Yu-Gi-Oh! im Kampf gegen die moderne Zeit Spezial
Geschrieben von Krispin Berndt am 11.11.2020
Rund zehn Jahre nach der alleinigen Dominanz von Magic the Gathering sollte der 08.03.2002 auch in Europa der Anfang einer großartigen Geschichte für ein weiteres Sammelkartenspiel dieser Welt sein. Yu-Gi-Oh! hieß das brandneue Phänomen, welches sich bei unzähligen Kindern sofort zu einem der beliebtesten Themen auf den Schulhöfen in Deutschland entwickelte. In zwei Jahren feiert das Sammelkartenspiel sein 20. Jubiläum – und ein Ende scheint nicht in Sicht. Nach unserem Spezial zum Pokémon Sammelkartenspiel werfen wir nun einen Blick auf die Geschichte des beliebten Sammelkartenspiels von Konami. Yu-Gi-Oh! stand jedoch nicht immer vor einer rosigen Zukunft und die aktuellen Zeiten machen es sicherlich nicht einfacher.
Bereits ein paar Jahre vor der Veröffentlichung in den westlichen Gefilden erfreute sich Yu-Gi-Oh! in dessen Ursprungsland Japan größter Beliebtheit – woran der dazugehörige Anime sicherlich einen großen Anteil hatte. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die Animationsserie und die Namen der Protagonisten Yugi, Joey, Kaiba und Pegasus auch hierzulande in die Herzen der Fans stürmten. Damals sicherte sich noch RTL II die Rechte an der Lokalisierung und Ausstrahlung im Nachmittagsprogramm und sorgte zusammen mit Dragon Ball, Detektiv Conan & Co. sicherlich für zufriedenstellende Einschaltquoten. Bis zum heutigen Tage flimmern regelmäßig zahlreiche neue Folgen und Staffeln von Yu-Gi-Oh! über die Bildschirme dieser Welt – wenn auch schon lange nicht mehr auf der einstigen Erfolgswelle oder mit den bekannten Kindheitshelden sowie auf einem gänzlich anderen Sender.

Yugi und seine Freunde sind bis zum heutigen Tage wohl das Aushängeschild der Anime-Serie und des Sammelkartenspiels.
© Konami, Studio Dice, Shueisha, TV Tokyo
Der Anime war also einer der Grundsteine für den Erfolg, doch für den großen Durchbruch sorgten im Jahre 2002 die dazugehörigen Sammelkarten. Gemeinsam mit der ersten Erweiterung „Legends of Blue Eyes White Dragon“ sowie den bekannten Karten Blauäugiger Weißer Drache und Dunkler Magier waren die Starterdecks von Yugi und Kaiba der große Renner in den Spielzeugfachgeschäften. Bis zum Jahre 2008 war Upper Deck für die Veröffentlichungen der Sammelkarten in den westlichen Gefilden verantwortlich, nach einem langwierigen Rechtsstreit entzog Konami dem amerikanischen Unternehmen jedoch die Rechte und kümmert sich seither selbst um den Vertrieb – ein erster Dämpfer für das Sammelkartenspiel? Nur sehr begrenzt, denn Yu-Gi-Oh! und dessen Community erholten sich schnell von dem ersten Schock und knüpften sofort wieder an die zuvor erreichten Erfolge quasi nahtlos und ohne größere Schäden an. Unter der Führung von Upper Deck wurden bis zum Jahre 2008 insgesamt über 15 Millionen Karten verkauft, im Jahre 2011 stand die Zahl bei über 25 Millionen. Aktuellere Zahlen nannte das japanische Unternehmen seither nicht, es ist aber wahrscheinlich, dass Konami seitdem keine großen Einbußen miterleben musste. So vergeht auch zu heutigen Zeiten wohl kaum ein Monat, in welchem keine neuen Produkte zum Sammelkartenspiel erscheinen und Konami Unmengen an Summen beschert. Ja, Yu-Gi-Oh! ist noch immer ein lukratives Geschäft – für Spieler, Sammler, Verkäufer und Konami.
