Nintendo 64DD – Die Spiele Spezial

Die beste Spielehardware und ihre Funktionen kann nur überzeugen, wenn es für diese hochwertige Spiele gibt, die diese auch ausnutzen. Leider trifft das nicht auf das 64DD zu. Durch die ständigen Verschiebungen des Zusatzgerätes und den späten Entschluss, das Gerät nur in Japan zu veröffentlichen, wurden bis auf die japanischen Entwickler HAL und SeTa alle Dritthersteller vertrieben. Und auch Nintendo selbst hatte nur noch geringes Interesse an ihrer eigenen N64-Erweiterung. So schafften es am Ende gerade einmal 9 Spiele in die japanischen Händlerregale:


F-Zero X Expansion Kit
Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich beim F-Zero Expansion Kit um ein Add-on zu Nintendos SciFi-Racer F-Zero X. Dieses funktioniert nur, wenn das (japanische) Originalspiel im Modulschacht des N64 steckt. Wenn man das Spiel in Verbindung mit dem Expansion Kit startet, werden zwei Punkte im Hauptmenü des Spiels hinzugefügt: Course Edit und Create Machine.


Bei Course Edit handelt es sich um einen sehr umfangreichen Streckeneditor. Man konnte nicht nur vorgegebene Elemente aneinanderreihen, sondern hatte fast dieselben Möglichkeiten wie Nintendos Designer, um eine eigene Piste zu kreieren. Man formte zunächst mit Hilfe eines Cursors einen Grundriss der Strecke und teilte diese durch Markierungen in mehrere Abschnitte. Die konnte man dann einzeln auswählen und Elemente vorgeben wie Straße, Straße mit Wand, Half-Pipe, Tunnel oder Looping. Daraufhin konnte man die Straßenbreite ändern und eine Steigung bzw. ein Gefälle eingeben. Sogar der Straßenbelag ließ sich in beispielsweise Eis ändern und auch die Texturen ließen sich vorgeben. Allerdings ist hier die Grenze des Streckeneditors erreicht, es ließen sich keine eigenen Texturen erstellen.


Links seht ihr den Fahrzeug-Editor und rechts den Strecken-Editor © Nintendo

Nach Festlegung des Grundrisses konnte man während des Bauens jederzeit in einen Rennboliden steigen und die bisherigen Bemühungen austesten. Und genauso schnell war man wieder im Baumodus. War man mit seinem Werk zufrieden, konnte man dieses auf der Diskette abspeichern. Bis zu 100 selbsterstellte Strecken gleichzeitig ließen sich auf diese Weise sichern.


Create Machine fiel dagegen weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Hier konnte man nur mithilfe vorgegebener Bauteile ein Fahrzeug zusammensetzen, die jeweils die Werte Geschwindigkeit, Beschleunigung und Trägheit beeinflussten und anschließend eine Farbe auswählen. Eigene Formen oder Texturen ließen sich nicht erstellen. Und auch einfache Dinge wie Sticker waren zur Personalisierung nicht möglich.


Neben den beiden Editoren hatte Nintendo noch zwei weitere Cups (DD-1 und DD-2) mit jeweils 6 Strecken hinzugefügt, die sich vor allem an Profis richteten. Zusätzlich waren noch weitere Soundtracks enthalten und der Sound insgesamt ertönte nun in echtem Dolby Stereo. Das Hauptspiel allein besaß aus Speichergründen nur eine Mono-Ausgabe.


Allerdings verschenkte das Add-on leider viel Potenzial. Durch eine Verknüpfung mit der Mario Artist-Reihe, die es nicht gab, hätte man eigene Fahrzeugmodelle und Texturen erschaffen können. Diesen Umstand konnte man aber noch verkraften. Was schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass man selbst erstellte Strecken nicht über den Onlinedienst des 64DD tauschen konnte. Wer sich also nur erneut in den Rennboliden setzen wollte, musste sich mit den zwei Cups begnügen. Alle anderen bekamen den mit Abstand besten Streckeneditor, den ein Rennspiel zu dieser Zeit bot.


