Test zu Micky Epic - Wii
Unser Test zum Spiel: Disney Micky Epic
Als die ersten Konzeptzeichnungen zu Micky Epic (in den USA klingt der Titel deutlich cooler: Epic Mickey) auftauchten, war das Interesse der Videospielgemeinde gewaltig. Düstere und das Ende der Welt heraufbeschwörende Designs wollten so gar nicht in das fröhliche und bunte Micky-Universum passen. Nach den ersten Screenshots war die Ernüchterung dann mindestens genauso groß wie die anfängliche Freude über den Stilwechsel; Micky Epic schien doch ein üblicher, niedlicher Disney-Titel zu werden. Dass diese Annahme im Nachhinein nicht wirklich richtig war, erfahrt ihr in unserem Review.
Micky Maus schläft den Schlaf der Gerechten, als er plötzlich von einem Geräusch aufgeschreckt wird. Vorsichtig schleicht er zu seinem Spiegel, der sich als Portal in eine andere Welt entpuppt. Neugierig, wie Mäuse nun einmal sind, will sich Micky auf der anderen Seite des Spiegels umsehen und entdeckt sofort einen Zauberer, der mit einem Pinsel eine ganze Welt zu erschaffen scheint! Nachdem dieser seine Arbeit erledigt hat, begibt er sich in sein Kämmerlein. Micky Maus nutzt die Gelegenheit, um ein bisschen mit dem Pinsel herumzuspielen, kippt aber ausversehen einen Bottich mit Flüssigkeit über die Miniaturwelt. Sofort beginnt sich diese aufzulösen und unser Held muss flüchten, um nicht vom Zauberer geschnappt zu werden. Zurück in seinem eigenen Haus tut Micky das Erlebnis schnell als bösen Traum ab. Es vergehen viele Jahre und Walt Disneys Maus wird zum bekanntesten Zeichentrickcharakter der Welt. Alles scheint gut zu laufen für den Mäuserich, bis er eines Nachts von einem gruseligen Phantom in den Spiegel und anschließend die vom Zauberer geschaffene Welt entführt wird.
Die größte Überraschung für Micky als auch für den Spieler ist, dass diese Welt von dutzenden von Disney-Charakteren bewohnt wird. Ihr werdet jedoch nicht auf allseits bekannte Figuren wie Donald Duck oder Goofy treffen (die Roboter-Varianten zähle ich jetzt mal nicht als Original-Figuren). Bei den Einwohnern handelt es sich um längst vergessene Charaktere aus der Anfangszeit der Disney-Company bzw. Mickys ersten Filmauftritten. Ihr werdet also unter anderem auf die alten Versionen von Klarabella Kuh und Rudi Ross treffen und viele Charaktere sind sogar nur schwarz-weiß, ganz wie in den alten Cartoons. Lediglich die Kobolde, die ihr immer wieder aus Käfigen befreien müsst, wurden extra für Micky Epic erfunden, reihen sich aber gut in die Charakterriege ein. Und es gibt auch ein Wiedersehen mit dem Hasen Oswald, der bis in die 50er Jahre hinein Star vieler Cartoons war, aber bald von Mickey abgelöst wurde. Oswald hatte sich als Erstes in der Welt der Vergessenen eingefunden und sich auch gleich als König aufgeschwungen. Bis unser Mäuserich die Katastrophe über diese Welt brachte, waren auch alle zufrieden mit der Regentschaft des Hasen. So ist ein wichtiger Teil der Geschichte, ob Oswald seinen Hass gegen Micky dem Wohlergehen seiner Untertanen unterordnen kann. Anfangs plätschert die Story zwar etwas dahin, doch nimmt sie alsbald Fahrt auf und ihr werdet die Welt der Vergessenen und seine Bewohner ins Herz schließen. Was Geschichte, Hintergrund und Figuren angeht, haben wir es bei Micky Epic mit einem großartigen Spiel zu tun. Leider kann die Spielmechanik selbst nicht ganz mithalten.
