Gestern publizierte die britische Tageszeitung The Guardian ein umfangreiches Interview mit Shinya Takahashi und Hisashi Nogami von Nintendo. Für das 1889 gegründete Unternehmen ist es bereits das 130. Jahr auf dieser Erde. Dies nahm The Guardian zum Anlass, die beiden Herren, welche Nintendo selbst bereits seit vielen Jahren begleiten, über verschiedene Entstehungsprozesse auszufragen. Aktuelle Einblicke in das sonst wenig besprochene innere Uhrwerk des Videospielgiganten sind rar. Umso interessanter dürften die Aussagen der erfahrenen Nintendo-Gesichter daher für uns sein. Wir haben die wichtigsten Informationen für euch aufbereitet.
Nintendo geht es ums Lachen
Die japanische Hauptzentrale von Nintendo, wo der Großteil der Eigenproduktionen wie Super Mario oder The Legend of Zelda entstehen, befindet sich in der Stadt Kyoto in der Kansai-Region. In Japan ist dieser Fleck Land unter anderem für seinen Humor bekannt. Es liegt also nahe, dass auch Shinya Takahashi das Lachen als oberste Priorität für Nintendo sieht. Im Moment blickt dieser mit wachendem Auge über allerhand Nintendo Switch-Entwicklungen und stellt sicher, dass die Hybridkonsole ein Erfolg bleibt. Er hofft, dass Nintendos Spiele die Leute zum Lachen bringen.
In der Zeit des Internets ist es für Nintendo einfacher denn je nachzuverfolgen, wie Konsumenten neu veröffentlichte Spiele und Konsolen aufnehmen. Takahashi erinnert sich jedoch an eine Zeit zurück, in der dies nicht so einfach war. Früher schätzte man die Zufriedenheit der Spieler ein, indem man ihre Gesichter beim Spielen beobachtete, erzählt Takahashi. "Als ich jünger war und eines der Spiele erschienen ist, an denen ich beteiligt gewesen bin, besuchte ich manche der Läden und schaute mir die Gesichter der Leute an, während sie spielten.", erinnert er sich. "Wenn sie überrascht oder glücklich geschaut haben, wenn sie gelacht haben, dann dachte ich: Ja, wir haben es geschafft!"
Angst vor dem Unbekannten
Zum aktuellen Zeitpunkt kann sich Nintendo auf die populäre und verkaufsstarke Nintendo Switch verlassen, doch dies war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren landete man mit der Wii U-Konsole einen wenig rühmlichen Misserfolg. Dass sich die Zahlen nun wieder gebessert haben, freut natürlich auch Nintendos Chefetage. Dazu sagt Shinya Takahashi:
ZitatBevor die Nintendo Switch erschienen ist, war es sehr schwierig, etwas noch nie Dagewesenes näherzubringen – eine Spielekonsole, mit der man Zuhause spielen und die man genauso überall hin mitnehmen kann. Nachdem Leute es jedoch selbst erlebt haben, begannen sie, es sich gegenseitig zu erzählen. Damit wurde praktisch der Schalter umgelegt.
Dazu äußert sich auch Hisashi Nogami, den viele als den Producer der noch frischen Splatoon-Serie kennen werden. "Es wird niemals einfacher", ergänzt er lachend. Jede Neuheit sei für den Konsumenten erst einmal etwas Unbekanntes, so Nogami. Unbekanntes mag keiner so recht ausprobieren wollen. Deshalb werden sich die Leute immer etwas vor neuen Dingen sträuben, meint er.
Kein Erfolg ist garantiert. Es braucht "Wow"-Momente.
Takahashi spricht darüber, dass selbst Nintendos eigenen Entwickler manchmal nicht sicher sind, ob ein Konzept funktionieren wird oder nicht. Als der Prototyp der Wii-Konsole einer größeren Gruppe an Nintendo-Entwicklern vorgestellt wurde, machte sich Skepsis breit. Leute sahen die Wii-Fernbedienung, welche auf Bewegungssteuerung setzte, und fragten sich, was das soll und ob das tatsächlich funktionieren könne. Nachdem die Technik aber ausprobiert wurde, zeigten sich viele begeistert. "Das zeigte uns, dass es funktionieren würde", sagt Takahashi. Bei der Nintendo Switch ist die Resonanz positiver gewesen. Ein vielversprechendes Konzept alleine genügt Hisashi Nogami jedoch nicht. Für ihn kommt es darauf an, seine Ideen in der Praxis zu veranschaulichen.
ZitatAlles anzeigenTakahashi:
Bei der Nintendo Switch kannten wir alle das Konzept, aber als wir den Prototypen ausprobiert haben und gesehen haben, wie perfekt Mario Kart auf dem kleinen Bildschirm funktioniert, waren wir verblüfft. Selbst wenn man Konzept und Design kennt, kann man nicht immer voraussagen, ob etwas funktionieren wird.
Nogami:
Es reicht nicht, seine Idee in Worte zu fassen. Man muss Leuten ein konkretes Beispiel geben, um ihnen zu zeigen, wie es funktioniert. Es liegt an uns, Kreationen zu verwirklichen, welche bei Spielern diesen "Wow"-Moment hervorrufen.
