Cordovan Karolus Als Japanisch-Deutsch-Übersetzer finde ich es natürlich auch grundsätzlich besser, wenn aus dem Japanischen übersetzt wird. Das hängt für mich immer ein Stück weit davon ab, wie die Umstände einer Lokalisation ausfallen. Dragon Quest und Fire Emblem werden beispielsweise aus dem Englischen übersetzt, was ich aber vollkommen in Ordnung finde, da beide Spielreihen einem grundlegend anderen Schreibstil in der westlichen Lokalisation verfolgen sollen, als im jap. Original (und im Ergebnis merkt man auch, dass dies jeweils gute Entscheidungen waren).
Persona 5 Royal finde ich dafür, dass es bereits vor Jahren in der Vanilla-Version auf Englisch rauskam, ein wenig faul übersetzt. Ich gehe davon aus, dass das Spiel einer Firma übergeben wurde, die eben mal schnell und günstig das Spiel heruntergerattert hat. Ich denke, das Spiel hätte textlich stark davon profitiert, wenn es jemand übersetzt hätte, der mit dem Spiel bereits vertraut ist. Eine Übersetzung aus dem Japanischen hätte die Qualität zwar vermutlich ein wenig retten können, aber ich halte das Spiel – trotz seines Settings – nicht für sonderlich japanisch, dass die Übertragung aus der Originalsprache irgendwelche ausschlaggebenden Nuancen übertragen hätte.
Das „Siezen”, wie du es bezeichnest, und die damit verbundenen Respektebenen im Japanischen finde ich jetzt nicht so herausfordernd (wäre natürlich fatal für meine Arbeit, wenn ich das so empfinden würde). Auch, wenn die höflichen Anreden in beiden Sprachen viele Gemeinsamkeiten vereint, drücken die formellen und informellen Sprachstile im Japanischen eher andere Dinge aus (Respekt), als das Siezen im Deutschen (Distanz). Das erkennt man gut daran, dass man im Deutschen Personen bspw. auch im „Sie” beleidigen würde, während dies im Japanischen fast ausschließlich der informellen Form vorbehalten ist. Es geht weniger darum, Parallelen und Äquivalente zwischen beiden Sprachen zu finden und anzuwenden, sondern sich über diese sprachlich/grammatikalisch festgesetzten Regeln hinwegzusetzen, um die Essenz einer Aussage bzw. eines Dialogs zu begreifen und diese so in der Zielsprache umzusetzen, dass man quasi denken könnte, dass es ursprünglich in dieser geschrieben sein könnte. Wenn ich bei jedem Wort und jeder einzelnen Flektion darauf achten müsste, welche Nuance das evtl. haben könnte, würde ich 1. meine Deadlines ständig verpassen und 2. lauter Dinge hinzudichten, die vielleicht von den Autoren gar nicht beabsichtigt waren. Letztendlich sind das nur internalisierte Gesellschaftsregeln, und sofern ich nicht den Eindruck habe, dass die Geschichte darauf einen starken Bezug nimmt (und das tut sie ziemlich selten), sehe ich auch keinen Grund darin, diesen Extraschritt gehen zu müssen, den Lesern all diese sprachlichen Eigenheiten zu vermitteln.
Dass es immer wieder Leute gibt, die sich beschweren, dass die Übersetzungen zu sehr vom jap. Original abweichen, hängt wohl damit zusammen, dass sie meistens (schlecht geschriebene) Fansubs gewohnt sind, die sich in der Regel stark ans Original halten und sich deshalb oftmals etwas unnatürlich lesen – was die entsprechenden Personen zum Anlass nehmen, sich als Experten der japanischen Verständigungskultur zu betiteln und alles anzukreiden, was von diesem steifen Übersetzungsstil abweicht. Das Lustige ist, dass ich diese Leute aber deshalb schon nicht ernst nehmen kann, weil sie meistens über gar keine oder nur sehr geringfügige Japanischkenntnisse verfügen. Ich halte persönlich nicht viel davon, Sprachen und Praktiken anderer Länder derart zu exotisieren, dass man sie in der Zielsprache unbedingt so hölzern darstellen muss. Japaner sprechen ja auch nicht alle gleich oder sind sich gleichermaßen ihren Gesellschaftsregeln bewusst (wenn überhaupt). Deshalb halte ich diese Wort-für-Wort-Genauigkeit für großen Unsinn. Wer das bevorzugt und deshalb "freiere" Übersetzungen kritisiert, sollte die Energie lieber ins Japanischlernen stecken. Das spart einem selbst und anderen unnötige Aufregung.