
Tales of Arise für Xbox Series X|S im Test – Ein JRPG der Extraklasse
Geschrieben von Adis Selimi am 22.09.2021
Die Tales-Serie gehört zu den großen und traditionsreichen Marken des JRPG-Genres. Seit der Veröffentlichung von Tales of Phantasia für das Super Nintendo wurden unzählige weitere Teile der Reihe entwickelt. Die einzelnen Abenteuer der Serie stehen dabei für sich und präsentieren in sich geschlossene Handlungen. Mit Tales of Arise ist nach längerer Pause jetzt der neueste Teil der Traditionsserie für die PlayStation 4 und 5 sowie die aktuellen Xbox-Plattformen erschienen. Tales of Arise will zwar am bewährten Spielprinzip festhalten, soll aber auch technische wie inhaltliche Neuerungen mit sich bringen und die Marke so modernisieren. In unserem Test zur Xbox Series X|S-Version des Spiels verraten wir euch, ob diese Mission geglückt ist.
Die Welt von Tales of Arise ist geprägt von einem 300 Jahre anhaltenden Konflikt zwischen den Zwillingsplaneten Dahna und Rehna. Dahna, die deutlich größere der beiden Welten, ist vollständig unter Kontrolle der technologisch überlegenen Rehnäer geraten. Diese nutzen den Planeten nicht nur für den Abbau von Ressourcen, sondern entziehen den Bewohnern der Welt sogenannte Astralenergie, die sie unter anderem für ihre Technologie gebrauchen. Die Gewinnung von Astralenergie erfordert aber stetige Arbeit, weshalb ein Großteil des Volkes von Dahna zu dieser gezwungen wird. Verstärkt wird die Unterdrückung noch dadurch, dass Rehnäer zu Beginn des Spiels einen neuen Herrscher aus den fünf Lords der Reiche bestimmen müssen. Die Fürsten verstärken die Ausbeutung der Welt also noch zusätzlich, um sich gegenüber ihren Konkurrenten einen Vorteil zu verschaffen und besonders viel Macht zu gewinnen.

Alphen, Shionne und ihre Freunde machen sich auf, um Dahna zu befreien.
© BANDAI NAMCO Entertainment Inc.
In dieser Konstellation treffen zwei Personen aufeinander, die für den Verlauf der Geschichte von Tales of Arise zentral sind. Eine davon ist der Protagonist Alphen, der zu Beginn des Abenteuers nur Eisenmaske genannt wird und einen Großteil seiner Erinnerungen verloren hat. Der Name Eisenmaske kommt nicht von ungefähr, denn Alphens Gesicht wird vollständig von einem Metallgefäß umhüllt. Doch nicht nur das unterscheidet ihn vom Rest der Sklaven im Reich Calaglia, in dem die Erzählung beginnt. Alphen kann zwar verletzt werden, er spürt aber keine Schmerzen, was direkt in einer der ersten Szenen des Spiels eindrucksvoll gezeigt wird, als er regungslos den Schlag einer Wache abfängt, der für ein Sklavenkind gedacht war. Kurz nach der Vorstellung unseres Protagonisten betritt auch die zweite zentrale Figur des Abenteuers die Bühne. Dabei handelt es sich um die Rehnäerin Shionne, die in einem Gefangenentransport nach Calaglia gebracht wird. Ähnlich wie Alphen, verfügt auch Shionne über eine übernatürliche Fähigkeit, die „die Dornen“ genannt wird. Während Alphen keinen Schmerz spüren kann, wirkt Shionnes Fähigkeit im Grunde als Spiegelbild. Jeder, der sie berührt, wird von einer Art magischer Blitze angegriffen und erleidet unvorstellbare Schmerzen.
Der Transporter, in dem Shionne nach Calaglia gebracht wird, wird von der örtlichen Widerstandsbewegung angegriffen und entgleist. Alphen beobachtet den Angriff und eilt Shionne und dem Widerstand zur Hilfe. Ehe sie sich versehen, werden die beiden in den Kampf um die Freiheit Calaglias hineingezogen und finden sich im Hauptquartier des Widerstands wieder. Die Ruhe hält nicht lange an, denn kurz nach Shionnes Befreiung wird das Hauptquartier umzingelt und ein Pfeil trifft sie direkt in die Brust. In diesem Moment offenbart sich, warum die Beziehung zwischen Alphen und Shionne so zentral für den weiteren Verlauf der Dinge ist, denn als er ihr den Pfeil aus der Brust ziehen will, erscheint ein flammendes Schwert, mit dem er alle Angreifer mit einem Schlag bezwingen kann. Die mächtige Waffe gibt den verzweifelten Widerstandskämpfern Hoffnung und so machen sich und Shionne und Alphen auf den Weg, alle fünf Lords der Reiche zu bezwingen und das Volk von Dahna zu befreien.

