Horizon Forbidden West für die PlayStation 5 im Test – Helft Aloy bei der Rettung der prächtigen Welt
Geschrieben von Chris Holletschek am 02.03.2022
Für die einen birgt es großes Meme-Potenzial, für die anderen erscheint es wie eine bittere Realität: Im Frühjahr 2017 erschien mit Horizon Zero Dawn ein vielversprechendes neues Projekt für die damals aktuelle PlayStation 4 und heimste zahlreiche positive Kritiken ein. Überschattet wurde der Release des Spiels aber nur vier Tage (!) später von der Veröffentlichung der heute allseits geliebten Nintendo Switch – und damit einhergehend auch von The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Fünf Jahre später stand nun Horizon Forbidden West in den Startlöchern. Die Fortsetzung sollte ursprünglich bereits im vergangenen Jahr erscheinen, musste aufgrund der aktuellen Pandemiesituation allerdings verschoben werden. Nun ist es aber so, dass auch ein anderer großer Titel sein initial angekündigtes Veröffentlichungsdatum nicht halten konnte und erneut nur wenige Tage nach Horizon erschien: Elden Ring. Ob sich das Sequel nun ein weiteres Mal im Schatten eines anderen Titels behaupten kann, sollen die folgenden Zeilen zeigen.
Erneut produziert vom niederländischen Entwicklerteam Guerilla Games, ist Horizon Forbidden West ein eng mit dem ersten Teil verknüpfter Nachfolger und steigt zeitlich kurz nach den Geschehnissen des Vorgängers ein. So konnte die Protagonistin Aloy eine künstliche Intelligenz mit dem passenden Namen HADES in ihre Schranken weisen und wird von einem Großteil der Bewohner der post-postapokalyptischen Welt als Heldin und Retterin verehrt. Aloy, die einst fernab jeglicher Zivilisation aufgewachsen ist, kann ihren neugewonnenen Titeln nicht viel abgewinnen – und sieht sich auch noch lange nicht am Ende ihrer Reise angekommen. Vielmehr ist sie in der Lage zu erkennen, dass die Gefahr nicht gebannt ist. So macht sich eine geheimnisvolle rote Plage über die Flora und Fauna breit und droht, die Zivilisation (ein weiteres Mal) auszulöschen. Um der Lage wieder Herr zu werden, befindet sich Aloy auf der Suche nach einem Backup von GAIA, eine Gott-gleiche KI, die ganze Planeten schaffen, formen und (hoffentlich) auch retten kann. Durch diverse Geschehnisse richtet unsere Protagonistin ihren Blick auf den sogenannten „Verbotenen Westen“, der Antworten auf die lebens- und planetenbedrohende Gefahr beherbergen soll.
Daraufhin macht ihr euch also auf den Weg in den namensgebenden Westen – und der ist einerseits verdammt schön anzusehen, aber auch verdammt weitläufig. In klassischer Open-World-Manier könnt ihr zudem tatsächlich überall dort hinlaufen, wohin es euch gerade verschlägt. Ihr könnt der Hauptgeschichte folgen, müsst es aber nicht – wobei euch phasenweise bestimmte Bereiche versperrt bleiben, solange ihr nicht einen gewissen Fortschritt in der Handlung erreicht habt. Als SpielerIn werdet ihr aber keineswegs dazu gedrängt, die Geschichte voranzutreiben, denn es werden euch weit mehr als nur eine Handvoll Möglichkeiten geboten, euch auch anderweitig zu beschäftigen. Das beginnt bei den klassischen Nebenmissionen, die in zig verschiedene Unterkategorien eingeteilt sind und mehr zu bieten haben als „Sammle Kraut X“ oder „Besiege Monster Y“. Es geht hierbei um die Erkundung mysteriöser Ruinen, um die Aufklärung diverser Vorfälle, um die Bereinigung von Rebellenlagern, um das Bestehen in Kampfarenen und vieles mehr. Verwoben sind die Nebenmissionen mit interessanten Charakteren, die tatsächlich etwas Gehaltvolles zur Geschichte und damit ein Stück weit zum besseren Verständnis für die gesamte Welt beitragen können.
