Mit einem Klick zurück in die späten Neunziger der Videospiel-Geschichte
Schon seit Jahrzehnten versorgt Japan die Welt mit teils erstklassigen RPGs. Während einige Titel weltbekannt sind, ist eine große Zahl an Klassikern doch eher nur im Herkunftsland eine große Nummer. 1998 markiert ein Jahr, das besonders für das Rollenspiel-Franchise SaGa von Bedeutung ist. Nach einer Vielzahl von Produktionen kam auch der Rest der Welt mit dem Titel SaGa – Frontier erstmals in den Genuss des japanischen Rollenspiel-Lieblings aus dem Hause Square, welches durch die Final Fantasy-Reihe Weltruhm erlangte. Damals nur für die PlayStation 1 – heute als Remaster für diverse Plattformen wie PlayStation 4, Android-Geräte und auch die Nintendo Switch. Kann ein Remaster eines solchen alteingesessenen Spiels heute noch überzeugen? Und welche Neuerungen warten auf alte Hasen und forsche Neukunden? Einen genauen Blick auf das Spiel SaGa Frontier Remastered findet ihr im Folgenden.
Die Handlung des Spiels ist im fiktiven Sonnensystem namens The Regions verankert. Diese fantastische Welt ist Heimat von vielen Wesen: Menschen, Mystikern, Tierwesen und auch Mechs. Bei dieser Fülle an Rassen und einer sehr breit gefächerten Welt ist es nur verständlich, dass auch Probleme auftauchen, die nach Helden schreien. Helden? Richtig gehört! SaGa Frontier ist kein gewöhnliches JRPG. Anstatt auf einen Protagonisten und seine Verbündeten den Fokus zu legen, hat man die Gelegenheit, einen von acht Charakteren als Hauptperson zu wählen. Man begibt sich anschließend auf seine Reise – eine Reise voller Gefahren, Emotionen und Ambitionen. Besonders spannend ist, dass man nach Abschluss eines Handlungsabschnitts eines Charakters einen anderen Charakter spielen kann. Durch das Erleben der verschiedenen Geschichten lernt man viel über die verschiedenen Persönlichkeiten. Langsam bemerkt man Verbindungen zwischen den Protagonisten – jedes Schicksal ist unweigerlich miteinander verbunden.
Besonders Fans von handlungsgetriebenen Spielen werden SaGa Frontier in ihr Herz schließen können. Jeder Charakter hat seine eigene Persönlichkeit, Herkunft und Problematik. Manche sind auf der Suche nach Antworten über das Leben, während einige auch auf einer Reise zur Rettung ihrer Heimat sind. Gerade die Diversität der einzelnen Charaktere lässt euch in das Spiel völlig eintauchen. Die Spielmechanik, dass man je nach Charakterwahl eine andere Seite der Geschichte erfährt, ist nicht nur spannend – ich würde das als Hauptfaktor für die Spielmotivation benennen.

Das Spiel bietet direkt zu Beginn die Wahl zwischen sieben Helden und ihren Schicksalen. Nur der neue Held Fuse muss freigespielt werden.
© Square Enix Co., Ltd.
So schön die Idee auch ist, verschiedene Helden und ihre Geschichten zu kombinieren, muss man auch über einige Kritikpunkte stolpern. Die Geschichten sind zwar insgesamt gut durchdacht, wenn es um den roten Faden geht, aber leider fehlt es an einigen Stellen an einer gewissen Tiefe, die andere Spiele aus dem gleichen Genre durchaus haben, da sie sich auf nur einen Handlungsstrang konzentrieren. Einige Dialoge bei SaGa Frontier wirken so etwas kurz angebunden. Es gibt besonders bei Nebencharakteren nur sehr wenig emotionale Tiefe. Ich fühlte mich tatsächlich oft in den Handlungszusammenhängen hin- und hergeworfen und häufig orientierungslos. Die genauen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Aktionen waren mir nicht immer klar.
