Aus digital mach analog – Als Videospielefan auf der Nürnberger Spielwarenmesse Nerdkultur
Geschrieben von Florian McHugh am 03.02.2020
Sonntag, 24.01.2020
“Du, sag mal, ich habe heute per Zufall mitbekommen, dass ja nächste Woche die Spielwarenmesse in Nürnberg ist. Ich könnte da ja mal hin und einen Tellerrand-Artikel über die Umsetzung von Videospielen im Brett- und Kartenspielbereich schreiben."
“Klar, mach mal.”
“Super! Das wird bestimmt eine ziemlich gute Ausbeute!”
Tja, und damit sollten meine ersten Messe-Erfahrungen beginnen, indem ich mich im Rahmen meiner Arbeit bei ntower bei der Nürnberger Spielwarenmesse umsehen würde. Die ersten Schritte waren schnell getan sein, schließlich kann man sich heutzutage ja problemlos überall online akkreditieren lassen und… oh, ich bin seit drei Tagen überfällig, ganz schön blöd das Ganze. Aber wenigstens bleibt mir noch ein kleiner Hoffnungsschimmer, denn man kann sich einen Tag vor offiziellem Messebeginn auch vor Ort registrieren, also direkt nach der Arbeit in die Nürnberger U-Bahn, ab zur Pressestelle und nach einer kurzen Erklärung, was ein Videospiele-Redakteur auf einer Spielwarenmesse ohne jegliche Videospiele sucht, bekam ich auch mein Presseticket und mein Herz frohlockte. Der kommende Samstag war ganz für die Messe reserviert!
Samstag, 01.02.2020 – 10:00 Uhr
Der große Tag ist gekommen. Meine erste Messe als Redakteur und vor allem das erste Mal, dass ich als Einheimischer auch in den Genuss kommen darf, die Nürnberger Spielwarenmesse von innen zu sehen, denn deren Pforte öffnen sich nur für Fachbesucher oder Journalisten. Schon auf dem Weg zur Messe, an einem Samstagmorgen mit der U-Bahn durch Nürnberg zu fahren ist die Hölle, bekomme ich einen guten Eindruck davon, wie viele Menschen sich dort aufhalten werden. Endlich angekommen gehe ich entschlossen und frohen Mutes auf den Eingang zu, atme einmal tief durch und stürze mich in die Menge.
Kaum betrete ich die Halle 1, starrt mir ein riesiges Glubschi-Plüscheinhorn mit seinen großen Augen direkt in die Seele und scheint ebendiese zu verlangen, wenn ich noch länger hinschaue. Also schnell den Blick gesenkt, ein paar Schritte weiter, nur um festzustellen, dass die erste Halle im Allgemeinen von den kuscheligen und flauschigen Vertretern der Kinderzimmer bevölkert wird – ob ich hier vielleicht eine Geralt-Plüschfigur finde? Die Chancen stehen eher schlecht, denke ich, nur um dann ein paar Schritte weiter wenigstens Evoli und Pikachu erspähen zu können. Ansonsten verläuft meine Suche recht erfolglos und ich stapfe weiter zur nächsten Halle, bei der Nürnberger Spielwarenmesse können ja jetzt nur die Brettspiele folgen.
10:30 Uhr
Mal eben kurz in die andere Halle stapfen, sollte ja kein Problem sein, möchte man meinen. Doch eines muss man den Messeaustellern lassen, sie wissen schon, wie man gut protzt, und so bleibe ich zwischendrin noch kurz staunend vor einer vier Meter hohen Giraffe stehen, welche die Messebesucher überragt. Nun gut, jetzt aber in die nächste Halle und gleich die ganzen Brettspiele bestaun… ah, doch nicht – hier scheint alles für die ganz jungen Menschen ausgelegt zu sein: Babyspielsachen, Kinderwagen, Planschbecken und Sandkistchen füllen die Ausstellerflächen. Nun gut, wenigstens wird es diesmal nicht so lange dauern, bis ich in Halle 3 vorgestoßen bin.
