Top-Down-Racing mit fehlender Prise Feintuning
Neben Platformern werden wohl Spiele des Rennspiel-Genres zu den zugänglichsten Videospielen überhaupt zählen. Jeder kann sich einen Controller schnappen und einfach mal einige Runden umherdüsen. Dazu braucht man nicht unbedingt gut sein, der Spaß am Fahren zählt. Wenn man nicht gerade Lust hat, sich Panzer und Feuerbälle ins Heck zu schleudern, wie es beim Fun-Racer Mario Kart 8 Deluxe für die Nintendo Switch der Fall ist, dann kann man auch auf realistische Rennspiele wie Gear.Club Unlimited zurückgreifen. Ebenso realistisch gehalten ist der Top-Down-Racer Mantis Burn Racing, welcher seit dem 23. November 2017 im Nintendo eShop der Nintendo Switch zu finden ist. Heute wollen wir uns ansehen, was der Titel von VooFoo Studios zu bieten hat.
Das erste was ihr tun könnt, sobald ihr im optisch nicht unbedingt ansprechenden, aber zumindest funktionierenden Menü von Mantis Burn Racing gelandet seid, ist der Karriere-Modus. Begleitet von einem Mechaniker, Techniker, Assistenten, wie auch immer ihr ihn nennen mögt, werden euch alle wichtigen Spielelemente nähergebracht. Dies betrifft nicht nur die verschiedenen Eventtypen, auf welche ich gleich noch zu sprechen kommen werde, sondern auch diverse Mechaniken, die mit euren Fahrzeugen zu tun haben. Im Klartext geht es dabei um das Tunen eurer Wagen.
Mantis Burn Racing schneidet sich eine Scheibe von typischen RPG-Spielen ab und lässt euch für allerlei Aktionen und Errungenschaften im Spiel Erfahrungspunkte sammeln. Je höher ihr im Level aufsteigt, desto mehr Belohnungen in Form von Upgrades erhaltet ihr. Diese Upgrades können diverse Teile eures Fahrzeugs verstärken und so etwa die Werte für Beschleunigung oder Handling verbessern. Der Clou an der Sache: Ihr werdet einem Fahrzeug nicht beliebig viele Upgrades verpassen können. Es stehen euch pro Fahrzeug nur eine bestimmte Anzahl an Upgrade-Slots zur Verfügung, die zwar aufgestockt werden können, allerdings irgendwann auch ihr Limit erreichen. Wenn ihr keine weiteren Slots mehr mit der Ingame-Währung dazukaufen könnt, gibt es zumindest noch die Möglichkeit, bestehende Upgrades zu verstärken, was euch wieder einmal Moneten kosten wird.
Im Karriere-Modus durchlauft ihr verschiedene Saisons, welche euch jeweils eine Handvoll an unterschiedlichen Herausforderungen bieten. Jede Saison ist dabei wie eine Art Weltkarte aufgebaut. Habt ihr eine Herausforderung bestanden, etwa ein klassisches Rennen, bei dem es darum geht, als Erster durch das Ziel zu düsen, kann sich der Weg beispielsweise aufteilen, sodass ihr selbst entscheiden könnt, womit ihr fortfahren möchtet. Es ist allerdings nicht zu empfehlen, viele der Herausforderungen zu überspringen, da ihr kurz vor Schluss einer Saison auf eine Blockade treffen werdet, die eine bestimmte Anzahl an Zahnrädern von euch verlangt. Zahnräder sammelt ihr innerhalb der Herausforderungen, indem ihr bestimmte Missionen erledigt. So kann von euch verlangt werden, für einige Sekunden in der Luft zu sein, euren Boost nicht zu aktivieren oder eure Kontrahenten fünfmal zu überholen. Je schwieriger die Aufgabe, desto mehr Zahnräder erhaltet ihr. Herausforderungen gelten dann als bestanden, wenn ihr zumindest relativ gut abschneidet. Es ist nicht immer der erste Platz nötig, aber ihr solltet gleichermaßen auch nicht Letzter werden, denn dann geht es auf der Weltkarte nicht weiter.
Für jede noch so kleine Aktion von euch gibt es Erfahrungspunkte. Das motiviert, riskante Manöver zu wagen.
