Comic-Rezension: Deadly Class Band 2 – Kinder ohne Heimat

Deadly Class von Rick Remender ist in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt und spielt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im ersten Buch wird die Prämisse der Geschichte vorgestellt, die ich in meiner Rezension zum ersten Buch angerissen habe. Für diejenigen, die diese nicht lesen möchten, nur kurz: In Deadly Class werden Kinder und Jugendliche zu gefährlichen Assassinen ausgebildet. Marcus Lopez ist ein solcher Anwärter in der Akademie der tödlichen Künste, er hat seine Eltern verloren und macht den amtierenden Präsidenten Ronald Reagan für seinen Verlust verantwortlich. Weil Reagan den psychiatrischen Heilanstalten der USA den Geldfluss abdrehte, wurden Hunderte psychisch kranke Menschen auf die Straßen entlassen, unter anderem die Frau, die aufgrund ihrer Schizophrenie stark selbstmordgefährdet war und sich von einer Brücke stürzte. Sie fiel auf die Eltern von Marcus, die beide sofort tot waren und ihn als Waisen zurückließen.


Das Leben meint es nicht gut mit Marcus und er flieht des Öfteren aus dem Waisenhaus. Die genauen Hintergründe werden im ersten Buch noch nicht erläutert. Er schlägt sich so durch, wird aber auch von der Polizei gesucht. Einige Mitglieder der Akademie der tödlichen Künste kommen den Gesetzeshütern allerdings zuvor und schnappen sich Marcus. Zunächst findet er sich in der Akademie nicht zurecht, merkt allerdings schnell, dass die anderen Mitglieder ähnliche Schicksale wie er mitbringen. Es braucht nicht erwähnt werden, dass das nicht gut ausgehen kann, und so kommt es gegen Ende des ersten Bandes zu einem ersten tödlichen Konflikt innerhalb der Gruppe.


Partys sind in dem Alter natürlich immer ein Thema. Shabnam, der Mitbewohner von Marcus, ist davon nicht so begeistert. © Cross Cult


Deadly Class macht im zweiten Buch dort weiter, wo der erste Band aufhörte. Ein paar Monate sind seit den Ereignissen, die zum Tod eines Mitglieds der Gruppe führten, vergangen und wir werden in ein paar Panels auf den neuesten Stand gebracht. Marcus und Maria sind immer noch ein Paar, irgendwie. Maria scheint unter Depressionen zu leiden und nimmt sich den Verlust sehr zu Herzen. Marcus hat einen Job in einem lokalen Comic-Laden angenommen und verdient sich ein wenig Geld dazu. Ein anderes Mädchen namens Saya findet ebenfalls Gefallen an Marcus und verkompliziert die Beziehung zwischen ihm und Maria, erst recht, als diese die Annäherungen von Saya bemerkt. Doch Marcus offenbart sich und seine Vergangenheit an Saya (und den Leser), indem er ihr sein Tagebuch zeigt und sie die entsprechenden Eintragungen lesen lässt. Dadurch erfährt der Leser auch mehr über die letzten Tage von Marcus im Waisenhaus und dass er für den Niedergang dieses Waisenhauses verantwortlich ist. Dies erklärt auch die polizeiliche Suche im ersten Band und warum sich Marcus vor ihnen verstecken musste.


Die Konflikte innerhalb der Gruppe nehmen zu, aber auch außerhalb dieser Konflikte suchen sich die Mitglieder neue Herausforderungen und haben es auf eine andere Gruppe abgesehen, die sie für den Verlust von Chico verantwortlich machen. Es kommt zum Showdown beim Sturm auf das Hauptquartier der anderen Gruppierung und letztendlich zu der ein oder anderen Offenbarung, mit der weder die Protagonisten noch der Leser gerechnet haben.


Konflikte sind auch auf Partys nicht selten, wenn Drogen und Alkohol im Spiel sind. © Cross Cult


Bereits im ersten Band machten Autor Rick Remender und Zeichner Wes Craig klar, dass es sich hierbei um einen Comic für erwachsene Leser handelt, wurden doch gnadenlos Drogen konsumiert und explizite Gewaltdarstellungen eingebaut. Dies wird im vorliegenden Band mit dem Untertitel „Kinder ohne Heimat“ ungebrochen weitergeführt und ist in manchen Szenen schon starker Tobak. Allzu oft hatte ich den Eindruck, die Inszenierung legt es auf diese expliziten Darstellungen an, und alle paar Seiten muss der Leser entweder mit einem Gewaltausbruch oder einer Drogenerfahrung daran erinnert werden, dass wir es hier mit einem Comic zu tun haben, der „edgy“ rüberkommen möchte. Wer den Film Trainspotting gesehen hat, wird wissen, welche Szene ich im Speziellen meine.


