Die Abenteuer des Flinken Luis - Eine satirische Fabel über Videospiele - Teil 1

Die Abenteuer des flinken Luis


Der Turm der Videospiele



Es war einmal am Rande einer heruntergekommenen Provinz, in einer abgelegen, verschmutzten Kleinstadt, die sich nur die untätigsten und anrüchigsten Tiere zum Wohnort gemacht haben. Dort spazierte zu früher Morgenstunde das pfiffige Eichhörnchen Luis, das kurze Zeit zuvor in eben jener verwunschenen Stadt angekommen ist.


„Wie konnte mir, dem schlauen Luis, nur sowas passieren?“, dachte er, während er sich mit einer seiner Pfoten die Nase zuhielt. Der üble Geruch, der von den Müllbergen, bestehend aus Leichtverpackungen von Fertigprodukten, Futterkrümel und Essensresten, drang aus jeder dunklen Ecke. Doch nicht nur aus diesen elenden Winkeln, oh welche Verbrechen und Untaten mögen darin nur geschehen sein, kroch der Gestank. Nein, selbst der von Moos überwucherte Gehweg wurde vom Abfall nicht verschont. Zwar bildeten sich dort keine Berge der Schande, aber Luis konnte kaum einen Schritt gehen, ohne in ein versifftes Stück Unrat zu treten.


Doch wie war Luis in diese Stadt gekommen? Ihm, dem gewitzten aller Eichhörnchen, ist doch wirklich in der Nacht des Vortages ein Fehler unterlaufen! Bei seiner wöchentlichen Sauftour, die er hauptsächlich unternimmt, um ungewandte Tier abzuzocken, hat das Kleintier ein Kartenspiel und dadurch eine Wette verloren!


„Diese verdammte Kamel! Wenn ich das mal wiedersehe!“, brüllt Luis lautstark vor sich hin. Das kann er sich erlauben, da ohnehin kein Tier weit und breit zu sehen ist. Das Höckertier, über das Luis so erzürnt ist, war das weltmännische Kamel Osman. Dieses ist der Inhaber einer orientalischen Bar, die in Luis‘ Heimatdorf frisch eröffnet wurde. Osman hat allerlei Orte der schönen, weiten Welt bereist, um die wichtigsten Kulturen und Tierarten mit eigenen Augen zu erblicken. Unter anderem auch diese verwunschene Niederlassung, in der sich Luis gerade befindet. Mit einem Gespräch über diesen Ort, hat er am Vortag Luis‘ Neugierde geweckt.


„So a Schwachsinn! So ein Ort gibts doch gar nit!“, behauptete Luis überheblich im Vollrausch.


„Doch, doch, mein gutes Kleintier! An jenem Ort befinden sich jene Tiere, die freiwillig der Gesellschaft entsagten und sich dort der Kunst der Spiele widmen!“


„Was bringen schon Spiele, wenn... wenn…“, Luis war schon so angetrunken, sodass er nicht mehr den einfachsten Satz problemlos aussprechen konnte, „wenn man die anderen Arschlöcher damit nit absocken kann!“


Osman schenkte sich und dem Eichhörnchen einen weiteren Krug Bier ein. Es war sein Plan, das anmaßende Eichhörnchen so betrunken wie möglich zu machen.


„Sehr wohl, ehrenwertes Kleintier! Es handelt sich nicht um Brett- oder Kartenspiele, sondern um eine neuere Art von Spielen … Videospiele!“


Luis leerte seinen Krug geschwind, worauf das Kamel ihm ohne zu fragen einen weiteren anschenkte. Doch das Maß war voll. Das buschelige Kleintier sah die ganze abendländische Einrichtung doppelt, was er spaßeshalber auch dem Inhaber sagte. Darin sah der perfide Osman die Chance, auf die er schon den ganzen Abend gewartet hat. Er stimmte Luis zu einem Kartenspiel an. Falls er es verlieren sollte, müsse er eine ganze Woche in jener verwunschenen Stadt verbringen. Wie das Spiel ausging, war nur allzu offensichtlich. Bevor Luis auch nur einen Punkt ergattern konnte, musste er sich übergeben. Die Kotze krachte auf die Spielkarten, wodurch diese unbrauchbar wurden. Als eine Art Bezahlung, verlor das Eichhörnchen noch sein Hemd an Osman, weswegen er in diesem Moment sogar splitternackt durch die Gegen spaziert.


