
»Bist du nicht schon zu alt zum Zocken?«
Eine Frage, die Erwachsene hören, wenn sie offen über ihr Hobby sprechen. Eine Frage, die oft mitschwingen lässt, dass Gaming ein Zeitvertreib für Kinder sei – eine Phase, die man doch bitte irgendwann hinter sich lassen sollte. Doch was, wenn das Zocken nie nur eine Phase war? Wenn es uns über Jahrzehnte hinweg begleitet hat – durch Schulzeit, Ausbildung, Arbeit, Krisen und ruhige Abende?
Gaming ist längst kein Nischenhobby mehr. Es ist eine der größten Unterhaltungsindustrien der Welt, eine kreative Plattform, ein soziales Netz und – für viele – eine Form emotionaler Verarbeitung. Und doch haftet dem Spielen noch immer das Klischee des Unreifen an. Dabei verändert sich das Spielverhalten genau wie wir selbst: Es wird reflektierter, gezielter, oft auch stiller.
Ein gesellschaftliches Thema im Schatten
Das Thema ist allgegenwärtig – und doch wird es selten offen angesprochen: das Spielen von Videospielen im Erwachsenenalter. Auch wenn wir im Jahr 2025 längst nicht mehr zu einer kleinen „Nerd-Nische“ gehören, haftet dem Hobby noch immer ein veraltetes Bild an. In den 1990er-Jahren galten Videospiele noch als Randprodukt. Wer zockte, war entweder Kind oder jemand, der nie ganz erwachsen wurde. Diese Haltung ist bis heute spürbar – oft unausgesprochen, aber stets in der Luft.
Dabei sind die Maßstäbe von damals längst überholt. Die Meinungen unserer Eltern oder Großeltern – geprägt von einer Zeit, in der Medienkonsum meist passiv war – tragen heute keine Aussagekraft mehr über die Vielfalt und Tiefe moderner Spiele. In einer Welt, in der jeder Mensch einen leistungsfähigen Computer in der Hosentasche trägt, hat sich unser Umgang mit digitalen Medien grundlegend verändert. Dennoch ist das Medium Videospiel in vielen Köpfen noch nicht wirklich angekommen.
Oft wird beim Wort „Videospiel“ noch an bunte Kinderwelten gedacht – schrille 3D-Figuren, simple Mechaniken, wenig Anspruch. Was dabei übersehen wird: Hinter der Oberfläche verbergen sich ferne Welten, komplexe Spielsysteme und Erzählungen, die sich in ihrer Tiefe nicht hinter großen Romanen oder Filmen verstecken müssen. Videospiele erschaffen Atmosphären, die aus der tiefsten Fantasie des Spielers geboren zu sein scheinen. Sie laden zur Auseinandersetzung ein – mit sich selbst, mit Entscheidungen, mit Emotionen.
Doch solange das Bild des Spiels auf oberflächliche Klischees reduziert bleibt, wird diese Tiefe nicht gesehen. Das ist schade – und zeigt, wie weit unsere Gesellschaft in manchen Bereichen noch davon entfernt ist, digitale Kultur als gleichwertig anzuerkennen.
Videospiele begleiten viele Menschen heute über Jahrzehnte hinweg – von der Kindheit über das Erwachsenenalter bis hin zur Rente. Was früher als kurzfristige Leidenschaft galt, zeigt sich heute als lebenslanges Hobby, das sich mit seinen Spielerinnen und Spielern weiterentwickelt.
Mit dem Älterwerden verschieben sich die Prioritäten – und damit auch die Art, wie gespielt wird. Wo früher schnelle Reaktionen, Wettkämpfe oder das ständige Streben nach dem nächsten Level im Vordergrund standen, rücken heute oft andere Qualitäten in den Fokus: Atmosphäre, Erzählkunst, Emotion. Genres, die früher kaum Beachtung fanden – etwa ruhige Adventures, komplexe Strategiespiele oder erzählerisch dichte Indie-Titel – gewinnen an Bedeutung.
Der Wechsel der Interessen geschieht meist unbewusst. Der Blick auf Spiele verändert sich, je mehr Lebenserfahrung hinzukommt. Man nimmt sich mehr Zeit, reflektiert Inhalte anders, sucht Tiefe statt Reizüberflutung. Das Spiel wird nicht mehr nur zur Ablenkung genutzt, sondern zur Erholung, zum Nachdenken – manchmal sogar als kreative Inspirationsquelle.
Und auch wenn im stressigen Alltag zwischen Beruf, Familie und Verpflichtungen oft weniger Zeit zum Spielen bleibt, bleibt die Verbindung zum Hobby bestehen. Vielleicht intensiver denn je – weil die wenigen Stunden, die man sich nimmt, bewusst erlebt werden.
