Der Fire Emblem-Konkurrent ist zurück
Im Genre der Strategie-Rollenspiele ist die Fire Emblem-Serie der unangefochtene Platzhirsch. So gerechtfertigt dieser Ruhm von Nintendos Marke auch sein mag, wird dabei oft übersehen, dass es auch viele andere Reihen und Spiele gibt, die ganz eigene Wege gefunden haben, Rollenspielelemente mit einer Strategiekomponente zu verbinden. Während Fire Emblem als Spielserie seit dem Debüt auf dem NES im Jahr 1990 immer bedeutender geworden ist, hat die Langrisser-Reihe den Durchbruch nie ganz geschafft. Der erste Teil der Serie wurde 1991 auf dem SEGA Mega Drive veröffentlicht und war im Westen unter dem Namen Warsong bekannt. Der 1994 veröffentlichte Nachfolger Langrisser II wurde auch auf dem Super Nintendo veröffentlicht, hat aber – wie alle folgenden Titel der Serie – nie den Weg in den Westen gefunden. Publisher NIS America hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern, und hat mit Langrisser I & II ein Remake der beiden ersten Teile veröffentlicht, das am 13. März 2020 für PC, PlayStation 4 und Nintendo Switch erschienen ist. In unserem Test klären wir, ob die Fire Emblem-Konkurrenz heute noch überzeugen kann.
Nach dem Start des Spiels kommt ihr in ein Menü, das euch die Wahl gibt, ob ihr Langrisser I oder Langrisser II starten wollt. Die in den jeweiligen Spielen erzählten Geschichten sind dabei weitgehend unabhängig voneinander. In Langrisser I begleitet ihr den Prinzen Ledin, der nach einem Angriff auf seine Heimat fliehen und sich danach selbst den gegnerischen Streitkräften entgegenstellen muss. Langrisser II behandelt hingegen die Geschichte des Reisenden Elwin, der in einen Konflikt zwischen den Nachkommen des Lichts (Descendents of Light), dem Kaiserreich Rayguard (Rayguard Empire) und dem Dämonenstamm (Demon Tribe) hineingezogen wird. In beiden Titeln habt ihr die Möglichkeit, durch eure Entscheidungen den Verlauf der Handlung zu beeinflussen. In Langrisser II entscheidet ihr beispielsweise, mit welcher Fraktion ihr euch verbünden wollt. Die Handlung wird in beiden Titeln im Wesentlichen durch Dialoge zwischen den einzelnen Gefechten vorangetrieben. Das Spiel ist vollständig Japanisch vertont und mit englischen Menüs und Untertiteln bestückt. Eine deutsche Sprach- oder Textausgabe gibt es leider nicht. Um Spoiler zu vermeiden, soll hier nicht weiter auf die beiden Geschichten eingegangen werden. So viel sei verraten: Wer schon einmal ein JRPG gespielt hat, wird viele der Charakterskizzen und Motive wiedererkennen. Langrisser I & II bieten in dieser Hinsicht genretypische Standardkost.
Anders als die Handlung, weiß sich die zugrundeliegende Spielmechanik durch einige Kniffe von der Konkurrenz abzusetzen. Diese ist in beiden Titeln gleich und zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen Einheiten in Kommandanten und Söldner unterteilt sind. Die Kommandanten sind quasi die Mitglieder eurer Heldenparty, die ihr mit Items ausrüsten könnt und denen ihr – je nach Charakter – verschiedene Klassen zuweisen könnt. Für Elwin, den Protagonisten des zweiten Teils, könnt ihr beispielsweise entweder die Klasse Ritter oder die Klasse Lord wählen. Der Ritter teilt mehr Schaden aus, der Befehlshaber kann seine Söldner und verbündete Truppen dagegen mit Unterstützungszaubern stärker machen. Ihr habt also mehrere Möglichkeiten, die Einheiten eurem Spielstil anzupassen.

In der taktischen Übersicht seht ihr, welche Vor- und Nachteile eure Truppen gegenüber den Gegnern haben. © NIS America
Während euch die Kommandanten durch das gesamte Spiel begleiten, müssen Söldner zu Beginn jedes Gefechts neu rekrutiert werden. Abhängig von der Stufe und der gewählten Klasse, kann jeder Charakter dabei unterschiedlich große Kontingente und verschiedene Einheiten rekrutieren. Die Gefechte selbst laufen dabei nach einer auch aus anderen Spielen bekannten Stein-Schere-Papier-Logik ab. Kavallerie ist effektiv gegen Infanterie, Speerträger sind hingegen effektiv gegen Kavallerie. So lässt sich das für viele Konstellationen durchspielen. Das zugrundeliegende Fantasy-Szenario erlaubt natürlich auch übernatürliche Einheiten mit entsprechenden Sonderfähigkeiten. Harpyien können als fliegende Einheiten beispielsweise auf Mauersprünge gelangen, von denen aus sie einen Vorteil bei der Verteidigung haben.
Die Unterscheidung zwischen Kommandanten und Söldnern hat noch eine weitere Dimension. Besiegt ihr den Kommandanten eines Trupps, werden auch alle seine Söldner vom Spielfeld entfernt. Umgekehrt führt der Sieg über einzelne Söldner aber nicht dazu, dass sich der Trupp zurückzieht. Durch diese Aufteilung der Spielfiguren muss man in jeder Partie zwischen verschiedenen Taktiken abwägen. Versucht man, eine Schneise zu den Kommandanten zu schlagen, um die gegnerischen Einheiten schnell auszuschalten? Oder versucht man, dem Gegner in der Breite einen Schlag zu versetzen, indem man die Söldner einzeln ausschaltet? Beide Optionen haben Vor- und Nachteile. Wer beispielsweise immer nur die Kommandanten ausschaltet, sammelt weniger Erfahrungspunkte und kann im späteren Spielverlauf nur schwächere Einheiten ins Feld schicken. Umgekehrt könnt ihr durch das Besiegen aller Einheiten mehr Erfahrungspunkte sammeln und stärker werden, geht aber das Risiko ein, dass die eigenen Truppen aufgerieben werden. Nur wer beide Strategien klug miteinander kombiniert, kann über den gesamten Spielverlauf das Heft des Handelns in der Hand behalten.
In technischer Hinsicht hinterlassen Langrisser I & II einen soliden Eindruck. Mit Ausnahme der relativ langen Ladezeiten leistet sich das Spiel keine größeren Patzer. Für das Remake wurden die Landschaften, Charaktermodelle und Animationen vollständig neu gestaltet. Während die gezeichneten Figuren schön gestaltet sind, strahlen die Modelle und Kampfanimationen eher einen Mobile-Game-Charme aus, der etwas gewöhnungsbedürftig ist. Fans der Originale können auf Wunsch die Charaktermodelle des Zeichners Satoshi Urushihara statt der neuen Designs verwenden. Gleiches gilt für die Karten der Originalspiele. Nur die animierten Einheiten lassen sich nicht umstellen, was leider zu einem etwas inkonsistenten Bild führt. Über jeden Zweifel erhaben ist aber der fantastische Soundtrack der beiden Titel. Die Entwickler haben sich sichtlich Mühe gegeben, die 90er Jahre Soundchip-Melodien zu erhalten und sinnvoll neu zu interpretieren. Die Langrisser-Musikstücke werden bei vielen Retro-Fans für Ohrwürmer sorgen.
Unser Fazit

7
Spaßgarant