fall gab man der Zelda-Geschichte mit Breath of the Wild eine gänzlich neue Facette, die in kommenden Ablegern weiter erforscht werden könnte.
Doch am Ende ist all dies nichts als eine Legende. The Legend of Zelda.