Bis ins Rentenalter kann Gaming ein fester Bestandteil des Lebens bleiben. Nicht mehr als kindlicher Eskapismus, sondern als kultivierte Freizeitbeschäftigung. Eine, die Geist und Fantasie fordert, soziale Kontakte pflegen kann und zugleich Entschleunigung bietet.
Videospiele wachsen mit uns – sie passen sich unseren Lebensphasen an. Und sie bleiben, auch wenn sich unser Geschmack verändert. Wer ein Leben lang gespielt hat, gibt diese Welt nicht einfach auf. Im Gegenteil: Sie wird mit jedem Jahr bedeutungsvoller.
Denn wer sich sein Staunen bewahrt, wer noch bereit ist, in fremde Welten einzutauchen und Neues zu entdecken, der ist nie zu alt zum Spielen – sondern einfach genau richtig.
Kommentare 11
Masters 1984
Richtig cooler Blog. Für mich ist Gaming genauso wie für andere ein wichtiges Hobby wie Sport, Musik, Lesen und Co. Es ist ein wichtiger Teil von mir und möchte ich ehrlich gesagt nicht mehr missen. Mein Spielegeschmack hat sich im Laufe der Jahre erweitert. Früher waren es fast nur bunte Welten wie die von Nintendo, doch jetzt ist es noch sehr viel mehr. Ich liebe es in schöne große Welten wie in Witcher 3 einzutauchen, solange die Qualität stimmt. Assassin's Creed Origins und Odyssey liebe ich auch aber bereits Valhalla war mir zu anstrengend und mittlerweile breche ich Spiele auch ab, wenn sie mir nicht gefallen, unabhängig davon wie andere das finden, da mir das Spiel ja gefallen muss. Ebenso liebe ich Spiele mit emotionalen tiefgründigen Geschichten wie in The Last Of Us oder Detroit Become Human.
AinoHinode
Deine Artikel sprechen mir so sehr aus der Seele und sind auch allgemein sehr angenehm zu lesen.
Videospiele haben mich auch schon mein ganzes Leben lang begleitet. 1989, als ob mein Leben und der Game Boy aufeinander abgestimmt wären.
Klar, bei mir hat sich auch der Geschmack sehr gewandelt. Aber ich habe eher das Gefühl, dass sich der Markt bzw. die erscheinenden Spiele mehr verändert haben. Das merke ich vor allem, da ich letztes Jahr mir einen gescheiten Gaming-PC gekauft habe und erstmals viele Assassin's Creed-Spiele erstmalig gespielt habe. Vor allem den ersten Teil merkt man sein Alter an. Aber ich konnte mich direkt darin wohl fühlen. 3D-Spiele, in denen man seinen Charakter frei bewegen kann und auch Kontrolle über die Kamera hat, sind mein Heimathafen. Ich erwische mich beim Scrollen durch den eShop aber auch manchmal, dass mir bestimmte 2D-Titel etwas zusagen, was sehr selten der Fall ist.
Aber neben der Optik (muss aber bei besten Willen kein ultra scharfes und realistisches Charakterdesign sein, das schreckt mich sogar eher ab) sind vor allem die Welt, die Story und die Musik sehr wichtig für mich. Ich versinke in Rune Factory bereits seit 50 Stunden und es geht immer noch weiter. Aber nach der Arbeit hab ich eh nicht so die Zeit oder den Nerv, da darf es auch mal paar Matches Splatoon oder ein bisschen Picross oder Sudoku sein. Letztere kann ich auch schön angenehm im Handheld beim Fernsehen spielen.
FloF
Hat Spaß gemacht deinen Text zu lesen. Tatsächlich werden Spiele immer Teil meines Lebens sein. Ich bin mit dem Gameboy aufgewachsen und habe eigentlich, nie, nicht gezockt. Es gab mal eine Phase wo ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich durch das zocken vielleicht etwas im Reallife verpasse. Aber ich habe dann einfach mehr nebenbei gemacht und weniger gezockt. Aber aufgehört habe ich nie. Je älter ich werde desto einfacher werden allerdings meine Spiele. Ich kann dann viel besser abschalten. Ich brauche diese „superkrassentripplethousend“ Games einfach nicht mehr. Ich schalte bei DK oder Mario Sportspiele ab, neuerdings sogar Kirby, mit der rosafarbenen Kugel konnte ich „früher“ nichts anfangen. Aber ich freue mich sehr wenn die Switch 2 Version von dem kleinen rauskommt.
