Eine neue Ära oder das Ende eines Konsolenherstellers – Wird Nintendo Switch erfolgreich? Kommentar Spezial
Geschrieben von Roman Dichter am 15.01.2017
Die neue Konsolengeneration von Nintendo steht in den Startlöchern. Ab dem 3. März werden zahlreiche Fans die neue Hybrid-Konsole Nintendo Switch in Händen halten (oder an den Fernseher anschließen) und voller Begeisterung in das Universum von The Legend of Zelda: Breath of the Wild eintauchen. Außer Frage steht, dass Nintendo Switch jede Menge begeisterte Besitzer erhalten wird. Ebenfalls fest steht, dass es auch viele Kritiker geben wird, die nicht völlig zufrieden sind oder direkt vom Kauf absehen, weil sie nicht überzeugt sind. Für den normalen Spieler ist die Frage nach Erfolg und Verkaufszahlen zunächst einmal völlig egal, wenn er mit Konsole und Spielen persönlich zufrieden ist. Trotzdem steckt in der Frage nach dem wirtschaftlichen Erfolg von Nintendo Switch eine große Brisanz. Wird Nintendo am Ende erfolgreich sein?
Es ist bekannt, dass die letzte Hardware-Generation für Nintendo wirtschaftlich enttäuschend war. Man kam aus einer Zeit, in der mit Nintendo DS und Wii gigantische Verkaufszahlen erreicht wurden. Die Wii U konnte nur einen Bruchteil dieses Erfolges einbringen, wurde relativ schnell von namhaften Drittherstellern links liegen gelassen und spielt jetzt, noch vor dem Start des eigenen Nachfolgers, selbst für Nintendo praktisch keine Rolle mehr. Der Nintendo 3DS dagegen konnte nach einem holprigen Start zwar durchaus überzeugen und Nintendos Dominanz im Handheld-Sektor fortführen, aber insgesamt macht sich der Trend bemerkbar, dass besonders Gelegenheitsspieler zunehmend mit Spielen für die immer stärker werdenden Smartphones zufrieden sind, die sie sowieso in der Tasche haben. Schon seit Jahren wird das Ende der klassischen Handhelds vorausgesagt.
In Super Mario Run ist der Klempner nicht auf Nintendo-Hardware unterwegs. Wird er sich daran gewöhnen müssen?
Für Nintendo könnte die Switch-Generation, die nun Heimkonsole und Handheld zusammenführen soll, über die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Ebenfalls seit Jahren wird spekuliert und je nach Sichtweise erhofft oder gefürchtet, dass Nintendo den SEGA-Weg gehen könnte, sich also aus der Hardware-Produktion zurückziehen und auf die eigenen starken Marken konzentrieren könnte. Sicher ist das nicht der Weg, den Nintendo gehen möchte. Als erfolgreicher Konsolenhersteller hat man einen großen Namen und große Macht in diesem Wirtschaftssektor. Dagegen wäre man als reiner Spiele-Produzent nur einer unter vielen. Es ist schwer zu sagen, ob eine solche Umstellung nicht auch starke Umbrüche in der internen, personellen Struktur zur Folge haben würde. Im schlimmsten Fall wären Mario und Zelda dann zwar überall präsent, würden aber nur noch ausgeschlachtet und wären qualitativ letztlich ein Schatten ihrer selbst. SEGA ist sicherlich in dieser Beziehung auch kein ausschließlich positives Vorbild. Trotzdem ist dieser Weg nicht undenkbar, was uns Nintendos viel beachteter Einstieg in den Smartphone-Markt klar vor Augen führt. Mario ist bereits heute nicht mehr streng an Nintendo-Konsolen gebunden! Es ist also nicht völlig unrealistisch zu vermuten, dass der Erfolg von Nintendo Switch darüber entscheidet, ob wir hier von Nintendos letzter Konsole sprechen.