In den anspruchsvollen Kämpfen müsst ihr die Fähigkeiten eurer Helden klug einsetzen.
© BANDAI NAMCO Entertainment Inc.
Die Handlung von Tales of Arise dreht sich dann für den restlichen Verlauf des Spiels um eben diesen Freiheitskampf und führt euch quer durch alle fünf Reiche von Dahna. Neben Alphen und Shionne, mit denen ihr das Abenteuer beginnt, stoßen nach und nach noch weitere Charaktere zu euer Abenteuergruppe hinzu. Im Kern bleibt dabei auch der neueste Teil der Tales-Series seinen Wurzeln treu. Ihr bereist eine ziemlich linear gestaltete Welt, die euch entlang der Handlung an verschiedene Orte führt. Zwar bieten sich euch gelegentlich Verzweigungen an, die euch zu Schatztruhen oder anderen Belohnungen führen, der Fokus des Spiels liegt aber klar auf der sehr gelungen inszenierten Haupthandlung und der Interaktion der Charaktere. Um die Erzählung voranzutreiben, greift Tales of Arise zu zwei verschieden Stilen. Zentrale Ereignisse der Geschichte werden in Zwischensequenzen erzählt, die in der Engine des Spiels visualisiert werden. Kleinere Gespräche zwischen Gruppenmitgliedern oder andere Nebenerzählungen werden im Stil eines Mangas mit vertonten Standbildern inszeniert. Insgesamt merkt man dem Spiel dabei deutlich an, dass Bandai Namco viel Zeit und Mühe investiert hat, um die Inszenierung des Spiels modernen Standards anzupassen. So sind alle wesentlichen Charaktere sowohl mit einer japanischen als auch einer englischen Synchronisation voll vertont worden.
Neben den Handlungssequenzen und dem Bereisen der Welt sind die Kämpfe der Hauptbestandteil von Tales of Arise. Wenn ihr in der Spielwelt auf Gegner trefft, wechselt das Spiel in eine Arena, in der die Echtzeitkämpfe stattfinden. Jeder eurer Charaktere, von denen ihr insgesamt vier mit in den Kampf nehmen könnt, verfügt dabei über einen individuellen Kampfstil. So spezialisiert sich beispielsweise die Dahnäerin Rinwell, die relativ früh zu eurer Gruppe stößt, auf die Nutzung von sogenannten Astral-Artes, die am ehesten mit klassischer Magie zu vergleichen sind. Alphen hingegen wirft sich mit seinem Schwert ins Getümmel und teilt im Nahkampf ordentlich Schaden aus. Shionne bleibt mit ihrem Gewehr auf Distanz, kann eure Gruppenmitglieder aber durch Astral-Artes auch heilen. Standardmäßig steuert ihr zu Beginn eines Kampfes immer den Gruppenanführer, den ihr individuell bestimmen könnt. Sollte euch der Kampfstil eines Charakters also besonders zusagen, könnt ihr diesen unabhängig von den Ereignissen der Handlung als euren Hauptcharakter einstellen und mit ihr oder ihm auch die Welt erkunden. Auf Wunsch könnt ihr aber auch im Kampf selbst die Kontrolle über einzelne Gruppenmitglieder übernehmen und manuell ihre Fähigkeiten einsetzen. Das ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn ihr ein spezielles Charakter-Talent strategisch gegen einen Feind einsetzen wollt.

Schrittweise schaltet ihr in der Fähigkeiten-Matrix neue Verbesserungen frei.
© BANDAI NAMCO Entertainment Inc.
Strategisch ist dabei ein gutes Stichwort, denn die Kämpfe in Tales of Arise sind durchaus anspruchsvoll. Zwar werdet ihr mit kleineren Gegnergruppen schnell fertig, vor allem die größeren Bossgegner erfordern aber einiges an Fingerspitzengefühl. Sie verfügen in der Regel über eine ausgeleuchtete individuelle Schwachstelle, die ihr gezielt angreifen solltet. Daneben gibt es aber auch noch bestimmte Eigenschaften, auf die ihr mit den individuellen Stärken eurer Heldentruppe reagieren könnt. So kann der Faustkämpfer Law mit einem starken Schlag beispielsweise die feindliche Abwehr durchbrechen und Feinde so verwundbarer machen. Daneben gibt es noch die sogenannte Bruch-Mechanik: Mit kontinuierlichen Angriffen füllt ihr eine Energieleiste auf. Wenn diese voll ist könnt ihr mit einem Kombinationsangriff im Zusammenspiel mit einem anderen Charakter den gerade anvisierten Feind erledigen. Die verschiedenen Kampfmechaniken greifen wunderbar ineinander und sorgen für schnelle und spaßige Gefechte. Das einzige Manko ist, dass beim Effektgewitter der Spezialattacken manchmal die Übersicht etwas verloren geht. Das ist angesichts der vielen stimmigen Abstimmungen zwischen den Mechaniken aber nur ein kleiner Kritikpunkt.
Abseits der Kämpfe habt ihr einige Möglichkeiten, eure Charaktere zu verbessern und bei Ausrüstung und Fähigkeiten individuelle Schwerpunkte zu setzen. Tales of Arise bietet euch ein klassisches Erfahrungspunkte- und Levelsystem an. Hat ein Charakter genug Erfahrungspunkte gesammelt, steigt er im Level auf und erhält dafür Fähigkeitenpunkte. Diese wiederum könnt ihr in verschiedenen Kategorien der sogenannten Fähigkeiten-Matrix investieren, um zusätzliche Boni und Fähigkeiten freizuschalten. Der Clou an der Geschichte ist, dass sich die Fähigkeiten-Matrix auch durch Aktionen in der Welt erweitert. Wenn Shionne beispielsweise oft ihr Heil-Fähigkeiten einsetzt, erweitert sich auch ihr Arsenal an Heil-Fähigkeiten. So werden eure Gruppenmitglieder schrittweise immer stärker.

Imposante Städte, tolle Landschaften. Die Welt von Tales of Arise lädt immer wieder zum Staunen ein.
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Abseits der gelungenen Haupthandlung und der actiongeladenen Kämpfe, verbringt ihr die Zeit im Wesentlichen damit, die Welt zu erkunden und kleinere Nebenaufgaben zu lösen. In diesen beiden Aspekten leistet sich Tales of Arise dabei die größten Schwächen. Die Welt ist weitgehend linear aufgebaut und führt euch zielgerichtet immer zum nächsten Schauplatz der Handlung. Zwar gibt es vereinzelt Pfade abseits des Weges, an deren Ende eine kleine Belohnung wartet, großflächige Erkundung dürft ihr aber nicht erwarten. Die Nebenquests, die ihr gelegentlich von Charakteren in der Welt erhaltet, sind ebenfalls sehr monoton gehalten und beschränken sich auf den Genre-Standard „Besiege fünf Gegnertypen“ oder „Bringe mir vier Kartoffeln“. Kartoffeln sind wie andere Lebensmittel tatsächlich ein relativ großer Bestandteil des Spiels, denn durch das Kochen von Gerichten könnt ihr eurer Heldengruppe für einen gewissen Zeitraum unterschiedliche Verbesserungen spendieren.
Ein Update hat auch die Tales-Serie selbst mit dem neuesten Ableger der Reihe spendiert bekommen. Trotz treuer Fans und positiver Bewertungen, zeigte die Reihe in den letzten Teilen doch deutliche Alterserscheinungen. Tales of Arise schafft in dieser Hinsicht Abhilfe. Der Titel gehört zu den schönsten Spielen, die ich in den letzten Jahren gespielt habe. Die Gestaltung der Welt, die Animationen und die Effekte sind auf höchstem Niveau. Der Stil des Spiels zielt darauf ab, die Welt wie ein Landschaftsgemälde wirken zu lassen, durch das ihr euch hindurch bewegt. Dieses Anliegen ist mehr als gelungen. Zwar müsst ihr wie gesagt mit Abstrichen bei der Bewegungsfreiheit leben, dafür ist die Präsentation absolut fantastisch und muss sich nicht vor anderen Großproduktionen verstecken.
Gleiches gilt für die Performance des Titels. Tales of Arise bietet euch die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Grafikeinstellungen. Wählt ihr die Einstellung „Grafik priorisieren“, wird das Spiel mit der bestmöglichen Bildqualität bei 30 FPS wiedergegeben. Wenn ihr „Framerate priorisieren“ einstellt, wird die Auflösung verringert, dafür läuft das Spiel aber mit 60 FPS, was insbesondere in den Kämpfen für eine flüssigere Darstellung sorgt. Ich habe den Titel größtenteils auf einer Xbox Series S mit 60 FPS und einer Auflösung von 1080p gespielt. Performance-Einbrüche oder andere Fehler sind mir während der gesamten Spielzeit nicht aufgefallen. Auch die Ladezeiten sind in der Next-Gen-Version des Spiels angenehm kurz und sorgen für schnelle Übergänge zwischen den Arealen. Zusammen mit der guten englischen Vertonung und dem tollen Soundtrack lässt die Präsentation von Tales of Arise kaum Wünsche offen.