Um das mal in ein Bild zu rücken: Mir sind die expliziten Darstellungen innerhalb der bisherigen beiden Bücher zu viel. Nicht, dass ich da zimperlich wäre, im Gegenteil, ich hatte schon immer ein Faible für absurde Entwicklungen und schrecke auch vor expliziten Darstellungen in Comics oder Filmen nicht zurück. Mit meinen über 40 Lenzen ist für mich bei einem explizit dargestellten Gewaltausbruch oder der Darstellung von Drogenkonsum und dessen Auswirkung aber mittlerweile der Kontext wichtiger als noch vor 10 bis 20 Jahren. Hatte ich damals auch Spaß an Splatterfilmen, deren Prämisse es ist, dem Zuschauer möglichst viel Blut und Gedärme zu präsentieren, sehe ich dies heute ein wenig anders. Es reicht mir nicht mehr, nur die Splatterszenen zu schauen, wenn es im Kontext der Geschichte keinen Sinn ergibt. Ich liebe zum Beispiel The Goon von Eric Powell, der auch nicht vor expliziten Geschehnissen haltmacht, das Ganze allerdings eher in ein fantastisches Setting packt. Deadly Class ist dabei immer hart an der Grenze. Die Darstellungen passen natürlich zum Setting und auch innerhalb der Geschichte finden sie ihre Berechtigung, ich kann mich des Eindrucks aber nicht erwehren, dass sie nur zum Schock eingebaut wurden.


Marcus findet sich zwischen zwei Frauen wieder. © Cross Cult


Meines Erachtens hat Deadly Class dies eigentlich gar nicht nötig, da die Charaktere spannend genug sind und die Hintergrundgeschichte auch so fesseln kann. Auch wenn die ursprüngliche Prämisse mit der Akademie der tödlichen Künste im zweiten Band noch mehr in den Hintergrund rückt, sind abermals die Charaktere und das Setting gepaart mit der visuellen Gestaltung die Kernelemente der Erzählung. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in den Folgebänden endlich tatsächlich mal auf eine Mission mitgenommen werden, so wie ich es mir vor der Lektüre des ersten Bandes vorgestellt hatte. Aber vielleicht war das auch nur meine Fantasie, die sich dort ausgemalt hatte, wovon ein Comic mit jungen ausgebildeten Assassinen handeln könnte.


Fazit


Remender und Craig nehmen auch im zweiten Band von Deadly Class kein Blatt vor den Mund. Die Atmosphäre aus dem ersten Band findet hier eine nahtlose Fortsetzung, optisch und erzählerisch ist das kohärent. Das Augenmerk liegt bei Remender aber mehr auf der charakterlichen Weiterentwicklung als auf den Abenteuern der Jungassassinen innerhalb ihrer Ausbildung. Das sollte man sich klarmachen. Ich als Leser hätte es aber durchaus interessant gefunden, die 80er-Jahre zu erkunden, in denen ein Präsident der USA durch einen jugendlichen Assassinen ermordet wurde. Aber das liegt wohl eher an meiner Vorliebe für alternative Realitäten, die für das Medium Comic meines Erachtens wie geschaffen sind. Stattdessen werden wir Leser mehr in die „Coming of Age-Storyline“ von Marcus und seinen Mitstreitern gezogen, mit der ich mich aufgrund meines Alters weniger identifizieren kann – insbesondere wenn es Autor und Zeichner darauf anlegen, mir ja nicht vergessen zu lassen, dass Sex und Drogen in dem Alter eine wichtige Rolle spielen. Ja, das tun sie durchaus, aber die Gefahr ist in meinen Augen auch gegeben, dass Deadly Class in die Oberflächlichkeit abrutscht und sich auf der Darstellung von Drogen- und Gewaltexzessen ausruht. Das wäre mir dann zu wenig und nach dem derzeitigen Stand würde ich die Reihe nicht weiterlesen. Wer sich von den oben beschriebenen Szenen nicht abschrecken lässt, kann trotzdem gerne zu Deadly Class greifen, handwerklich ist der Comic ohne Wenn und Aber gut gemacht. Die Charakterentwicklung wird von Remender gut ausgearbeitet und das Artwork passt wie die Faust aufs 80er-Jahre-Auge.


Deadly Class Band 2 – Kinder ohne Heimat ist erschienen bei Cross Cult – ISBN: 978-3-959812-08-5, 176 Seiten, farbig, Softcover, 16,80 €


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Berichtsbild: © Cross Cult

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