Schauen wir uns also genauer an, was wir bereits wissen und was dies über die Erfolgschancen der Hybrid-Konsole verrät. Ganz entscheidend ist natürlich immer das liebe Geld. Die interessanteste Frage in diesem Zusammenhang ist dabei: Ist der Preis tief genug angesetzt, um für eine große Masse an potenziellen Käufern attraktiv zu sein? Das wird am Ende die Praxis zeigen. Bereits jetzt wissen wir aber: Es wird nicht ganz billig! Etwa 300 Euro müssen für Nintendo Switch eingeplant werden. Zusätzlich möchten viele von uns weitere Joy-Con Controller für Mehrspieler-Partien, eine Ladestation, den Pro Controller und ein Netzteil kaufen. Natürlich gibt es noch weiteres Zubehör, das vielleicht nicht ganz so bedeutend ist, aber durchaus seine Berechtigung hat. Eine tragbare Konsole braucht eine passende Tasche, oder? Unterm Strich hat der durchschnittliche Switch-Spieler schnell die Kostengrenze von 500 Euro oder mehr geknackt – und wir haben noch nicht einmal über Spiele geredet. Davon kaufen wir natürlich unterschiedlich viele, aber für nur eines oder zwei Exemplare würde ja niemand diese ganzen Hardware-Kosten investieren. Haben wir uns also mit Software eingedeckt, sollte das Konto möglichst noch nicht leer sein, denn zukünftig werden Online-Partien bei Nintendo auch kostenpflichtig sein. All dies ist nicht völlig neu und von anderen Konsolen bekannt. Zudem kann man darüber diskutieren, ob die jeweiligen Preise zu hoch oder nicht doch völlig gerechtfertigt sind. Eines muss man aber feststellen: Wer sich das Hobby mit Taschengeld oder einem geringen Einkommen finanziert, muss wirklich überzeugt sein, um zuzuschlagen!
Durch die neue Konsole fallen für Spieler weitere Kosten für Spiele, Zusatzhardware und Online-Features an.
Dabei werden natürlich auch die negativen Aspekte genau betrachtet. Das kostenpflichtige Online-System ist sicher nichts, was spontanen Jubel auslöst. Im Gegenteil, Nintendo war bisher dafür bekannt und geschätzt, dem Kunden klar und verständlich die Preise vor Augen zu führen: Hier ist das Produkt, das ist der Preis. Einmal kaufen – glücklich sein! Diese Zeiten sind jetzt endgültig vorbei. Hardware wie der Nintendo 3DS XL wird ohne ein zugehöriges (und notwendiges) Netzteil verkauft. Es gibt Spiele mit dem „free to start“-Modell oder kostenpflichtigen DLC-Inhalten, die die Spieler nachträglich zur Kasse bitten. Und jetzt werden also auch Teile des Spielvergnügens an ein kostenpflichtiges Abo geknüpft. So hat sich der Markt halt entwickelt und Nintendo ist schließlich auf den Zug aufgesprungen. Für sich genommen ist jede dieser Maßnahmen begründbar und auch nachvollziehbar. Unsympathisch daran ist das Konzept, die wahren Kosten zu verschleiern, die die Kunden zu erwarten haben. Uns werden zunächst günstige Preise gezeigt, aber wer den vollen Spielspaß haben möchte, muss immer wieder Euros nachlegen. Die meisten von uns machen sich nicht die Mühe durchzurechnen, was unsere Anschaffungen unterm Strich kosten. Trotzdem wissen wir: Ganz so günstig kommen wir nicht davon.
Wer genug Geld hat, lässt sich aber nicht abschrecken. Und auch wer sparen muss, tut das gerne, wenn die Gegenleistung begeistern kann. Versprechen Hard- und Software also reichlich Spielspaß? Sehen wir uns zunächst an, was die Hardware zu bieten hat: Zentral ist natürlich das Hybrid-Konzept. Dieses ist zweifellos überzeugend. Allerdings sollten wir uns drei verschiedene Spielertypen ansehen: Für den Alles-Spieler gibt es sicher nichts zu meckern. Wer bisher die Wii U zu Hause und den Nintendo 3DS unterwegs betrieben hat, kann die Vereinigung der beiden Konzepte nur lieben. Endlich können wir Spiele vollwertig am Fernseher genießen und sie trotzdem problemlos überallhin mitnehmen. Wir müssen Spiele nicht doppelt kaufen und auch nicht verschiedene Speicherstände daheim und unterwegs in Kauf nehmen. Und wenn man bedenkt, dass wir als Fans wohl sowieso Konsole UND Handheld der nächsten Nintendo-Generation gekauft hätten, dann ist Nintendo Switch sogar eine ziemliche Ersparnis und wirkt plötzlich gar nicht mehr so teuer.