Lobenswert ist an der Stelle, dass der Karriere-Modus nicht nur aus stumpfen Rennen besteht, sondern auch mit weiteren Eventtypen Abwechslung hineinbringt und zu alledem auch sehr umfangreich ausfällt. So gibt es beispielsweise den Eventtypen "Knockout", bei dem jede Runde das Fahrzeug, was den letzten Platz belegt, rausgeworfen wird, oder den Eventtypen "Sammler", bei dem ihr je nach Platzierung dauerhaft Punkte gutgeschrieben bekommt, wobei der Erstplatzierte natürlich am meisten Punkte erhält. Wer bei "Sammler" als erstes 10.000 Punkte zusammengesammelt hat, gewinnt dieses Event. In späteren Saisons werden euch natürlich auch noch weitere Eventtypen begegnen, die noch actiongeladeneres Gameplay versprechen. Was die Streckenvielfalt angeht, sieht es eingangs etwas mau aus. Insgesamt bietet Mantis Burn Racing zwölf Strecken, wobei vier davon durch den kostenlos enthaltenen DLC hinzukamen. Diese wiederholen sich besonders anfangs sehr oft im Karriere-Modus, sodass man sich schon fragt, ob man die Strecken wirklich so sehr ausreizen musste. Eine faule Entscheidung war es dabei auch, den Spieler die Strecken bei manchen Herausforderungen in die entgegengesetzte Richtung fahren zu lassen. Es ist schlichtweg verwirrend, wenn man die Strecken zuvor anders kennengelernt hat und trägt nur minimal zur Abwechslung bei. Eine Reihe an weiteren neuen Strecken wäre da die schlauere Wahl gewesen.
Ebenso schade ist es, dass die Strecken sich thematisch nur geringfügig voneinander unterscheiden, wenn man die Strecken einer selben thematischen Richtung miteinander vergleicht. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie etwa die Forschungsbasis, die sich von den anderen verschneiten Strecken in Mantis Burn Racing unterscheidet. Im Groben folgen die Strecken allerdings einem visuell ähnlichen Aufbau. Schuld daran könnte möglicherweise die Optik des Spiels sein, welche sehr realistisch gehalten ist, feine Details aber deshalb eher im realistischen Einheitsbrei untergehen lässt. Der Stil ist nichts Schlechtes und beeindruckt mit nett anzusehenden Licht- und Schatteneffekten sowie Umgebungen, reißt aber auch bei Weitem keine Bäume aus. VooFoo Studios hat das Spiel in jedem Fall so an die Nintendo Switch-Hardware angepasst, dass es auch auf dem kleinen Handheld-Bildschirm noch schick aussieht. Und während die Bildschirmtexte im Handheld-Modus gut lesbar sind, empfand ich sie auf dem großen Fernseher als deutlich zu klein, sodass ich tatsächlich auch einmal meine Brille aufsetzen musste, um den Text eindeutig lesen zu können. Die Benutzeroberfläche scheint aber im Allgemeinen nicht besonders scharf dargestellt zu werden.
Besonders schön ist es, wenn man die anderen Fahrer auf tiefer oder höher liegenden Ebenen der Fahrbahn sehen kann, wie bei diesem verschneiten Gipfel hier.
Hinsichtlich der verfügbaren Fahrzeuge gibt es im Grunde drei verschiedene Modelle: Leicht, Mittel und Schwer – Leicht mit gutem Handling und guter Beschleunigung, Mittel mit insgesamt ausgewogenen Werten und Schwer mit ordentlichem Tempo, dafür aber sehr behäbiger Lenkung. Diese drei Modelle gibt es außerdem in fünf verschiedenen Klassen im Spiel: Anfänger, Profi, Veteran, Elite und Kampf. Neben eindeutigen optischen Unterschieden wirkt sich die Wahl der Klasse vor allem auf die Werte eures Schlittens aus, wobei die Bezeichnungen "Profi" oder "Veteran" bereits darauf hindeuten, dass diese Wagen schwieriger zu meistern sind und man sich daher wohl erst einmal mit den Anfängermodellen versuchen sollte. Sowieso müssen die Profi- und Veteran-Modelle erst durch den Karrieremodus freigespielt werden. Fahrt ihr im gewöhnlichen "Lokalen Spiel" mit noch nicht freigespielten Modellen, gelten diese als Leihfahrzeuge und bescheren euch beim Spielen keine Erfahrungspunkte. Für eine spaßige Runde zwischendurch könnt ihr diese in so einem Fall natürlich ohne Frage einmal ausprobieren. Die Elite-Modelle hingegen sind zusammen mit den Kampf-Wagen direkt freigeschaltet, da sie als Teil des DLC ins Spiel fanden. Elite-Wagen sind nochmals eine abgewandelte Form der vorherigen Modelle, welche dieses Mal sogar Sci-Fi-mäßig angehaucht sind und über die Rennpiste fliegen. Kampf-Fahrzeuge allerdings unterscheiden sich deutlich von den anderen, da sie mit Schusswaffen ausgestattet sind, mit welchen ihr eure Gegner ausschalten könnt. Beim Eventtyp Kampf geht es nicht darum als Erster durchs Ziel zu fahren, sondern als Letzter zu überleben, während sich alle Eventteilnehmer gegenseitig um die Ohren schießen.
