
Comic-Rezension: Mechanica Caelestium
Geschrieben von Dennis Gröschke am 07.06.2020
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr etwas in der Hand haltet oder anschaut und merkt, hier hab ich etwas Besonderes vorliegen? In der Flut an Medien, die uns heutzutage zur Verfügung steht, kommt es nicht mehr ganz so häufig vor – zu groß ist die Auswahl und zu beliebig die erzählten Geschichten. Hinzu kommt, dass mit dem Alter auch immer wieder auf bereits vergangenes Geschichtenmaterial zurückgeblickt werden kann – vieles also schon in der einen oder anderen Art und Weise bekannt ist. Letztes Jahr konnte mich die Animationsserie zu Hilda auf Netflix begeistern, anschließend durfte ich auch die Comics dazu rezensieren. Beides hat mir viel Freude bereitet und meinen Horizont erweitert. Dieses Jahr blieb bisher ein solcher Knaller aus, bis ich in einer Vorschau auf das Cover von Mechanica Caelestium stieß.
Zugegeben, ein Cover macht noch kein Buch. Hinzu kommt, dass es in Mechanica Caelestium darum geht, dass sich Menschen ihre Freiheit in einem Spiel erkämpfen müssen. Das Thema ist nun auch bereits in etlichen Filmen, Büchern und Comics breitgetreten worden – man denke nur an Running Man, Battle Royale oder die Hunger Games. Traf mich die Verfilmung von Battle Royale noch tief in die Magengrube, weichte das Thema im Verlauf zahlreicher „Young-Adult“-Verfilmungen in den letzten 15 Jahren immer mehr auf. Das Grundprinzip ist Folgendes: In einer dystopischen Zukunft müssen sich unterschiedliche Gruppen oder Individuen in sportlichen Wettkämpfen messen, um sich oder ihrer Gruppe einen Vorteil zu verschaffen. Oftmals geht es dabei um die Freiheit einzelner Individuen, manches Mal aber auch direkt um das pure Überleben. Mechanica Caelestium schlägt dabei in eine ähnliche Kerbe, es besteht also die Gefahr, dass sich Zeichner und Autor Merwan Chabane nicht ausreichend von seinen Vorgängern absetzen kann.
Mechanica Caelestium spielt in Frankreich, genauer gesagt in den Wäldern von Fontainebleau. Wir befinden uns nicht im Jahr 50 vor Christus, sondern nach einem Krieg im Jahr 2068. Die meisten Städte sind zerstört, liegen teilweise unter Wasser, eine Infrastruktur ist so gut wie nicht vorhanden. Die Menschen in der Region haben sich in mehrere Gruppen aufgeteilt, die eher bäuerliche Siedlung Pan wird dabei immer mehr von den Menschen in Fortuna unterdrückt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bewohner von Pan bei einem neuerlichen Besuch eines Botschafters der Republik Fortuna unwohl fühlen. Für 50 Prozent der Erträge der Reisernte von Pan stellt Fortuna ihnen Schutz vor Piraten in Aussicht. Kurz bevor der Volksvertreter von Pan seine Entscheidung verkünden kann, wird das Mechanica Caelestium als eine Art Schiedsgericht angerufen. Dabei handelt es sich um einen Wettkampf in einer Art „Völkerball“. Gewinnen die Spieler aus Pan die Spiele, werden sie von Fortuna in Ruhe gelassen – gewinnt jedoch die Republik Fortuna, so sind 50 Prozent der Reisernte als Zahlung fällig. Mögen die Spiele beginnen!
Wir lernen die junge Frau Aster und ihren Kumpel Wallis kennen, als sie sich an einem normalen Tag durchschlagen. Sie durchkämmen die Gegend nach etwas Essbarem oder nach Gegenständen und Materialien, die sie auf einem Markt eintauschen können. Auf diese Weise bringt uns Zeichner und Autor Merwan auf den ersten Seiten seines Buches die Protagonisten und ihr derzeitiges Lebensumfeld näher und holt den Leser gekonnt in die vorliegende Welt hinein. Aster ist ein rothaariges Mädchen mit einem umgebundenen Fuchsschwanz und Wallis ein dunkelhäutiger junger Mann, der total in Aster verschossen ist und sie, wo er nur kann, beschützt. Beide geraten in die Wirren rund um Mechanica Caelestium und sind Teil des Teams von Pan.
Optisch tauchte ich als Leser unmittelbar in die von Wasserfarben geprägten Zeichnungen und Kolorierungen ein. Merwan benutzt hier keine grellen Farben, sondern setzt eher gedeckte Farben ein. Das passt wunderbar zum Szenario und funktioniert auch in den Action-Szenen bei den schnellen Bewegungen mit dem Ball. Dennoch gehen keine Details verloren, Merwan schafft es auch hier immer, seine Figuren klar zu kennzeichnen, damit es zu keinen Verwechslungen kommt. Sobald das erste Spiel des Mechanica Caelestium beginnt, war es um mich sowieso geschehen. Aster und ihr Team reißen den Leser sofort auf ihre Seite, schließlich sind sie der Außenseiter und müssen gegen einige kleinere und größere Unsportlichkeiten auf Seiten des Teams von Fortuna ankämpfen. Parallel dazu zeigt Merwan die beginnenden politischen Unruhen auf Seiten der Bevölkerung von Pan, aber auch der Republik Fortuna, welche immer wieder gekonnt in die Haupthandlung der Wettkämpfe verwoben wurden.
Was bin ich froh, dass ich mich dazu entschieden habe, Mechanica Caelestium eine Chance zu geben. Eine tolle Hauptfigur, ein aufregendes Setting und viele weitere passende Charaktere. Dazu noch die spannenden Ballpartien, die mit viel Liebe zum Detail und grandioser Action inszeniert wurden. Im letzten Jahr hatte der Verlag Schreiber & Leser mit Shooting Ramirez bereits einen frechen und lakonischen Comic im Programm. Dieses Jahr begeistert mich Mechanica Caelestium mit einer ebenso frechen und flapsigen Geschichte, die nicht unterschiedlicher sein könnte. Für mich sind beide Bücher Entdeckungen, die ich nicht auf dem Schirm hatte, und dafür bin ich mehr als dankbar! Aster ist eine tolle, freche und manchmal auch unbedarfte junge Frau, die ein über das andere Mal überrascht und von der ich gerne mehr sehen wollen würde. Merwan Chabane schafft es, die komplizierten Verhältnisse rund ums Überleben in einer postapokalyptischen Erde herunterzubrechen auf ein simples Ballspiel. Dabei ist Mechanica Caelestium viel mehr als nur die sportliche Herausforderung zweier Teams. Im Hintergrund geht es um politische Verhältnisse und darum, ob es gelingen kann, Völker zu vereinen, die in einem Krieg so viel verloren haben. Es ist immer ein Qualitätsmerkmal, wenn eine Geschichte auf mehreren Ebenen funktioniert und gelesen werden kann. Wie die Geschichte ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten. Nur so viel: Ich mag Mechanica Caelestium nicht, ich liebe es!
Mechanica Caelestium ist erschienen bei Schreiber & Leser – ISBN: 978-3-96582-033-3, 208 Seiten, farbig, Hardcover, 32,80 €
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Berichtsbild: © Schreiber & Leser