Wie ABZÛ, Breath of the Wild und GRIS mir halfen, den stressigen Alltag zu bewältigen Kommentar
Geschrieben von Thomas Steidle am 05.01.2019
Der Alltag von uns allen kann sehr stressig werden. Nicht nur tragen Arbeit, Uni oder Schule einen großen dazu Teil bei, auch können Hobbys, Familie und weitere Alltagsdinge uns belasten. Die Stressspirale dreht sich bei langanhaltender Belastung immer weiter und langsam aber sicher rutscht man immer tiefer in diese hinein – bis hin zu psychischen Folgen. Mir selbst ging es die letzten Wochen vor Weihnachten nicht anders: Mein ganzes Leben beanspruchte eine Menge von mir, auch wenn ich in erster Linie selbst daran schuld bin aufgrund von Selbstdruck und teilweise Perfektionismus – bis ich letztendlich nicht mehr konnte und unter der Last zusammenbrach. Aber selbst, wenn man in der tiefsten Spirale gefangen ist, gibt es eine Sache, die einem oder besonders mir das Leben erhellen kann: Videospiele.
In ABZÛ erkundet ihr in einer Unterwasserwelt verschiedenste Gebiete – dabei greift euch kein einziges Lebewesen an.
Videospiele lenken wie viele Hobbys vom stressigen Alltag ab und bereiten uns einfach Spaß. Dies trifft eigentlich auf jedes Videospiel zu, welches einem gefällt. Im Rahmen dieses Spezials möchte ich mich aber explizit drei Titeln widmen, die mir besonders weitergeholfen haben, für viele Minuten und Stunden den Alltag zu vergessen sowie Stress abzubauen – insbesondere, weil sie sich von anderen Titeln massiv unterscheiden.
ABZÛ erschien erst vor wenigen Wochen für die Nintendo Switch und konnte bereits in den Jahren zuvor auf anderen Plattformen die Spieler begeistern. Bereits vor wenigen Wochen durfte ich dazu meinen Spieletest veröffentlichen, in welchem ich besonders das meditative Gameplay des Spiels gelobt habe. In diesem Unterwasserabenteuer geht es nämlich nicht um viel Action, eine epische Geschichte, eine Vielzahl von Charakteren oder kompliziertes Gameplay. Als Taucher schwimmt man so viel unter Wasser wie man will. Ohne jeglichen Zeitdruck. Ohne irgendwelche Missionen. Ohne groß nennenswerte Gefahren in den allermeisten Fällen. Der Fokus des Spiels ist deutlich: genau das Gegenteil von unserem Alltag und vielen anderen Videospielen zu sein.
Sorgenlos lässt sich dadurch diese wunderschöne und atemberaubende Unterwasserwelt erkunden – ein richtiges Ziel hat das Spiel nämlich auch nicht, außer immer ins nächste Gebiet fortzuschreiten und durch einige Hinweise sich eine eigene Geschichte zusammenzustellen. Damit man selbst nicht mehr schwimmen muss und maximal entspannen kann, lassen sich die zahlreichen Meereslebewesen durch bestimmte Meditationsplätze beobachten. Es ist quasi wie ein riesiges Aquarium für daheim oder unterwegs.
In ABZÛ kann man sich von größeren Unterwasserlebewesen durch das jeweilige Gebiet schwimmen lassen und einfach nur zusehen.
Durch diesen Fokus haben Matt Nava, Creative Director des Spiels, und der Rest des Teams von Giant Squid ein Abenteuer geschaffen, wovon sich heutige Titel eine Menge abschauen können. Heutzutage braucht es immer noch mehr Inhalt, mehr Quests, mehr Story, mehr Modi, von allem mehr. Dabei zeigt ABZÛ genau, dass weniger mehr sein kann. Dass auch ein anderer Fokus als Action möglich ist. Dass ein großartiges Spiel auch ohne viel Drumherum auskommt. Der Kern des Spiels zählt. Dabei möchte ich aktuellen Blockbustern nicht ihre Qualität absprechen – nur auch aufzeigen, dass es anders gehen kann.
Warum ich genau meine, dass sich gerade die großen Blockbuster-Spiele etwas abschauen können? Egal welches große Spiel man sich heutzutage herauspickt, oftmals sind sie gespickt von Missionen, Möglichkeiten, Wegen und generell einer Menge Inhalt. Dieser Wahn nach immer mehr und größer ist an sich natürlich zu loben – ein noch umfangreicheres Spielerlebnis. Für mich bedeutet das aber auch oftmals unterbewussten Stress – das kann aber auch an meiner Persönlichkeit liegen. Ich denke dann, dass ich noch dieses und jenes erledigen will, jener Charakter noch eine Quest für mich hat, ich ins nächste Dorf muss, um die Geschichte weiterzubringen, im nächsten Moment wieder Gegner angreifen werden und so weiter. Daher sind ABZÛ und Co. eine gelungene Abwechslung zu den actionlastigen Titeln.
