Blood, Sweat, and Pixels von Jason Schreier – Eine Buchempfehlung Spezial

In den letzten Jahren scheint es einfacher geworden zu sein, an Hintergrundinformationen zur Entwicklung von Videospielen zu gelangen. Schon immer gab es Berichte über Spiele oder bestimmte Entwickler in den Fachzeitschriften, aber seit Anfang dieses Jahrzehnts, habe ich das Gefühl, hat das Interesse daran enorm zugewonnen. In den meisten dieser beschriebenen Fälle berichten externe Journalisten über diese Bereiche, aber seit dem Beginn von Kickstarter im Jahr 2009 hat sich dies grundlegend geändert. Im März 2012 machte sich der Spieleveteran Tim Schafer gemeinsam mit seinen Mitarbeitern daran, auf Kickstarter eine der ersten wichtigen Kampagnen im Videospielbereich zu starten. Innerhalb kürzester Zeit sollte ihr Projekt von den Fans finanziert werden und sie konnten sich daran machen Double Fine Adventure (später Broken Age) zu entwickeln. Bei diesen Kickstarter-Kampagnen ist der Vorteil, dass sich kein Publisher in die Spieleentwicklung einmischt, weil das Spiel von den Fans finanziert wird. Jedoch ist es üblich, die Fans in unregelmäßigen Abständen über die Entwicklung des Spieles auf den neuesten Stand zu bringen, was eine direkte Art von Feedback mit sich bringt, mit der die Spieleindustrie auch erst lernen musste umzugehen.


Ob das beliebte Diablo III auch für die Nintendo Switch erscheint, steht noch in den Sternen.

Seit 2012 erscheint auch eine deutsche Ausgabe der retro Gamer, die ich seit Anbeginn verfolge und in der wiederum ausführliche Berichte zu älteren Spielen, Personen aus der Branche oder auch Historien zu berühmten Videospielserien abgedruckt werden. Aber auch komplette Bücher widmen sich den Hintergründen der unterschiedlichen Videospielsysteme, vornehmlich den Retro-Konsolen wie NES und SNES, aber auch langlebigen Videospielserien wie Castlevania. Das Buch, welches ich euch heute näher vorstellen möchte, trägt den Namen „Blood, Sweat, And Pixels – The Triumphant, Turbulent Stories Behind How Video Games Are Made“ und wurde von Jason Schreier zusammengetragen und geschrieben.


Jason Schreier ist Redakteur („news editor“) bei der Website Kotaku, die wohl eine der bekanntesten und angesehensten Internetseiten im englischsprachigen Bereich der Videospiele sein dürfte. Vor diesem Hintergrund hat Jason Schreier auch bereits in den letzten Jahren einige längere Artikel veröffentlicht, in denen er Informationen von hinter den Kulissen verarbeitete. In seinem ersten Buch beschäftigt er sich nun in 10 Kapiteln mit den Geschichten hinter den Entwicklungen einiger bekannter Spiele der letzten Jahre. Nach einer kurzen Einführung mit allgemeinen Informationen zum Thema Videospielentwicklung und den Schwierigkeiten dabei, widmet er jedes der 10 Kapitel der Entwicklung eines Spieles. So heißt es auf dem Cover auch „inklusive Geschichten hinter „Diablo III, Destiny, The Witcher 3, Halo Wars, Uncharted 4, Shovel Knight, Star Wars 1313, Pillars of Eternity, Dragon Age: Inquisition und Stardew Valley“.


Exemplarisch möchte ich auf zwei Kapitel näher eingehen, ohne zu viel zu verraten, damit es sich für euch auch noch lohnt das Buch zu kaufen. Derzeit sind zwar nur zwei der genannten Spiele auf Nintendo-Konsolen erschienen (Shovel Knight und Stardew Valley), wobei die Hintergründe bei einigen der anderen Geschichten mit Sicherheit auf andere Entwicklungen übertragbar sind.


Stardew Valley wurde von Eric Barone in Einzelarbeit über fast 5 Jahre erstellt.

