Faszination Beleidigung – Oder: Was ich über eure Mütter zu sagen habe
Hinweis: Die beiden Spiele Oh...Sir! The Insult Simulator und Oh...Sir! The Hollywood Roast sind sich in ihrer grundsätzlichen Gameplay-Mechanik sehr ähnlich. Darum sind Teile beider Spieletests identisch. Um nur die Besonderheiten von Oh...Sir! The Insult Simulator zu erfahren, könnt ihr direkt zum Abschnitt „Besonderheiten von The Insult Simulator“ springen.
Respektloses Verhalten, Beleidigungen, Schimpfwörter – in den heutigen Tagen sind dies bedenkliche Symptome einer verrohenden Gesellschaft, in der Anfeindungen, Vorurteile und Gewalt immer stärker den Alltag prägen. Wenn man dann noch kopfschüttelnd feststellen muss, dass die Mehrheit der US-Amerikaner Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählen, der mit seinen Aussagen in diesem Amt erfolgreich das Niveau der schlimmsten Stammtische unterbietet, spätestens dann sollte klar sein: Wir müssen endlich wieder freundlich und respektvoll miteinander umgehen! Das alles meine ich ernst und nicht ironisch. Werde ich also die hier getesteten Spiele Oh...Sir! The Insult Simulator und Oh...Sir! The Hollywood Roast in der Luft zerreißen, weil es darin um Beleidigungen am laufenden Band geht? Nein!
Spätestens mit dem Aufkommen von „Deine Mutter“-Sprüchen wurde mir bewusst, dass Beleidigungen weit mehr sein können als der Versuch, andere emotional zu erniedrigen. Tatsächlich gibt es Menschen, die sich mit derartigen Sprüchen duellieren, ohne ernsthafte Konflikte entstehen zu lassen. Die Boshaftigkeit der Aussagen wird in beiderseitigem Einvernehmen ausgeblendet und stattdessen werden Humor und Kreativität der Schein-Anfeindungen in den Vordergrund gestellt. Wer es dann schafft, das Ganze ohne persönliche Verletzungen wahrzunehmen, kann darüber auch herzhaft lachen. Wie bei einigen anderen Humorformen auch, macht gerade der Tabubruch (so darf man doch eigentlich nicht über anderer Leute Mütter reden) den Reiz aus.
Genau an dieser Stelle setzen die Oh…Sir!-Spiele an. Sicher ist diese Art Humor nicht jedermanns Sache, aber wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird das nicht mit dem Wunsch machen, einem Gegenspieler emotional zu schaden, sondern mit ihm gemeinsam über absurde und teilweise auch recht kreative Beschimpfungen zu lachen. Ich bin mir sicher, dass diese Spiele und diese Art Humor nicht die Probleme sind, die unsere Gesellschaft unfreundlicher machen. Also dürfen sich alle, die sich vom Grundgedanken des humorvollen Beleidigens nicht abschrecken lassen, ohne schlechtes Gewissen auf die Spiele, diesen Test und die Kommentare darunter einlassen. Zu Letzteren später mehr, jetzt wollen wir endlich zu den Spielen kommen.
Das Ziel der beiden Oh…Sir!-Spiele ist es, gegen einen Kontrahenten anzutreten und ihn mit euren Beleidigungen zu besiegen. Beide Charaktere haben eine Art Energie-Balken, der sich wie bei einem Prügelspiel Stück für Stück leert, wenn sie einstecken müssen – in diesem Fall halt verbal. Den Schlagabtausch müsst ihr euch so vorstellen, dass ihr zunächst eine Liste mit verschiedenen Satzbausteinen seht, aus denen beide Kontrahenten abwechselnd jeweils einen auswählen dürfen. Am Ende muss dabei ein grammatikalisch korrekter Satz herauskommen. Zwar ist das gesamte Spiel nur auf Englisch spielbar (grundlegende Sprachkenntnisse sind also Voraussetzung), aber durch das Multiple-Choice-Verfahren ist es nicht sonderlich schwer, korrekte Sätze zusammenzubekommen. Etwas enttäuscht hat mich dieser Punkt insofern, als dass dies auch die Kreativität deutlich einschränkt. Ihr könnt euch also nicht alles Mögliche an verrückten Beleidigungen ausdenken, sondern seid auf die vorgefertigten Puzzleteile angewiesen. Diese wiederholen sich dann auch relativ schnell, sodass trotz diverser Kombinationsmöglichkeiten auf Dauer etwas Eintönigkeit aufkommt – schade!
