Tarantino lässt grüßen – Shooting Ramirez: 2. Akt in unserer Graphic-Novel-Rezension
Geschrieben von Dennis Gröschke am 21.01.2022
Jack Ramirez ist eine coole Socke und lässt sich nicht so einfach aus der Fassung bringen. Er erledigt zuverlässig seine Arbeit und ist bei seinen Kollegen in der Firma Robotop sehr beliebt. Sonderlich gesprächig kommt Jack aber nicht daher, denn er ist stumm. Der Smalltalk fällt dabei meist eher kurz aus, aber Jack lässt sowieso lieber Taten sprechen. Denn er ist Jack Ramirez, Staubsauger-Reparateur!
Bei der Reparatur-Annahme von Robotop kommt es dann zu einem großen Wiedersehen. Zumindest glauben das zwei zwielichtige Ganoven, die vor Ort einen defekten Mixer umtauschen wollen. Sie sehen Ramirez im Hintergrund vom Tresen herumlaufen und trauen ihren Augen kaum. Der schlaksige Typ hinterm Tresen scheint wirklich der Kerl zu sein, der einst ihren Boss übers Ohr gehauen hat. Ist er das wirklich, ist das der eiskalte und skrupellose Jack Ramirez? Schnell kontaktiert der Senior-Gangster seinen Sohn Ramon, die rechte Hand vom Boss Hector Rodriguez, der in seiner prunkvollen Villa in Mexico nur darauf wartet, den verhassten Ramirez in die Finger zu kriegen.
Währenddessen hat Jack Ramirez ganz andere Probleme und ahnt nichts von der unheilvollen Sichtung der beiden Gangster. Der „Vacuumizer 2000“ ist das nächste große Ding im Staubsauger-Business und soll das vorherige Top-Modell bei Robotop ablösen. Blöd nur, dass das Gerät nicht rund läuft und Ramirez bei der offiziellen Vorstellung des neuen Geräts all sein Können einsetzen muss, damit die Präsentation nicht zum Desaster verkommt. Sein Chef macht ihm vorher noch die Hölle heiß, doch letztendlich läuft die ganze Situation aus dem Ruder.
Wir befinden uns in den USA der 80er-Jahre, welche Autor und Zeichner Nicolas Petrimaux genial und passend einfängt. Die oben angeführte Prämisse kratzt dabei bewusst nur an der Oberfläche, damit hier nicht allzu viel verraten wird. Es entspinnt sich im weiteren Verlauf eine Geschichte, die durchaus das Potenzial hat, verfilmt zu werden. Alles läuft aus dem Ruder, Jack Ramirez befindet sich nach der großen Präsentation von Robotop mit dem Prototyp auf der Flucht. Er trifft dabei auf eine rothaarige Schönheit, die ihn an eine Frau aus seiner Vergangenheit erinnert. Es handelt sich dabei aber um die Schauspielerin Chelsea Tyler, die mit ihrer Freundin Dakota Smith auf einer Raubzug-Tour durch den amerikanischen Süden ist, bei der es auch zu mehreren Todesfällen kam.
Es geht drunter und drüber im weiteren Verlauf der Geschichte und weitere Parteien und Personen kommen hin und wieder ins Spiel. Petrimaux hat dabei aber immer alle Fäden in der Hand, Shooting Ramirez wird nie langweilig und als Leser blättert man nur so durch die Seiten. Optisch gestaltet sich das Buch ebenfalls sehr aufregend und es hat mich schlichtweg umgehauen. Als Leser kann man die sengende Hitze förmlich spüren, der die Protagonisten ausgesetzt sind. Immer wieder finden sich Anspielungen und Details an Gebäuden und Straßenzügen, die euch förmlich in das fiktive Amerika der 80er-Jahre erinnern. Die Optik kommt dabei schon so „filmisch“ rüber, wenn man es nicht besser wüsste, man würde vermuten Shooting Ramirez basiert auf einer Filmvorlage.
Auch wenn ich es hasse diesen Vergleich anzustellen, am besten lässt sich Shooting Ramirez vergleichen mit den Filmen von Quentin Tarantino, ein wenig Pulp Fiction dazu und auch ganz viel Jackie Brown auf der anderen Seite. Es ist grandios zu sehen, was Nicolas Petrimaux auf die Beine gestellt hat. Der Verlag Schreiber & Leser hat Shooting Ramirez auf Deutsch in einem großformatigen Hardcover-Buch veröffentlicht, was dem Artwork und der Detailverliebtheit von Nicolas Petrimaux zugutekommt. Abgerundet wird die Veröffentlichung mit einer besonderen Liebe zum Detail. Immer wieder streut Nicolas Petrimaux in sein Buch fiktive Werbung ein, wie sie damals in Zeitschriften hätte veröffentlicht werden können. Diese Zeitungsannoncen und Ausschnitte aus Tageszeitungen sind allesamt vom Verlag eingedeutscht worden, was das Lesevergnügen nur noch umso aufregender macht.
Shooting Ramirez war damit mein Comic im Jahr 2019, denn heute soll es eigentlich um den 2. Akt der Geschichte gehen. Ja, ihr habt richtig gelesen, im Dezember 2021 ist bereits die Fortsetzung bei Schreiber & Leser erschienen. Wiederum im großformatigen Hardcover und wiederum gespickt mit zahlreichen Extras wie fiktiven Werbeanzeigen, steigen wir Leser unmittelbar dort ein, wo wir Jack und alle anderen Beteiligten zuletzt gesehen haben.
Wobei, das stimmt nicht ganz, denn mittels einer Rückblende erfahren wir zunächst, was es mit dem mysteriösen Unbekannten auf sich hat, der auf den letzten Seiten des ersten Buches aufgetaucht ist. Es stellt sich heraus, dass Jack (eigentlich ja Jacques Ramirez) Teil einer alten Familientradition ist. Seine Familie ist dabei mit einer anderen Familie verbandelt, die eine kümmert sich um das Geschäft, während sich die andere der Drecksarbeit annimmt. Und mit Drecksarbeit ist gemeint, dass da nicht lange gefackelt wird und im Zweifel die Probleme mit Gewalt aus dem Weg geräumt werden.
In der Gegenwart geht die wilde Flucht von Jack ungehindert weiter. Er ist weiterhin mit den beiden Ganovinnen Chelsea und Dakota auf der Flucht, wobei der pinke Cadillac nicht ganz so unauffällig ist. Im Hintergrund verfolgt ihn der noch unbekannte ältere Herr, der sich im Verlauf des Buches als sein Vater herausstellt, soviel sei hier verraten. Doch er ist nicht die einzige Person, die sich an die Fersen der ungleichen Gruppe geheftet hat. Auch einige Gangster rund um Hector haben die Verfolgung noch nicht aufgegeben, ganz zu schweigen von der Polizei.
Und so geht die weitere Reise auch nicht ohne blutige Auseinandersetzungen vonstatten, im Gedächtnis bleiben wird insbesondere eine längere Szene an einer Autowerkstatt, wo sich Chelsea und Dakota gefälschte Ausweise besorgen wollen. Denn hier sollen sich die Wege der räuberischen Damen und Jack trennen, wobei die Damen über die Grenze nach Mexiko fliehen wollen. Doch soweit kommt es nicht, denn die Situation eskaliert hier an der Tankstelle und Nicolas Petrimaux beweist einmal mehr, dass er nicht nur die ruhigen Momente beherrscht, sondern auch tolle und optisch geniale Action einfangen kann.
Die großformatigen Seiten von ca. 32 x 21,5 cm fangen die künstlerische Vision von Petrimaux optimal ein, hier hätte ich mir gar kein anderes, womöglich kleineres Format vorstellen können. Ich bin froh, dass Schreiber & Leser das Format passend zum ersten Buch weiterführt und auch in Deutschland den Lesern die Geschichte auf diese Weise präsentiert.
Wenn ihr euch selbst ein Bild vom Artwork zu Shooting Ramirez: 2. Akt machen wollt, findet ihr hier ein paar Eindrücke auf der Verlagsseite.
Shooting Ramirez: 2. Akt ist erschienen bei Schreiber & Leser, ISBN: 978-3-96582-016-6, 192 Seiten, Farbe, ca. 32 x 21,5 cm, Hardcover, 29,80 Euro
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