Die Überraschung des Jahres
Videospiele können einen wahrlich bewegen. Insbesondere emotionale Geschichten reißen uns mit und ziehen uns in eine völlig andere Welt. Einen großen Teil machen hierbei ausgearbeitete Charaktere, eine echt wirkende Sprachausgabe und die Gesamtgeschichte aus. Doch es geht auch anders. Völlig ohne Text. Mit nur sehr wenigen Charakteren. Und einer Geschichte, die man sich größtenteils selbst zusammenreimt. GRIS erschien vor wenigen Wochen für Nintendo Switch sowie auf Steam und beweist, wie wunderschön und emotional Videospiele sein können – auch ohne viel Drumherum.
Alles beginnt damit, dass das Mädchen Gris im Opening des Spiels auf der Hand einer großen Statue steht und singt. Singt, so viel wie ihr Herz begehrt. Doch nur wenig später zerbröckelt alles. Die Statue fällt in sich zusammen und Gris in die Tiefe – und zwar sehr weit. Am Ende wacht sie auf einer kargen, farblosen Ebene auf und ist noch schwach auf den Beinen. Singen kann sie ebenso kaum noch. Doch nach den ersten schwachen Schritten ist sie motiviert, alles zurückzubringen und wiederherzustellen. Es scheint, als gäbe es eine immense Bindung zwischen ihr und der Statue. Die gesamte Geschichte wird aber jeder Spieler anders interpretieren – mit ganz eigenen Theorien.
Wie bereits angedeutet, gibt es im Spiel außerhalb der Titel- und Pausenmenüs absolut keinen Text. Die ganze Geschichte wird also durch Sequenzen und Ereignisse erzählt. Und trotzdem ist die Geschichte emotional und aufregend. Insbesondere eine immer wiederkehrende Gefahr in Form eines Schattens, auf die ich nicht näher eingehen werde, kann einen jedes Mal packen. Einen nicht zu verachtenden Teil trägt der wunderschöne Soundtrack bei, welchen ich später behandeln werde.
Dadurch, dass GRIS ein 2D-Platformer ist, werdet ihr durch die verschiedensten Gegenden hüpfen. Hierbei ist das Spiel in mehrere verschiedene Gebiete gegliedert, welche alle ihre eigenen Ideen zeigen. Dabei ist der Aufbau immer sehr ähnlich: Zuerst kommt ihr in jenem Gebiet an, daraufhin werdet ihr schon bald die Aufgabe bekommen, kleine Lichter zu finden – die vielleicht zeigen sollen, dass selbst am Ende des Tunnels ein kleines Lichtlein erscheinen kann. Wenn ihr alle eingesammelt habt, bekommt ihr im Gegenzug eine Fähigkeit geschenkt, womit ihr weitere Passagen im Gebiet bewältigen könnt. Am Ende bringt ihr in diese bisher farblose Welt eine Farbe zurück, wodurch sich dieser sehr künstlerische Aspekt des Titels zeigt. Die Gebiete sind allesamt mit einem großen, ruinenartigen Gebäude verbunden. Neue Gebiete lassen sich stets durch die neu erworbenen Fähigkeiten erreichen.
Als ein kleines Beispielt dient gut die Wüste am Anfang des Spiels. Nachdem ihr in der kargen Ebene die Farbe "Rot" zurückgeholt habt, kommt ihr in das ruinenartige Gebäude und könnt daraufhin nur die Wüste betreten – voll mit rotem Sand. Nun ist es zuerst eure Aufgabe, diese Glühwürmchen-artigen Lichter zu finden und diese an einen bestimmten Platz zu bringen, um eine neue Fähigkeit zu erhalten. Daraufhin könnt ihr weiter fortschreiten. In diesem Fall erhaltet ihr die Fähigkeit, dass ihr euch mithilfe des Kleids in einen massiven Block verwandeln könnt. Damit könnt ihr brüchige Böden zerbröseln und dem Sandsturm in der Wüste trotzen – ansonsten würdet ihr weggeweht werden. Auch wenn ihr die Fähigkeit in der Wüste erhaltet, werdet ihr sie später immer wieder gebrauchen können.