Japan Pro Golf Tour 64
Das einzige 64DD-exklusive Sportspiel widmet sich dem Golfsport. Das simulationslastige Spiel des Entwicklers SeTa überzeugt dabei vor allem mit seinem Umfang. Dank der 64MB befinden sich 10 Kurse auf dem Datenträger. Zum Vergleich: die Golfspiele auf N64-Modulen haben meist nur einen! Dazu kommt die Auswahl von 20 japanischen Profispielern und die Möglichkeit, einen eigenen Charakter zu erstellen.


Auch die Modi-Wahl kann sich sehen lassen. Sechs verschiedene Spielvarianten stehen zur Auswahl. Darunter auch lokale Mehrspielermodi für bis zu 4 Spieler. Das Highlight des Spiels ist bzw. war jedoch der Online-Modus, in dem man sich mit anderen Spielern über das Internet messen durfte – zumindest bis das Randnet abgeschaltet wurde. Japan Pro Golf Tour ist somit das einzige Spiel für das 64DD, das echtes Online-Gaming ermöglichte.


Kyojin no Doshin
Kyojin no Doshin ist eine Art Göttersimulation, die man am ehesten mit der Populous- und Black & White-Reihe vergleichen kann. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines gelben Riesen mit dem Namen Doshin, der sich auf einer Insel befindet. Man kann mithilfe des Riesen das gesamte Eiland erkunden und sogar nach seinen Wünschen formen. Man erschafft Berge und Seen, pflanzt Bäume oder reißt sie heraus und kümmert sich um die Bewohner der Insel. Dabei kann man zwischen einem guten und bösen Weg wählen. Entweder man hilft den Bewohnern und erntet ihre Liebe oder man lässt Katastrophen über sie hereinbrechen und sorgt für Angst und Schrecken. In letzterem Fall verändert der Riese seine Gestalt. Doch egal wofür man sich entscheidet, der Riese wächst je mehr Liebe oder Furcht er bei den Untergebenen verursacht. Das Hauptziel des Spiels ist, dass die verschiedenen Volksstämme einem 16 Monumente errichten.


Gut oder böse - das war hier die Frage © Nintendo

Das Spiel nutzt die Echtzeituhr des 64DD und zeigt so unter anderem grafisch die jeweilige Tageszeit an. Außerdem entwickeln sich die Bewohner weiter, während das Spiel ausgeschaltet ist. Trotz des gemütlichen Spielstils und der schlichten Optik war Kyojin no Doshin in Japan beliebt. Das führte dazu, dass Nintendo und Param einen Nachfolger für das 64DD entwickelten und das Spiel sogar auf den GameCube portierten, für den es in Europa unter dem Titel Doshin the Giant erschien.


Kyojin no Doshin: Kaihou Sensen Chibikko Chikko Daishougou
Der Nachfolger hat spielerisch nicht mehr viel mit dem Original gemeinsam. Der Spieler wechselt die Perspektive und schlüpft nun in die Rolle eines kleinen Jungen. Dessen Hauptziel ist es, den mittlerweile eingesperrten Doshin zu befreien, indem er ihn mit Liebe "bewirft". Dies ist nahezu der gesamte Spielinhalt, wenn man das Spiel eigenständig nutzt. Durch die Verbindung mit Kyojin no Doshin unter Ausnutzung der Hot-Swap-Eigenschaft des 64DD werden weitere Spielziele und -möglichkeiten aktiviert. Dennoch ist das Spielprinzip insgesamt sehr schwach, selbst für japanische Verhältnisse sehr skurril im Vergleich zum Vorgänger und erreicht dessen Charme bei Weitem nicht.