Nintendo Switch kann überallhin mitgenommen, aber auch ganz traditionell auf dem Fernseher gespielt werden
Dann gibt es noch einen zweiten Spielertyp: den mobilen Spieler. Wer bisher mit seinem Nintendo 3DS zufrieden war und den Fernseher links liegen ließ, muss also von den mobilen Switch-Qualitäten voll überzeugt werden. Auch das funktioniert! Eine schwierige Frage betrifft dabei immer die Größe des Geräts. Es ist sicher keines, das problemlos in jede Hosentasche passt. Trotzdem ist es kompakt genug, um beispielsweise in einem Rucksack problemlos transportiert zu werden und im Zug den Heimweg zu versüßen. Die zweite kritische Frage lautet: Was gibt der Akku her? Es hängt in der Praxis vom konkreten Spiel ab, aber laut Nintendo soll das neue Zelda-Abenteuer etwa drei Stunden am Stück gespielt werden können. Bis zu sechs Stunden soll das Gerät je nach Software unterwegs durchhalten können. Ist dies nun zu wenig oder völlig ausreichend? Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Aber die Akkuleistung bewegt sich damit in einem Rahmen, bei dem zumindest dies nicht der Grund ist, der viele Spieler vom Kauf der Konsole abhält. Und weiß die Technik zu überzeugen? Absolut! Im Vergleich zum Nintendo 3DS macht Nintendo Switch einen großen Schritt nach vorne. Die Auflösung von 1280 x 720 Bildpunkten beendet das Pixelzählen des Vorgängers. Erstmals hinkt die Mobilkonsole dem stationären „großen Bruder“ nicht mehr hinterher. Was auf dem Fernseher möglich ist, geht auch unterwegs – das ist doch super! Zudem gibt es ein neues Feature, das zu den absolut vielversprechendsten Switch-Eigenschaften gehört: Wir stellen den Bildschirm ab, entfernen die Joy-Cons und haben ein vollwertiges Zwei-Spieler-Erlebnis mit nur einem Handheld und überall, wo wir wollen. Die Notwendigkeit eines zweiten Handheld und oft auch einer zweiten Version des jeweiligen Spiels hat das mobile Zocken bisher größtenteils zum einsamen Erlebnis gemacht. Jetzt könnte Nintendo es schaffen, eine der eigenen Stärken, nämlich den lokalen Mehrspieler-Spaß, auch nach draußen auf die Gartenparty zu befördern.
Nachdem unsere ersten beiden Spielertypen zufrieden sind, haben wir aber noch eine kritischere Spezies zu überzeugen: den Heimkonsolen-Zocker! Wer sich nicht so sehr für das mobile Spielen interessiert, zieht anspruchsvollere Vergleiche: Lohnt sich Nintendo Switch neben der PlayStation 4 oder der Xbox One? Bietet die neue Konsole überhaupt einen deutlichen Mehrwert gegenüber der Wii U? Hier wird die Überzeugungsarbeit schwieriger. Auch wenn noch nicht jedes technische Detail bekannt ist, kann man sicher sagen, dass der Hybrid nicht in den Ring tritt, um mit der Grafik-Power die Konkurrenz vom Thron zu stoßen – wieder einmal. Fortschritte im Vergleich zum eigenen Vorgänger sind zu erkennen. Man könnte es schon als positiv betrachten, dass trotz der vollen Mobilität und Kompaktheit die Wii U-Power überboten wird. Aber das ist eigentlich unwichtig: Grafik-Fetischisten werden weiterhin bei Sony und Microsoft bleiben oder direkt einen PC bis zum Anschlag aufrüsten. Nintendo wird weiterhin auf anderen Ebenen überzeugen müssen. Besondere Features lässt der Heimbetrieb dabei aber vermissen. Die Joy-Cons erlauben Bewegungssteuerung, was sicher gut ist, aber wohl kein großes Revival des Fuchtelns auslösen wird. Der Screen des Geräts ist zu Hause bedeutungslos. Weder die Touch-Funktion noch ein zweiter Bildschirm können genutzt werden. Damit steht im Wohnzimmer unterm Strich eine ganz normale Heimkonsole, die schwächer ist als die Konkurrenz. Um den Heim-Spieler also von Nintendo Switch zu überzeugen, gibt es nur eine Chance: überzeugende Software!
Ein gelungenes Spiele-Angebot ist vielleicht der wichtigste Aspekt. Das Ass im Ärmel von Nintendo lautet seit einer gefühlten Ewigkeit: Nintendo! Der Konsolenhersteller selbst ist in den Augen vieler Fans auch der beste Spiele-Hersteller. Über Geschmack lässt sich streiten, nicht jedoch über Erfolg, Bekanntheit und Beliebtheit von Mario & Co. Ein heiß erwarteter Zelda-Titel zum Start und ein neuer Mario-Hit zum Weihnachtsgeschäft liefern gute Voraussetzungen, um die Fangemeinde früher oder später zur neuen Hardware „umswitchen“ zu lassen. Neben den Fans sind aber zwei weitere Käufergruppen von Bedeutung. Für die zweifelnden „Vielleicht-Käufer“ braucht es noch ein breiteres Angebot, das die großen Dritthersteller ins Boot holt. Diese Angelegenheit ist noch nicht abschließend geklärt. Durchaus namhafte Firmen entwickeln bereits Switch-Titel, aber wie es in Zukunft aussieht, wird wohl sehr vom Erfolg der Hard- und Softwareverkäufe abhängen.
