Die Abenteuer des Flinken Luis - Eine satirische Fabel über Videospiele - Teil 2

Die Abenteuer des flinken Luis


Luis und die Social Justice Warriors



Nun stand er drinnen, im blau-weißen Turm. Ein Gang, länger als jedes Rotlichtmilieu, das Luis besuchte, erstreckte sich vor ihm. Doch dieser Gang wirkte auf das Nagetier keineswegs so interessant wie jenes andersgeartete Milieu voller Lust und vorgespielter Zärtlichkeit. Der Gang erinnerte eher an eine Schule. Steril, die Wände weiß gestrichen, links und rechts voller langweiliger Leichtholztüren.



„Naja egal, was solls?“, dachte sich Luis, während er sich an seiner Nase kratzte. Ihm fiel es gar nicht auf, aber im Turm roch es viel angenehmer als in der verschmutzten Kleinstadt. Zuvor, als das Affentier ihn fast erschlug, war er noch mit dem Schrecken davongekommen. Währenddessen vergaß er fast, dass er sich in einer stinkenden Provinz befand.



Plötzlich vermochte Luis ein lautes Geschnattere hinter einer der Türen zu hören. Vor Vorfreude, endlich auf weiteren tierischen Kontakt zu treffen, begab er sich zu jener Tür und öffnete sie langsam. Dort erblickte er eine Art Klassenzimmer oder Seminarraum, in dem scharenweise Gänse saßen. Diese quakten und applaudierten mit ihren weiß gefiederten Flügeln. Luis wunderte sich, wem genau der Applaus geschuldet war und so betrat er den Raum. Auf einer Art billigem Plastikpodium stand eine weitere Gans, die wild mit ihren Flügeln gestikulierte, als ob sie gerade einen Krieg erklären würde. Zudem unterschied sich jene Gans von den anderen in diesem Raum, denn sie hatte, Luis konnte es kaum glauben, blaue und pinke Kopffedern.


„Was ist denn hier los?“, fragte das verwunderte Nagetier.


Der ganze Raum wurde still und alle Blicke richteten sich zu Luis. Ohne Vorwarnung begannen sie wieder umherzuschnattern. Wie unhöflich es doch sei, diesen Vortrag zu unterbrechen, „Das muss einer von den Spionen sein!“, „Wo habe dieses nackte Nagetier seine Manieren gelassen?“, quakten sie alle lautstark umher.


„Ruhe!“, schrie die Podiumsgans so laut sie konnte. Das Publikum wurde ein weiteres Mal völlig still.


Zornig blickte sie auf eines der geschnabelten Tiere in der hintersten Reihe und brüllte: „Hast du dir gerade ernsthaft herausgenommen, das Geschlecht dieses Nagetiers zu bestimmten?!“


Jene eingeschüchterte Gans blickte nun nervös abwechselnd nach links und rechts.


„E-E-Entschuldigen sie, Frau Gracia …“


Luis selbst verstand nicht, was gerade passiert war.


„Geehrtes Eichhörnchen, dürfte ich erfahren, welchem Geschlecht du angehörst?“, fragte die Podiumsgans in einem überraschend freundlichen Ton.


„Wer ich? Ist das nicht klar? Ich bin ein Mann oder siehst du irgendwo Zitzen auf meinem Körper?“, antworte Luis verblüfft. Wo war er hier nur gelandet, wunderte er sich.


„In Ordnung, Herr Eichhörnchen. Darf ich sie fragen, was sie hier suchen und wieso sie unseren Vortrag unterbrechen mussten?“


„Also erstens, ich bin der Luis. Freut mich. Ich habe mich verlaufen und aus diesem Raum hörte ich ein Geschnatter. Deswegen wollte ich mal nachsehen, was hier so los ist. Darf ich erfahren, was das für ein Vortrag ist?“


„Natürlich, Herr Eichhörnchen. Ihr Interesse wird sich belohnt machen! Im neuesten Ableger der „Death Street-Reihe“, „Death Street Ultra“, gibt es, wie wir alle wissen, zum ersten Mal einen weiblichen Hauptcharakter.“


Luis fiel auf, dass es sich wohl bei diesem Vortrag auch um das Thema Videospiel handeln musste.