Gehen wir noch etwas mehr ins Detail: Ihr habt also eine Liste mit Satzbausteinen vor euch und beginnt mit einem Subjekt. Klassiker wie „your mother“ oder „your wife“ gesellen sich zu ausgefalleneren Einfällen wie „your cousin’s car“. Wählt ihr also den Beginn eures Beleidigungssatzes aus, dann verschwindet er aus der Liste. Euer Gegner bedient sich jetzt aus derselben Liste und beginnt also parallel zu euch, eine unverschämte Beleidigung zu erstellen. Daraus folgt, dass es nicht nur darum geht, die vorhandenen Satzbausteine geschickt zu kombinieren, sondern die Duellanten konkurrieren auch um die vorhandene Munition.
Dabei kommen tatsächlich auch taktische Überlegungen ins Spiel. Nehmen wir einmal an, ihr habt euch zu Beginn für „your wife“ entschieden und könnt nun fortfahren mit einer Formulierung wie „makes me sick“ oder „was born in“. Erstere würde bereits einen vollständigen Satz erzeugen, der allerdings sehr kurz wäre. Bei der Bewertung, wie viel Energie eure Beleidigung dem Balken des Gegners entzieht, spielt die Länge des Satzes eine Rolle, also solltet ihr möglichst längere Sätze basteln. Um „your wife makes me sick“ noch verlängern zu können, müssten aber noch Wörter wie „and“ oder „but“ zur Auswahl stehen. Ist dies nicht der Fall, verursacht eure Beleidigung keinen großen Schaden. Also könnten wir auch die zweite Möglichkeit wählen und hätten dann „your wife was born in“ formuliert. Jetzt ist aber klar: Da fehlt noch etwas! Es kann sein, dass nur noch eine passende Formulierung wie „your cousin’s car“ verfügbar ist. Zunächst ist aber euer Widersacher an der Reihe und könnte euch genau diesen Satzbaustein vor der Nase wegschnappen. Dann könntet ihr den Satz nicht mehr vollenden und dem Gegner in dieser Runde keinen Schaden zufügen. Also habt ihr immer ein Auge darauf, was noch zur Auswahl steht und auch darauf, was der Gegenspieler bei seinem nächsten Zug gebrauchen könnte.
Auf diese Weise bastelt ihr einen Beleidigungssatz nach dem anderen und versucht dabei, mehr auszuteilen als einzustecken. Doch was sind wirklich gute Beleidigungen, die dem Gegner stark schaden? Wie erwähnt ist die Länge der Sätze ein Faktor. Zudem könnt ihr dieselben Textbausteine in mehreren Sätzen verwenden, um die Angriffskraft zu erhöhen. Viel hängt aber auch davon ab, wie das Spiel eure Äußerungen bewertet. Manchmal bekommt ihr mit Mühe und Not einen vollständigen Satz zusammen, der allerdings eher ein Zufallsprodukt als ein cleverer Spruch ist. Teilweise kreiert ihr aber auch sehr kreative und lustige Beleidigungen, sodass ihr euch selbst auf die Schulter klopfen wollt. Nicht immer fühlte sich die Brillanz meiner Sätze angemessen gewürdigt an. Andererseits konnte auch eine holprig formulierte Äußerung manchmal überraschend schlagkräftige Auswirkungen haben. Häufig sind die Bewertungen der Sätze nachvollziehbar, teilweise wirken sie aber recht willkürlich. Man sollte also auch diesen Aspekt mit Humor sehen und sich klarmachen, dass wir es auch bis zu einem gewissen Grad mit einem Glücksspiel zu tun haben.
Kurz erwähnen möchte ich noch ein sehr hilfreiches Element: Neben den Satzbausteinen, die ihr euch mit dem Gegner teilt, stehen euch zwei zusätzliche Formulierungen zur Verfügung, auf die nur ihr Zugriff habt und die ihr einmal pro Beleidigungssatz durch zwei neue, ebenfalls zufällig ausgewählte austauschen könnt. Diese helfen euch dabei einen Satz zu planen – ohne das Risiko, dass der Gegner euren Favoriten vor euch verwendet. Auf der anderen Seite habt ihr auch im Hinterkopf, dass ihr eure persönlichen Textbausteine vielleicht lieber aufsparen wollt und euch stattdessen aus dem gemeinschaftlich genutzten Arsenal bedienen könntet, weil ihr auf diese Weise auch dem Kontrahenten Munition wegschnappt, die er sonst vielleicht später gegen euch verwenden könnte.
