Quo Vadis Triple A? Spezial
Geschrieben von Max Kluge am 10.02.2019
Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Videospiele jährlich den Markt fluten und dabei so viele Zocker wie möglich an sich binden möchten – und das natürlich auch so lang, wie es geht. Die „Big Player“ stellen dabei sogenannte Triple-A-Titel her – also Projekte, die besonders viel Geld, Zeit und andere Ressourcen verwenden, um ein bahnbrechendes audiovisuelles Spektakel zu bieten. Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass viele dieser Spiele massiv in Kritik geraten, wegen verschiedener skurriler Machenschaften seitens der Publisher, die das Geld für die Titel springen lassen. Ferner scheinen diese in der letzten Zeit auch irgendwie komplett ihre Zielgruppe zu ignorieren. Welche Gedanken mir diesbezüglich derzeit im Kopf herumschwirren und was für eine Rolle Indie-Spiele bei der Erfüllung von Zocker-Bedürfnissen spielen, erfahrt ihr in diesem Spezial.
Blizzard hat auf der BlizzCon 2018 mit der Ankündigung von Diablo Immortal vermutlich den Vogel abgeschossen und die Initialzündung für den kommenden Text vollführt. Man nehme eine Halle voller gespannter Core-Gamer, die endlich Neuigkeiten aus dem Diablo-Universum hören möchten und präsentiere ihnen als großes Abschlusshighlight des Events ein Smartphone-Spiel, welches, wie sich später herausstellen sollte, ausschließlich eine optische Neuinterpretation von diversen Hack-and-Slay-Titeln des chinesischen Unternehmens NetEase ist. Anschließend tut man überrascht, dass die Fans nicht jubeln und beleidigt diese sogar noch mit den Worten „Do you guys not have phones?“ – Well played Blizzard, well played … Es ist ja nicht so, dass ein simples Logo von Diablo 4 nicht gereicht hätte, um die tobenden Massen zu beruhigen (als Nintendo-Fan weiß man, dass simple Logos viel bewirken können).
Es ist erschreckend, wie wenig Blizzard von seiner Zielgruppe zu wissen scheint und noch erschreckender ist, dass das Unternehmen nicht das einzige ist, welches dieses Problem hat. Vielen großen Publishern scheinen ihre Zielgruppen komplett egal geworden zu sein – Sie versuchen auf Gedeih und Verderb möglichst viel Geld aus ihren etablierten Franchises herauszuquetschen, ohne dabei auf Benutzerfreundlichkeit oder gar Fangesuche zu achten.
Ein weiteres Beispiel liefert die schwierige Beziehung zwischen Bungie und Activision. Das Entwicklerstudio, welches für die Halo-Reihe und das Destiny-Franchise verantwortlich ist, hat am 11. Januar verkündet, dass die beiden Unternehmen fortan getrennte Wege gehen. Über den Grund wird derzeit noch diskutiert, es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Activision nicht genug Potenzial für Umsatz in Destiny 2 gesehen hat und sich Bungie quergestellt hat, immer weiter große kostenpflichtige Updates für das Spiel zu veröffentlichen. Ob die von vielen passionierten Destiny-Zockern als ungerecht empfundenen Gameplay-Elemente, welche die Konsumenten vermutlich dazu drängen sollten, weiteres Geld für den Titel auszugeben, nun verschwinden werden, bleibt natürlich abzuwarten.
Auch EA sollte in dieser Auflistung nicht fehlen: Bekommt man eine mächtige Lizenz wie die des Star Wars-Franchise anvertraut, sind natürlich auch die Erwartungen des Lizenzinhabers an die erscheinenden Videospiele groß. Zwischen 2013 und der Gegenwart sind einige Star Wars-Spiele unter dem Deckmantel von EA erschienen – keines davon konnte wirklich überzeugen. Disney scheint nun leicht „enttäuscht“ vom US-amerikanischen Software-Riesen zu sein und so machen Gerüchte die Runde, dass das Unternehmen die Lizenz nicht verlängern will. Bestätigt ist noch nichts, würde aber vermutlich aufgrund des doch recht negativen Feedbacks hinsichtlich Star Wars Battlefront 2 nicht verwundern.