Stardew Valley ist ein Spiel, was mir in den letzten Jahren immer mal wieder über den Weg „gelaufen“ ist. Mit einem der Humble Bundle besaß ich das Spiel nun schon einige Jahre auf meinem PC. Als das Spiel nun vergangenen Herbst auch auf der Nintendo Switch erschien, waren einige meiner ntower-Kollegen auch in heller Aufregung und lobten das Spiel in hohen Tönen. In Blood, Sweat, and Pixels beschreibt Jason Schreier die Entwicklung des Spieles als eine wahre Meisterleistung. Die Meisterleistung besteht darin, dass das komplette Spiel (ich spreche hier von der PC-Version, der Nintendo Switch-Port wurde extern entwickelt) nur von einer Person entwickelt wurde. Eric Barone heißt der Mann, der sich ebenso wie seine Freundin in die Harvest Moon-Spiele verliebt hatte und diese stundenlang spielte. Da er ein wenig Ahnung von Programmierung hatte, aber keinen Einstieg in einen Job in diesem Bereich fand, machte er sich daran, ein Spiel im Stile von Harvest Moon zu entwickeln. Da die Serie in den letzten Jahren weniger populär wurde, wollte Barone sich an einem solchen Spiel versuchen und veranschlagte 6 Monate für die Entwicklungszeit. Dabei brachte er sich nach und nach auch weitere Programmierkenntnisse selbst bei und kreierte auch alle Grafiken und Musiken selbst. Die Entwicklung startete im Jahr 2011 und sollte bis Februar 2016 dauern, fast 5 Jahre von den ersten Ideen bis zum Launch des Spieles. In der Zwischenzeit sicherte sich Eric Barone die Unterstützung von Chucklefish Games für den Vertrieb und die Werbung seines Spieles. Was weiterhin in diesen fast 5 Jahren geschah, könnt ihr im Buch nachlesen, wirklich beeindruckend.


Beeindruckend ist auch die Detailverliebtheit bei der Entwicklung von The Witcher 3. Waren die beiden Vorgänger des Spieles schon durchaus bekannt und begann ihre Entwicklung jeweils auf dem PC, sollte Witcher 3 direkt auch moderne Konsolen unterstützen. Auch wenn sich die Geschichten um den Hexer Geralt mit polnischen Sagen und Mythen beschäftigten, die der Autor Andrzej Sapkowski niedergeschrieben hatte, konnten die Verkaufszahlen eines Witcher 2 beispielsweise nicht mit denen von The Elder Scrolls V: Skyrim mithalten. Bei CD Project Red wollte man ein Rollenspiel entwickeln, welches mit den großen westlichen Rollenspielen der letzten Jahre mithalten konnte. Erstmals wagte man sich an eine offene Welt, die jedoch nicht so leer sein sollte wie bei den Vertretern der Mitbewerber. Die Freiheit der Erkundung sollte im Mittelpunkt stehen und der Spieler immer das Gefühl haben, eine lebendige Welt zu bereisen. Die Aufgaben in dieser Welt sollten, wenn realisierbar, so wenig wie möglich den üblichen Klischees entsprechen, die der Spieler schon in so vielen Rollenspielen erledigt hat. Im Februar 2013 angekündigt, sollte The Witcher 3 das Team bei CD Project Red an ihre Grenzen bringen. Zu diesem Zeitpunkt waren die damaligen neuen Konsolen von Sony und Microsoft noch nicht offiziell angekündigt, sie sollten aber eine entscheidende Rolle für The Witcher 3 spielen, bestand doch der Plan, alle Fassungen zeitgleich zu veröffentlichen. Im Mai 2015 war es dann soweit und The Witcher 3 erschien für die PlayStation 4, die Xbox One und den PC.


Shovel Knight wurde mittlerweile mit mehreren Erweiterungen versehen.

Nach einer üblen „crunch time“, so nennt sich die entscheidende Phase der Entwicklung eines Videospieles kurz vor Release, konnten die Spieler die Welt des Hexers bereisen. Überhaupt scheint diese crunch time sich wie ein roter Faden durch das Buch zu ziehen. Sei es bei den Entwicklungen von Uncharted 4 von Naughty Dog, den letzten Zügen bei Pillars of Eternity oder der heißen Phase kurz vor Fertigstellung von Shovel Knight. Das Buch macht unmissverständlich klar, dass es bei diesen Entwicklungen auch immer um Arbeitsplätze geht, bei denen 80 Stunden-Wochen in der crunch time durchaus üblich sind. Trotz aller Planungen und Absicherungen kann es auch passieren, dass ein Spiel nicht das Licht der Welt erblickt, so geschehen bei Star Wars 1313, was ebenfalls ein Kapitel spendiert bekommt.


