Nintendo, was macht ihr bloß mit euren Mobile Games? Kommentar Spezial
Geschrieben von Daniel Kania am 22.09.2018
Smart Device-Spiele-Applikationen, kurz auch einfach Mobile Games genannt, sind schon immer ein strittiges Thema unter Videospielfans gewesen. Seit dem Smartphone-Boom hat fast jeder zu jederzeit ein Gerät in der Hosentasche stecken, mit dem man nicht nur kommunizieren, Musik hören oder Fotos aufnehmen kann, sondern welches einen auch mit einer zuerst geringen, nun aber unüberschaubaren Anzahl an kleinen Spielchen unterhält. Gameplay, Spielstruktur, Steuerung und mehr haben sich dabei natürlich an die kleinen, smarten Geräte angepasst, sodass die Sparte der Mobile Games geboren ward. Von den dahinterstehenden Entwicklern wurden neue Bezahlmodelle und Herangehensweisen ersonnen, um den Spielern möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Und diese fressen den Entwicklern bis heute noch aus der Hand.
Es ist ein globales Phänomen, dessen sich auch das konventionelle, traditionsbehaftete Unternehmen Nintendo bewusst ist und auf das man seit nunmehr zwei Jahren selber setzt. Mit drei aktuell verfügbaren und zwei kommenden Mobile Games (plus die bereits wieder eingestellte Kommunikations-App Miitomo) hat man schon einige Erfahrungen im Bereich sammeln können – und viele Fehler gemacht. Ob man aus den Fehlern lernt, das wird vor allen Dingen an Nintendos neuer Führungskraft Shuntaro Furukawa liegen, der diesen Sommer zum neuen Präsidenten von Nintendo ernannt wurde. Dieser plant, das Standbein "Smart Devices" immens auszubauen und zu einem groß angelegten, profitablen Geschäft zu machen. Gegenüber Investoren sagt Furukawa, dass man mit den derzeitigen Einnahmen nicht zufrieden sein könne und zukünftig noch stärker auf Nintendos Präsenz im Mobile-Sektor setzen werde. Klare Worte von einem Mann, der in seinen jungen Jahren selbst ein leidenschaftlicher Nintendo-Fan war. Doch mit dem ursprünglichen Ziel, das vom ehemaligen Präsidenten Satoru Iwata bei der Verkündung der Partnerschaft mit dem Mobile-Experten DeNA angepeilt wurde, hat das für mich nur noch wenig zu tun.
Super Mario Run kam mit einer simplen Prämisse daher: Mario mit nur einem Finger spielen. Spielerisch hat man das vielleicht gut hinbekommen, aber das Spiel scheiterte an anderer Stelle.
Die größte Angst eines Nintendo-Fans anno 2015 war es, dass Nintendo sich Stück für Stück dem Mobile-Markt hingibt und seine Ressourcen lieber in die Entwicklung kurzlebiger, weniger qualitativer – oder auch böse gesagt: billigerer und schlechterer – (Mobile-)Spiele investiert. Glücklicherweise nahm die Geschichte nicht diesen Verlauf und nach der Einführung von Miitomo, Super Mario Run, aber vor allem Fire Emblem Heroes war ich fürs Erste beruhigt. Ohne Frage werden die genannten (Spiele-)Apps nicht jeden ansprechen und womöglich gar nicht erst die Hardcore-Nintendo-Fans, aber das ist auch gar nicht die Absicht. In erster Linie macht Nintendo im Smart Device-Geschäft vor allem eines: Werbung. Für sich selbst und für seine Marken. Die allermeisten Casual-Spieler hat man nach dem Wii-Hype an die Smart-Geräte verloren, also versucht man, diese wieder zurückzuholen. Und man kann nicht leugnen, dass zumindest das zum Teil sehr gut funktioniert.
Nintendo ist so präsent wie lange nicht mehr. 2017 dürfte für die Marke "Nintendo" eines der wichtigsten Jahre überhaupt gewesen sein. Überall waren Schlagzeilen zu Nintendo-Themenparks, den Mobile Games, den Mini-Konsolen und nicht zuletzt auch der Nintendo Switch zu sehen. Die "kleinen" Spielchen auf dem eigenen Smartphone haben sich hervorragend in Nintendos Marketing-Strategie eingegliedert. Doch nach Betrachtung der derzeitigen Lage muss man doch zum Schluss kommen, dass man weit vom eigentlichen Ziel abgekommen ist.
Was ich sagen will ist: Wo ist der gewünschte Effekt? Wo sind die – ich nenne sie jetzt einmal so – "Nintendo-Pilger"? GAME FREAK und The Pokémon Company haben durch den massiven Pokémon GO-Erfolg einen enormen Aufschwung bei den Verkaufszahlen aller zu der Zeit verfügbaren Nintendo 3DS-Editionen erfahren. Aber Nintendo? Miitomo sollte die Mii-Marke festigen und an den Erfolgen von Wii Party (U) oder Tomodachi Life anknüpfen, was es aber schließlich einleitete, war der Untergang der Mii-Avatare. Auf der Nintendo Switch sind diese kaum noch von Bedeutung.
Super Mario Run scheiterte hingegen an seinem für den Mobile-Markt ungewöhnlichen Bezahlmodell. Drei Level können kostenlos gespielt werden, danach muss der Nutzer 10 € blechen, um das gesamte Spiel auf einmal zu kaufen. Das mag vielleicht gängigen Konsolenspielern imponieren, den Nerv der Smart Device-Gesellschaft konnte das aber keinesfalls treffen. Nintendo kann sich mit einer stolzen Anzahl an über 200 Millionen Downloads von Super Mario Run rühmen, aber nur die Allerwenigsten haben tatsächlich Geld dagelassen. Die Einnahmen durch Mario-Vater Shigeru Miyamotos 2D-Hüpfer sind verschwindend gering. Und ob das ein Jahr später folgende Super Mario Odyssey wirklich noch vom Super Mario Run-Hype profitieren konnte, ist fraglich.