Nintendo vereint Jung und Alt
Dass innerhalb von Nintendos eigenen Entwicklungsteams immer mehr junge Leute zum Zug kommen, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Spiele wie New Super Mario Bros. 2 wurden etwa von einer Gruppe kompletter Neulinge entwickelt, welche speziell von erfahrenen Mitarbeitern darin ausgebildet wurde, traditionelle Super Mario-Level zu erstellen. Auch die Splatoon-Reihe entspringt den Ideen vieler junger, kreativer Geister bei Nintendo. Takahashi und Nogami gehen auf diesen Aspekt der heutigen Videospielentwicklung genauer ein.
Personen, welche vor 10 bis 15 Jahren die Spiele genossen haben, an denen Takahashi mitwirkte, sind heute seine Arbeitskollegen. Schon mehrmals haben ihn diese Personen aufgesucht, nicht aber, um ihn nach Ratschlägen zu fragen oder um in seine Fußstapfen zu treten, erklärt er humorvoll. Auch wenn mittlerweile mehrere Generationen an Leuten zusammenarbeiten, verfolgen sie alle das Ziel, sich bedeutsame Überraschungen für die Spielerschaft auszudenken. Dabei kommen teilweise sehr unterschiedliche Herangehensweisen auf. Nintendos Aufgabe sei es, diese verschiedenen Ansichten zu einen und neue, aufregende Arten der Unterhaltung zu finden, sagt Takahashi. Sollten nur die erfahrenen Mitarbeiter ein Thema besprechen, zappelt man nicht lang, bis man die Perspektive einer anderen Person heranzieht.
Dazu ergänzt Herr Nogami:
ZitatEs geht nicht nur darum, in welcher Generation sie aufgewachsen sind, sondern auch darum, womit sie aufgewachsen sind, woher sie kommen, wo ihre Interessen liegen. Leute haben andere Ideen, je nach dem, ob sie sich für Sport interessieren oder ständig Bücher lesen. Jemand, der sein ganzes Leben lang Videospiele gespielt hat, wird andere Ansichten haben als jemand, den soziale Netzwerke geprägt haben. Was Nintendo so toll macht, ist der Austausch der Ideen zwischen den Personen all dieser Generationen und persönlicher Hintergründe.
Shigeru Miyamoto als Deus ex Machina
Die durchschnittliche Zeit, die ein Mitarbeiter bei Nintendo verbringt, beträgt 13,5 Jahre. Eine beachtliche Zahl für eine Industrie, in der Talente von Studio zu Studio springen. Nintendo aber scheint gut darin zu sein, sich um das Wohl seiner fähigen Hände zu kümmern, sodass diese auch gerne länger bleiben. Einige namenhafte Personen sind bis zum heutigen Tag immer noch Teil des Unternehmens, darunter natürlich auch die Entwicklerlegende Shigeru Miyamoto.
Miyamoto sei nicht mehr so tiefgreifend in die Entwicklung aktueller Projekte involviert, als dass er bei jeder ach so kleinen Entscheidung mitbestimmen würde. Allerdings überwache er die Entwicklung ganzer Produktionen und gebe gelegentlich Rückmeldung, wenn ihm etwas zu bitter aufstößt. "Das ist schlecht, das ist schlecht und vorallem das ist schlecht", so erzählt es Takahashi lachend. Selten soll Miyamoto lobende Worte haben, darüber ist man sich bewusst.
"Tatsächlich ist er eine schüchterne Person", erklärt Takahashi, "selbst wenn er etwas gut findet, sagt er es einem oft nicht direkt." An dieser Stelle muss Nogami gestehen, noch nie von Miyamoto gelobt worden zu sein. Takahashi hat aufmunternde Worte: "Vielleicht hat er es dir nicht ins Gesicht gesagt, aber in Wahrheit ist er sehr zufrieden mit dir."
Takahashi und Nogami ziehen ein Resümee
All die Jahre bei Nintendo bisher boten den beiden eine aufregende Zeit. Noch sind sie nicht am Ende der Fahnenstange, doch die Videospiellandschaft ist heute ganz anders als damals, als sie im Unternehmen angefangen haben.
ZitatAlles anzeigenNogami:
Manche Dinge haben sich geändert, andere nicht. Spiele sind für mich immer noch ein Ort, an dem man Spaß haben kann. Die Gaming-Generation hat sich jedoch erweitert: es waren zuerst nur Kinder, aber nun ist es eine riesige Menge an Leuten. So viele Generationen spielen und Spaß haben zu sehen, ist das Größte, was sich für mich geändert hat. Ich glaube nicht, dass der gewöhnliche Spieler weiß, wie viel Arbeit auch nur darin fließt, ein Spiel zu machen, aber gleichzeitig glaube ich auch nicht, dass er es unbedingt wissen muss.
Takahashi:
Wenn wir vor 30 Jahren gefragt hätten "Spielst du Videospiele?", hätte die Antwort Ja oder Nein sein können. Wenn wir die gleiche Frage heute stellen, wird die große Mehrheit mit Ja antworten. Wir versuchen all diese Leute zu unterhalten. Wie ein Schwan, an der Oberfläche sehen wir elegant aus, aber unter Wasser sind wir wie verrückt am strampeln.
Wenn euch das ganze Interview in englischer Sprache interessiert, dann schaut doch einmal bei The Guardian vorbei.
Welche Aussagen aus dem Interview findet ihr besonders interessant?
Quelle: The Guardian