Wirklich spannend ist das Gameplay allerdings nicht. Ihr werdet auf keine kopfzerbrechenden Rätsel oder sehr schwierigen Sprungpassagen treffen. Das scheint aber auch gar nicht das Ziel von GRIS zu sein. Viel mehr legt es seinen Fokus auf die Welt, die audiovisuelle Darstellung und die Geschichte. Auch wenn es scheinbar Gefahren gibt, können sie einem kaum etwas anhaben. Immerhin hat man keinen Lebensbalken und kann nicht sterben. Vielleicht möchte das Spiel einem damit vermitteln, dass es selbst in der aussichtslosesten Situation einen richtigen Weg nach vorne gibt. Wie man sieht, zeigt sich in jedem Aspekt vom Spiel, dass der Spieler verstehen, interpretieren und nachdenken soll. Viele Situationen lassen einen auch gerne entspannen und lenken vom Alltagsstress ab. Hier kommt wie zum Beispiel in ABZÛ ein eher meditatives Gameplaykonzept zum Einsatz.
Auf eurem Wege werdet ihr auf die optional sammelbaren Gegenstände stoßen, welche Erinnerungen darstellen sollen. Wenn ihr sie einsammelt, passiert im ersten Moment nichts. Allerdings gibt es eine für die Geschichte relevante Belohnung, sollte man alle eingesammelt haben. Solltet ihr Erinnerungen verpasst haben, könnt ihr an sich nicht einfach zurück ins Gebiet gehen. Stattdessen ist GRIS in Kapitel unterteilt, die ihr vom Menü aus wieder aufrufen könnt. So könnt ihr zum Beispiel jederzeit zurück zum Wüstenkapitel, um dort die verbleibenden Erinnerungen zu erhalten. Nicht immer liegen sie auf dem direkten Weg, weshalb man aufpassen sollte, damit man nicht zu viele verpasst und am Ende ein wenig genervt eine Menge nachholen muss.
Das kleine Wesen neben Gris begleitet euch im Waldgebiet ein Stück und hilft euch, wenn ihr ihm mithilfe der Steinblockfähigkeit Äpfel vom Baum holt.
Sogenannte "Aufgaben" (Achievements) gibt es ebenso. Ein paar erhaltet ihr durch Fortschritt in der Geschichte selbst, während ihr für andere zum Beispiel einen versteckten Ort finden müsst. Bei meinem ersten Durchlauf hatte ich kaum eine Aufgabe erfüllt – leicht zu erfüllen sind sie definitiv nicht. Leider lässt sich aber auch nicht sehen, was die Aufgaben sind. Erst wenn sie erfüllt sind, werden sie im Menü angezeigt. Somit ist es ohne eine vorliegende Lösung schwierig, überhaupt alle zu finden. Ein kleiner Wermutstropfen.
Nun aber zum deutlich wichtigsten Teil des Spiels: Die audiovisuelle Darstellung. Es mag zwar ein bisschen subjektiv sein, aber trotzdem: Noch nie hatte ich in einem Spiel so oft Gänsehaut. Die Grafik beziehungsweise der Artstyle, die Musik und die Animationen gehen alle Hand in Hand und erzeugen klammheimlich verschiedenste Gefühle im Körper. Und das in jedem einzelnen Moment des Spiels. Es fängt direkt beim Anfang an und zieht sich bis zur letzten Szene und den Credits. Der künstlerische Artstyle ist so gut gelungen, dass sich jeder einzelne Screenshot vom Spiel ausdrucken und an die Wand hängen ließe. Der gesamte Soundtrack ist hierbei nicht nur ein Ohrenschmaus, sondern auch sehr abwechslungsreich – sei es von der Stimmung oder der Auswahl. Für das vergleichweise kurze Spiel werden euch Musikstücke mit einer gesamten Länge von einer Stunde und 20 Minuten begleiten.
Unser Fazit
10
Meisterwerk