Test zu Hades - Nintendo Switch
Ein Rogue-like, das sich anschickt, den Genre-Olymp zu besteigen
Wenn das eigene Leben die Hölle ist, dann befindet man sich zumeist in einer nicht sehr angenehmen Situation oder Lebensphase, aus der man schnellstmöglich entkommen möchte. Wenn das eigene Leben allerdings wortwörtlich in der Hölle stattfindet, dann gilt es eher die Frage zu stellen, wieso man hier ist und ob es überhaupt ein Entkommen gibt. Im Falle von Zagreus ist es so, dass der Gute in der griechischen Unterwelt heimisch ist, dieser aber entfliehen möchte – was er mit einer gehörigen Portion Gewalt und Finesse versucht zu bewerkstelligen. Ob die Flucht aus dem titelgebenden Hades erfolgreich ist und das Rogue-like in die Höhen des Olympus aufsteigt oder ob der Prinz mitsamt des Spiels für immer in den Tiefen der Unterwelt verschwindet, wollen wir im Folgenden klären.
Hades ist ein weiterer Titel des Rogue-like-Genres, der es sich zum Ziel gesetzt hat, euch geneigte Spieler von sich zu überzeugen und die Konkurrenz vernichtend zu schlagen. Dies geschieht in dem für das Genre üblichen Rahmen: Zufallsgenerierte Welten, ein immer weiter ansteigender Schwierigkeitsgrad, freischaltbare Gegenstände und Fertigkeiten, die den Wiederspielwert erhöhen sollen, unzählige Tode, die eben dieses Wiederspielen forcieren sowie eine Handlung, die das Ganze vorantreibt. Klingt alles vertraut und innerhalb der bekannten Grenzen, nicht wahr? Und doch macht Hades einiges anders und das beginnt bei einem Punkt, für den ich extra meine vergangenen beiden Tests zu Neon Abyss und Heroes of Hammerwatch herausgekramt und noch einmal gelesen habe. In beiden ist die Handlung innerhalb eines Satzes abgehandelt und das war‘s. Würde ich nun jedoch versuchen, die komplette Story von Hades in diesen Test zu packen, würde dieses Unterfangen nicht nur ausufern, ich würde auch ziemlich spoilern. Womit wir zu einem kleinen aber meiner Meinung nach monumentalen Unterschied zur bisherigen Konkurrenz kommen: Hades bietet tatsächlich eine Handlung, die sich nicht nur wie ein roter Faden durch das Spiel zieht, sondern die auch interessant ist und mit gut geschriebenen Charakteren punkten kann. Selbst ein Dead Cells, das mit eher schrägen Persönlichkeiten und einer durchaus interessanten Prämisse aufwartet oder ein The Binding of Isaac, dessen Lore auch viel der Fantasie des Spielers überlassen wird, können da nicht gegen ankommen.
Prinz Zagreus hat einen weiten Weg vor sich, bis er seine himmlischen Verwandten erreichen kann.
© Supergiant Games
Wie bereits in der Einleitung verraten, verkörpert ihr Zagreus, seines Zeichens Sohn von Hades und Prinz der Unterwelt. Als Spross des griesgrämigen und finsteren Herrschers könnte man einen eher finsteren Gesellen erwarten, der an der Seite seines Vaters über das Reich der Toten herrscht, doch weit gefehlt: Auch wenn der Göttliche stets mit einem recht sarkastischen Ton aufwartet, hat er letztendlich nur ein Ziel: Er möchte aus dem Reich seines Vaters entkommen und sich in den Olymp zu seinen Vettern, Cousinen, Tanten und Onkeln begeben. Hades selbst ist nicht sonderlich angetan von diesem Vorhaben und versucht, seinen Sohn selbstverständlich daran zu hindern. Denn aus der Unterwelt