Film-Kritik: POKÉMON: Meisterdetektiv Pikachu Spezial
Geschrieben von Pascal Hartmann am 05.05.2019
Das Pokémon-Franchise hat schon so einige Filme hervorgebracht. Allerdings handelte es sich dabei bisher ausschließlich um Zeichentrickfilme, die auf der Anime-Serie basieren. POKÉMON: Meisterdetektiv Pikachu ist nun die erste Real-Verfilmung der Taschenmonster. Die Geschichte orientiert sich am gleichnamigen Spiel für den Nintendo 3DS und stellt den jungen Mann Tim mitsamt eines sprechenden Pikachus in den Mittelpunkt.
Tim (Justice Smith) erhält eine schockierende Nachricht: Sein Vater, der Privatdetektiv Harry Goodman, ist tot. Daraufhin reist er nach Ryme City, der einzigen Stadt, in der Menschen und Pokémon friedlich zusammen leben. In der Wohnung seines Vaters trifft er auf ein Pikachu, mit dem er sich merkwürdigerweise ganz normal unterhalten kann. Was das zu bedeuten hat, warum Pikachu sein Gedächtnis verloren hat und wer hinter dem Ableben von Tims einzig verbliebenem Elternteil steckt, soll nun von dem ungleichen Duo herausgefunden werden.
Die Hauptstars des Films sind natürlich die Pokémon. Gerade bei der Ankunft in Ryme City wurde ich von den vielen eindrucksvollen Szenen geradezu überwältigt. Wie bei einem Wimmelbild flutschten meine Augen hin und her und versuchten, all die Details aufzunehmen. Das war allerdings vergebens, denn es passiert teilweise so viel auf der Kinoleinwand, dass erst durch ein wiederholtes Anschauen alle Details erfasst werden können. Etwas schade fand ich, dass die Symbiose aus Menschen und Pokémon in nur wenigen Szenen dargestellt wird. So erleben wir Schiggys, die (wie schon im Anime) bei der Feuerwehr aushelfen, ein Machomei, das den Verkehr regelt, Taubsis, die Luftpost durch die Gegend fliegen und Glumandas, die wegen ihrer Schwanzflamme an Imbissständen besonders beliebt sind. Ein paar mehr solcher Szenen hätten das Zusammenleben zwischen Mensch und Pokémon weiter veranschaulichen und damit vertiefen können.
Gerade Fans der ersten Generation werden ihre Freude am Film haben. Der Großteil der gezeigten Pokémon, gerade auch die mit mehr Leinwand-Zeit, entstammen nämlich Pokémon Rot und Blau. Es werden immer wieder mal ein paar neuere Taschenmonster eingestreut, die ich teilweise auch gar nicht kannte, aber der Fokus auf die Klassiker ist klar zu erkennen. Das hat mich persönlich natürlich gefreut, weil ich mit Rot/Blau am meisten Erinnerungen verbinde und auch Pokémon Let's Go auf der Nintendo Switch noch nicht so alt ist. Zudem darf nicht vergessen werden, dass der Mega-Erfolg Pokémon GO anfangs ausschließlich auf Pokémon der ersten Generation zurückgriff. Es wird sich auch auf die eher populäreren Pokémon fokussiert. Ich schätze, dass Pikachu, Glurak und Enton heutzutage noch immer recht weit oben in der Beliebtheitsskala rangieren dürften und das trotz der über 800 Pokémon, die es mittlerweile gibt. Von daher ist deren Wahl mehr als verständlich, es hätte jedoch ruhig ein wenig ausgeglichener sein dürfen.
Doch die Wahl der Pokémon ist zweitrangig, wenn diese nicht in sich und auch in Verbindung mit der Welt glaubwürdig erscheinen. Wirkte das erste auftretende Taschenmonster, ein Tragosso, für mich noch ein wenig fehl am Platze (obwohl es fantastisch animiert ist), fielen spätestens in Ryme City alle Zweifel von mir ab. Ja, da leben echte Fabelwesen mit echten Menschen zusammen. Das liegt nicht nur an den real aussehenden Pokémon (Glurak!), sondern auch an den Interaktionen der menschlichen Darsteller mit ihnen. Gerade Justice Smith liefert hier eine gute Performance und ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, er würde eigentlich mit leerer Luft interagieren.
