Anime schauen auf der Nintendo Switch – Was taugt die neue Crunchyroll-App? Kommentar Spezial
Geschrieben von Daniel Kania am 22.02.2022
Wer Fan von Videospielen ist, hat gut möglich auch etwas für Anime übrig. Beide Medienformen wurden in Japan groß und gehen heute sozusagen Hand in Hand. Animeserien werden zu Videospielen. Videospielserien werden zu Anime. An beiden Stellen findet man ähnliche Archetypen, Designs und Themen, wodurch eine große Schnittmenge an Interessen entsteht. Da passt es wie angegossen, dass Crunchyroll – der wohl größte Streaming-Anbieter von Anime – seit vergangener Woche auf der Nintendo Switch verfügbar ist. Als Fan des Mediums und als Crunchyroll-Nutzer habe ich mir einmal angesehen, wie gut die Umsetzung gelungen ist.

Bei jedem App-Start begrüßt euch auf der Homepage ein großer Banner mit einem aktuellen Highlight.
© Ellation, LLC
Lasst mich dazu erst einmal einige Formalitäten aus dem Weg räumen. Die Crunchyroll-App kann heruntergeladen und zu einem gewissen Grad auch genutzt werden, ohne etwas zu bezahlen. Wer die neuesten Folgen aktueller Serien aber früher sehen und Zugriff auf den vollständigen Katalog haben möchte, muss eine Premium-Mitgliedschaft abschließen. Das gilt besonders für diejenigen unter euch, die auf deutsche Synchronisation schwören. Wer obendrauf von der Offline-Viewing-Funktion Gebrauch machen möchte, welche gerade bei der Nintendo Switch sehr nützlich sein kann, muss konkret das teurere Mega-Fan-Paket gewählt haben. Für Nutzer, die nichts zahlen, setzt Crunchyroll auf werbefinanzierte Streams.
Damit gehen wir zur App selbst über. Wie auf den ersten Blick zu erkennen ist, präsentiert sich diese im neuen Crunchyroll-Design, welches letztes Jahr mit einer öffentlichen Beta-Phase an den Start gegangen ist. Das heißt, Nintendo Switch-Nutzer profitieren sofort von der modernen Optik und aufgeräumten Struktur. Dies äußert sich etwa in einer rundum überarbeiteten Homepage, welche mit aktuellen Titeln und Themenbereichen basierend auf Genre oder Inhalt ausgestattet ist, aber auch im neuen Crunchylist-Feature, mit dem ihr Shows in personalisierbare Listen einsortieren könnt. Der Beta-Status lässt aber schon erahnen, dass noch nicht alles ausgereift oder optimiert ist, was sich bei längerer Nutzung der App auch bestätigt.
Dass die Crunchyroll-App auf der Nintendo Switch die Webpräsenz des Dienstes nicht vollständig ersetzen kann, beweist schon der Wegfall der Kommentar-, Review- und News-Sektion. Manche wird es sicherlich nicht kümmern, ich halte es jedoch für elementar, sich auf der Crunchyroll-Plattform nicht nur durch das Schauen, sondern auch durch das Kommentieren, Bewerten und Informieren mit dem Medium auseinandersetzen zu können – und dafür nicht zwingend auf andere Geräte und Bezugsquellen angewiesen zu sein. Eine Übersicht neuer Simulcasts oder frisch hinzugefügter Synchros sucht man so vergeblich. Auch lässt sich nur schwer erahnen, welche Shows etwas taugen und welche nicht, da alle Inhalte abseits einer nichtssagenden „Beliebt“-Kategorie wertungsneutral präsentiert werden.

Lust auf Neues? Versucht euer Glück in einer der thematischen oder für euch maßgeschneiderten Listen.
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Das Herzstück des Streaming-Dienstes, nämlich der Player, in dem man sich Anime ansieht, ist hingegen überaus gut gelungen. Ich habe die Crunchyroll-App für wenige Stunden auf der Nintendo Switch ausprobiert und bin mit einer Ausnahme auf keine nennenswerten Probleme beim Anschauen von Videoinhalten gestoßen. Intuitive Vor- und Rückspulfunktion, Optionen für Untertitel, eine scharfe Videowiedergabe, kein nerviges Buffern, aber: Nach wenigen Minuten der „Inaktivität“ wird der Bildschirm gedimmt. Das mag bei gewöhnlicher Spielesoftware sinnvoll sein, nicht aber bei einer Video-App. Die jeweiligen Apps von YouTube und Twitch auf der Nintendo Switch zeigen, dass dieses Problem umgangen werden kann. Also hoffe ich, dass da in Zukunft nachgepatcht wird, um die Anime-Erfahrung noch ein Stückchen besser zu gestalten.
Was lässt sich noch sagen? In kleinen Schritten mausert sich die Nintendo Switch langsam zum Multimedia-Gerät, hat aber noch einen weiten Weg vor sich. Das volle Potenzial wird wahrscheinlich erst mit dem Nachfolgersystem ausgereizt, im Moment ist es aber schön, Anime wahlweise am Fernseher oder auf dem Nintendo Switch-Bildschirm ansehen und bedienen zu können. Ich kann mir vorstellen, dass Shows mit lebendigen Farben vor allem auf der OLED-Version prächtig aussehen und euch stundenlang fesseln werden. Wenn Crunchyroll hier stetig nachbessert und Kinderkrankheiten wie gelegentliche Ladeprobleme oder das Dimmen beseitigt, könnte die Nintendo Switch meine erste Wahl für das Anime-Schauen werden. Beim gemeinsamen Schauen ist sie es wohl jetzt schon.