Gute Englischkenntnisse vorausgesetzt, möchte ich das Buch hiermit empfehlen, auch wenn der Fokus inhaltlich sicherlich nicht auf Nintendo liegt. Jason Schreier versucht so oft es geht, die beteiligten Personen zu Wort kommen zu lassen. Wenn ihm mindestens zwei Quellen eine Geschichte oder ein Ereignis bestätigt haben, hat er es für richtig erachtet dies auch niederzuschreiben. Das Buch ist selbstverständlich nicht ganz frei von Fachbegriffen, die aber häufig in den Fußnoten näher erläutert werden, um so auch ein fachfremdes Publikum zu erreichen. Die 10 Kapitel sind abwechslungsreich und decken eine gute Auswahl an Projekten ab, seien es Entwicklungen von einzelnen Personen (wie beschrieben), Kickstarter-Kampagnen oder aber auch Triple-A-Produktionen wie beispielsweise Uncharted 4 oder Destiny. Durch diese Einteilung kann man das Buch auch in beliebiger Reihenfolge lesen und muss sich nicht durch Kapitel quälen, die für Einen nicht von Interesse sind.


Mir hat das Lesen viel Spaß bereitet, auch wenn wie bereits geschrieben gute Englischkenntnisse vorhanden sein sollten. Eine deutsche Ausgabe ist meines Wissens bisher nicht geplant. Im Handel ist das Buch als Taschenbuch, als eBook oder auch bei Audible als Hörbuch erhältlich und kostet dort zwischen 10 und 15 Euro.


Blood, Sweat, And Pixels – The Triumphant, Turbulent Stories Behind How Video Games Are Made
von Jason Schreier
304 Seiten
Verlag: Harper Paperbacks
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0062651235
ISBN-10: 0062651234

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Kommentare 6

  • Wunderheiler

    Meister des Turms

    Ich mag Schreiner nicht besonders, deswegen mach ich etwas vorurteilsbehaftet an das Buch gegangen sein, aber ich fand es irgendwie nur mittelprächtig. Besonders weil es entweder nur Mainstream oder Hit-Indies beinhaltet. Ein Kapitel, wo ein Projekt scheitert (und damit meine ich nicht eingestellt), fehlt völlig. Gerade das hätte ich eigentlich auch sehr interessant gefunden, was hinter den Kulissen abläuft wenn ein Produkt (auch während der Entwicklung schon absehbar) nicht die gewünschte Qualität erreicht oder, genauso interessant, wenn es die Qualität erreicht hätte und die Verkaufszahlen oder das öffentliche Interesse gefehlt hat.


    So blieb es am Ende quasi ein "am Ende wird eh alles gut" - Buch. Auch wenn das zu erwarten war. Leider war mir das Buch voller viel zu viel offensichtlichem.

  • albert

    Ein Kapitel, wo ein Projekt scheitert (und damit meine ich nicht eingestellt), fehlt völlig.


    :link_confused: Eingestellt ist nicht gescheitert?


    Ich sage nur Star Wars 1313

  • Wunderheiler

    Meister des Turms

    @Albert


    Vielleicht nochmal die Sätze danach lesen, da verdeutliche ich nochmal was ich meine.


    Und nein, für mich ist eingestellt nicht gleich gescheitert. Gerade im Fall von 1313, wo es sich ja liest wie ein Hammer Spiel, nur das halt aus Unternehmenstaktischer Sicht der Stecker gezogen wird. Gescheitert sehe ich ein Spiel was entweder total mies erscheint oder aus Qualitätsgründen gestoppt wird. Da hätte ich Einblicke wirklich interessant gefunden.

  • albert

    @Wunderheiler Karrieretechnisch wird kein Manager seine Unfähigkeit in der Art formulieren. Das passiert einfach nicht.

  • Wunderheiler

    Meister des Turms

    @Albert


    Wer sagt das es ein Manager sein muss?

  • Aladan

    Turmheld

    @Wunderheiler


    Genau dieses Thema hat er für alle verfügbar mit Mass Effect Andromeda aufgegriffen.