Was hat Luis getan, um eine solche Behandlung zu verdienen? An jenem Abend hat er den ein und anderen Witz über die „schiefen Höcker“ der Lokalstochter ausgesprochen. Da die Nomadentochter nur schwer neue Freunde findet, hat das ihr Selbstvertrauen noch weiter gesenkt und sie rannte weinend auf ihr Zimmer, worauf Luis meinte, es wäre ein Leichtes, „seinen Buschelschwanz zwischen ihren Höckern zu versenken“.


Dies hat das, nun wieder im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte, Eichhörnchen natürlich in seinem Vollrausch vergessen.


„Blödes Kamel! Ich hätte wissen müssen, dass es wegen seinen haarigen Höckern viel mehr Alkohol verträgt als ich!“, schimpfte Luis weiterhin.


Dennoch, nachträglich konnte Luis an der Sache nichts ändern. Eine verlorene Wette ist nun mal eine verlorene Wette. Falls er sich nicht daran halten sollte, könne er sich nie wieder in dem Lokal blicken lassen.


Nach Minuten des Fluchens erreichte Luis endlich sein Ziel. Schon als er die Stadt betrat, sah er einen riesigen Turm, der in den Farben Blau und Weiß gemalert war. Hier, an jenem edel wirkenden Ort, müssen sich doch zumindest ein paar Tiere befinden!


Plötzlich zuckte Luis auf. Aus dem Inneren des Turmes hörte er ein lautes Stapfen und Brüllen. Langsam öffnete sich das metallene Tor, vor dem er stand. Daraus trat ein dicklicher Schimpanse, der an Luis brüllend vorbeistampfte. Nicht einmal Augenkontakt baute er zum beleidigten Eichhörnchen auf.


„Könne de net amal dafür sorgn das jeden Monat a schas Spiel erscheint! Für was hab i die dumme Switch nur gekaft!“, plärrte das Affentier.


„Entschuldigen sie bitte!“


„Jo wos willstn du?!“


„Worüber so erzürnt?“, fragte Luis, der sich wunderte, was den Primaten so wütend macht.


„Jo de scheiß japanischen Makaken können net amol dafür sorgn, doss jeden Monat a Spiel bei uns erscheint!“, jammerte er weiter.


Luis wurde klar, dass es sich um die von Osman erwähnten Videospiele handeln musste.


„Wo liegt das Problem? Ich habe zwar noch nie ein solches Videospiel gespielt, aber kannst du dich nicht einfach mit älteren Spielchen vergnügen?“, fragte Luis interessiert, der von des Schimpansen Zorns noch immer verwundert war.


„Alta na! I man für wos hob i mir a Switch gekaft! Außadem gibt’s grad so a Aktion, wos drei Spiel fürn Preis von zwa gibt! Wos bringt mir des, wenns kane nein Spiel gibt?!“


„Drei Spiele auf einmal kaufen? Ist es nicht sinnvoller, sich nur auf eines zu konzentrieren und das zu meistern?“


„Alta willst du mich verarschn!“, grölte das angewiderte Tier. Luis trat langsam zurück in Richtung Eingang des Turmes, da der Schimpanse anfing wild um sich zu schlagen.


Nun war er drinnen, im blau-weißen Turm. Bevor sich Luis umsehen konnte, hörte er einen dumpfen Ton hinter sich. Das eiserne Tor hatte sich wie von Geisterhand selbst geschlossen. Welche Abenteuer mögen ihn darin erwarten?