Seine Darstellung von Tim ragt auch sowieso aus der Schauspieler-Riege hervor. Anfangs noch traurig und verbittert, wächst er im Laufe des Films an seinen Herausforderungen und wird so zum glaubhaften Helden. Seine Beziehung zu Pikachu hat einen schwierigen Start, aber auch sie entwickelt sich verständlich und nachvollziehbar. An Tims Seite steht die Nachwuchsjournalistin Lucy (Kathryn Newton). Sie fügt sich gut neben ihm ein und hat durchaus ihre Momente. Die Chemie zwischen den beiden ist vorhanden, die Performance wirkt aber hier und da doch ein bisschen Over-the-Top. Ihr Partner-Pokémon Enton stiehlt Pikachu sogar manchmal die Show. Dabei kann es nur „Enton“ sagen, der wirre Blick aber brachte mich ein ums andere Mal zum Lachen.
Sowieso habe ich den Film über recht viel gelacht. Das liegt vor allem an Pikachu, das im Original von Ryan Reynolds, im Deutschen von dessen Synchronstimme Dennis Schmidt-Foß, mehr als überzeugend vertont und zum Leben erweckt wird. Es gibt auch Witze, die sich klar an das erwachsenere Publikum richten. Das hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Mein Highlight aber ist die Szene mit Pantimos. Sie ist in Teilen bereits in den Trailern zu sehen, fällt im Film jedoch länger aus und ist meiner Meinung nach trotz allem noch zu kurz gekommen. Was hier aus dem Pantomimen-Pokémon herausgeholt wurde, sucht Seinesgleichen.
POKÉMON: Meisterdetektiv Pikachu ist allerdings kein Detektiv-Film, wie der Name durchaus vermuten lässt, sondern vielmehr ein Abenteuer-Film mit eingestreuten Action-Einlagen. Wichtige Story-Elemente werden den Charakteren und dem Zuschauer über Hologramme oder durch Erklärungen vermittelt, und nicht über namensgebende Detektiv-Arbeit. Nach Ende der Filmvorstellung bekam ich dann die Frage eines Presse-Kollegen mit, der wissen wollte, warum denn nun einige Dinge so passierten, wie sie letztendlich passiert sind. Während des Films fielen mir die Logik-Lücken nicht so richtig auf, denn ich war von dem Geschehen auf der Leinwand abgelenkt. Im Nachhinein bleiben aber tatsächlich Fragen offen, was bei einem Film, der einem so viel erklären möchte, doch etwas seltsam anmutet. Die Story wirkt so schlussendlich nicht komplett durchdacht. Und warum genau hat Tim eigentlich kein Partner-Pokémon? Ich weiß es nicht und kann es nur erahnen. Der Endkampf hingegen ist cool umgesetzt, gerade auch, weil ein ganz spezielles Pokémon eine Rolle darin spielt. Das kam für mich überraschend und ich konnte auch nicht alle Wendungen vorhersehen.
Insgesamt wurde ich von POKÉMON: Meisterdetektiv Pikachu sehr gut unterhalten. Der Film ist lustig und wird von sympathischen Figuren getragen (Justice Smith und Ryan Reynolds aka Pikachu), die nachvollziehbare Entwicklungen durchmachen. Zudem schafft er es vor allem, eine glaubwürdige Welt zu erschaffen, in der Pokémon und Menschen tatsächlich zusammen koexistieren. Optisch ist die Real-Verfilmung eine Wucht, gerade die fantastisch umgesetzten Taschenmonster und die in Neonlicht erstrahlende Stadt Ryme City stechen hervor. Da kann ich die nicht komplett durchdachte Geschichte noch verzeihen. Denn sind wir einmal ehrlich: Wer in diesen Film geht, will vor allem die Pokémon sehen. Und die bekommt man auch.
Kinostart: 09.05.2019