Immersion – Wie Videospiele uns fesseln Spezial
Geschrieben von Max Kluge am 01.07.2018
Das folgende Spezial ist ganz schön subjektiv. Wenn ihr ein objektives Essay lesen möchtet, solltet ihr also nun vielleicht kehrtmachen und euch einen anderen Bericht, eine andere News oder einen anderen Test von uns zu Gemüte führen. Ihr seid noch da? Na dann herzlich willkommen! Im folgenden Text geht es um meine Meinung zum Thema Grafik. Was das genau zu bedeuten hat? Nun, in letzter Zeit sind mir verschiedene Gedanken gekommen, welche die optische Präsentation unseres Lieblingsmediums betreffen. Welche das genau sind, erfahrt ihr jetzt.
Wir befinden uns in einer Zeit, in der die grafische Darstellung von Videospielen bereits sehr detailreich und beinahe realitätsnah funktioniert. Trotzdem zieht es mich in den letzten Monaten immer wieder zu Titeln, die sich einer stilisierten, minimalistischen oder einfach abstrakten Grafik bedienen. Warum? Ich habe keine Ahnung! Derzeit versuche ich zu ergründen, warum es so ist, dass Spiele wie Life is Strange, welches wirklich keine Augenweide ist, einen festen Platz in meinem Herzen finden, dass Spiele wie Hollow Knight mich in optischer Hinsicht viel mehr faszinieren als das neue Assassin's Creed oder, dass Meisterwerke wie Stardew Valley mit einer grafischen Präsentation daherkommen, die selbst auf einem Toaster dargestellt werden könnte.
Also habe ich mir Gedanken dazu gemacht, was genau eigentlich die Immersion – das komplette Eintauchen in die Spielwelt eines Titels – ausmacht. Nun, wie bei so gut wie allen Dingen gibt es darauf keine allgemeingültige oder gar simple Antwort: Es ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren. Da wäre natürlich zuerst der Aspekt, der wortwörtlich am meisten ins Auge springt: Die Grafik. Wie „gut“ ein Spiel aussieht, ist häufig ausschlaggebend dafür, ob wir uns nach dem Ersteindruck weiter dafür interessieren oder nicht. Meistens tun wir dabei den Titeln, die weniger detailreich oder beeindruckend daherkommen, Unrecht, aber man kann sich diesem "Reflex" manchmal einfach nicht erwehren.
Ein weiterer Aspekt, der auch schon beim ersten Berührungspunkt mit einem Spiel entscheidend sein kann, ist der Soundtrack. Wird ein JRPG mit epischen Streichern oder gefühlvollen Pianoklängen vorgestellt, wird man gleich viel mehr in die Spielwelt gezogen. Dies ist natürlich auch ein Punkt, der später immer wieder im jeweiligen Spiel auftritt. Wird eine emotionale Szene mit der entsprechenden Musik unterlegt, kann dies die Immersion in die Spielwelt verstärken – wir denken nur einmal kurz an das Xenoblade Chronicles-Franchise oder zum Beispiel auch die Pokémon-Spiele (wer wippt nicht innerlich mit, wenn man mal wieder ein Pokémon Center besucht?).
Zu den Faktoren, die meiner Meinung nach immer wieder mal gerne vergessen werden, zählt das Sounddesign. Dies ist mir in der Demo von Octopath Traveler besonders aufgefallen. Die Geräusche, die in meinen Gehörgang drangen, vertieften meine Verbindung mit der Welt, in der ich mich befand, auch, wenn die grafische Präsentation doch recht abstrakt und pixelig ausfiel. Hier fiel mir zum Beispiel besonders das Geräusch auf, welches die schlagenden Flaggen im Wind erzeugten. Pure Sound-Magie! In eine ähnliche Kerbe schlagen für mich zum Beispiel auch das Kreischen der Monster in Monster Hunter oder Blitz und Donner in The Legend of Zelda: Breath of the Wild.
Ein weiteres Stichwort, welches mehr oder weniger schon fast Nintendo-exklusiv ist: HD-Vibration! Als Nintendo diese neue Technologie das erste Mal auf der großen Nintendo Switch-Präsentation vorstellte, war ich fasziniert, aber auch skeptisch. Würde sich hierdurch wirklich ein anderes Spielgefühl einstellen? Meine Hände denken ja! Dieser Aspekt ist sicher einer der subtilsten, die man beim Zocken eines Titels erfahren kann, aber er wirkt unheimlich tiefgreifend, wenn er gut gemacht ist. So zum Beispiel in Mario Tennis Aces, oder im bereits zuvor erwähnten Hollow Knight. Ist die Vibrationsfunktion so eingestellt, dass es sich so anfühlt, als würde sich das Spielgeschehen wirklich in den eigenen Händen befinden, kann dies die Verbindung zwischen Spieler und Spiel ebenso stärken und einen auf wundervolle Art und Weise in den Bann ziehen.