Kurz nach Veröffentlichung des Titels gab es einen Aufschrei in der Community, dass bestimmte Heldencharaktere nur mittels absurd hohen Preisen der Ingame-Währung oder eben Echtgeld bezahlt werden konnten. Der daraufhin abgesetzte Beitrag eines Repräsentanten von EA, der besagte, dass die Spieler mit Stolz erfüllt werden sollten, wenn sie eine solche Figur freischalten, wurde auf Reddit mit sage und schreibe 680.000 Downvotes abgestraft. Danach wurden die Preise besagter Charaktere zwar signifikant heruntergesetzt, jedoch auch die Belohnungen, die man für das Spielen des Titels bekommt. Ob man die Spieler hier motivieren wollte, sich mit Echtgeld besagte Ingame-Währung zu kaufen, kann natürlich nicht bewiesen werden, einen sehr faden Beigeschmack trägt das Ganze dann aber doch.
Die derzeitige Lage der Videospielbranche lässt natürlich weitere Beispiele, die in eine ähnliche Kerbe schlagen, erkennen – von dem halbgaren Fallout 76 und dessen miserabler Collectors Edition bis hin zu Metro: Exodus, welches ausschließlich im Store von Epic Games erscheinen wird. Da kratzt man sich als Enthusiast von Videospielen nicht selten am Kopf, wenn man sich nicht gleich davor gestoßen fühlt. Aber es gibt natürlich auch Lichtblicke und Unternehmen, die ihre Chance wittern.
Viele unabhängige Entwicklerstudios wissen wesentlich genauer, was die Zielgruppe möchte. Das mag viele Gründe haben – dass dort Menschen arbeiten, die ebenso passioniert gegenüber dem Medium sind und Geld nicht im alleinigen Fokus steht, mögen zwei der größten davon sein. So sehen wir immer mehr Titel von kleinen Teams, die kostenfreie DLCs spendiert bekommen, wie zum Beispiel The Messenger. Ferner werden alte Franchises in anderer Optik wiederbelebt, um die jeweilige Fanbase mit neuem Spielefutter zu versorgen: So können wir uns bald erneut in guter alter Castlevania-Manier durch Räume voller Monster und Fallen bewegen, wenn Bloodstained: Ritual of the Night erscheint, während Konami weiterhin die Produktion von Glücksspielautomaten ausbaut. Oder wir bauen uns in Stardew Valley auf anspruchsvolle Art und Weise einen eigenen Bauernhof auf, während Natsume ihre einstmals vielschichtige Harvest Moon-Reihe mit immer kitschigeren Artworks und Charaktermodellen versieht.
Ich möchte nicht sagen, dass Indie-Studios bald die Macht übernehmen werden oder der Heilsbringer für alle Gesuche der modernen Zockerschaft sind, allerdings denke ich, dass die Branche derzeit eine wichtige Phase durchlebt, die sie prägend ändern könnte. Besonders, weil unabhängige Entwickler immer mehr genau die Nerven der Zielgruppen ansprechen, die von den großen Spieleschmieden durch zwielichtige Machenschaften oder schlicht qualitativ minderwertiger Produkte gekonnt ignoriert oder verprellt werden.
Zu guter Letzt steht die Frage im Raum: Wie seht ihr das? Denkt ihr, dass sich Unternehmen wie Bethesda, Activision und EA auf ihren Hosenboden setzen und darüber reflektieren, was derzeit einfach nicht so rund läuft? Erwischt ihr euch selber immer häufiger dabei, dass ihr lieber zu kleineren Produktionen greift und mit diesen vielleicht sogar mehr Spaß habt? Oder gibt es eurer Ansicht nach gar kein wirkliches Problem? Schreibt eure Ideen und Gefühle in den Kommentaren nieder!