ist noch niemand entkommen und Zagreus soll nicht der Erste sein, dem dies gelingt. Mit dieser recht simplen Prämisse werdet ihr zu Beginn ins Spiel geworfen, ohne große Einleitung, ohne Erklärung und so mag man anfangs sehr schnell dazu geneigt sein, dem Spiel anzukreiden, dass es eben nicht anders als seine Konkurrenten mit der Story verfährt. Dass dem eben nicht so ist, wird erst nach eurem ersten virtuellen Ableben klar, denn immer dann, wenn der Prinz der Unterwelt das Zeitliche segnet, landet ihr im Hause Hades und werdet begrüßt von … eurem Vater. Und genau hier gelingt dem Spiel ein so einfaches wie auch erzählerisches Glanzstück, denn Hades sitzt an seinem Tisch, erledigt Papierkram und nimmt nur beiläufig davon Kenntnis, dass euer Fluchtversuch gescheitert ist. Selbiges gilt für die übrigen Bewohner des Hades, die allesamt der griechischen Mythologie entsprungen sind. So trefft ihr auf den gefallenen Achilles, die Göttin der Nacht Nyx oder die Erinye Meg, die euch mal mitleidvoll, mal gut gelaunt oder mal erfüllt von völliger Abscheu begegnen wird. Die meisten verbindet aber eine Sache: Sie glauben nicht wirklich, dass ihr letztendlich Erfolg haben werdet. Und genau in diesen Momenten trumpft Hades enorm auf, denn ihr spielt keinen verzweifelten Helden im Kampf gegen das ultimative Böse, keinen einsamen Krieger, der die verlassenen Minen erkundet und kein vom Leben gezeichnetes Baby, das vor seiner dunklen Kindheit davonläuft: Ihr spielt einen Gott, dem es eigentlich gut geht, der aber einfach nur aus seinen Lebensumständen ausbrechen will und insgeheim von niemandem ernst genommen wird, obwohl er im Alleingang ganze Horden von Dämonen und andere Kreaturen vernichtet.
Ganz stark ist mir dies aufgefallen, als ich dem ersten Boss des Spiels begegnet bin, der bereits erwähnten Erinye Meg, die von Hades als Wächterin aufgestellt wurde, euch aufzuhalten und die ihren Job hasst. Besiegt sie euch bei eurer Begegnung, trefft ihr sie anschließend im Haus Hades wieder und sie ist euch in keiner Weise böse, selbst dann nicht, wenn ihr sie besiegt. Für sie seid ihr nur ein lästiges, verzogenes Gör, das seinen Platz nicht akzeptieren will. Und nach diesem Schema funktioniert die gesamte Welt von Hades, denn im Gegensatz zu anderen Spielen werdet ihr hier mitunter für euer Scheitern belohnt. Denn jedes Mal, wenn ihr bei einem eurer vielen Durchgänge das Leben lasst, ergeben sich neue Gespräche mit den vielen Göttern, Dämonen und Musen – und wer sich mit der griechischen Mythologie nur ein bisschen auskennt, wird lauter bekannte Namen vorgesetzt bekommen. Dabei durchläuft jeder der Charaktere seinen eigenen Reifungsprozess, sodass es stets etwas Neues zu erfahren und über die Welt zu lernen gibt – ganz davon zu schweigen, dass im Laufe des Spiels sehr schnell klar wird, dass Zagreus deutlich größere Ziele hat, als einfach „nur“ den Olymp und seine Verwandtschaft zu erreichen, aber wie bereits erwähnt: Das würde die Grenzen dieses Tests sprengen. Nun habe ich am Ende doch mehr als den üblichen, einen Satz zur Handlung geschrieben und komme jetzt dann endlich auch zum Gameplay.
Im Laufe der Handlung stellen sich euch einige Persönlichkeiten der griechischen Mythologie in den Weg.