Mario Artist
Bei Mario Artist handelt es sich um kein Spiel im eigentlichen Sinne, sondern mehr um eine Reihe bestehend aus vier Anwendungsprogrammen:


Communication Kit
Das Communication Kit ermöglichte die Verbindung aller Mario Artist-Spiele, um selbsterstellte Inhalte zu übertragen oder miteinander zu verknüpfen. Weiterhin war es möglich diese Inhalte mithilfe des Communication Kits in das Randnet hochzuladen. Dort konnte man diese mit anderen Nutzern tauschen und an offiziellen Wettbewerben durch Nintendo teilnehmen. Mit der Einstellung des Randnet fiel diese Möglichkeit leider weg. Als Bonus wurden in Mario Artist: Paint Studio neue Inhalte freigeschaltet, wenn man die beiden Disketten verbindet.


In Paint Studio (links) konntet ihr flache Elemente bearbeiten und in Polygon Studio (rechts) 3D-Modelle © Nintendo

Paint Studio
Das Paint Studio kann man als den Nachfolger von Mario Paint für das SNES ansehen und wurde wie der Vorgänger nur in einem Bundle mit einer Maus verkauft. Wie bei Mario Paint liegt der Schwerpunkt auf dem Zeichnen und Malen von Bildern. Doch dank der Funktionen des 64DD war noch deutlich mehr möglich. So konnte man mithilfe der Capture Cartridge, die Mario Artist: Talent Studio beilag, Bilder und Töne importieren. Es ließen sich auch mehrere Bilder miteinander verbinden und zu einem Videoclip zusammenstellen, inklusive Sound. Die vermutlich beste Idee ist jedoch das Erstellen eigener Texturen. Diese kann man in andere Spiele exportieren. So darf man beispielsweise für SimCity 64 eigene Häuserfassaden kreieren. Auch eine Verbindung mit dem Game Boy über das Transfer Pak ist möglich. Auf diese Weise lassen sich Bilder der Game Boy Camera ins Paint Studio übertragen und umgekehrt selbst erstellte Bilder mit der Hilfe des Game Boy Printers ausdrucken.


Polygon Studio
Im Gegensatz zu Paint Studio erstellte man hier keine flachen Bilder, sondern echte 3D-Modelle. Und das auf sehr einsteigerfreundliche Art und Weise. Sogar eine Animation der 3D-Modelle war in begrenztem Maße möglich. Und in Verbindung mit dem Paint Studio konnte man diese Modelle mit eigenen Texturen überziehen. Da für das 64DD ansonsten nicht viele Spiele erschienen sind, ist der Nutzen sehr begrenzt. Die eigenen Modelle ließen sich (ohne das Randnet) nur in Minispielen im Stile von WarioWare nutzen, die in Polygon Studio enthalten sind sowie in Talent Studio exportieren.


Screenshots aus Talent Studio © Nintendo

Talent Studio
Dieses "Spiel" ermöglichte das Erstellen eigener Animationen und Videos. Dafür konnte man vorgefertigte und auch selbsterstellte Figuren aus Polygon Studio nutzen und diese mit zahlreichen in Talent Studio enthaltenen Kleidungsstücken und Accessoires versehen. Anschließend konnte man die Figuren in begrenztem Maße in Bewegung versetzen und mithilfe der beiliegenden Capture Cartridge in Videomaterial von z.B. einem Camcorder einfügen und umgekehrt die Filme wieder mit Hilfe eines Videorekorders aufzeichnen.


