Mario Kart für Senioren
Was motiviert Mario, wenn er in ein Kart steigt, um mit anderen um die Wette zu fahren? Ruhm? Nein, berühmt ist er sowieso. Reichtum? Nein, er hat schon unzählige Münzen gesammelt. Er dreht seine Runden aus purem Vergnügen, aber ein wahrhaft großer Sinn, eine tiefere Bedeutung oder Derartiges lässt sich bei Mario Kart nicht entdecken. Da geht es der Rentnertruppe bei Coffin Dodgers ganz anders: Wer verliert, den holt der Sensenmann! Und dieser fährt sogar selbst mit, wenn die Senioren in ihren Elektromobilen um ihr Leben fahren.
Wie ihr ahnen könnt, hat Coffin Dodgers etwas, das Mario Kart nicht bieten kann: eine Story. Diese ist sogar ziemlich lustig und definiert auch eure Aufgabe im Story-Modus. Ihr bestreitet eine Reihe von Rennen und dürft dabei auf keinen Fall Letzter werden. Wer nämlich nach allen anderen ins Ziel kommt, landet schnell auf dem Friedhof. Das ist der Deal, den die Todgeweihten mit dem Sensenmann ausgemacht haben, um wenigstens eine kleine Überlebenschance zu haben. Also wird immer nach drei Rennen abgerechnet, bis ihr im Finale den Tod selbst im Rennen bezwingen müsst.
Diese Grundidee ist ziemlich unterhaltsam und ein großer Pluspunkt gegenüber anderen Genre-Vertretern, die doch meistens sehr eintönig und einfallslos präsentiert werden. Allerdings kommt es auf mehr als die Story an, und da ist es schon sehr mutig, einen Fun-Racer auf einer Nintendo-Konsole ins Rennen um die Gunst der Spieler zu schicken. Wir sind immerhin verwöhnt von Mario Kart. Diese Serie liefert immer wieder sehr solide und spaßige Ableger und ist mit Mario Kart 8 Deluxe auch schon auf der Nintendo Switch vertreten. Wo ordnet sich Coffin Dodgers also daneben ein? Um es auf den Punkt zu bringen: Abgesehen von der Story ist alles eine Nummer kleiner: Umfang, Grafik, Items, Steuerung, aber auch der Preis. Den direkten Vergleich kann Coffin Dodgers gar nicht gewinnen, ist aber sicher ein interessantes Zusatzangebot für Genre-Fans.
Prinzipiell erkennen wir die typischen Fun-Racer-Elemente alle wieder. Ihr fahrt eine variierende Anzahl von Runden im Kreis und dürft dabei versuchen, eure Gegner nicht nur durch geschickte Fahrweise, sondern auch durch den Einsatz von Items zu überholen. Diese sind nicht besonders zahlreich, tragen aber gut zum Spielspaß bei. Es gibt Items wie Zielraketen, die dem direkten Angriff dienen. Andere sind Fallen für nachfolgende Konkurrenten (Öl-Flecken), geben euch einen Turbo-Schub oder platzieren einen Schutzschild um euch herum. Neben diesen Items, die ihr im Mario Kart-Stil auf der Strecke findet und dann zufällig zugeteilt bekommt, gibt es Nahkampfwaffen, die jeder Rentner einsetzen kann. Per Knopfdruck wird dieser Angriff aufgeladen und dann in unmittelbarer Nähe zu einem Konkurrenten eingesetzt. So wird der alte Gehstock dazu missbraucht, der netten Omi von Nebenan einen Schlag in die Rippen zu verpassen.
Wer getroffen wird – das kann natürlich auch euch selbst passieren – kann nach ein paar Sekunden weiterfahren, verliert aber wertvolle Zeit und Positionen im Kampf ums Überleben. Auch ansonsten wurde großzügig auf Simulations-Aspekte verzichtet. So ist auch die Steuerung nicht realitätsnah aufgebaut. Ihr bleibt im Grunde permanent auf dem Gas-Pedal, wenn ihr euch nicht versehentlich in einem Hindernis verfangen habt und kurz den Rückwärts-Gang einlegen müsst. Das Verhalten der E-Mobile in den Kurven hat man recht gut im Griff, vermisst habe ich etwas wie eine Slide-Technik. Es fühlt sich eher so an, als wäre man auf Schienen unterwegs. Ihr kommt also nicht aufgrund erhöhter Geschwindigkeit ins Rutschen. Auch das Aufmotzen der E-Mobile in der Garage (für Geld, das ihr in den Rennen verdient) oder überhaupt die Auswahl verschiedenen Charaktere haben zu wenige Auswirkungen, um dem Gameplay Tiefe zu verleihen.
Schade finde ich, dass das amüsant unfaire Element des Genres bei Coffin Dodgers etwas unbalanciert implementiert ist. So könnt ihr trotz guter Fahrleistungen wegen gegnerischer Angriffe schnell zurückgeworfen werden. Allerdings ist es nicht ganz so einfach möglich, diesen Rückstand wieder aufzuholen. Entschuldigt den häufigen Vergleich mit dem Klempner, aber er ist einfach treffend und anschaulich: Bei Mario Kart bekommt man in schlechter Position oft starke Items, die den Weg nach vorn erleichtern. Dagegen habe ich bei Coffin Dodgers Rennen erlebt, bei denen ich etwa durch Raketentreffer vom ersten auf den dritten Rang zurückgeworfen wurde und in den letzten beiden Runden trotz Items und fehlerfreier Fahrleistung keine Chance mehr hatte, mich zurück nach vorn zu kämpfen. Allerdings war das eher die Ausnahme. Meist sind es doch recht turbulente Rennen, und unterm Strich ist das Spiel auch nicht besonders schwierig. Eine wirklich gute Balance der Elemente, die den Spieler immer wieder die Langzeitmotivation spüren lässt, gibt es aber leider nicht.
Neben dem Story-Modus gibt es selbstverständlich auch einen lokalen Mehrspieler-Modus mit Splitscreen-Verfahren für bis zu vier Spieler. Dieser macht auf jeden Fall Freude, wenn sich die richtigen Kontrahenten gefunden haben und im Rennen um den Rentner-Thron duellieren. Leider gibt es keinen Online-Modus, der das Ganze sicherlich aufgewertet hätte. Dafür finden wir neben dem Zeitfahren noch zwei Open-World-Modi im Menü, die allerdings nicht sonderlich überzeugen können. Im Erkunden-Modus fahrt ihr einfach durch die Gegend und könnt Rennen aus dem Story-Modus an bestimmten Orten finden und spielen. Wirklich viel zu „erkunden“ gibt es aber nicht. Verrücktes Großväterchen nennt sich der zweite Modus, der immerhin einen neuen Gameplay-Ansatz bietet: Ihr müsst möglichst schnell möglichst viele Gegenstände einsammeln. Ein Countdown läuft dabei herunter, der den Versuch schließlich beendet. Das kann man als netten Bonus verstehen, aber wahnsinnig packend ist es nicht.
Optisch präsentiert sich das Spiel eher unspektakulär. Zwar läuft alles recht sauber und flüssig, aber etwas mehr Details und Abwechslung hätten Coffin Dodgers gutgetan. Auch hier sollte klar sein, dass wir es mit einem kleinen Titel zu tun haben, bei dem keine Unsummen an Finanzmitteln in die Präsentation gesteckt werden können. Dafür sieht das Ganze dann eigentlich ganz ordentlich aus und der muntere Soundtrack rundet das Ergebnis ab.
Unser Fazit
6
Überzeugend