© Supergiant Games
In seinem Herzen ist Hades ein ganz klassisches Rogue-like: Ihr kämpft euch in einer isometrischen Perspektive in Hack & Slay-Manier durch verschiedene, zufallsgenerierte Level und versucht euch bis aus den Hades herauszukämpfen. Dabei stellen sich euch nicht nur fiese Widersacher und Bossgegner in den Weg, ihr müsst auch mit einer stets knappen Lebensleiste klarkommen, die sich nur selten auffüllen lässt. Zusammen mit einem stets steigenden Schwierigkeitsgrad, der euch mit der Zeit das Leben zur Hölle macht, bietet sich euch so eine recht knackige Herausforderung, die jedoch niemals unfair wird und stets Erfolgserlebnisse in petto hat. Um letztendlich zum Olymp zu gelangen, müsst ihr euch durch die verschiedenen Ebenen der Unterwelt kämpfen, die jeweils aus mehreren Räumen und einem Boss bestehen. Neben der deutlich umfangreichen Handlung kommt hier eine weitere Besonderheit von Hades zutage: Habt ihr einen der Räume von allen Feinden gesäubert, tun sich öfters mehrere Türen auf, die euch in den nächsten Raum führen, von denen ihr aber nur eine betreten könnt. Dabei wird euch stets angezeigt, welche Belohnung im angrenzenden Raum zu erhalten ist, was dazu führt, dass ihr euch taktisch überlegen könnt, welche Gegenstände gerade hilfreicher für eure aktuelle Situation sind. Und genau das will gut überlegt sein, denn es gibt einige nützliche Belohnungen, die euren Aufstieg erleichtern; von schnöden Münzen, mit denen ihr beim Fährmann Charon neue Gegenstände und Verbesserungen kaufen könnt, über Dunkelheit, mit der ihr passive Fähigkeiten freischalten könnt, Schlüsseln, die euch neue Waffen freischalten lassen bis hin zu Ambrosia und Kraftfrüchten, welche eure Göttergaben und die Beziehung zu euren Verwandten verbessern.
Denn neben den vielen Gegenständen gibt es noch eine weitere Hilfestellung in Form eurer göttlichen Verwandtschaft. All die Götter des Olymp unterstützen euch nämlich bei eurem Fluchtversuch. Im Spiel verteilt könnt ihr verschiedene Orbs finden, die jeweils einer Gottheit gewidmet sind und die euch dann teils passive, teils aktive Gaben schenken. So sorgt Göttervater Zeus dafür, dass eure Angriffe zusätzlichen Blitzschaden anrichten, während Hermes euch nach einem erfolgreichen Sprint zusätzliches Bewegungstempo verpasst. Dabei könnt ihr mehrere Gaben gleichzeitig nutzen und Zagreus Spielstil, zusammen mit der passenden Wahl der Waffe, ganz nach euren eigenen Vorlieben anpassen. Die einzelnen Gaben könnt ihr zudem durch die oben erwähnte Kraftfrucht verstärken und so immer mächtiger werden. Doch göttliche Macht alleine wird euch nicht im Kampf gegen die Ungetüme des Hades helfen, dafür braucht es auch physische Kraft und daher kann der Prinz der Unterwelt aus sechs verschiedenen Waffen wählen, die ihr im Laufe des Spiels freischalten könnt. Die Palette ist dabei mit zwei Fern- und vier Nahkampfwaffen zwar nicht überragend groß, dafür aber abwechslungsreich. Ob ihr euren Feinden nun mit einem Schwert, Speer oder einem Schild an den Kragen geht, ist spielerisch spürbar anders. Und für all diejenigen, die die direkte Konfrontation scheuen, dem wird mit dem Bogen und einem infernalischen Schnellfeuergewehr – ja, das kommt so in der griechischen Mythologie eigentlich nicht vor – eine schlagkräftige Alternative geboten. Jede Waffe bietet dabei ihre eigenen Stärken und Schwächen; während die Fernkampfwaffen gerade früh im Spiel fast übermächtig erscheinen, wendet sich das Blatt je weiter ihr vorankommt und die Gegner immer schneller und flinker werden. Zu Beginn eurer Flucht müsst ihr euch stets für eine Waffe entscheiden, die euch dann auch permanent begleitet – das schränkt im ersten Moment zwar vermeintlich ein, jedoch habt ihr im Laufe des Spiels die Möglichkeit, eure Waffe zu verbessern und mithilfe magischer Artefakte sogar um komplett neue Aspekte zu erweitern, indem ihr sie mit der Macht eines der Götter erfüllt. Zudem bietet jedes Mordinstrument eine Spezialattacke sowie einen Wurf, die eure Aktionsmöglichkeiten noch erweitern. Um den gegnerischen Attacken zu entkommen, steht euch zudem noch ein Dash zur Verfügung, der häufig und im richtigen Zeitpunkt genutzt werden will, damit ihr nicht das Zeitliche segnet. Denn wenn das der Fall ist, steigt der Prinz der Dunkelheit im Haus des Hades aus einem Becken voller Blut und darf sich erneut der Schmach seines Vaters aussetzen – etwas, was wir doch alle vermeiden wollen, nicht wahr?
Eure Waffen könnt immer weiter verbessern. Hier verpassen wir unserer Feuerwaffe zielsuchende Geschosse.