SimCity 64
SimCity begründete 1989 das Genre der Aufbaustrategiespiele und wurde ein großer Erfolg. Der Nachfolger SimCity 2000 verbesserte das Spielprinzip in allen Belangen und führte die neue Franchise auf diese Weise würdig fort - allerdings erneut in 2D. Bei SimCity 64 handelt es sich um eine 3D-Version von SimCity 2000. Es bietet die selben Gebäude, Infrastrukturen, Naturkatastrophen und Management-Optionen wie das Vorbild – nur eben in 3D mit freier Kamera und komplett überarbeiteter Bedienoberfläche. Und obwohl der Kern des Spiels unverändert blieb, als Bürgermeister eine eigene Stadt aufzubauen und zu verwalten, gab es eine besondere Neuerung in SimCity 64: Es war jederzeit möglich, dem stressigen Alltag als Bürgermeister zu entfliehen und seine Stadt aus der (Ego-)Perspektive eines Bürgers zu erkunden. Ein Abendspaziergang am Flussufer, eine Zugfahrt bei Sonnenschein oder ein Nachtflug mit dem Helikopter. Nichts war unmöglich. Man konnte sogar mit anderen Stadtbewohnern interagieren und zum Beispiel Verstecken spielen.


Man konnte seine Stadt aus der Ego-Perspektive bewundern (links) © Nintendo

Natürlich machte auch dieses Spiel nebenbei Gebrauch von den Funktionen des 64DD. So war es möglich, mit in Mario Artist: Paint Studio erstellten Texturen, seinen ganz besonderen Stempel aufzudrücken oder mit seinem eigenen Charakter durch die Stadt zu schlendern. Technisch hinterlässt das Spiel einen zwiespältigen Eindruck. Es bietet zwar selbst in der Ego-Perspektive eine für damalige Verhältnisse solide Optik mit hoher Weitsicht, was bei vielen 3D-Objekten allerdings zu Rucklern führt. Auch einige kleinere Bugs trüben den Spielspass geringfügig.


Fazit:
In Anbetracht der dürftigen Auswahl an Spielen, die auch nicht gerade die höchste Qualität aufweisen, kann man das 64DD getrost ignorieren und muss keiner der dortigen Veröffentlichungen nachweinen. Zurückblickend kann man sie eher als Tech-Demo betrachten und sich höchstens die Frage stellen: Was wäre, wenn... das 64DD ein Riesenerfolg gewesen wäre? Denn die Features sind im Ansatz interessant und wären bei einem Erfolg wohl sehr viel mehr zum Tragen gekommen. So war und ist das 64DD und seine Spiele nur für Hardcore-Sammler interessant, die alles mit einem Nintendo-Logo ihr Eigen nennen wollen.


Berichtsbild: © Nintendo

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Kommentare 5

  • Kugelwilli

    Turmfürst

    Am interessantesten wäre der F Zero X Editor. Alles andere macht kaum Sinn. Zumal die Texte japanisch sind. Dazu kommt, dass das DD mittlerweile sehr teuer ist. Das lohnt sich wohl nur als Sammelobjekt.
    Die Idee dahinter war klasse, die Vermarktung allerdings eine Katastrophe. Somit bleibt das DD ein Kuriosum.

  • megasega2

    Meister des Turms

    Also Sim City 64 wäre mal einen Blick wert, das hatte sozusagen einen Die Sims-Modus.

  • nec3008

    Turmbaron

    Ich würde mich ehrlich gesagt über ein Mario Paint freuen.
    Auf der Switch sollte es dank Touchbedienung keine Probleme geben, obwohl ich eine Mausunterstützung natürlich
    begrüßen würde. Mit dem Patent einens Touchpens für die Joy Cons gehts auch in die richtige Richtung.

  • FALcoN

    Hüter der Spiele-Datenbank

    @Kugelwilli
    Mich interessiert im Grunde auch nur das Expansion Pak zu F-Zero. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Nintendo eines Tages - entweder über eine Art VC, N64 Online oder N64 Mini - uns in den Genuss des Komplettpakets kommen lässt.


    Schließlich durften wir uns schon über ein nachträglich mit engl. Texten versehenes Sin & Punishment in der VC und ein nachträglich veröffentlichtes Star Fox 2 freuen. Da ist dieser Wunsch doch gar nicht so abwegig :)

  • Pascal Hartmann

    I'm not a cat

    Sim City 64 war ja echt ambitioniert. Gerade mal ein Video dazu angeschaut, schon beeindruckend für die Zeit damals.