Im Wesentlichen bieten Oh...Sir! The Insult Simulator und Oh...Sir! The Hollywood Roast dieselbe Spielerfahrung. Ein paar Unterschiede gibt es im Detail und natürlich gibt es auch unterschiedliche Satzbausteine. Man könnte also sagen: Wenn euch ein Spiel richtig gut gefällt, spricht nichts dagegen, das zweite auch zu kaufen, um mit etwas frischem Wind weiter zu beleidigen. The Insult Simulator bietet euch die Auswahl einen Computergegner oder einen menschlichen Gegenspieler zu beleidigen. Zu zweit könnt ihr sowohl offline als auch online spielen. Die Online-Partien laufen flüssig und ohne Probleme (technisch stellt der Titel aber auch keine Herausforderung dar). Wahlweise dürft ihr gegen Freunde oder Zufallsgegner antreten, und zu zweit macht es auch am meisten Spaß!
Allerdings ist auch ein Duell gegen einen Computergegner reizvoll. In einem Tutorial bringt er euch zunächst alles Wichtige bei, anschließend wird es ernst. Wählt zwischen verschiedenen Protagonisten aus, von denen ihr einige im Verlauf des Spiels freispielen könnt. Alle Charaktere sind einzigartig und unterhaltsam designt. Sprecher verleihen ihnen dabei individuelle Stimmen und runden so die lockere Atmosphäre ab. Monty Python-Fans werden die eine oder andere Anspielung verstehen und auch Fans von schwarzem Humor kommen auf ihre Kosten, wenn beispielsweise in einem Setting ein toter Körper als Tisch fungiert, auf dem die Protagonisten ihre Teetassen abstellen.
Es ist natürlich eine Geschmacksfrage, ob euch das abstößt oder anzieht. Angst müsst ihr aber nicht haben, da alles mit einem Augenzwinkern und nicht etwa gruselig präsentiert wird. Auch die sehr einfache, aber auch nicht hässliche Grafik macht derartige Szenen nicht gerade grausam. Dagegen ist der Soundtrack wirklich überzeugend und versetzt euch mit schönen, aber nicht aufdringlichen Klängen, die euch ablenken könnten, in die richtige Stimmung. Wer gerade also richtig Spaß am Beleidigen hat, kann auch ein Turnier angehen. Dabei müsst ihr nacheinander fünf Gegner in verschiedenen Settings besiegen. Eigentlich ist das nichts wirklich Besonderes, aber vielleicht werden eure Mühen ja belohnt und ihr erfahrt schließlich den Sinn des Lebens…
Nachdem ihr nun alles Wichtige über die beiden Oh…Sir!-Spiele wisst, juckt es euch doch schon in den Fingern, das kann ich ganz deutlich spüren. Ihr wollt selbst in die Tasten hauen und einmal ganz hemmungslos mit Beleidigungen um euch werfen? Einverstanden, in den Kommentaren unten machen wir eine Ausnahme, legen unseren Moderatoren einen Maulkorb an und lassen euch beleidigen, bis eure Mütter in Tränen ausbrechen! Aber HALT – wir denken nochmal an den ersten Absatz dieses Reviews. Hier soll niemand weinen, darum gibt es folgende Regeln:
1. Humor und Kreativität stehen im Vordergrund, wir wollen nicht die anderen User seelisch verletzen! Formuliert eure Beleidigungen deshalb allgemein und nicht auf bestimmte Personen bezogen.
2. Sicher möchten einige User auch etwas über den Test oder die Spiele schreiben. Platziert eure Beleidigungen darum in Spoiler-Kästchen. Dann finden wir sie schneller, trennen sie von anderem Inhalt und schonen sensible Leser, die sich diesem Wahnsinn nicht aussetzen wollen.
3. Beleidigt wird nur in den Kommentaren unten! Der Rest von ntower bleibt ein friedlicher, freundlicher Platz, an dem sich auch deine Mutter und deine kleine Schwester wohlfühlen können.
4. Wenn doch jemand gegen diese Regeln verstößt, werden die Maulkörbe der Moderatoren entfernt und ihr bekommt ihren geballten Zorn zu spüren.
Ich freue mich schon auf eure phantasievollen verbalen Attacken und werde euch sicher ein „Yeah!“ dalassen, wenn sie mich zum Lachen bringen!
Unser Fazit
5
Für Genre-Fans