10:35 Uhr
Immer noch keine Brettspiele, von irgendwelchen Anlehnungen an Videospielen ganz zu schweigen. Dafür bekomme ich gleich am ersten Stand, an dem ich vorbeigehe, von einer nett lächelnden Asiatin mein erstes Messegeschenk in die Hand gedrückt: Ein kleines Beutelchen mit etwas, was an Legosteine aus Metall erinnert – später sollte sich herausstellen, dass es sich um eine Handyhalterung handelt. Nett, aber nicht wonach ich gesucht habe. Langsam bereue ich es, dass ich zu Beginn keinen Hallenplan mitgenommen habe, aber wer kann denn ahnen, dass ich nicht sofort ans Ziel meiner Wünsche geraten würde? Guter Dinge schlendere ich gemütlich durch Halle 3, die sich vollständig auf Holzspielzeuge und Spielsachen aus natürlichen Materialien beschränkt hat, und nähere mich meinem Ziel immer mehr, ich kann es förmlich spüren.
11:15 Uhr
Ich lag falsch, mal wieder. Halle 4, 5 und 6 enthalten auch kaum Brettspiele, ein paar wenige Vertreter zeigten sich zaghaft, allerdings keine Videospielumsetzungen, denn diese Hallen hatten sich ganz den technischen Aspekten der Spielzeugindustrie verschrieben. Ich muss allerdings gestehen, dass ich gar nichts dagegen hatte, mich in diesen drei Hallen mehr als ausführlich umzusehen. Ob es nun Spielzeuge, die ein Lego-Technik in den Schatten stellen, Chemie-Baukästen, Drohnen oder ziemlich realistische 3D-Modelle unseres Universums sind, es gibt einiges zu bestaunen und für den Pädagogen in mir findet sich sogar eine Ecke, in der es ganz um Schulmaterialien und Co. geht. Nur bei dem ganzen Gestaune nagt irgendwas in meinem Hinterstübchen und mir fällt ein, dass ich trotz einiger interessanter Escape-Room Spiele (wieso sind die eigentlich hier bei den technischen Spielsachen?) immer noch keine Videospiel-Adaptionen gefunden habe. Es muss weitergehen!
12:00 Uhr
Verflucht seist du, Nürnberger Spielwarenmesse! Die nächste Halle beheimatet alle Arten von Outdoor-Spielzeugen und das kleine Kind in mir kommt gar nicht mehr zur Ruhe: Trampoline, Scooter, Kletterwände, Spielmatten, die einen nass spritzen, wenn man nicht schnell genug auf die richtige Stelle tritt, und viel mehr setzen mich einer dermaßen Reizüberflutung aus, sodass ich aus dem Staunen kaum rauskomme. Nur mit Mühe komme ich voran und als ich endlich den Übergang zur Halle 8 erreiche, stelle ich fest, dass ich bereits seit zweieinhalb Stunden auf der Messe und meinem eigentlichen Ziel immer noch keinen Schritt nähergekommen bin. Nun gut, schauen wir mal, was die nächste Halle so zu bieten hat – wirklich überraschen kann mich jetzt nichts mehr.
12:30 Uhr
Ich bin ziemlich überrascht. Ich hätte ja mit allem gerechnet, doch dass in den nächsten zwei Hallen neben Kostümen und Verkleidungen, was ich ja noch nachvollziehen kann, fast ausschließlich Feuerwerkskörper beworben werden, verwirrt mich so sehr, dass ich einen ganzen Moment mit geöffneten Mund dastehe und die Szenerie erst einmal neu einordnen muss. Man stelle sich mal so die Planung der Messeveranstalter vor: „Also gut Leute, wir haben jetzt die Outdoor-Spielsachen aufgeteilt und die Plüschfiguren sind auch gesetzt. Was fehlt denn jetzt noch? Brettspiele?“ – „Wie wäre es mit Feuerwerkskörpern?“ Nicht dass es mich groß stört, ich hätte nur nie gedacht, dass gerade eine Spielwarenmesse der Umschlagplatz schlechthin für die ganzen Knaller und Böller ist. Aber die vielen Stände und die Tatsache, dass sich um diese eine riesige Menschentraube sammelt, belehren mich eines besseren. Nun gut, die ganzen Kostüm-Hersteller wissen sich jedenfalls noch besser zu präsentieren als es noch die Stofftier-Hersteller taten, und so bestaune ich die vielen und teils sehr originellen Kostüme.