Neben dem Karriere-Modus, der sich hauptsächlich auf eine Einzelspielererfahrung konzentriert, könnt ihr allerlei Spielinhalte auch durch das "Lokale Spiel" oder "Online Spiel" erleben. Im "Lokalen Spiel" können sich eure Freunde euch anschließen, um mit geteiltem Bildschirm über die Strecken zu heizen, wohingegen das "Online Spiel" selbstverständlich online stattfindet und euch erlaubt, mit Spielern aus aller Welt zu fahren. Dabei unterstützt Mantis Burn Racing sogar plattformübergreifendes Spielen, sodass ihr mit Spielern zusammenspielen könnt, die das Spiel für den PC oder für eine andere Konsole besitzen. Gründlich testen konnte ich die Online-Erfahrung nicht, da sich praktisch nie Gegner gefunden haben und es ist wohl zu bezweifeln, dass sich die Lage großartig ändern wird. Schön aber: Die Entwickler stellen wöchentlich neue Herausforderungen bereit, bei denen sich die Spieler weltweit messen können – und scheinbar nehmen an diesen tatsächlich Spieler teil. Damit hat man zumindest ein wenig funktionierende Online-Interaktion.
Stellt euch dieses Bild hier nun vor, während es auf eurer flach liegenden Nintendo Switch wiedergegeben wird. So etwa sieht der geteilte Bildschirm bei zwei Spielern aus.
Extra für die Nintendo Switch baute VooFoo Studios übrigens einen Zweispieler-Splitscreen-Modus für den Tisch-Modus der Nintendo Switch ein, bei dem ihr euch gegenüber sitzt, mit der Nintendo Switch in eurer Mitte, und jeweils eine Bildschirmhälfte für euch beansprucht. Dabei ist natürlich zu empfehlen, die Konsole flach auf den Tisch zu legen, damit beide Spieler vernünftig auf ihre Bildschirmhälfte sehen können. Nervig beim "Lokalen Spiel" ist es, dass jeder Spieler ein eigenes Profil auf eurer Nintendo Switch-Konsole benötigt, was wirklich eine unnötige und unverständliche Maßnahme ist. Auch weniger schön war, als ich realisierte, dass ich ein zweites Profil auf meiner Konsole benötige. Da ich dies aber nicht wollte, war ich in einer endlosen Schleife gefangen, die mich dazu zwang, ein Profil zu erstellen. Möglicherweise wäre ich davongekommen, hätte ich das Spiel einfach beendet und neugestartet, aber eine feine Lösung ist dies in keinem Fall.
Einige letzte Worte möchte ich noch zur Technik und allgemeinen Präsentation des Spiels verlieren. Die versprochenen sauberen 60 Bilder pro Sekunde wurden bei meiner Zeit mit Mantis Burn Racing nämlich nicht immer eingehalten. So erlebte ich, selbst wenn ich alleine spielte, deutlich spürbare Framerate-Einbrüche, wenn etwa Streckenobjekte wie Zäune beschädigt wurden. Die Effekte, wie die einzelnen Holzstückchen, die über die Rennpiste fliegen, scheinen der Nintendo Switch in diesen Momenten wohl tatsächlich zu viel abzuverlangen. Außerdem ist der Soundtrack des Spiels nicht das Gelbe vom Ei. Die zugegeben recht passenden Melodien wiederholen sich auf den einzelnen Strecken leider oft, was sie schon nach kurzer Zeit sehr repetitiv macht. Richtige Ohrwürmer sind sie zudem auch nicht. Wirklich schlimm ist in diesen Belangen allerdings das Menü-Thema, welches ihr immer dann hören werdet, wenn ihr euch nicht in einem Rennen befindet. Die teils schrillen Sounds und die "Möchtegern-Coolness" nerven schon vom ersten Hören an. Zu guter Letzt sei auch noch die Lokalisierung von Mantis Burn Racing zu bemängeln. Bildschirmtexte sind zwar auf Deutsch verfügbar und in vielen Fällen ordnungsgemäß, aber hin und wieder kann man nicht anders, als sich zu denken, dass die dahinterstehenden Personen den Originaltext einfach durch den Google Übersetzer gejagt haben und so ins Spiel implementierten. Das beginnt bei Einstellungen, welche man "aufmacht", statt anzuschalten, und endet bei einem nicht ganz verständlichen Satz am unteren Bildschirmrand, der praktisch dauerhaft im Spiel eingeblendet wird und keine weitere Funktion hat. Wieso existiert dieser überhaupt? Soweit, wie ich es entziffern konnte, verspricht man dort Informationen bereitzustellen, alles was ich finde, ist allerdings nur kaputtes Deutsch.
Unser Fazit
6
Überzeugend