PALADEAN Autor
Danke dir, freut mich echt zu lesen! Ich kann das total nachvollziehen – Spiele begleiten einen einfach durchs Leben, wenn sie einmal ein fester Teil davon waren. Dass du mit dem Gameboy aufgewachsen bist, merkt man direkt – das sind so prägende Erinnerungen. Diese Phase, in der man sich fragt, ob man durchs Zocken was verpasst, hatte ich auch. Aber irgendwie findet man seinen Weg, oder? Weniger zocken, mehr daneben machen – genau wie du sagst.
Wildbirne
Wirklich schön geschriebener Text
Wie du schreibst, verändert man sich selbst, aber auch die Spiele. Ich bin grad in einer Phase, in der mir viele Spiele nicht mehr so viel Spaß machen, weshalb ich versuche insgesamt weniger zu zocken und gleichzeitig aber auch komplett neue Spiele auszuprobieren, die ich früher nie gespielt hätte.
Gaming wird bei mir aber nie ganz verschwinden. Manchmal erleb ich es vielleicht mehr passiv als aktiv durch Videos oder Streams, aber die magischen Momente, die Spiele einem geben können, möchte ich bis ins Rentenalter nie vermissen.
PALADEAN Autor
Auch ich bin mit meinen 30
Jahren in so einer ähnlichen Phase. Speziell AAA Titel gleichen immer dem selben Schemata. Als Beispiel: Ich bin ein riesiger God of War Fan, ich habe in fast allen Teilen die Platin geholt. Aber bei Ragnarok war die Luft total raus. Ich hatte nichtmal mehr die Motivation das Spiel überhaupt zu kaufen, da lag der Fokus auf anderen Titeln und Genres. Verrückt.
Antiheld
Sehr schön geschriebener Text. Und natürlich stimme ich zu, dass das Medium so groß und so gewachsen ist, dass es schon seit Ewigkeiten längst nicht mehr nur für Kinder ist und die Spieler mit dem Medium mitaltern.
Sobald die erste Generation der Leute, die flächendeckend mit Videospielen aufgewachsen ist ins Rentenalter kommt, werden auch Videospiele im Rentenalter Normalität werden.
Ob das immer eine kulivierte Freizeitbeschäftigung wird, das würde ich eher bezweifeln. Ist aber auch nicht schlimm. Denn einerseits sind Dinge wie Sudoku, Kreuzworträtsel... schon jetzt auch sehr bei älteren Leuten beliebt von daher werden Puzzle-Spiele wohl bei älteren Gruppen weit oben landen.
Vor allem aber kann man das denke ich mit Film und TV vergleichen. Zwar wird die Mehrheit der Leute ihren Filmgeschmack zwischen Kindheit, Jugend, Erwachsenen- und Rentenalter schon in einem Flow ändern, doch auch da ist es nicht so, als würden Rentner durch die Bank hochkultivierte Arthouse-Filme schauen. Bei Spielen wird es da nicht anders sein.
PALADEAN Autor
Sehr treffend! Wie bei Film und TV wird sich auch beim Gaming der Geschmack mit dem Alter verändern – aber ganz verschwinden wird er nicht. Spiele bleiben Teil des Lebens, und das ist auch gut so – egal ob Puzzle, Indie oder Blockbuster.
DarkLord
Gaming ist mittlerweile Alltag geworden, und teil des Lebens. Zocken ist in der Gesselschaft nicht mehr weg zu denken, und wer dies immer noch als nur für Kinder abstempelt; der hat irgendwie den Lauf der Zeit verpasst. Games waren schon immer komplex und herausfodernd, mit ihnen musste man sich auseinander setzen. Sie sind nicht einfach nur irgendeine Spielerei sondern bieten einen Herausfoderungen und Rätsel und genau dies tut einen auch gut. Denn sie fördern auch unser Gehirn, sowohl Kreativ als aber auch Strategisch. Und damit sind sie Komplexer als eine einfache Spielerei.
Ob man zum zocken zu alt ist oder nicht, dies muss jeder für sich entscheiden.
Für mich ist aber klar, solange es mir Spaß und Freude bereitet solange werde ich den Gaming treu bleiben. Und dies auch wenn ich aus finanziellen, oder hier persönlichen Gründen nicht mir die neusten Games zu gigantischen Preisen holen werde; sondern lueber auf bekannte Titel setze, oder im Indie Bereich stöbere. Aber auch dies wird mich nicht vom Zocken abbringen.
PALADEAN Autor
Seh ich genauso. Gaming ist längst mehr als nur Kinderkram – es fordert, fördert und macht Spaß. Alter spielt dabei keine Rolle. Solange es Freude bringt, bleibt es ein wertvoller Teil des Lebens – ganz egal, ob AAA oder Indie
Fang
"Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden. Sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen!" - Oliver Wendell Holmes