Mittlerweile bin ich schon seit gut drei Stunden auf der Messe unterwegs und angesichts von knackigen Getränkepreisen steuere ich die Presselounge an und gönne mir eine kurze Pause. Dort finde ich auch einen Hallenplan und stelle erfreut fest: Die nächsten drei Hallen widmen sich vollkommen dem Thema „Gaming“ an sich, was auch Brettspiele und dergleichen beinhaltet. Vielleicht komme ich der Erfüllung meiner Aufgabe nun endlich einen großen Schritt näher. Während ich meine Cola austrinke, entgeht mir im Übrigen nicht die Ironie, dass gerade die letzten Hallen sich mit den meiner Meinung nach wichtigsten Aspekten einer Spielwarenmesse befassen. Nun gut, dann wollen wir mal!
13:00 Uhr
Brettspiele. Brettspiele! Endlich! Ich bin an meinem Ziel angekommen. Gleich der erste Stand trifft den Nerv meines Themas: Es wird die Brettspielumsetzung von „Cities: Skylines“ ausgestellt und ich nähere mich voller Vorfreude, nur um dann festzustellen, dass auf dem Tisch nur die Verpackung und ein Info-Aufsteller stehen, gespielt und vorgeführt wird ein anderer Titel, der direkt danebensteht. Daran ändert sich im Laufe meines Aufenthalts übrigens auch nichts weiter, was mir einen kleinen Dämpfer verpasst, der jedoch gleich wieder verfliegt. Ich darf nämlich mit Freude feststellen, dass die Brettspiel-Renaissance, die bereits seit einiger Zeit im Gange ist, immer mehr an Fahrt gewinnt. Es gibt eine Hülle und Fülle an unterschiedlichsten Spielen und was mich umso zufriedener stimmt, ist die Tatsache, dass es mittlerweile auch eine große Anzahl an Brett-, Würfel- und Kartenspielen gibt, die auch spielerisch Wissen vermitteln und selbst solche leidliche Angelegenheiten wie Mathe oder Englisch vergnüglich gestalten.
Zudem kann man mittlerweile mit Gewissheit sagen, dass die Internet-Kultur endgültig auch im Offline-Leben angekommen ist: Spiele wie „What do you meme?“, „Game of Quotes“ und „Weird things, human searches for“ sind der beste Beweis dafür, dass man wirklich alles vermarkten kann – naja und es macht ja auch eine Menge Spaß. Ich komme nun deutlich langsamer voran, bleibe an vielen Ständen stehen und halte Ausschau nach weiteren Videospielumsetzungen. Dieses Vorhaben wird erst einmal nicht von allzu viel Erfolg gekrönt, das einzige Videospiel-relevante Spiel findet sich erst einmal bei Konami in Form von Yu-Gi-Oh! Spielkarten. Das ist auch auf der Nintendo Switch erschienen aber hier war das Kartenspiel deutlich vorher da und daher zählt das Ganze nicht so richtig. Na gut, dann wird eben weiter gesucht und dabei bin ich auf Perlen wie „Megacity Oceania“ oder „Das geplagte Leben des Billy Kerr“ gestoßen, die ich zwar nicht anspielen konnte, die mir aber sehr ausführlich erklärt wurden und die beide mit einer erwachsenen Thematik aufwarten können, auf die ihr getrost einen Blick werfen könnt.
