Pokémon GO – Ein Resümee aus 13 Monaten Spielzeit Spezial
Geschrieben von Tim Czerwinski am 20.08.2017
Im Sommer des Jahres 2016 brachte Niantic mit Pokémon GO ein Spiel in die digitalen Shops der Android- und iOS-Geräte, das einen der größten Hypes auslöste, den es wohl je für ein Spiel für Smart Devices gab. Plötzlich musste gefühlt jeder das Spiel zumindest mal angespielt haben, um dem aktuellen Trend zu folgen. Inzwischen ist Pokémon GO über ein Jahr alt, eine gute Möglichkeit also, um einmal alle Erfahrungen, die ich während des Spielens gemacht habe, niederzuschreiben.
Doch beginnen wir mit den Anfängen. Ich hatte zunächst nicht viel übrig für die App. Ich habe weder die News dazu verfolgt, noch mich richtig damit auseinandergesetzt. Man könnte meinen, ich hatte kein Interesse an der App. Irgendwann stand dann der Release bevor und ich habe kurz vorher entschieden, mir das Spiel tatsächlich außerhalb des Play Stores vorab herunterzuladen. Warum kann ich gar nicht genau sagen, jedoch war ich so kurze Zeit einer der wenigen Spieler auf der Straße. Ich lief nach der Arbeit, in meiner Mittagspause und an Wochenenden deutlich mehr durch die Gegend, als ich das bis dahin tat. Den ersten Schock bekam ich, als ich sah, dass ich für ein Ei ganze zwei Kilometer laufen sollte. Meine Reaktion auf ein zehn Kilometer Ei könnt ihr euch ja vorstellen. Hätte ich mich vorher mit dem Spiel beschäftigt, wäre mir der Schock wohl erspart geworden. Jedenfalls begann die Reise als Pokémon-Trainer damit erst und sie sollte einige Überraschungen mit sich bringen.
Während ich oft mit den gleichen Leuten unterwegs war, erreichte mich gut einen Monat nach meinem Start in Pokémon GO eine Nachricht von einem Kumpel, mit dem ich aufgewachsen bin und den ich zuvor immer seltener gesehen hatte. Das lag hauptsächlich daran, dass wir verschiedene berufliche Wege eingeschlagen hatten und er aufgrund des Studiums nicht mehr in der Gegend wohnte. Die Nachricht kam aus dem Nichts und er fragte, wie viele Pokémon ich bereits gefangen hätte. Auf meine Frage, wieso er glaube, dass ich Pokémon GO spiele, antwortete er, dass dies ja unser Kindheitstraum gewesen ist und es deswegen ziemlich wahrscheinlich sei. Schnell war es wieder wie früher, wir schrieben wieder deutlich mehr und trafen uns immer öfter. Man könnte also sagen, Pokémon GO hat eine alte Freundschaft wieder aufleben lassen.
Der Hype um das Spiel für Smart Devices hielt bekanntermaßen nicht so lange an, weswegen immer mehr Leute dem Spiel den Rücken kehrten. Man sah immer weniger Leute, die aktiv spielten und hat man zuvor noch offen seine Powerbank, die als universelles Erkennungsmerkmal diente, getragen, wurde diese immer öfter in der Tasche versteckt. Man musste sich auch immer wieder Fragen stellen wie: „Was, das spielt ihr immer noch?“ Ich bin relativ früh in eine Facebook-Gruppe eingetreten, in der Pokémon-Spawns gepostet wurden. Schnell merkte man, dass eine Messenger-Gruppe geeigneter ist, da man hier besser kommunizieren konnte und die Benachrichtigungen besser funktionierten. Allerdings kam es dann immer häufiger zu Unterhaltungen, was die ursprüngliche Idee, nur die Fundorte zu posten, ein wenig kaputt machte. War es zu Beginn noch eine Nachricht mit dem Straßennamen, kamen bald Screenshots aus den einschlägigen Online-Maps mit der verbleibenden Dauer. Dies machte es einfacher, seltene Pokémon zu fangen. Wir haben uns also auch oft ins Auto gesetzt und sind die verschiedenen Spawns abgefahren, was natürlich nicht im Sinne des Spiels war, aber so ging es nun mal schneller, alle verfügbaren Pokémon zu bekommen. Ich habe so auch Ecken in meinem Wohnort kennengelernt, die ich vorher nicht kannte. Pokémon GO als interaktiver Stadtführer, wenn man so will. Auf unseren Touren haben wir auch mal Restaurants ausprobiert, wo wir vorher nie waren und sind seitdem öfter dort. Auch die lokale Wirtschaft profitierte also zumindest ein bisschen von diesem Spiel.
Neben den Online-Maps ließen sich noch schnell einige Möglichkeiten finden, um sich im Spiel einen kleinen Vorteil zu verschaffen. Zunächst erschienen Pokémon nämlich nur in Wohnorten, nicht jedoch beispielsweise in Wäldern, sofern diese weit genug entfernt sind. Hier konnte es aber durchaus auch Pokéstops geben. Wenn man an diesen dann Lockmodule verwendete, hat das Spiel zufällige Pokémon angelockt, auch solche, die sonst sehr selten anzutreffen waren. Eine ähnliche Methode gibt es auch mit dem Item Rauch. Hier muss man ebenfalls drauf achten, keine Pokémon in der Nähe zu haben. Dann lockt auch hier das Spiel seltene Pokémon an und man hat früh die Chance, eine Entwicklung der Starter zu fangen. Das Item Rauch ist zudem effektiver, wenn man etwa mit 12 km/h unterwegs ist, also sind wir auch hier das eine oder andere Mal mit dem Auto unterwegs gewesen. Natürlich nur an Orten, wo man keine Verkehrsbehinderung darstellt und der Fahrer hat selbstverständlich nicht selbst gespielt. Die Rauch-Methode funktioniert immer noch, während der Lockmodul-Trick seit einem Update, das an jedem Pokéstop Pokémon erscheinen lässt, leider nicht mehr funktioniert.
Allgemein haben Updates ab und an für Unmut bei den Spielern gesorgt. Das bereits angesprochene Update hat natürlich nur Spieler geärgert, die diesen Trick kannten, was meist bei Spielern in ländlichen Regionen der Fall war. Andere Updates führten zur Änderung der aus den Eiern schlüpfenden Pokémon. Dass man nun Rossana, Pinsir, Magmar und Elektek nicht mehr aus zehn Kilometer-Eiern bekommen konnte, freute die meisten Spieler. In einem Update wurde die Rate der regionsspezifischen Pokémon erhöht, was auch ein zweischneidiges Schwert war. Haben einige sich gefreut, dass sie endlich Pantimos fangen konnten, waren andere verärgert, dass sie für ihres dann noch zehn Kilometer zurückgelegt hatten. Auch das Update mit dem Buddy-Pokémon hat nach anfänglicher Euphorie einen bitteren Beigeschmack. Auch wenn man nun Bonbons durch das Zurücklegen von einer bestimmten Entfernung bekommt, hat man aber auch schon einige hundert Kilometer ohne hinter sich gebracht. Dann gab es noch Anpassungen der Wettkampfpunkte mancher Pokémon, die auch sauer aufstoßen konnten, wenn ein Pokémon um mehrere hundert Punkte schwächer wurde. Andererseits profitierten ja auch andere Pokémon von der Änderung, was das Ganze dann erträglicher machte, aber auch dazu führte, dass man nicht immer die gleichen Pokémon in den Arenen sah. So verlor zum Beispiel Lapras seinen Stammplatz in den Arenen und wurde von da an nur noch selten gesehen.
Das alte Arena-System war für Mitglieder der nicht dominierenden Teams ohnehin hart. Ich lebe in einer Region, die überwiegend von Team Blau beherrscht wird. Wie ich bereits schrieb, bin ich in einer Messenger-Gruppe, die Arena-Aktivitäten massiv verfolgte. So haben wir einmal zu viert eine Arena auf Level 10 eingenommen, um zu schauen, wie lange wir diese halten würden. Noch während unseres Kampfs wurde in der Gruppe berichtet, dass die Arena derzeit bekämpft werde. Nachdem wir sie eingenommen hatten, waren schon die ersten Spieler auf dem Weg und keine fünf Minuten später waren fünf Leute da, die sich die Arena zurückholten. Wir saßen dann auf einer Bank und konnten nur zusehen, wie unsere Arena wieder zurück erkämpft wurde. Abschließend kam jemand zu uns und meinte nur „Na Team Gelb, habt ihr eure Lektion gelernt?“. Tatsächlich war es uns eine Lehre und wir haben nur selten versucht, in dem Ort noch Arenen einzunehmen. Allerdings waren die Arenen für aktive Spieler immer eine Möglichkeit, die eigenen Leistungen in Form von seltenen oder starken Pokémon zu präsentieren. Kurz nach Implementierung der zweiten Generation mit einem Impergator in einer Arena zu stehen, hat den einen oder anderen bestimmt neidisch gemacht.
Mit dem neuen Arena-System hat man nun auch einige der Stammspieler verärgern können. Es mag sein, dass zuvor die Gelegenheitsspieler wenig Chancen hatten, am Arena-System teilzunehmen, da sowohl das Training der Arenen, als auch das Bekämpfen dieser stärkere Pokémon gefordert hat. Jedoch war dies auch Motivationsgrundlage für die Highlevel-Spieler, die sich hierdurch mit anderen messen konnten. Mit dem neuen Motivationssystem in den Arenen ist es sinnlos, noch starke Pokémon für diese bereit zu halten. Jemand, der die Arena einnehmen möchte, muss lediglich dreimal alle Pokémon besiegen und durch die sinkenden Wettkampfpunkte wird dies mit jedem Mal einfacher. Dadurch, dass nur noch sechs statt zehn Pokémon in einer Arena Platz finden, dauern die Kämpfe auch nicht mehr so lange. Konnte man sich je nach Teamgröße auch gern man bis zu einer Stunde mit einer Arena auf Maximallevel beschäftigen, dauert es jetzt maximal noch 15 Minuten. Auch die Limitierung von 50 Münzen am Tag ärgerte viele Spieler, da es zuvor 100 gewesen sind.
Schon relativ früh begann Niantic, Events abzuhalten. Diese waren auch oftmals ein Grund für Gelegenheitsspieler, das Spiel nochmals anzuschalten. Solche Events wurden auch häufig im Rahmen größerer Updates angekündigt. Bestes Beispiel hierfür sind die kürzlich eingeführten Raid-Kämpfe, die vor geraumer Zeit auch die legendären Pokémon in das Spiel gebracht haben. Aber auch Events, die mehr Erfahrungspunkte oder auch Sternstaub brachten, waren gern gesehen. Dann gab es natürlich auch Typen-Events, die dann für eine gewisse Zeit einen bestimmten Pokémon-Typen häufiger auftauchen ließen. Man hat sich also bemüht, mit den Events eine Abwechslung zu schaffen, was im Laufe der Zeit dann auch immer besser funktionierte. Oftmals wurde dann ein unschlagbares Angebot im Ingame-Shop unterbreitet, das die Spieler natürlich verlocken sollte, Geld für das Spiel auszugeben. Wenn es schon ein Erfahrungspunkte-Event ist, warum dann nicht Glücks-Eier günstiger anbieten? Besonders anhand der Community merkt man, dass diese Events zwar Wirkung haben, diese aber meist nicht von Dauer ist.
Und hier ist Niantics größtes Problem. Wie jedes Spiel für Smart Devices lebt auch Pokémon GO von Inhalt. Dieser muss aus meiner Sicht bald erhöht werden. Immer mehr Spieler erreichen das aktuelle Maximallevel, die legendären Pokémon sind bald auch ausgeschöpft. Ich hatte bereits zwei längere Pausen in dem Spiel, eine bevor die zweite Generation ins Spiel kam und eine bevor die Raids kamen. Wenn nicht bald die dritte Generation implementiert wird, sehe ich schon die nächste Pause kommen. Ein weiteres Problem, das Niantic möglicherweise nicht einmal bewusst ist, sind die Vorteile, die Spieler in Städten wie zum Beispiel Oberhausen haben. Viele Spieler fühlen sich inzwischen echt auf den Schlips getreten. Besonders das CentrO ist hier ein Paradebeispiel. Dauerhafte Lockmodule, regionsspezifische oder seltene Pokémon, die exklusiv dort auftauchen. Eine Stunde CentrO kann man mit drei Stunden einer beliebigen anderen Stadt vergleichen, die kein Einkaufszentrum von Unibail Rodamco hat. Einige Spieler, die auch nicht wenig Geld investiert haben, finden dies so unfair, dass sie bereits aufgehört haben zu spielen. Allgemein sind die Events, die quasi in der realen Welt organisiert werden, aufgrund der beschränkten Kapazitäten auch nicht gerade spielerfreundlich. Hat man in Chicago noch mit Netzwerkproblemen zu kämpfen gehabt, wird man auch in Oberhausen sicherlich auch nicht ohne Probleme bleiben. Der Empfang ist bereits jetzt nicht der beste vor Ort. Wenn dann 4.000 Spieler gleichzeitig vor Ort sind, um das Safarizone-Event zu feiern, wird es sicher nicht besser. Wäre man eine Kooperation mit der Hamburger ECE eingegangen, gäbe es sicher genug Shopping-Center, die die Chancengleichheit wieder ein wenig hergestellt hätten. Auch wenn dies vermutlich aufgrund des Portfolios eher für europäische Länder gilt, ist es schon ein Unterschied, ob man 50 km oder 250 km Anreise hat, um an einem solchen Event teilzunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Niantic noch einige Hausaufgaben zu machen hat. Immerhin fühlt sich das Spiel nicht mehr so unfertig an, wie das zu Beginn noch der Fall war. Durch das Hinzufügen von neuen Items, wie TMs oder Sonderbonbons, neuen Funktionen und auch neuen Pokémon, ist Niantic auf einem Weg, das Spiel weiter zu optimieren. Ob dieser Optimierungsgedanke immer auch die Wünsche der Spieler trifft, sei dahingestellt. Ich glaube jedoch, dass ich das Spiel noch eine ganze Weile weiterspielen werde. Also an alle die immer fragen: „Spielt das überhaupt noch jemand?“. Ja, allerdings.