Innerhalb von 18 Jahren wurden bisher 67 Erweiterungen, unzählbare Nebenprodukte und Starterdecks veröffentlicht, sodass die Zahl der verschiedenen Sammelkarten mittlerweile jenseits der 10.000 liegt – und die Anzahl steigt unaufhaltsam in die Höhe. Doch genau dies hat auch seine Schattenseiten: Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche neue Regelungen und Spielemechaniken eingeführt, welche das Spiel mit den begehrten Sammelkarten mehrmals von Grund auf verändern sollten. Nach vielen Jahren des gleichen Spielprinzips, besonders in der Zeit der ersten Staffeln der Animationsserie, folgten die Synchro-, darauf die XYZ- und Pendel- und aktuell die Link-Spielmechaniken. Das Regelwerk gleicht mittlerweile einem kleinen Taschenbuch und ist ein Dschungel aus den unterschiedlichsten Regelungen für sämtliche Bereiche und Karten, was bei Neueinsteigern in der Anfangszeit durchaus für Frustration sorgen könnte. Zudem übertrumpft die Spielstärke der Spielmechaniken stets die vorherige – aber waren all diese Veränderungen auch gesund für das Sammelkartenspiel?
Teilweise. Sicherlich hätte Yu-Gi-Oh! mit den Karten und Spielemechaniken aus dessen Anfangszeiten und ohne regelmäßige Veränderungen in den vergangenen Jahren einiges an Popularität verloren, immerhin möchten auch die Spieler, Sammler und Verkäufer dieser Welt stets mit neuen Dingen auf Trapp gehalten werden. Das Schicksal eines Ausruhens auf dem Erfolg ereilten in dieser Zeitspanne schon so einige Sammelkartenspiele und merzten diesen Erfolg binnen kürzester Zeit aus. Natürlich versucht Konami auch weiterhin eine gesunde Balance zu wahren, dennoch gibt es in regelmäßigen Abständen einige grobe Ausreißer. Es ist wahrlich keine Seltenheit, dass mit der Zeit neue Decks und mächtigere Spielemechaniken wie die XYZ- und Link-Mechanik die Turniere dieser Welt dominieren – denn ja, Konami möchte im Endeffekt auch Geld mit dem Sammelkartenspiel und den veröffentlichten Produkten verdienen. Dies ist jedoch nur schwer umsetzbar, wenn man keine richtigen Kaufargumente auf den Markt bringt. Logisch, oder?
Damit nicht zu viele spielstarke Decks auf den Turnieren ihr Unwesen treiben, veröffentlicht Konami in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Liste der verbotenen und limitierten Karten. Dies tut das japanische Unternehmen aber nicht unbedingt nur aus Liebe zur Community und der aktiven Turnierszene, vielmehr sollen nach einem Verbot einer wichtigen Karte neue Erweiterungen und dessen Karten in das Rampenlicht rücken und die Spieler zum Kauf des Produktes animieren. Hierbei handelt es sich um typisches Marketing-Einmaleins. Dies beeinflusst auch den Zweitmarkt für Einzelkarten, denn niemals zuvor gab es so viele „wichtige“ Karten, dessen Werte streckenweise weit über 50 € pro Karte liegt. Ein turnier- und konkurrenzfähiges Deck kostet in der heutigen Zeit nicht selten einmal mehr als ein komplettes Monatsgehalt eines Minijobbers – Tendenz eher steigend. Ja, Yu-Gu-Oh! entwickelte sich zu einem sehr kostenintensiven Hobby, außer man ist weder ein Turnierspieler noch ein Sammler und möchte einfach mit seinen Freunden in den eigenen vier Wänden oder auf einem lokalen Turnier im Geschäft seines Vertrauens ein paar Runden aus Spaß spielen. Damals waren Turniere wie die Pharao Tour noch das Ereignis des Jahres, heutzutage wurden hierzulande die offiziellen Turniere ein gutes Stück zurückgefahren.
Zu den heutigen Großveranstaltungen gehören die jährlichen deutschen Meisterschaften, Events der weltweiten Turnierserie YCS – welche auch des Öfteren in Deutschland haltmacht – und natürlich die Weltmeisterschaft. Lässt man die aktuelle Situation um das Coronavirus außen vor, haben die Großveranstaltungen aber noch immer eine riesige Teilnehmerzahl, welche besonders bei der YCS regelmäßig neue Rekorde bricht. Bei den großen Turnieren gilt aber auch: Habt ihr weder ein konkurrenzfähiges Deck, welches zudem ein großes Loch in euren Geldbeutel reißen wird, noch große Erfahrungen, habt ihr kaum eine realistische Chance. Neu- oder Wiedereinsteiger aus früheren Zeiten haben wahrlich einen gewaltigen Berg an Regelkunde nachzuholen. In dem heutigen Umfang und den zahlreichen Spielemechaniken ist es schier unmöglich, die Grundregeln in einer angenehmen Leselänge zusammenzufassen. Diesbezüglich findet ihr Informationen auf der offiziellen Seite. Solltet ihr ein grundsätzliches Interesse an dem Sammelkartenspiel haben, jedoch weder viel Geld investieren wollen und zudem lieber zu digitalen Alternativen greifen würdet, gibt es mittlerweile aber auch zahlreiche Alternativen im Videospielbereich.
Ein Jahr nach dem großen Durchbruch in den westlichen Gefilden trafen auch die ersten Videospiele von Yu-Gi-Oh! in Deutschland ein und hatten ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Anteil an dem großen Erfolg des Sammelkartenspiels. Im Jahre 2003 machte das Dreiergespann Yu-Gi-Oh! Das Dunkle Duell auf dem GameBoy Color, Yu-Gi-Oh! Power of Chaos auf dem PC sowie Yu-Gi-Oh! Forbidden Memories auf der PlayStation den Anfang. Daraufhin folgte die beliebte Yu-Gi-Oh! World Championship-Reihe mit welcher bei der jährlichen Weltmeisterschaft auch der Weltmeister für den Videospiel-Bereich gesucht wurde. Außerdem erfreuten sich auch die insgesamt sechs Teile von Yu-Gi-Oh! Tag Force auf der PlayStation Portable stets größter Beliebtheit.

Videospiele sind schon seit vielen Jahren eine hervorragende und günstige Alternative zu den physischen Sammelkarten.
© Konami
Im vergangenen Jahr veröffentlichte Konami mit Yu-Gi-Oh! Legacy of the Duelist: Link Evolution sogar einen brandneuen Videospielableger im Nintendo eShop sowie als Handelsversion für die Nintendo Switch. Wie der Spielname schon vermuten lässt, steht hauptsächlich die Link-Spielmechanik im Mittelpunkt des Geschehens. Dennoch ist es mit über 10.000 Karten auch das mit Abstand umfangreichste Videospiel. Dadurch ist es nicht nur eine viel günstigere Alternative zum realen Vorbild, sondern durch die zahlreichen Tutorials auch für Neu- oder Wiedereinsteiger geeignet. Bis zum vergangenen April habe sich das Spiel laut Konami etwa 500.000 Mal verkauft und erhielt zuletzt ein großes Update spendiert, welches einige neue Karten hinzufügte und es aus regeltechnischer Sicht auf den aktuellsten Stand vom März 2020 brachte. In unserem Spieletest zu Yu-Gi-Oh! Legacy of the Duelist: Link Evolution könnt ihr einen ersten Blick auf das Spiel werfen. Im Laufe der Zeit wurden dann wohl alle jeweils relevanten Videospielkonsolen mit einem oder mehreren Videospielen versorgt. Hauptsächlich waren aber die Konsolen von Nintendo im Fokus von Konami: Stattliche 23 Ableger wurden bis zum heutigen Tage auf den Konsolen von Nintendo veröffentlicht – von insgesamt 50 veröffentlichten Yu-Gi-Oh!-Videospielen.