Apropos Verständnis: Es ist möglich, in die vorliegende Fortsetzung einzutauchen, ohne den Vorgänger gespielt zu haben oder überhaupt zu kennen. Diesbezüglich bietet das Spiel einige Stützen. So bekommt ihr direkt beim ersten Starten des Titels eine Zusammenfassung der Geschehnisse aus dem ersten Teil präsentiert, die euch über die absolut grundlegendsten Punkte in der bisherigen Handlung aufklärt. Nicht ganz unproblematisch ist aber die Tatsache, dass die Welt von Horizon über so unfassbar viele Namen, Charaktere und Begrifflichkeiten verfügt, dass es definitiv von Vorteil ist, den Vorgänger-Titel zu kennen. Euch wird zwar der Service geboten, dass ihr in einem Notizbuch einiges an Hintergrundgeschichte zu für die Handlung wichtigen Charakteren nachlesen könnt, dennoch wird die emotionale Nachvollziehbarkeit erschwert, wenn ihr im weiteren Verlauf der Geschichte auf Charaktere trefft, bei denen ihr erst im Nachhinein versteht, dass es sich um eine wiederkehrende Person handelt.
Ob nun aber als Neuling oder als Kenner der Reihe: Die Handlung des Spiels ist durchaus spannend, macht Spaß und hat einige Kniffe und Wendungen zu bieten. Diesbezüglich trägt auch die Präsentation des Ganzen einen Großteil dazu bei. Dahingehend sei zunächst die fantastische deutsche Synchronisation erwähnt. Immer wieder ein absolutes Highlight stellen zudem die verschiedenen Städte, Dörfer und anderen Ortschaften dar, an denen sich Menschen versammeln. Diese wirken sehr lebendig, da jeder auftauchende Charakter – seien es nun für die Handlung relevante Personen oder einfache Statisten – im übertragenen Sinne nicht gesichtslos ist, sondern klar erkennbar eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat. So gibt es auch quasi keinen Charakter, der einfach nur in der Gegend rumsteht. Jeder geht in irgendeiner Form einer Beschäftigung nach. Verständlicherweise wird diese Beschäftigung in einem (gerne mehrere Minuten andauernden) Loop durchgeführt, dennoch mag ich diese Detailarbeit gesondert honorieren – gerade weil sie mit Leichtigkeit übersehen werden kann, mir aber das Eintauchen in diese Welt erleichtert hat.
Mit zur angesprochenen Präsentation gehört aber auch die Optik des Titels. Und hier macht dem Spiel (gespielt auf der PlayStation 5) niemand so schnell etwas vor, sondern setzt durchaus Maßstäbe. Ob nun die Gebirge von nah und fern, die allgemeine Flora, die Dörfer und Ortschaften, die Charaktere und besonders die Gesichtsanimation im Speziellen: Wir leben in einer Zeit, in der gerade mit der neuen Konsolengeneration der Begriff „Fotorealismus“ immer häufiger fällt – im Falle von Horizon Forbidden West zurecht. Gerade weil die Grafik aber so atemberaubend ist, fallen einem diverse Unstimmigkeiten dann leider auch schneller auf. Da gibt es beispielsweise die wallende Mähne von Aloy, die vermutlich wahnsinnig aufwändig zu frisieren ist, aber gerade aufgrund der zahlreichen Zöpfe und sonstigen Spielereien in Dialog-Sequenzen gerne mal ein gewisses Eigenleben entwickelt und willkürlich herumspringt. Ein weiteres Beispiel findet sich bei den Kletterpassagen, von denen es im Spiel so einige zu bewältigen gibt. Springt ihr mit der Protagonistin an einen weiter entfernten Querbalken, sodass sie sich gerade so mit den Händen festhalten kann, schwingt der untere Teil des Körpers durch das Momentum nach vorn – so weit, so realistisch. Nun kommt es beim Nachvorneschwingen aber leider häufig zu grafischen Verzerrungen. Der Unterkörper kann dabei etwas verrücktspielen oder schlicht in davorliegenden Wänden oder Gegenständen verschwinden. Im Verlauf der Testphase wurde allerdings ein Update veröffentlicht, das sich dieser optischen Mängel augenscheinlich angenommen hat, sodass diese nun seltener auftreten. Es bleibt zu hoffen, dass Guerilla Games hier weiter am Ball bleibt, um auch die letzten Grafikfehler auszumerzen.
