Wird Nintendo Labo ein Erfolg? Kommentar
Geschrieben von Ilja Rodstein am 14.04.2018
Kaum ein Ereignis hat die ntower-Community in den letzten Monaten mehr gespalten, als die Ankündigung von Nintendo Labo. Auch wenn die ursprüngliche Erstankündigung der Nintendo Switch-Konsole ebenfalls viele stutzig gemacht hatte, schaffte Nintendo Labo etwas ganz Besonderes: Es hat die Gaming-Fraktion in zwei fest definierte Lager aufgeteilt. Während die einen Nintendo Labo gelobt haben, weil Nintendo etwas Neues ausprobiert, unabhängig davon, ob es erfolgreich wird oder nicht, ist die andere Fraktion sehr genervt davon, dass Nintendo mal wieder ein Kinderspielzeug herausbringt, welches gar nicht für die Gamer gemacht ist. Denn selbst Nintendo distanziert sich von den Gamern und bemüht sich eine andere Zielgruppe anzusprechen. Ich habe bereits im März die Möglichkeit gehabt, Nintendo Labo vorab in Hamburg ausprobieren zu können. Meine überwiegend positiven Erfahrungen habe ich euch bereits in meinem Anspielbericht mitgeteilt. So positiv ich zu der Zeit überrascht war, schaue ich in diesem Spezial eher auf die erwarteten Erfolgsaussichten dieser Idee. Der Inhalt des Artikels entspricht aber meiner eigenen Meinung und spiegelt sich keinesfalls mit der Meinung der anderen ntower-Mitglieder wieder.
Ende des Jahres 2014 brachte Nintendo die amiibo-Figuren heraus, die den bislang noch kaum genutzten NFC-Sensor des Wii U-Gamepads rechtfertigten. Als die Wii U angekündigt wurde, war den Spielern noch nicht wirklich bekannt, wie dieser genutzt werden wird, erst mit der Ankündigung der amiibo wurde das klar. Ähnlich erging es Nintendo Labo, denn dieses macht einen sehr starken Gebrauch vom IR-Sensor, der sich in dem rechten Joy-Con der Nintendo Switch befindet. Viele Funktionen und Bauteile werden durch die Erfassung von reflektierenden Stellen gesteuert und so quasi zum Leben erweckt. So kann man davon ausgehen, dass Nintendo die Nintendo Switch so konzipiert hat, dass die Technik rund um Nintendo Labo ermöglicht wird. Dieses Vorausdenken zeigt die Parallele der beiden Konzepte.
Die amiibo-Figuren sind sehr erfolgreich und zwar so erfolgreich, dass Nintendo sicherlich gar nicht mit einem so großen Erfolg gerechnet hat. Schon die ersten Wellen waren oft vor dem Erscheinungstermin ausverkauft und die Figuren wurden sogar auf eBay zu überhöhten Preisen verkauft. Ja, Nintendo hatte es mit amiibo geschafft, sehr viel Geld mit geringem Kostenaufwand zu schaffen und das, obwohl viele noch bis heute den sinnvollen Nutzen dieser amiibo bestreiten. Früher noch als das DLC-Konzept der Zukunft gehandelt, mit welchem man quasi DLCs durch Figurenkäufe erworben hat, waren es letztendlich nur kleine Spielereien, wie kosmetische Items, die man durch die Figuren erhalten hat. Und trotzdem: amiibo wurden nur erfolgreich, weil es so vielseitig war undviele Lieblings-Nintendo-Marken angesprochen. Die Sammelleidenschaft geht so weit, dass einige Sammler für alle amiibo so viel zahlen, wie für einen Kleinwagen, um diese in der eigenen Vitrine aufzustellen.
Ja, die Nintendo Labo Toy-Con-Sets sind einfach viel zu groß und sehr platzfressend. Es besteht nicht wirklich die Möglichkeit, die Sets wieder auseinanderzubauen, in eine Kiste zu packen und später wieder zusammenzubauen. Genauso baut keiner einen riesigen LEGO Todesstern auseinander, nur weil dieser zu viel Platz einnimmt. Sicherlich wird es auch hier einige Sammler geben, doch bei weitem weniger, als bei den amiibo-Figuren. Der Anteil der Sammler war sicherlich nicht der wichtigste Käuferanteil, denn die viel größere Gruppe besteht aus individuellen Käufern, die beispielsweise nur amiibo einer bestimmten Serie kaufen. Was amiibo so stark gemacht hat, sind wie zuvor erwähnt die Marken und so war es beispielsweise kein Wunder, dass die Dark Souls-amiibo-Figur von vielen externen Käufern und Nicht-Nintendo Switch-Besitzern gekauft wurde. Was Nintendo Labo meiner Meinung nach fehlt, sind die Nintendo-Marken. Ein Nintendo Labo nach einer Art Nintendo Land würde viel mehr Aufmerksamkeit finden. Ein Motorrad-Set mit einem Mario Kart-Spiel würde viel mehr Interesse auf sich ziehen, als das bestehende Motorrad-Spiel. Sicherlich kann ich Nintendo verstehen, dass sie Nintendo Labo in eine andere Ecke schieben möchten und sich vom klassischen Konsolen-Konzept distanzieren wollen, doch einige bekannte Nintendo-Figuren hätten zumindest beim Bewerben des Produkts nicht wirklich geschadet.
