Daniels Blickwinkel: Nintendo hat Europa verschlafen

  • Hallo Leserinnen und Leser! In den Blickwinkel-Artikeln hier auf ntower erhalten Mitglieder der Redaktion die Möglichkeit, einmal ganz persönlich über aktuelle, kontroverse und heiß diskutierte Themen aus der Videospielwelt zu sprechen. Die Autoren vertreten dabei ihre ganz eigene Meinung, die nicht die Ansichten des gesamten Teams widerspiegelt. In diesem Blickwinkel-Artikel kritisiert Daniel K. Nintendos Entscheidung, Dragalia Lost erst nach anderen Regionen in Europa zu veröffentlichen und schätzt ein, wie sich dies auf den Erfolg der Marke auswirken wird.


    Aufmerksame Leser bei ntower werden mich als den "Fire Emblem Heroes-News-Typi" kennen. Wann auch immer etwas Spannendes im Heldenlager vor sich geht, ich bin zur Stelle, um darüber zu berichten. Und wenn nicht, dann bin ich wahrscheinlich gerade dabei, selbst einmal zu spielen und verzweifelt den Sphären hinterherzurennen. Ich selbst war bisher immer skeptisch, was Nintendos Einzug in den Mobile-Markt anbelangt, was sich auch in meinem letzten Kommentar widerspiegelt. Doch ich habe Gefallen daran gefunden, zumindest in mancherlei Hinsicht. Umso gespannter war ich auf Nintendos nächsten Smart Device-Eintrag, Dragalia Lost. Dragalia... was nochmal? Solltet ihr noch nie, oder nur ganz wenig, vom Spiel gehört haben, ich kann es euch nicht verübeln.


    Nintendo reizte das ursprünglich datierte Sommer-Zeitfenster für die Erstveröffentlichung der Mobile-App komplett aus und brachte das Spiel am 27. September auf den Markt. Zuerst aber nur in Japan, den USA und einer Handvoll kleinerer Märkte. Europa wurde wie zuerst geplant vorerst ausgelassen und soll den Titel zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht bekommen. Eigentlich sollte dies für alle westlichen Märkte gelten, einschließlich der USA. Mit der Hilfe des Lokalisierungsteams 8-4 ist die Punktlandung in den USA aber gerade so noch geglückt. Kanada hingegen schaut blöd aus der Wäsche. Und genauso tun es wir hier in Europa.



    Große Diskrepanzen bei Spielveröffentlichung japanischer Videospieltitel sind bei Weitem nichts Neues und bis vor wenigen Jahren noch die Regel, statt Ausnahme gewesen. Man erinnere sich an die großen Wartezeiten, die wir im Westen durchleben mussten, während japanische Spieler schon seit etwa einem Jahr Animal Crossing, Fire Emblem oder die neueste Pokémon-Edition spielten. Man hat sich dran gewöhnt, man entwickelte eine eigene Resistenz dafür, sich darüber aufzuregen. Aber Smart Device-Spiele, die sind ein ganz anderes Biest. Viele Mobile-Titel – und da gehört Dragalia Lost in jederlei Hinsicht dazu – leben von Aktualität, von täglich neuen Inhalten. Sie erfordern Geduld, Zeit und die Loyalität des Spielers. Wer nicht am Ball bleibt und an Events teilnimmt, der hat vielleicht später das Nachsehen. Und nun ist es so, dass sich Nintendo mit einem waschechten Mobile-Experten verbündet hat, um Dragalia Lost Wirklichkeit werden zu lassen. Cygames ist für seine Granblue Fantasy-Marke unter japanischen (Mobile-)Spielern bestens bekannt und weiß, wie der Laden läuft.


    Es ist also wenig überraschend, dass Dragalia Lost sich vom populären Cygames-Aushängeschild eine dicke Scheibe abschneidet und mit zeitlich begrenzten Events, speziellen Items und Charakteren sowie einem clever durchdachten Mikrotransaktionsmodell alle Punkte der "Wie mache ich ein erfolgreiches Mobile-Spiel?"-Liste abhakt. Für besondere Ereignisse wie das kürzlich stattgefundene Halloween-Event möbelt man sogar das Menü um und bindet neue, spukreiche Musikstücke und Remixes der japanischen Sängerin DAOKA ein. In Mitteilungen verkündet man fast wöchentlich Änderungen am Spiel, an Spielmodi und Weiterem, um dem Spieler-Feedback gerecht zu werden. Klingt alles super soweit, doch was haben wir davon? Spiele der Gachapon-Sorte, wie Dragalia Lost es ist, bauen auf aktuelle Inhalte. Zum Zeitpunkt, an dem das Spiel auch in unseren Gefilden verfügbar gemacht wird, sind all diese Events längst vorbei. Und wer garantiert uns, dass wir dieselben Voraussetzungen und Chancen haben werden, all diese Inhalte nachholen zu können, die unsere japanischen und amerikanischen Freunde schon als Alltag betrachten?