Das gesamte Abenteuer basiert auf dem Prinzip Gut oder Böse. So trägt Micky immer den magischen Pinsel mit sich herum, mit welchem der Zauberer aus dem Intro die Welt für Oswald und Co. erschaffen hat. Mit diesem Malutensil könnt ihr entweder Gegenstände, Häuserfassaden oder auch Gegner verschwinden oder sie wieder auftauchen lassen bzw. die Freundschaft der Feindeshorden gewinnen. Für ersteres nutzt ihr den Verdünner, mit dem ihr aber nur dafür vorgesehene Wandstücke, Ziergegenstände oder Plattformen auflösen könnt. Ihr seid also teilweise sehr eingeschränkt in euren Möglichkeiten. Und mit der Farbe könnt ihr dementsprechend auch nur Gegenstände in die Welt zurückholen, die bereits dort waren bzw. die ihr selbst aufgelöst habt. Es ist schade, dass dies nicht anders gehandhabt wurde. Dabei spielten aber sicherlich die Hardware der Wii als auch das Leveldesign eine Rolle. Denn es wäre schon etwas kontraproduktiv gewesen, wenn sich der Spieler an jeder Herausforderung durch Wände hindurch hätte entlangmogeln können. Mehr Freiheit beim Herumspielen mit dem Verdünner und der Farbe wäre aber trotzdem drin gewesen. Immerhin haben diese beiden Möglichkeiten Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf. So macht es am Ende durchaus einen Unterschied, ob ihr Endgegner mit dem Verdünner oder mit der Farbe besiegt. Auch werden es sich die Bewohner genau merken, wenn ihr ständig ihre Häuser verunstaltet oder sie selbst zu einem Farbklecks degradiert. Und ganze Levelabschnitte ändern sich je nachdem, wie ihr vorgegangen seid. Und wenn ihr besonders oft Farbe oder eben Verdünner einsetzt, schließen sich euch bis zu drei kleine Helferchen an, die euch im Kampf unterstützen oder den Weg weisen. Etwas später im Spiel erhält Micky auch die Fähigkeit, mithilfe von Skizzen Gegenstände in die Welt zu setzen. So könnt ihr zum Beispiel Fernseher erscheinen lassen, die Gegner ablenken oder bestimmte Maschinen mit Energie versorgen.
Doch das ist noch nicht alles. Ihr werdet immer wieder vor verschiedene Möglichkeiten gestellt, voran zu kommen. So will zum Beispiel ein Kobold sein Werkzeug zurück, das ihm ein freches, vor sich hin quasselndes Telefon stibitzt hat. Ihr könnt nun den Kobold direkt zum Fernsprecher lassen, der diesen auseinandernehmen wird. Oder ihr helft dem Telefon, vier Elektrokästen zu finden, damit dieses sein Palaver weltweit verbreiten kann. Egal wie eure Entscheidung ausfällt, ihr kommt trotzdem weiter in der Geschichte. Nur wie sich eure Wahl schlussendlich auswirkt, bleibt offen. Vielleicht werdet ihr es nie erfahren, es sei denn, ihr kehrt in einem zweiten Spielstand dorthin zurück und entscheidet euch anders. Denn in Micky Epic ist jede Entscheidung absolut, ständig wird automatisch gespeichert. Ihr könnt also nicht beide Varianten ausprobieren und dann schauen, welche Belohnung euch am besten gefällt. Dadurch habe ich in einigen Momenten deutlich länger nachgedacht, was denn nun "richtig" ist. Denn natürlich führe ich Micky auf den Pfad der Tugend. Nur ab und zu schmelze ich die wehrlosen Bewohner. Ein bisschen Spaß muss halt auch mal sein. Und genau dieser könnte euch vor allem in den späteren Levels durchaus vergehen. Das hat aber nichts mit den fantasievoll gestalteten Arealen oder fiesen Hüpfsequenzen zu tun, sondern vielmehr mit der grauenhaften Kamera. In Kämpfen bleibt sie gerne an Felsen hängen, sodass ihr gar nichts mehr seht. Abgründe könnt ihr wegen der schlechten Platzierung nicht richtig einschätzen und gerne springt ihr auch in die Kamera hinein. Es scheint ganz so, als wäre die Kamera mit der Aufgabe betraut, euch das Leben so schwer wie möglich zu machen. Eigentlich wäre das gar nicht so schlimm, da ihr sie selbst schwenken könnt. Aber das nur, wenn sie selber will. Es gibt nämlich viele Stellen in den Arealen, in denen sich die Kamera nicht bewegen lässt. Und das sind dann meistens Momente, in denen es zwingend nötig wäre.