Fire Emblem Heroes steht auf eigenen Beinen. Die Figuren aus dem Mobile-Spiel sind teils beliebter als die ikonischen Serienvertreter.
Im Falle von Fire Emblem Heroes und Animal Crossing: Pocket Camp setzte man vernünftigerweise auf Free-to-Play beziehungsweise Free-to-Start-Modelle, welche beiden Titeln gut taten. Fire Emblem Heroes konnte in 19 Monaten etwa 420 Millionen US-Dollar einbringen und ist damit Nintendos bislang größter Mobile-Erfolg – der aber dürfte dank einer fantastischen Unterstützung durch Intelligent Systems auch gerechtfertigt sein (Mehr dazu in meinem Spezialbericht zu Fire Emblem Heroes!). Unabhängig von der Hauptserie steht Heroes auf eigenen Beinen und baute sich eine verhältnismäßig kleine, aber umso aktivere und großzügigere Fan-Basis auf. Von vielen Heroes-Spielern hörte ich, dass sie sich näher mit der Serie auseinandersetzen wollen, eventuell schon alte Spiele nachgeholt oder bei aktuellen wie Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia oder Fire Emblem Warriors zugeschlagen haben. Letzteres konnte sich in kürzester Zeit über eine Millionen Mal absetzen. Für Koei Tecmos Musou-Spiele ein großer, für Nintendos Mobile-Strategie nur ein Teilerfolg.
Die richtigen, sehnsüchtig erwarteten Hauptteile der geschätzten Nintendo-Marken lassen zu lange auf sich warten. Der dezidierte Nintendo Switch-Ableger Fire Emblem: Three Houses wurde erst zur E3 2018 ins Frühjahr 2019 verschoben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wird Fire Emblem Heroes dann schon sein zweites Jubiläum feiern. Dass einige Heroes-Spieler dann zu Three Houses und zur Nintendo Switch greifen werden, ist unbestreitbar. Wie viele es aber tatsächlich werden, das bleibt abzuwarten.
Ein ähnliches Schicksal teilt Animal Crossing: Pocket Camp, welches mit einer Konnektivität zwischen Mobile Game und Konsolentitel angekündigt wurde. Davon bislang aber keine Spur. Man munkelt, Nintendo hätte riesige Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Pocket Camp gehabt, ja sogar das ganze Spielkonzept einmal über den Haufen geworfen. Das merken nicht nur Fans, die sich seit Jahren nichts weiter als einen neuen Hauptteil für eine Nintendo-Konsole wünschen, sondern auch die Investoren, die mit den bisherigen Ergebnissen der Spiele-App nicht zufrieden sein dürften. Von allen Nintendo-Mobile-Spielen erreichte Animal Crossing: Pocket Camp den 50-Millionen-Umsatz-Meilenstein am langsamsten – und die Downloadzahlen befinden sich derzeit auch erst bei 35 Millionen. Von den Riesen im Smart Device-Sektor ist Nintendo noch Lichtjahre entfernt.
Dragalia Lost startet noch in diesem Jahr und wird Spieler in ein ganz neues Spieluniversum entführen.
Dass man es ernst meint, bewies man schon mit der Ankündigung von Dragalia Lost. Eine brandneue IP, die in Zusammenarbeit mit Cygames entsteht. Cygames selbst ist ein großer Name im (japanischen) Mobile-Sektor und ein hervorragender Partner für Nintendo, wenn es darum geht, ein vielversprechendes Mobile-Spiel zu entwickeln. Tatsächlich übernahm Nintendo in diesem Zuge einen Teil von Cygames und hilft aktiv an der Entstehung mit. Ganz wie Fire Emblem Heroes setzt auch Dragalia Lost auf ein Gacha-System und dürfte dadurch ziemlich sicher zum zweiterfolgreichsten Smart Device-Projekt für Nintendo werden. Das Schicksal dieses Titels steht aber noch in den Sternen.
Was aber klar wird, ist die neue Ausrichtung in Sachen Smart Devices. Mobile Games der Mobile Games wegen, nicht nur als reine Werbemaßnahme. Nintendo hat selbstverständlich schon immer angepeilt, sich nebenher ein schickes Taschengeld zu verdienen, doch seit dem Erfolg von Fire Emblem Heroes kann ich nicht anders, als eine gewisse Geldgier wahrzunehmen. Eine kleine Gacha-Mechanik in Form von Glückskeksen in Animal Crossing: Pocket Camp, einer Spieleserie, bei der ich jegliche Glückselemente als für unmöglich erachtet hätte, setzte dem Ganzen die Krone auf.
Inwiefern Mario Kart Tour, welches bis März 2019 erscheinen soll, Spieler für ein bisher unangekündigtes und auch nicht in Aussicht stehendes Mario Kart 9 begeistern soll, ist zu hinterfragen. Ich bezweifle, dass Nintendo zeitnah mit einem neuen Haupttitel nachlegen wird. Voraussichtlich wird bei Mario Kart Tour also der gleiche Fall eintreten wie bei Animal Crossing: Pocket Camp. Warten, warten und wieder warten.
Wenn Nintendo nicht an fehlerhaften Bezahlmodellen (Super Mario Run) scheitert, dann an der mangelnden Synergie zwischen Smart Devices und eigenen Produkten (Animal Crossing: Pocket Camp). Nintendo, was macht ihr bloß mit euren Mobile Games?