„Zumindest dachten wir das. Das Spiel wurde so beworben, aber wie sich herausstellte, übernimmt in Kapitel 3 ein Mann die Hauptrolle! Liss, also die weibliche Hauptfigur, wird entführt und muss von Ken, also der männlichen Hauptfigur, gerettet werden! Wie sexistisch ist das bitte?!“


„Ahm, okay. War doch sicher ein interessanter Wendepunkt oder?“


Das gefiederte Tier ignorierte Luis und schnatterte ohne Punkt und Komma weiter: „Und nicht nur das! In Team Darkness, der feindlichen Organisation des Spiels, gibt es eine hochrangige Gruppe, bestehend aus 5 Frauen. Wäre alles schön und gut. Aber diese Gruppe wird von einem Mann angeführt! Wie sexistisch! Als ob die Frauen nicht selbst für sich sorgen können! Hinzu kommt noch, dass dieser Mann, ein Bösewicht, schon wieder mal ein Wolf ist! Schon wieder! Fast jeder Antagonist der Reihe ist ein Wolf! Wollen die Entwickler und Entwicklerinnen uns damit etwa sagen, dass alle Wölfe böse sind?! Das ist total rassistisch! Und deswegen werden wir protestieren, damit diese Inhalte nachträglich geändert werden und die Entwickler und Entwicklerinnen sich entschuldigen!“



Nun wusste Luis genau, was für eine Art Tier hier vor ihm stand. Sein Saufkumpane, der räuberische Ochse Toni, hat solche Tiere „Emanzen“ genannt. Jene Emanzen setzten sich für die Rechte aller Tiere ein, worüber Toni sich immer köstlich amüsierte. Luis wusste allerdings nicht, was er selbst von diesen Tieren halten sollte. Auf die Meinung von Toni gab er ohnehin nicht viel, da dieser schon seit mehreren Jahren wegen Volksverhetzung und diversen anderen Straftaten hinter Gitter saß. Laut ihm trugen die jungen Mädchen des Heimatdorfes nur ihre Kleidung, damit man sie von den aus Afrika stammenden Nilpferden unterscheiden konnte. „Do mochts schon nix aus, wenn an mal die Hond oder der Schwängel ausarutscht. Wenn du vastehst wos i man, Luis.“



Luis lief ein kalter Schauer dem Rücken herunter, als er an die Schandtaten des Tonis denken musste. So wie er, wollte er nie werden. Ja, Luis war den Weibstieren des Dorfes auch nicht immer respektvoll gegenüber. So wanderten seine Hände einmal in den Beutel eines betrunkenen Kängurus und manchmal beleidigte er die Häschen als „reudige Hündinnen“, wenn er bei ihnen abblitzte. Dass Luis überhaupt an diesem Ort gelandet ist, war auch seinem Benehmen gegenüber der Kamelstochter Osmans geschuldet. Aber so wie der Toni werden? Niemals!



Worüber sich die Podiumsgans beschwerte, konnte der Nager trotzdem nicht verstehen. Es handle sich doch nur um ein Videospiel und die kritisierten Punkte hörten sich eher wie Stilmittel an. Und ohnehin konnte er das Medium Videospiel nicht vollständig begreifen.



„Also ganz ehrlich, ich glaube du übertreibst. Das ist doch nicht schlimm. Ich denke, es gibt größere gesellschaftliche Probleme in der weiten Welt, als Figuren in einem Videospiel. Zumal sich das nicht einmal wirklich schlimm anhört.“


Plötzlich liefen die Federn im Gesicht der bunt gefärbten Gans rot an.


„Was erlaubst du dir! Du musst einer dieser Spione oder Spioninnen sein! Du bist völlig verrückt! Natürlich ist das ein Problem! Frauen in Videospielen werden immer falsch dargestellt! Wir sollten nicht unter Männern stehen! Gleichberechtigung! Und die armen Wölfe!“


Klapps! Ein lautes Geräusch ertönte im Raum. Luis stand nun neben der schnatternden Gans und die Zuseher machten riesige Augen. Die Handfläche von Luis befand sich auf dem gefiederten Hinterteil der Emanzengans. Klapps! Klapps! Zwei weitere Male klappste er mit seiner Pfote auf den Po der Vorträgerin. Diese wusste nicht, was gerade mit ihr geschah. Klapps! Klapps! Klapps! Wie damals, als das Hängebauchschwein Rudi eine Fliege erschlagen wollte, diese aber wegen seiner eigenen Trägheit immer verfehlte. Klaps!


„Schnepfe, halt den Schnabel“, sagte der Luis in einem etwas ernsteren Tonfall, während er sich in langsamen Schrittempo von der Bühne entfernte.


Das Gequake war laut. Man werde die Polizei rufen, der Nager werde auf ewig hinter Gitter kommen! Die Podiumsgans weinte und schnatterte lauthals mit den anderen. Nun waren ihre Worte nicht mehr von ihren Gefolgstieren zu unterscheiden.


Aber Luis war das egal. Er verlies den Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Im Gang angekommen schnaufte er durch und verdrehte seine Augen.


„Das nenne ich ein wahres Problem“, dachte er sich und hatte währenddessen ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht.