Ring Fit Adventure – der spirituelle Nachfolger von Wii Fit Kommentar
Geschrieben von Daniel Kania am 15.09.2019
Ich staunte nicht schlecht, als uns Nintendo im Morgengrauen des 6. Septembers überraschte, indem das Unternehmen, ohne ein großes Tamtam daraus zu machen, ein Teaser-Video namens „Ein neues Erlebnis für Nintendo Switch“ veröffentlichte. Darin zu sehen sind Personen verschiedenen Alters aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Was sie zu verbinden scheint, ist die Faszination an einem neuen Nintendo Switch-Produkt. Dabei halten sie einen seltsam anmutenden Ring in der Hand, binden sich ein Band um ihr Bein und können dabei beobachtet werden, wie sie die witzigsten Bewegungen ausführen.
Wer das Nintendo der Nintendo DS- und Wii-Zeit kennt, wusste genau, worauf wir uns hierbei einzustellen haben. Sport, Fitness, Gesundheit – Schlüsselbegriffe, welche prominenten Nintendo-Titeln wie Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging oder Wii Fit zugeordnet werden können. Edutainment- und Lifestyle-Software, wenn man so möchte, welche auf Gelegenheitsspieler und Nicht-Spieler zugeschnitten war. Der Casual-Markt boomte und Nintendo war einer der größten Profiteure, wenn nicht gar Begründer des damaligen „Casual“-Begriffs.
Nach der gescheiterten Wii U-Konsole konnte das Unternehmen aus Kyoto durch eine Verkettung von genialen Einfällen und wichtigen Entscheidungen allmählich wieder große Relevanz genießen. Durch Mobile-Spiele, Freizeitparks, Merchandising, Mini-Konsolen und nicht zuletzt auch durch die Nintendo Switch war der Name Nintendo zurück in den Köpfen der Menschen. Auch vom weltweiten Pokémon GO-Phänomen profitierte die Nintendo-Marke, obwohl das Unternehmen mit dem AR-Mobile-Spiel gar nichts zu tun hatte. Es ist in großen Stücken gelungen, die öffentliche Wahrnehmung weg vom klischeebehafteten Bild eines Herstellers von Kinderspielen und hin zum Unterhaltungsunternehmen für alle Altersgruppen zu lenken.
Durch verschiedenste Bemühungen hat Nintendo bewiesen, dass seine Zielgruppe auch weiterhin aus Gelegenheitsspielern bestehen soll, aber nicht nur und vor allem nicht hauptsächlich. Für jedes Spiel, welches Zeit, Geschick und Expertise erfordert, gibt es ein Spiel quasi als Gegenstück, das auf einfachen, unkomplizierten Spielspaß ausgelegt ist. Diese Dualität lässt sich auch im Grundkonzept der Nintendo Switch-Konsole finden. Als Hybridgerät verbindet sie die Stärken von Heimkonsolen und Handhelds zugleich, bietet sich für kurze als auch intensive Spielrunden an. Dies erwies sich ohne Frage als echtes Erfolgsrezept und als Rekordbrecher. Persönlich habe ich aber nicht damit gerechnet, dass Nintendos Fachpersonal diese Mentalität selbst bei augenscheinlich reinen Casual-Marken verfolgen würde.
Das Fitness-Abenteuer bietet einen einfachen, aber schicken Stil. Habt ihr schon einmal so eine hübsche Trainingsanwendung gesehen? © Nintendo
Ich komme zurück auf Ring und Band. Das neuartige Nintendo Switch-Zubehör wurde im Zuge einer Videopräsentation am 12. September genauer vorgestellt und entpuppt sich als integraler Bestandteil eines Nintendo Switch-Spiels namens Ring Fit Adventure. In diesem Mix aus Abenteuerspiel und Fitness-Anwendung steuern Spieler/-innen ihre Spielfigur mit dem sogenannten Ring-Con und dem Beingurt, je mit einem Joy-Con der Nintendo Switch ausgestattet. Dank der vielfältig einsetzbaren Sensoren der Joy-Con und der verbauten Technik im Ring-Con sollen die eigenen Bewegungen zuverlässig ins Spiel übertragen werden. Zusätzliches Equipment wie das Wii Balance Board bei Wii Fit (Plus) oder Wii Fit U gehört der Vergangenheit an. Die Art des Spielens und das Marketing erinnern jedoch stark an vergangene Wii-Zeiten, in denen Opa und Oma eine Runde Bowling in Wii Sports spielten und Mama ihre tägliche Joggingrunde in Wii Fit absolvieren wollte. Doch etwas ist anders.
Bei vielen Lifestyle-Produkten aus Nintendos Vergangenheit wurde nicht der Eindruck erweckt, als würde ich zu Nintendos Zielgruppe gehören. Man sprach vielbeschäftigte Mütter an, gesundheitsbewusste Heranwachsende, lebensfrohe Rentner/-innen, vielleicht auch Menschen, die zu unsicher oder zu faul sind, in der Öffentlichkeit Sport zu treiben. Trotzdem schaute ich mir Erfahrungen wie Wii Fit genauer an – weil ich Nintendo-Fan war. Und: Ich hatte Spaß dabei. Für mich stand zu der Zeit Spielspaß immer an erster Stelle. Ich machte mir keine Sorgen um Gesundheit oder Fitness, immerhin war ich noch jung und gesund – und wohl auch naiv.
Ring Fit Adventure konnte meine Aufmerksamkeit hingegen auf magische Art und Weise packen. Es schwirren mir zwei mögliche Szenarien durch den Kopf. Erstens: Nintendos Marketing ist damals zu sehr auf den Casual-Markt gerichtet gewesen, weshalb ich mich exkludiert fühlte, obwohl mir das Produkt sehr wohl Freude bereiten konnte. Oder zweitens: Ich bin herangewachsen und damit natürlicherweise kritischer sowie selbstreflektierender geworden, weshalb mich eine Möglichkeit, meine Fitness auf Vordermann zu bringen, mehr anspricht. Vielleicht entspricht auch beides der Wahrheit. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass es ein äußerst cleverer Schachzug von Nintendo gewesen ist, bei der Entwicklung von Ring Fit Adventure gleich zwei Kernkompetenzen auszuspielen: Seine Expertise im Unterhaltungs- sowie im Gesundheitssektor.
Ich fühle mich angesprochen. Nicht nur als jemand, der sich um einen gesunden Körper kümmert, sondern auch als jemand, der spaßige Videospiele wertschätzt. Ring Fit Adventure scheint beide Aspekte gleichermaßen zu bedienen. Es präsentiert sich als ernst gemeintes Abenteuerspiel und es stellt sich ebenso als ernstzunehmende Fitness-Anwendung dar. Nintendos Mission, die heutige Spielerschaft fit und gesund zu halten, ist ein löbliches Bestreben, welches mehr Unterstützung verdient hat. Auch wenn manche Momente der Videopräsentation zu Ring Fit Adventure Fremdscham ausgelöst haben und die Haltbarkeit – insbesondere des Ring-Con – aktuell noch zu hinterfragen ist, blicke ich äußerst positiv auf den 18. Oktober. Bislang ist mir nichts so Durchdachtes untergekommen, was Fitness-Inhalte spielerisch näherbringt, wie Ring Fit Adventure. Ich ermutige alle, dem Titel eine Chance zu geben!
Berichtsbild: © Nintendo