Wer jedoch vorerst überhaupt kein Interesse daran hat, sein echtes und hartverdientes Geld für Pappkarten oder ein Videospiel auszugeben, kann zu der kostenlosen und beliebten Alternative Dueling Book greifen. Die dortige Datenbank ist fast identisch mit den aktuellen Erweiterungen, Promokarten und Produkten und lädt somit förmlich dazu ein, seiner Kreativität beim Deckbau freien Lauf zu lassen. Dueling Book kann jedoch nur über einen Internetbrowser eurer Wahl und gegen echte Gegner gespielt werden – somit wird auch eine permanente Internetverbindung vorausgesetzt, was die Portabilität ziemlich einschränkt. Außerdem ist dort das Regelwerk weder implementiert noch sind automatische Spielphasen möglich. Dadurch kommt es nicht selten zu einem Duell mit einem Spieler, welcher sich entweder nicht mit dem Regelwerk auskennt oder absichtlich falsch spielt. Dueling Book entwickelte sich damit schnell zu einem Festplatz für Trolle und ist daher maximal zum Deckbau und zu Duellen mit Freunden zu empfehlen. Eine App für Smart Devices von Dueling Book gibt es, zuletzt aufgrund der vergangenen rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Inhabern der Seite und Konami, nicht und wird höchstwahrscheinlich auch niemals erscheinen. Genau für diesen Fall gibt es da aber ein anderes Spiel als App für Android und iOS, welches noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte …
Dabei handelt es sich um Yu-Gi-Oh! Duel Links und ist mittlerweile schon seit über drei Jahren auf Steam für den PC sowie als App für Smart Devices erhältlich. Yu-Gi-Oh! Duel Links kann ohne irgendwelche (versteckten) Kosten gespielt werden, benötigt jedoch ebenfalls eine permanente Internetverbindung. Der erste Blick auf das Spielprinzip könnte bei Spielern, welche das aktuelle Regelwerk, aber bisher nichts von dem mobilen Ableger gehört haben, sicherlich für kleinere Verwirrungen sorgen, denn das Spiel unterscheidet sich in einigen Punkten extrem von den bisher veröffentlichten Videospielen. Doch was genau unterscheidet Yu-Gi-Oh! Duel Links von den anderen Videospielen des Sammelkartenspiels und warum konnte mich das Spiel mehr begeistern als dessen reales Vorbild?

In Yu-Gi-Oh! Duel Links trefft ihr auf altbekannte, aber auch zahlreiche neue Gesichter aus dem Anime und Manga.
© Konami
Der wohl größte Unterschied bei Yu-Gi-Oh! Duel Links liegt im Regelwerk: So wird auf einem verkleinerten Spielfeld und Deck sowie mit 4.000 statt 8.000 Lebenspunkten gespielt. Das Spielfeld besteht in Duel Links nicht aus fünf Monster- und fünf Zauber/Fallenkarten-Zonen, sondern aus jeweils nur drei Zonen. Die Größe der Decks schrumpfte auf 20 bis 30 statt 40 bis 60 Karten – und auch das Extra Deck schrumpfte von 15 auf sieben Kartenplätze. Abschließend beginnt der erste Spieler ein Duell mit vier statt fünf Handkarten. Yu-Gi-Oh! wurde in Duel Links also reichlich entschlackt und ordentlich verlangsamt. Dennoch bleibt das Herz der Spielemechaniken bestehen, wenn auch in einer abgewandelten Form. Gespielt wird nicht mit einem eigenen, sondern mit einem der bekannten Charaktere aus dem Anime. Nach dem ersten Spielstart müssen sich neue Spieler zuerst zwischen Yugi oder Kaiba entscheiden. Im späteren Spielverlauf sowie bei besonderen Events können aber noch unzählige weitere Charaktere wie Joey, Mokuba, Akiza oder Yuma sowie neue Spielwelten – unter anderem GX, 5Ds oder ZeXal freigeschaltet werden. Eine richtige Geschichte zum Nachspielen gibt es aber nicht wirklich: Zwar wurde die virtuelle Welt von Duel Links von Kaiba und seiner Firma Kaiba Corporation erschaffen, allerdings können nur bei zeitlichen Events hin und wieder mal Storylines nachgespielt werden, allerdings in einer sehr abgespeckten Form.