Einige namhafte Hersteller haben Spiele für Nintendo Switch in Entwicklung. Wird es in Zukunft so weitergehen?
Nehmen wir zum Beispiel die Fifa-Reihe. Sie wurde zuletzt nicht mehr auf der Wii U gesichtet, bei Nintendo Switch dürfen wir aber wieder Fußball spielen. Angekündigt wurde aber kein Ableger der Hauptreihe wie Fifa 17, sondern ein eigener, Switch-spezifischer Titel. Ist das nun gut oder schlecht? Gut wäre, wenn EA Sports das Spiel damit optimal an die Hardware anpassen würde und ein besonderes Erlebnis schaffen würde, das sich von den Ablegern auf anderen Konsolen positiv abhebt. Ein einfaches Fifa 17 wäre ohnehin nur ein verspäteter Port, der für viele Spieler uninteressant wäre, die schon auf anderen Konsolen zugeschlagen haben. Weniger begeistert wären wir, wenn man letztlich einfach eine beschnittene, schlechtere Version des Spiels mit möglichst geringen Mitteln auf die Nintendo-Hardware portieren würde. So oder so kommt es auf die Verkaufszahlen des Spiels und der Konsole an, ob wir in Zukunft auch FIFA 18 und FIFA 19 auf Nintendo Switch spielen können. Und das steht stellvertretend für viele Reihen großer Dritthersteller. Sollten diese wieder abspringen, sieht es düster aus. Aber das ist keinesfalls gesagt, es kann sich auch sehr positiv entwickeln.
Die Fans werden also kommen, die unentschlossenen Multi-Konsoleros werden abwarten, und eine dritte Gruppe könnte den Ausschlag geben: die Gelegenheitsspieler. Was die Wii-Konsole so erfolgreich gemacht hat, war ein einfaches und geniales Konzept, das sogar bis zur Oma vorgedrungen ist. Einen solchen Paukenschlag wie die damals neue Bewegungssteuerung hat Nintendo Switch nicht im Gepäck, aber die Zielgruppe bleibt im Fokus. Spiele wie 1-2-Switch werden belächelt, könnten aber wichtiger sein, als man zunächst denkt. Schon Wii Sports wurde als Tech-Demo abgetan und Nintendo Land als Enttäuschung wahrgenommen, als es als Aushängeschild der Wii U präsentiert wurde. Rückblickend waren beides aber tolle Spiele, die es vor allem sehr gut geschafft haben, unterhaltsame lokale Mehrspielerpartien auf die Beine zu stellen, die nicht nur Hardcore-Zocker, sondern auch Familien vor dem Bildschirm vereinen konnten. Wenn Nintendo Switch es schaffen kann, dieses Mehrspielervergnügen nicht auf das eigene Wohnzimmer zu beschränken, sondern es auf die angesprochene Gartenparty zu verlagern oder es unkompliziert bei einem Besuch der Omi zu demonstrieren, dann könnte Nintendo es wieder schaffen, eine Relevanz außerhalb der üblichen Zocker-Kreise zu erlangen.
Als Fazit kann man sagen, dass der Erfolg von Nintendo Switch und damit wohl auch die Zukunft von Nintendo als Hardware-Produzent noch nicht eindeutig vorhergesagt werden kann. Der Hybrid bringt ein tolles Konzept und lang erwartete Spiele mit. Als Mobilkonsole weiß er zu überzeugen. Dafür bleibt er als reine Heimkonsole eher blass und bietet keine besonderen Features, ohne dabei allerdings die Konkurrenz mit Grafik-Power zu beeindrucken. Es bleibt also (erneut) bei drei Fragen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden werden: Werden die großen Third Party-Entwickler die Konsole mittelfristig unterstützen und somit für eine größere Zocker-Gemeinde interessant machen? Werden Familien, Gelegenheitsspieler und bisherige Nicht-Spieler das Konzept des mobilen Mehrspieler-Spaßes begeistert annehmen und somit den Kundenkreis vergrößern? Und werden die Spieler so sehr vom Konzept überzeugt sein, dass sie bereit sind, die zumindest nicht ganz geringen Kosten für Konsole, Zusatzhardware, Spiele und neuerdings Online-Features zu bezahlen? Viel Potenzial lässt sich jedenfalls erkennen und nachdem es um die Wii U deutlich ruhiger geworden ist, sind auch bei ntower viele User bereit für die Switch-Zukunft. Mit Zelda als Zugpferd sollte ein guter Start gelingen, der das Projekt Switch in die richtige Richtung lenken könnte. Als Fans drücken wir die Daumen, dass wir einige erfolgreiche Jahre mit einem breiten und guten Spiele-Angebot vor uns haben!