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    Im Moment haben wir keinerlei Anzeichen darauf, wann Nintendo vorhaben könnte, Dragalia Lost in Europa oder – einmal ehrlich gesagt – weltweit zu veröffentlichen. Gegenüber Investoren spricht Nintendo-Präsident Shuntaro Furukawa von weltweit verfügbaren Mobile-Spielen, gleichzeitig ist Dragalia Lost das Paradebeispiel für eine missglückte globale Veröffentlichung. Dass man das Spiel nicht von vornherein hierher bringen kann oder will, ist die eine Sache. Doch was mich mehr verunsichert, was mich misstrauisch werden lässt, ist die Tatsache, dass wir nie eine Erklärung bekommen haben, was das Spiel zurückhält. Ist es der Lokalisierungsaufwand in allerhand internationale Sprachen? Gibt es Lizenzierungsprobleme hinsichtlich der im Spiel enthaltenen Musik von DAOKA? Werfen europäische Spieler einfach nicht genug Geld ab, um eine gleichzeitige Veröffentlichung zu rechtfertigen? Nintendo zeigt sich besorglich intransparent und das gefällt mir nicht.


    Eine separate Veröffentlichung für Europa, oder insgesamt für alle restlichen Märkte, hat auch einen weiteren Nachteil: Man muss wieder die Werbetrommel schlagen und dafür sorgen, dass das Spiel, die brandneue Marke, in die Köpfe der Leute kommt. Nintendo tut sich schon verhältnismäßig schwer, ihre etablierten Marken wie Fire Emblem oder Animal Crossing groß für Smart Devices zu bewerben, was soll dann erst ein No-Name-Spiel wie Dragalia Lost für Chancen haben? Nintendo kommt auf keinen grünen Zweig, wenn immer nur die Obernerds der Fangemeinden ihre Mobile-Spiele ausprobieren. Vor allen Dingen will man damit neue Konsumenten erreichen oder alte zurückgewinnen. Auf diese Weise schafft man das ganz sicher nicht. Was getrennte Veröffentlichungen für Auswirkungen haben, zeigte schon Super Mario Run, welches erst Monate später – und zum schlechtesten Zeitpunkt überhaupt, während des Nintendo Switch-Booms – für den Großteil der Smart Device-Nutzer verfügbar wurde und entsprechend für wenig Hype sorgen konnte.


    Was meint ihr? Hätte Nintendo eine simultane Veröffentlichung von Dragalia Lost anpeilen sollen? Seht ihr Erfolgschancen für die neue Marke?

  • Finde es auch schade das immer viele Games erst später zu uns kommen.
    Du sprichst da genau den Punkt an der mich stört: bei Nintendo sagt uns keiner warum.


    Bisher sieht Dragalia Lost eigentlich sehr nett aus - hoffe das es wirklich noch nach Europa kommt.
    Bin nach meinem letzten Smartphone-Game (Summoners War) eh seit gut zwei-drei Monaten auf der Suche nach einem neuen vernünftigen Spiel.

  • Die meisten Smartphone-Spiele konnten mich bislang nicht begeistern, und schon gar nicht länger motivieren. Pokémon Shuffle ist da eine Ausnahme, das ich gelegentlich spiele.


    Daher ist mir ein verzögerter Release in Europa relativ egal. Ich habe nicht das Gefühl irgendwas zu verpassen. Wenn es irgendwann hierzulande erscheint, werde ich es vermutlich testen, aber ein großes Spiel verspreche ich mir da nicht.

  • Die wichtigsten Außenhandelspartner Japans sind mit weitem Abstand die USA, China sowie allgemein der asiatische Raum. Europa ist nicht irrelevant, aber im Zweifelsfall auch nicht besonders bedeutend. Das gilt erst recht bei Videospielen, die für den hart umkämpften japanischen Binnenmarkt designt werden und primär auch in den USA funktionieren sollen. Europa mit seiner Heterogenität an Sprachen, (Spiel-)Kulturen und Traditionen sowie Kaufkraft wirkt aus dieser Perspektive im schlimmsten Fall leider abschreckend. Wir sind in Deutschland sogar noch vergleichsweise begünstigt.

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