Wie zuvor kurz angeschnitten, werdet ihr es bei Horizon Forbidden West wie beim Vorgänger mit so einigen Kletterpassagen zu tun bekommen. Während im ersten Teil Griffe und andere Kanten, an denen ihr euch festhalten könnt, dauerhaft farbig hervorgehoben wurden, macht ihr dieselben Stellen bei der vorliegenden Fortsetzung erst durch den Einsatz eures „Fokus“ genannten Hilfsgeräts sichtbar. Durch das Betätigen der R3-Taste wird die Umgebung gescannt und lässt die bekannten farbigen Markierungen auftauchen – eine absolut sinnvolle Optimierung. Phasenweise müsst ihr beim Klettern aber dann doch so einiges an Geduld mitbringen. Gerade weil diverse Passagen auf unterschiedlichen Wegen erklommen werden können, kann sich Aloy manchmal einfach nicht entscheiden, wohin sie nun weiterklettern will oder bewegt sich an eine ganz andere Stelle fort, als ursprünglich von euch vorgesehen. Andererseits gibt es weitere Abschnitte, die euch zwar nur einen vorgegebenen Weg bieten, gleichzeitig aber vor allem durch ihre Länge auffallen. Solltet ihr dann mal einen Sprung knapp verpassen, müsst ihr die gesamte Passage in der Regel von vorne beginnen – das zerrt durchaus an den Nerven.

Das Erkennen der Schwachstellen und der Kampf aus sicherer Distanz sind die Mittel zum Erfolg.
© Sony Interactive Entertainment
Ebenfalls nervenzerrend, das aber im positivsten Sinne, sind die fordernden Kämpfe gegen Mensch und vorrangig Robo-Getier. Durch die rote Plage sind euch im Grunde alle lebenden Maschinen feindlich gesinnt und greifen sofort an, wenn sie euch entdeckt haben – und in den meisten Fällen ist damit tatsächlich nicht zu spaßen. Die Monster-Roboter halten verdammt viel aus, können ziemlich stark austeilen und sind nicht selten recht agil unterwegs. Bevor ihr euch deshalb ins Getümmel stürzt, empfiehlt sich ein Einsatz eures Fokus. Damit lassen sich neben der Umgebung auch Maschinen im Speziellen scannen, was euch wertvolle Informationen wie beispielsweise Schwachstellen liefert. Diese werden dann ebenfalls farbig hervorgehoben, sodass ihr euch im – ohnehin empfohlenen – Fernkampf mit dem Bogen auf das Treffen dieser Stellen konzentrieren könnt. Das Kampfsystem ist darüber hinaus taktisch ziemlich ausgereift und bietet euch vielerlei Möglichkeiten der Herangehensweise. Neben dem klassischen Nah- sowie Fernkampf könnt ihr euch beispielsweise mit dem Stellen von Fallen, dem Ausführen von „stillen Schlägen“ oder elementaren Wirkungen wie Feuer, Eis und Gift befassen. Passenderweise könnt ihr die Fähigkeiten von Aloy mithilfe der gleich sechs verschiedenen Skilltrees ausbauen und verfeinern. Neu sind die sogenannten Mut-Stöße, die ihr durch das Freischalten von Fähigkeiten erhaltet. Diese könnt ihr in der Regel in Kämpfen einsetzen, um zeitlich begrenzte Stärkungen zu erhalten. Eine grundsätzlich sinnvolle Ergänzung, die bei meinem Testdurchlauf durch das ohnehin schon breitgefächerte Kampfsystem aber etwas unterging.
Was in den vielen Gefechten ebenfalls gerne untergeht, ist die Übersicht. Müsst ihr euch mit einer oder zwei rasenden Maschinen auseinandersetzen, ist das in der Regel noch gut zu bewältigen. Bei mehr Kontrahenten wird es aufgrund der hohen Agilität der Gegner dann aber gerne deutlich schwieriger, sodass überraschende Treffer von der Seite die Folge sind. In solchen Fällen stellt der Rückzug grundsätzlich eine valide Option dar, damit die Maschinen von euch ablassen und ihr wieder die Möglichkeit habt, euch ein Robo-Tier nach dem anderen vorzunehmen.