Durch die Events kommen aber auch in regelmäßigen Abständen neue Charaktere aus dem Anime oder Manga ins Spiel, welche nach dem erfolgreichen Abschließen von vorgegebenen Aufgaben freigeschaltet werden können. Der Fokus liegt hauptsächlich auf den Duellen gegen computergesteuerte Gegner sowie auf Ranglistenspielen gegen echte Gegner aus aller Welt. Ziemlich auffällig ist auch der Kartenpool: Dieser erreichte auch nach drei Jahren nicht einmal annähernd den Pool aus dem realen Sammelkartenspiel. Ist dies ein negativer Punkt? Mitnichten! Es fördert definitiv die Kreativität und Vielfältigkeit der Decks. Natürlich gibt es auch in diesem Spiel dominierende Decks in den Ranglistenspielen, allerdings sind diese definitiv breitgefächerter als bei dem realen Vorbild. So ist es nicht selten einmal der Fall, dass bei der offiziellen und regelmäßigen Turnierreihe „Kaiba Corporation Cup“ eine vielfältige Auswahl an Decks ziemlich gute Chancen haben. Während im realen Sammelkartenspiel die Linkbeschwörungen über das Spielfeld fliegen und das Spiel binnen weniger Augenblicke beenden können, werden in Duel Links Decks wie Sechs Samurai, Dinosaurier oder Karakuri gespielt. Dies bedeutet aber nicht, dass in Duel Links nur alte Schinken erscheinen. Nicht selten beinhalten neue Erweiterungen auch Karten aktueller Erweiterungen aus dem realen Vorbild.

Yu-Gi-Oh! Duel Links macht sowohl auf dem PC als auch auf Smart Devices einen positiven und übersichtlichen Eindruck!
© Konami
Denn erst vor wenigen Wochen wurde in Duel Links die Spielmechanik um die XYZ-Monster aus dem Anime Yu-Gi-Oh! ZeXal hinzugefügt. Zum Vergleich: Die Spielmechanik mit den ersten XYZs erschienen im realen Sammelkartenspiel bereits im Jahre 2011, also vor über neun Jahren. Generell lässt sich Konami mit der Veröffentlichung neuer Spielemechaniken in Yu-Gi-Oh! Duel Links ausgiebig Zeit. Von den dominanten Zeiten der Pendel- und Link-Monster brauchen sich die Spieler des mobilen Titels vorerst also keine Sorgen machen. Das verlangsamt ein wenig die heutige, viel schnelllebigere Zeit mit den Veröffentlichungen und der Reizüberflutung an neuen Spielmechaniken und neuen Decks. Die Stärken zwischen den physischen und digitalen Karten sind nicht miteinander vergleichbar und es herrscht in den Ranglistenduellen ein komplett unterschiedliches Meta. Ja, es wäre definitiv nicht abwegig zu behaupten, dass in Duel Links genau die Decks eine hohe Chance haben, welche bei dem realen Vorbild von den starken Decks gefressen wurden. Es vermittelt vor allem den Spielern aus früheren Zeiten ein altbekanntes Gefühl, wo das Sammelkartenspiel mit seiner verlangsamten Geschwindigkeit und der Individualität in den Decks noch für spannende Duelle sorgte und wo mehr der eigene Skill und weniger die Dicke der eigenen Brieftasche ein Duell entschied.
Natürlich erscheinen auch in Duel Links regelmäßig Erweiterungen und Starterdecks, welche besonders die digitale Turnierszene auf den Kopf stellen. Die Booster können mit Edelsteinen – der Ingame-Währung von Duel Links – oder mit Echtgeld erworben werden. Generell ist das Free-to-play-Prinzip noch immer absolut fair, auch wenn Konami die Verteilung von Edelsteinen mittlerweile ein gutes Stück runterschraubte. Edelsteine erhaltet ihr durch das Leveln der Charaktere, durch Missionen oder zeitlich begrenzte Events. Ich habe in den drei Jahren maximal 10 € in das Spiel investiert, denn mit genügend Geduld (Stichwort: Stamina) und nicht mit dem Drang, alle Karten haben zu wollen, können regelmäßig neue Decks aus Kartenpackungen aus dem Shop gefischt und ein konkurrenzfähiges Deck gebaut werden. Ich kenne allerdings auch einige Spieler, welche monatlich lieber eine dreistellige Summe in Duel Links investieren als in das richtige Sammelkartenspiel. Ich persönlich sehe die Preise für digitale Karten und Produkte eher kritisch, da man diese beispielsweise auch nicht untereinander tauschen kann, was ja durchaus ein Aspekt eines Sammelkartenspiels ist. Eine zukünftige Nintendo Switch-Umsetzung von Duel Links wäre sicherlich großartig, aber durch den permanenten Onlinezwang eher suboptimal und unwahrscheinlich. Seit einer langen Zeit macht mir Yu-Gi-Oh! Duel Links einfach viel mehr Spaß, auch weil es definitiv kostengünstiger und unabhängig von (Corona-)Einschränkungen gespielt werden kann.