Natürlich hat auch das Gameplay einen hohen Stellenwert. Hierbei ist es ein Alleinstellungsmerkmal des Mediums Videospiel, da man interaktiv ins Geschehen eingreifen kann. Ist dies so gestaltet, dass es sich natürlich anfühlt, den Spieler zu immer weiteren Höchstleistungen antreibt und langsam dazu motiviert, den Titel zu meistern, entsteht auch hier ein festes Band, welches das Potenzial zur Faszination hat. Ein gutes Beispiel ist hier meiner Meinung nach das Dark Souls-Franchise. Man startet mit relativ limitierten Möglichkeiten und schaukelt sich mit der Zeit immer weiter nach oben, bis man schließlich über den letzten Boss triumphiert – man hat eine lange Reise zurückgelegt und bekommt das Gefühl, etwas „gelernt“ zu haben.
Ihr seht also, Grafik ist zwar einer der präsentesten Pfeiler der Präsentation eines Videospiels, aber definitiv nicht der einzige. Und darin liegt glaube ich der entscheidende Faktor, der mich derzeit eher zu grafisch anspruchsloseren Titeln zieht: Grafik ist eben nicht alles. Sie kann in vielen Fällen die Immersion ins Videospiel entscheidend verstärken, das steht für mich außer Frage. Allerdings muss sie für mich dafür nicht fotorealistisch sein. Es verhält sich ein bisschen wie beim Medium Film: Hat man gute CGI-Effekte, aber die Handlung ist qualitativ minderwertig, wird sicherlich auch kein guter Streifen draus. Ist hingegen das Drehbuch gut, die CGI-Effekte jedoch käsig, kann man in den meisten Fällen darüber hinwegsehen.
Versteht mich nicht falsch, ich lehne großartige Optik auf keinen Fall ab! Ich war während der letzten E3 sehr begeistert von Sekiro: Shadows Die Twice, oder aber auch dem grandios aussehenden Ghost of Tsushima. Es kommt letzten Endes immer auf das Gesamtwerk an. Bei aktuellen Blockbuster-Titeln, wie Anthem oder The Division 2 habe ich allerdings irgendwie das Gefühl, als wolle man mit einer hübschen Präsentation über bestimmte Probleme oder vielleicht auch nicht so ausgearbeitete Pfeiler der Videospielkunst hinwegtäuschen. Vielleicht habe ich damit aber auch komplett Unrecht. Das bleibt abzuwarten.
Was mir wiederum äußerst gut gefiel waren Titel wie Ori and the Will of the Whisps, die mich mit ihrem eigenständigen Stil verzauberten. Letzten Endes denke ich ein wenig, dass Studios, die sich für ihr Projekt einen alternativen Grafikstil ausgesucht haben, mehr Liebe in dieses hineinstecken. Hier fallen mir vor allem die Spiele von Image & Form ein, die mit ihrem SteamWorld-Franchise ein wirklich tolles Universum geschaffen haben.
Aber wie geht es nun weiter? Werde ich für alle Ewigkeit nur noch Titel mit stilisierter Grafik spielen? Wohl kaum. Immerhin wird die Grafikleistung der Konsolen immer stärker, wodurch Spiele, die mit einer optisch gestochen scharfen Präsentation daherkommen, auch in Zukunft auf dem Markt noch sehr dominant sein werden. Insgeheim hoffe ich aber, dass Titel mit einer niedrigeren, dafür aber stilisierten grafischen Darstellung mehr Wertschätzung bekommen. The Legend of Zelda: Breath of the Wild hat es vorgemacht, andere dürfen gerne folgen. Und am Ende ist es so oder so das Beste, wenn man aufgeschlossen durch die Videospielwelt geht und sich aus jedem Genre, jeder Präsentation und jeder Narration das beste rauspickt, was einem persönlich am meisten zusagt.
Was ich mich natürlich ebenfalls Frage: Bin ich alleine mit dieser Meinung, oder ist euch vielleicht auch aufgefallen, dass ihr euch in letzter Zeit einfach ein wenig satt fühlt vor lauter Triple A-Titeln, die mit immer besserer Grafik auftrumpfen möchten? Vielleicht hattet ihr eine solche Phase ja auch bereits, schließlich ist mein Eindruck sicher nicht an die heutige Zeit gebunden, sondern konnte bestimmt auch schon früher beobachtet werden. Ich bin gespannt, wie ihr das Ganze seht!