© Supergiant Games
Die Feinde, die sich euch in den Weg stellen, fallen unterschiedlich intelligent aus. Während ihr zu Beginn eher langsamen und dümmlichen Grobianen gegenübersteht, wächst das gegnerische Repertoire an Fähigkeiten und Gemeinheiten mit voranschreitendem Fortschritt immer mehr. Das gilt auch für die Bossgegner, die jeweils mit ihren eigenen Taktiken und verschiedenen Phasen aufwarten, euch selbst nach mehreren Durchläufen immer wieder einiges abverlangen und die sich auch mal verändern können, sodass euch selbst nach einiger Zeit weiterhin Abwechslung geboten wird. Die Entwickler haben sich dabei grob an die griechische Mythologie gehalten, auch wenn viele der Ungetüme ebenfalls aus anderen Ecken des Fantasy-Genres stammen könnten. Vielfältig zeigt sich auch die Optik von Hades, denn das eher comichafte Grafikdesign weiß durchaus zu gefallen. Dabei werden euch nicht nur dunkle Abgründe geboten, wie man es von der Unterwelt erwarten würde, sondern prunkvolle Tempel, brodelnde Lavaflüsse oder auch mal paradiesische und üppige Ebenen. Zudem lässt sich das Setting innerhalb der griechischen Mythologie stets in der Umgebung und auch in den einzelnen Charakteren erkennen. All die Dämonen, Halbgötter, gefallene Helden und Götter sind in einem recht düsteren Stil gehalten, der durchaus zu gefallen weiß. Das alles kommt umso mehr zur Geltung, wenn zusätzlich der grandiose Soundtrack erklingt. Darren Korb, der für die rockigen und markanten Klänge verantwortlich ist, schafft es, eine musikalische Begleitung zu schaffen, die nicht nur in den Kämpfen anzutreiben weiß, sondern auch in ruhigen Momenten überzeugen kann. Ich empfehle hier jedem auch fernab des Spiels in den Soundtrack auf Spotify oder YouTube reinzuhören, wo dieser kostenlos verfügbar ist.
Bei all dieser Lobhudelei müsste man nun natürlich auch fragen, wo Hades seine Schwächen hat. Ich muss aber ehrlich gestehen, bis auf die etwas dürftige Anzahl an Waffen gab es nichts, was mich spielerisch wirklich gestört hätte und selbst dieser Punkt wiegt in meinen Augen nicht allzu schwer, da man die Waffen noch entsprechend verbessern und seinem eigenen Spielstil anpassen kann. Die Schwierigkeitskurve steigt mitunter mal steil an und wie es bei Rogue-likes nun einmal der Fall ist, werdet ihr öfters scheitern. Doch gerade in Verbindung mit der voranschreitenden Erzählung sowie den gut geschriebenen Charakteren war auch dies ein Punkt, der sich sehr gut verschmerzen ließ. Auch von der technischen Seite her liefert Hades eine solide Figur ab. Während meiner Testzeit zeigte das Spiel keinerlei Ruckler oder Hänger und das Geschehen auf dem Bild lief durchgehend flüssig ab – sowohl im TV- als auch im Handheldmodus. Wobei man anmerken muss, dass in letzterem das Geschehen auf dem Bildschirm vor allem im späteren Verlauf des Spiels gelegentlich etwas unübersichtlich werden kann, vor allem wenn ihr gegen mehrere Gegner kämpft, die den Bildschirm gleichzeitig mit Geschossen übersähen. Die Steuerung ist leicht zu verinnerlichen und weist keinerlei Aussetzer auf. Einzig die Tatsache, dass man ohne jegliche Hilfestellung direkt ins Spielgeschehen geworfen wird, könnte Neueinsteiger des Genres den Einstieg etwas erschweren, da weder die Controller-Belegung noch sonst dergleichen aktiv eingeblendet werden. Letztendlich gibt es noch eine gute Nachricht für all diejenigen, die sich auf lokalisierte Spiele freuen: Alle Texte in Hades wurden komplett ins Deutsche übersetzt, auch wenn die Übersetzung an der einen oder anderen Stelle manchmal etwas misslungen wirkt. Die Sprachausgabe mitsamt der gut gewählten Synchronsprecher bleibt hingegen das gesamte Spiel über auf Englisch.
Unser Fazit
10
Meisterwerk