Die aktuellen Einschränkungen durch das Coronavirus treffen natürlich auch die Sammelkartenspiele dieser Welt, immerhin leben diese von Verkäufen und den realen Interaktionen zwischen Spielern auf offiziellen Turnieren. Zweifelsfrei gehört Yu-Gi-Oh! mit Magic the Gathering – und mit Abstrichen auch das Pokémon Sammelkartenspiel – zu den beliebtesten und populärsten Sammelkartenspielen, selbst nach all den vielen Jahren. Dennoch ist es auch ein wenig von der aktuellen und zukünftigen Lage abhängig – und ob sich diese auf absehbarer Zeit wieder entspannt. Es ist somit nur wenig verwunderlich, dass sich Wizard of Coasts mit Magic Arena und Konami mit Yu-Gi-Oh! Duel Links mittlerweile ein wunderbar funktionierendes, zweites Standbein und damit eine große, finanziell lukrative Einnahmequelle aufbauten. Außerdem fehlt es schon seit Jahren an neuen Nachwuchsspielern, immer weniger interessieren sich für physische Sammelkartenspiele und legen ihre Prioritäten auf Videospiele und digitale Interaktionen.

Die YCS gehört auch hierzulande zu der beliebtesten Turnierreihe und bricht regelmäßig Rekorde bei der Teilnehmerzahl.
© Konami
Besonders die beiden oben genannten Spiele erfreuen sich aktuell extrem hoher Beliebtheit und sind gerade in den heutigen Zeiten wohl so wichtig wie noch nie zuvor. Es ist nämlich nicht von der Hand zu weisen, dass das digitale Zeitalter nun auch die Sammelkartenspiele erreichte und für Furore sorgt. Es wird zwar schon seit einer gefühlten Ewigkeit propagiert, aber auch Ich glaube, dass solche Plattformen zukünftig der Dreh- und Angelpunkt für die Spieler und große Turniere sein werden. Es kommt irgendwann vielleicht auch so weit, dass solche Titel die physischen Karten ablösen könnten, denn der Trend zeigt auch weiterhin stark in die Richtung der digitalen Inhalte. In Zeiten von In-App-Käufen und die damit verbundenen, milliardenhohen Umsätze dürfte es schon jetzt um ein Vielfaches lukrativer für die Hersteller sein – Pokémon Go dürfte eines der Paradebeispiele sein. Vielleicht passiert dies nicht in absehbarer Zeit, dafür sind die Umsätze noch viel zu hoch und unentbehrlich, allerdings haben auch die Sammelkartenspiele dieser Welt an der aktuellen Situation zu knabbern. Und wenn sich dies auf absehbarer Zeit nicht ändert, könnte es ziemlich düster werden. In diesem Falle ist da ein digitaler Goldesel wie Yu-Gi-Oh! Duel Links und Magic Arena in der Hinterhand sicherlich keine schlechte Sache.
Ich konnte die blutjungen Anfänge von Yu-Gi-Oh! miterleben und habe das Sammelkartenspiel sehr viele Jahre mit Leidenschaft begleitet. Ich bin auf unzählige Turniere gefahren, habe für meine Verhältnisse großartige Erfolge gefeiert sowie viele Bekanntschaften auf der ganzen Welt gemacht. Trotzdem hat sich Yu-Gi-Oh! in der realen Welt für mich eher ins Negative entwickelt. Die Karten und Decks werden immer mächtiger und kostenintensiver und die Community egoistischer und toxischer. Es sei aber gesagt, dass dieses Problem so ziemlich jedes große Sammelkartenspiel mit einer großen Community betrifft. Ich verfolge die Geschehnisse und Veröffentlichungen natürlich auch weiterhin, auch wenn ich dem aktiven Spieler in mir mittlerweile den Rücken gekehrt und mich Yu-Gi-Oh! Duel Links und Magic Arena zugewandt habe. Wer weiß, was die Zukunft noch so im Gepäck hat, vielleicht kehre ich eines Tages zurück, denn die Vergangenheit war im Großen und Ganzen auch weiterhin eine tolle Lebenserfahrung – auf die nächsten 20 Jahre mit Yu-Gi-Oh!