Doch Micky Epic hat leider noch mehr Schattenseiten. Da wäre zum Beispiel die extreme Linearität. Klar, ihr habt immer wieder verschiedene Möglichkeiten, gewisse Aufgaben anzugehen. So könnt ihr ein riesiges Tor zum Beispiel dadurch öffnen, indem ihr einfach alle Feinde besiegt, die davor herumlungern. Oder aber ihr aktiviert den Tormechanismus. Das Ergebnis kommt aber auf das Gleiche hinaus: Innerhalb weniger Minuten habt ihr das Tor geöffnet und gelangt so in den nächsten Abschnitt. In einigen Arealen haltet ihr euch auch mal länger auf, aber die "Durchrenn"-Abschnitte sind in der Überzahl. Und Abzweigungen gibt es nicht. Ihr lauft also immer auf dem vorherbestimmten Weg Richtung Endsequenz und könnt nicht zurück. Nur die Mean Road, sozusagen das Bindeglied zwischen den einzelnen Levels, werdet ihr öfter besuchen. Hier könnt ihr dann Aufgaben von den Bewohner erhalten, die aber selten über Botengänge oder Sammelaufgaben hinausgehen. Und das ist ein weiterer Knackpunkt von Micky Epic: Die euch anvertrauten Aufgaben sind meistens nicht wirklich spannend, innovativ oder aufregend. Und wer nicht versteht, was er tun muss, um voran zu kommen, muss schon selten dämlich sein. Denn alles wird euch haarklein erklärt, sodass selber denken nur selten nötig ist. Nur wenige Farb- und Verdünner-Rätsel sind wirklich knackig. Besonders kompliziert kann es dann werden, wenn ihr an die in den Arealen versteckten Truhen kommen wollt. In diesen findet ihr Anstecker, die ihr sammeln und betrachten könnt.
Viel interessanter sind aber die Filmrollen. Habt ihr genügend davon gesammelt, könnt ihr immerhin zwei Cartoons freischalten, die ihr euch im Hauptmenü unter dem Menüpunkt Extras anschauen könnt. Doch diese Filmrollen liegen nicht in den eigentlichen Arealen herum, sondern wollen in den Zwischenabschnitten gefunden werden. Diese betretet ihr immer dann, wenn ihr von einem Areal eines Levels zum nächsten wollt. Dann wechselt die Perspektive von 3D in 2D und ihr hüpft in klassischer Jump'n'Run-Manier von links nach rechts, aber auch umgekehrt oder von unten nach oben. Das Besondere daran ist, dass jeder dieser Abschnitte von alten Cartoons inspiriert wurde. Ihr betretet also unter anderem das Boot aus "Steamboat Willie", dem sicherlich bekanntesten (und meiner Meinung nach auch coolsten) Auftritt von Micky Maus. Hier glänzt Micky Epic dann auch wieder, nachdem es vorher etwas zu sehr mit Farbe beschmutzt wurde. Wer übrigens einen perfekten Spielstand haben will, kommt nicht darum herum, das Spiel zwei- oder sogar mehrmals durchzuspielen. Denn es gibt Anstecker, die ihr erhaltet, wenn ihr euch gut verhaltet und wieder andere bekommt ihr, wenn ihr fies seid. Was ihr beim ersten Durchspielen gesammelt habt, wird dann in den zweiten Durchlauf übernommen.
Wie schon irgendwo im Laufe des Textes geschrieben, sind die verschiedenen Welten wirklich sehr fantasievoll geworden. So springt ihr zu Anfang durch einen verfallenen Vergnügungspark (nur Schelme würden jetzt denken, es handele sich um das Disneyland-Ressort in Paris), besteigt nach und nach einen Gipfel oder seht euch in einem futuristischen Umfeld um. In diesem liegen sogar NES- und SNES-Cartridges alter Micky Maus-Spiele. Und auch wenn alles zerstört ist und eine drohende, unterschwellige Stimmung in vielen Arealen vorherrscht, haben die Grafiker nicht mit Farbe gespart. Dies sorgt teilweise für einen sehr interessanten Kontrast. Alles wirkt irgendwie rund. Dazu zählen auch die Charaktermodelle. Sehr schickt anzuschauen sind die Farbtropfen, die immer mal wieder von Micky aufsteigen. Zwischensequenzen werden in einer Art Comic-Stil wie immer wieder eingestreut und schauen wirklich nett aus. Gerenderte Szenen gibt es nur zu Anfang und am Ende des Spiels. Besonders die Endsequenz ist wirklich gelungen. Doch ich will natürlich nicht zu viel verraten.
Da wirklich viel gesprochen wird, ist es sehr schade, dass es kaum Sprachausgabe gibt. Lediglich im Intro dürft ihr dem Erzähler lauschen, danach gibt jede Figur lediglich ein kurzes Murmeln, Murren oder sonstwas von sich, wenn sie etwas zu sagen hat. Dabei wurde Micky doch schon in so vielen Cartoons und Zeichentrickserien vertont, was diese Entscheidung zur "stummen" Maus noch unverständlicher macht. Wirklich traumhaft ist aber die Musik gelungen. Es ist völlig egal, wo ihr euch gerade befindet oder was gerade abgeht auf dem Bildschirm, der Soundtrack ist jederzeit ein Fest für eure Ohren. Hier wäre ein Soundtrack auf CD wirklich angebracht! Sehr witzig ist übrigens folgendes Detail: Wenn ihr Micky schleichen lasst, ertönt Klaviergeklimper. Also ganz so wie in alten Cartoons.
Unser Fazit

8
Ein Spiele-Hit