14:50 Uhr
Ich bin nun seit gut fünf Stunden auf der Messe und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht, obwohl ich in der vorletzten Halle angekommen bin. Doch das interessante Angebot lässt mich nun viel öfter an Ständen verweilen, ehe ich letztendlich den Moment erreiche, von dem ich nie gedacht hätte, dass er jemals kommen würde: Ich finde einen Stand, der einige Videospiel-Umsetzungen präsentiert. Im Display finden sich die Verpackungen der Brettspielumsetzungen von God of War, Bloodborne sowie ein Poster zu einem Kartenspiel zu Cyberpunk 2077. Da werde ich doch glatt hellhörig?! Beflügelt schreite ich näher, spreche den netten Herrn am Messestand an und muss mich von einem entschuldigenden Lächeln vertrösten lassen „Sorry, there is no prototype yet, it‘s just an announcement“ – es gibt keine vorzeigbare Version, bisher existiert das Spiel nur auf dem Papier. Nun gut, die restlichen Spiele sehen ja vielversprechend genug aus, doch zum Anspielen werde ich heute leider nicht kommen, denn die Spiele werden nur vorgestellt. Trotz allem freut man sich, dass ich Interesse zeige und man erklärt mir, dass die Videospieladaptionen immer beliebter werden. So gibt es das Brettspiel zu Bloodborne zum Beispiel nur, weil das vorher veröffentlichte Kartenspiel so gut angekommen ist.

Mehr als das Versprechen auf dem Poster gab es leider nicht zum Cyberpunk 2077-Kartenspiel zu sehen. © ntower
Ich stoße später noch auf eine Kartenspielumsetzung von Vampire: The Masquerade, was allerdings eher eine Pen & Paper-Adaption darstellt, und auch in diesem Fall nicht anspielbar ist, da es sich nur um einen groben Prototyp handelt, das eigentliche Spiel soll erst Ende des Jahres veröffentlicht werden. Ebenso stolpere ich über eine Kartenspiel-Variante von Fallout Shelter, die wirklich eine Menge Spaß macht – von den vielen Monopoly-Umsetzungen fange ich gar nicht erst an. Cities: Skylines, Cyberpunk 2077, God of War, Bloodborne, Fallout Shelter – sie alle sind nur ein paar der vielen Umsetzungen von Videospielen, die ihren Weg in die analoge Welt gefunden haben. Auch wenn ich mir auf der Spielwarenmesse ein paar mehr Vertreter dieses Genres erhofft hatte, ist es doch schön zu sehen, dass unser Hobby dadurch auch immer weitere potenzielle Fans gewinnen kann.
16:50 Uhr
Knapp eine Stunde vor dem offiziellen Ende des Messetages merke ich, wie meine Konzentration völlig dahin ist und meine Füße sich nur allzu deutlich bemerkbar machen. Langsam schlappe ich durch die einzelnen Hallen zurück zum Ausgang, vorbei an Brettspielen, Stofftieren, Trampolinen, Karts, Kostümen und natürlich auch an Feuerwerkskörpern. Das Fazit meines ersten Messetags für ntower ist durchwachsen: Ich habe mein eigentliches Thema nicht so ausreizen können, wie ich gerne wollte, habe dafür aber einen schönen Einblick in die Welt der Spielwaren erhalten und habe mal den Wahnsinn einer Fachmesse erleben dürfen. Ich sitze also in der U-Bahn, lasse mich von symphonischem Power-Metal berieseln und denke mir noch, während ich aus dem Fenster (auf die Betonwand des U-Bahn-Schachtes) schaue:
„Hm, okay, den Bericht musst du jetzt ganz anders aufziehen, als du ursprünglich geplant hattest.“
Ich hoffe ihr hattet trotzdem Spaß damit. Was haltet ihr von Brettspielumsetzungen zu Videospielen? Besitzt ihr selbst welche oder würdet ihr euch so etwas zulegen?