Ein riesiges Spiel, in welchem sich hunderte Stunden verbringen lassen, macht aber eine Sache bedeutend anders, auch wenn es noch lange kein so ein entspannendes Gameplay wie ABZÛ besitzt: The Legend of Zelda: Breath of the Wild – ein Spiel gespickt mit Missionen, Quests, Schreinen und Story. Wie soll das nun entspannend sein? Diese Frage werdet ihr euch vielleicht stellen und mit der Aussage liegt ihr zuerst auch gar nicht falsch. Ein Teil des Spiels wird hierbei aber außenvorgelassen: Es lässt einen alles machen, was man will. Eine kleine Sandbox-Welt gefüllt mit Inhalten, könnte man sagen.
Erst kürzlich habe ich mich wieder dazu entschieden, für einige Minuten in dieser riesigen Welt zu versinken. Sofort wurde ich wieder von Hyrule aufgesaugt und ich habe mich wie Zuhause gefühlt. Aber wie bereits erwähnt, lässt das Spiel einen alles machen, was man sich in dieser Welt vorstellen kann. Anstatt mich auf die vielen angenommenen Quests zu fokussieren oder Story-Fortschritt zu erreichen, bin ich einfach durch die Welt gelaufen, mit dem Pferd durch den Dschungel geritten, auf Berge geklettert und habe den einen oder anderen Krog entdeckt. Auf einem Berg stehend habe ich die kleine Welt unter mir fasziniert beobachtet. Ich konnte einfach diese wunderschöne Welt erkunden, ohne an viel anderes im Spiel zu denken. Dieser Gameplayaspekt wurde mir beim ersten Durchspielen 2017 gar nicht so recht bewusst, aber diese Entscheidungsfreiheit bedeutet mehr als man zuerst denken mag. Es lässt die Spieler immerhin komplett bestimmen, wie sie ihr Spiel erleben wollen. Allein dafür hat es den Titel "Meisterwerk" wahrlich verdient.
Dazu kommt der geniale Soundtrack, welcher von derselben Komponistin stammt, wie jener der Animal Crossing-Reihe. Die Musik davon ist weit entfernt, episch zu sein oder actionreiche Momente zu unterstreichen. Das Gleiche trifft in großem Maße auch auf Breath of the Wild zu. Hier spielt die Musik sogar eher eine weniger prominente, trotzdem sehr wichtige, Rolle und unterstreicht nur gewisse Momente oder Orte. Selbst wenn keine Musik spielt, was öfter vorkommen kann, lassen sich etliche Umgebungsgeräusche hören: Der pfeifende Wind, die schnarchenden Gegner oder allerlei Tiere. Ich bin der Meinung, dass dies genauso viel zur Entschleunigung beiträgt wie das Gameplay selbst.
Ein paar Elemente "zerstören" dieses eher meditative Gameplay zwar ein wenig, allerdings ist das auch nicht schlimm. Immerhin bleibt es eine Art von Action-Spiel, das seine epischen und gefährlichen Momente hat. Die Entwickler hatten sicherlich nicht denselben Gedanken hinter dem Spiel wie es Giant Squid bei ABZÛ hatte. Trotzdem kreierten sie ein Abenteuer, welches durch diese enormen Freiheiten, die der Spieler genießt, sowie durch das Sounddesign den Spieler nicht nur vom Alltag ablenkt, sondern dabei hilft, Stress zu bewältigen und viele entspannende Momente zu erleben.
Eigentlich wäre mein Spezial hier schon fast zu Ende, aber kurz vor knapp hat es noch ein weiteres Videospiel geschafft: GRIS. Mein persönliches Spiel des Jahres! Es handelt von einem Mädchen namens Gris, welches durch ihre schmerzhafte Erfahrung am Anfang des Abenteuers gekränkt ist. Daraufhin macht sie sich auf in ein emotionales Abenteuer, auf dem ihr sie begleitet.
Wie bereits bei den zuvor erwähnten Titeln kommt auch hier ein meditatives Gameplaykonzept vor. Es gibt zwar ab und zu eine Gefahr in Form eines Schattens, allerdings kann euch nichts und niemand etwas anhaben. Ihr könnt nicht "Game Over gehen" oder müsst irgendwelche schwierigen Passagen dutzende Male versuchen. Das Gameplay ist mit den wenigen Fähigkeiten von Gris und dem anspruchslosen Gameplay zwar sehr simpel, aber durch manche Aspekte genauso genial. Niemals werdet ihr frustriert sein. Und trotz dieses eher langweilig klingenden Gameplays konnte mich GRIS in jeder Spielminute fesseln. Die audiovisuelle Präsentation spielt die allerwichtigste Rolle und weckt in euch unzählige Gefühle. Noch nie hatte ich so oft Gänsehaut, noch nie habe ich so oft gestaunt, noch nie habe ich meine Umwelt so sehr vergessen wie in GRIS.
Nomada Studio hat hier eine einmalige Spielerfahrung kreiert – genau wie es Giant Squid und Nintendo bei ABZÛ und Breath of the Wild geschafft haben. Insbesondere diese drei Spiele halfen mir in letzter Zeit, den Alltagsstress für Stunden zu vergessen, in eine andere Welt einzutauchen – ohne jeglichen großen Frust. Dafür bedanke ich mich bei den drei Studios von ganzem Herzen und hoffe, dass wir weiterhin solche Perlen mit meditativen Gameplayteilen erwarten können. Giant Squid legt mit ihrem für 2019 angekündigten "The Pathless" vielleicht nach.