Meiner Meinung nach ist das Bauen ein elementarer Bestandteil von Nintendo Labo und um das zu verstehen, muss man es selber ausprobieren. Ich dachte zuerst, dass das Spielen der wichtigste Teil des Kreativprodukts ist, doch ich wurde vom Gegenteil überzeugt, denn dieses Bauen ist überraschend fordernd und macht großen Spaß. Doch Nintendo muss es besser bewerben, denn um alle Teile des Multi-Sets zu bauen, vergehen gut und gerne mehr als zehn Stunden. Dies unterschätzt man. Man wird sicherlich mehr Zeit mit dem Bauen, als mit dem Spielen verbringen, denn bislang sind zumindest die Minispiele des Multi-Sets nur Minispiele und so tritt dasselbe Problem wie in dem Spiel 1-2-Switch, welches übrigens vom selben Entwicklerteam konzipiert wurde, hervor. Die Minispiele strotzen nicht vor Langzeitmotivation. Ja, Nintendo Labo ist eher für die jüngere Zielgruppe gedacht, die sich auch von simplen Konzepten lange fesseln lassen können, doch Nintendo muss sich meiner Meinung nach mehr bemühen, auch andere Gamer-Gruppen zu überzeugen.
Zusätzlich dazu hat Nintendo Labo ein Ass im Ärmel. Eine Zutat, die das Paket so einzigartig macht und aus welchem das Potential hervorgeht, dass die Pappaufsätze doch erfolgreich sein könnten. Die Toy-Con-Werkstatt des Multi-Sets ermöglicht es spielerisch, die gebauten Modelle zu programmieren und mit eigenen Ideen auszustatten, die sich weit über die Grenzen der bestehenden Software hinausbewegen. Einen Panzer aus seinem RC-Auto bauen, mehrere Nintendo Labo Toy-Con-Modelle miteinander zu verknüpfen und unglaublich komplizierte Programmierketten, die die skurrilsten Sachen machen, zu erschaffen, erfordert viel Freiheit, die zumindest meinem ersten Eindruck nach sehr wohl gegeben ist. Dieses Modell könnte tatsächlich ein Internetphänomen werden. Ich hoffe wirklich sehr, dass im Internet viele Tutorials auftauchen werden, die die undenkbarsten Kreationen zeigen. Durch Social Media könnte Nintendo Labo viel Aufmerksamkeit bekommen und den Ruf von einem Kinderspielzeug auf ein kreatives Erwachsenenspielzeug heben. Doch dafür braucht es kreative Köpfe, die viel Zeit investieren, um das Internet zu beeindrucken. Es wird die Sorte von Personen sein, die sehr detailreiche Bilder in Splatoon 2 kreieren, wobei dabei nur der Nintendo Switch Pro Controller oder der Joy-Con-Controller verwendet werden kann. Solche Leute werden sich zu Hauf finden, doch es ist die große Frage, in wie weit diese die Aufmerksamkeit bekommen werden.
Nintendo Labo hat ein Problem und das ist der Preis, der zwar meiner Meinung nach gerechtfertigt ist, doch von vielen Nintendo-Fans als viel zu hoch angesehen wird. Der Fokus der Argumentation der Leute liegt darauf, dass es sich "nur" um Pappe handelt, doch es ist noch so viel mehr als Pappe. Es ist ein Spaß, der eine Person lange unterhalten kann, wenn der Person dieses Konzept gefällt. Es sind zwar simple Minispiele, die eine sehr komplexe Toy-Con-Werkstatt mit sich bringen werden und ich finde Nintendo hat noch nicht jeden davon überzeugt, dass es auch wirklich den Preis, der höher ist als ein aktueller Nintendo-Blockbuster-Titel, rechtfertigt.
Ich persönlich sehe die schwierigere Ausgangslage für Nintendo kritisch und kann mir derzeit nicht vorstellen, dass Nintendo Labo erfolgreich sein wird. Dennoch hoffe ich es sehr, denn ich bin ein großer Fan von kreativen Ideen. Meiner Meinung nach ist die Welt der Technik derzeit von Weiterentwicklungen und weniger von Neuentwicklungen geprägt und so kreativ das Konzept der Hybridkonsole war, scheint es auch Nintendo Labo zu sein.
Sollte Nintendo Labo wirklich ein Flop für Nintendo werden, ist dies wirklich nicht schlimm. Es wird halt einfach unbemerkt von der Bildfläche verschwinden und sich etwa dort einreihen, wo sich ein Game Boy Micro befindet. Projekte, die nicht viel Energie gekostet haben und nicht so ein massiver Verlust wie eine gescheiterte Wii U-Konsole sind, tun Nintendo und dem eigenen Image nicht wirklich weh. Es sind alles Nintendos Experimente und wenn diese wie amiibo aufgehen, werden sie auch fortgeführt. Ich persönlich werde Nintendo Labo nicht kaufen, denn ich fühle mich als Zielgruppe wenig angesprochen. Ich habe weder den Platz dafür, noch sehe ich den Spaß beim Spielen der unterschiedlichen Sets. Meine kreative Ader reicht dabei leider nicht aus, dass ich mich von der Toy-Con-Werkstatt fesseln lassen könnte. Ich werde aber sehr wohl die Kreationen im Internet mit großer Spannung verfolgen. Ich schließe aber nicht aus, dass ein anderes Toy-Con-Set mich eines Tages mal ansprechen könnte. So werden sicherlich viele denken und deshalb kein Geld für Nintendo Labo ausgeben. Ich hoffe, dass möglichst viele Eltern die Sets kaufen und diese mit ihren Kindern zusammen aufbauen, denn genau dafür ist Nintendo Labo gedacht.