Ein gutes Beispiel ist für mich die Questreihe von Riki – dem Tierwesen, das seine Heimat vor der Zerstörung retten möchte, indem es wundersame Ringe sucht. Zu Beginn seiner Geschichte kommt man in eine Bar und plötzlich treten verschiedene Nebencharaktere dem Team bei. Einige dieser Charaktere haben ihre Beweggründe vernünftig dargelegt, während andere einfach so beigetreten sind. Es wirkt oft wie ein fadenscheiniger Vorwand, um dem Helden ein paar Helfer zu Seite zu stellen. Das Beitreten verschiedener Charaktere ins Team ist nicht selten sehr zweifelhaft. Oft ist mir zumindest nicht wirklich klar geworden, wieso diese bestimmte Person jetzt sein Leben für den Helden riskiert. Ein möglicher Grund für die recht sprunghaften Momente ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass das Spiel viel an Handlungsvolumen abdecken will. Zur Zeit der Veröffentlichung des Originals ist man wahrscheinlich an Speicherkapazitätsgrenzen gestoßen, was zu möglichen Kürzungen führte. Das ist zumindest eine mögliche Theorie, wieso einige Handlungsschritte undurchsichtig wirken. Ein weiterer möglicher Zankapfel ist die fehlende Möglichkeit, das Spiel in deutscher Sprache zu spielen. Meiner persönlichen Auffassung nach hätte es für ein Remaster mit der Lokalisierung in Deutschland auch eine deutsche Sprachausgabe geben sollen. Nicht jeder Spieler ist dem Englischen gleich mächtig. Dieser Faktor ist für viele Interessierte sogar ein gerechtfertigtes K.O.-Kriterium, um das Spiel nicht zu erstehen. Der Titel bietet im Übrigen keinerlei Synchronfassung - eine Übersetzung hätte sich demnach tatsächlich nur auf die geschriebenen Texte im Spiel beschränkt.
Kernelement eines jeden JRPGs ist neben der Handlung auch das Kampfsystem. SaGa Frontier setzt, wie zur damaligen Zeit klassisch, auf ein rundenbasiertes Kampfsystem. Im Kampf steht man mit seiner Truppe einer Handvoll Gegnern gegenüber – manchmal in verschiedenen Kampfpositionen. Mittels ausgerüsteter Waffen oder gekauften magischen Fähigkeiten kämpft man sich durch die Horde. Spannend an diesem System war für mich besonders die Kombi-Mechanik. Verschiedene Attacken von verschiedenen Kämpfern können, sofern sie in der passenden Reihenfolge und ohne Unterbrechung ausgeführt werden, mächtige Kombinationsangriffe herbeiführen. Es gibt eine Vielzahl an Angriffskombinationen. Ich für meinen Teil habe mir ein gutes altes Blatt Papier genommen, da die schiere Anzahl an Kombos so erschlagend war, dass ich sie mir nicht alle merken konnte. Aber nicht nur ihr als Spieler könnt vernichtende Kombo-Angriffe zusammensetzen – auch Gegner können hin und wieder solche Angriffe starten. Das kann schnell den sicheren Tod bringen.

Diese Monstrosität ist nur ein Beispiel für die fatalen Schlachten, die Spieler in SaGa Frontier Remastered erwarten. Da kommt man schnell ins Schwitzen!
© Square Enix Co., Ltd.
Im weiteren Verlauf ist die Spielmechanik und auch die Schwierigkeit der Gegner durchaus herausfordernd. Wenn man den Titel bereits gespielt hat, dann weiß man, auf was man sich einlässt. Als Spielanfänger kann aber der Schwierigkeitsgrad schnell eine echte Herausforderung sein. Meiner bisherigen Beobachtungen nach waren einige damalige Spiele um ein gutes Stück herausfordernder als die heutigen. Die technischen Errungenschaften und auch die Anpassungen an die Zielgruppen haben dafür gesorgt, dass viele heutige Spiele von der Schwierigkeit her nicht mit den damaligen Produktionen vergleichbar sind. Damals habe ich gerne diese Art von Spielen gespielt, aber zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich bei diesem Titel eher schwach und schlecht. Das Spiel ist nicht zum Händchenhalten da. Ich hatte eher das Gefühl, dass das Remaster nur darauf wartet, mir die nächste Backpfeife ins Gesicht zu pfeffern. So viele vorzeitige Enden, wie ich in diesem Spiel eingesammelt habe, habe ich wahrscheinlich seit einer Ewigkeit nicht mehr erlebt.
Der Schwierigkeitsgrad allein ist dabei nicht unbedingt das Problem. Es ist mehr das Spielsystem, das mir zumindest oft einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Jeder Charakter hat Gesundheitspunkte (HP), die verringert werden, wenn man von einer Attacke getroffen wird. Sinkt der HP-Zähler auf 0, wird der Charakter ohnmächtig. Nun geht es um die Lebenspunkte (LP), die je nach Charakter zwischen drei und zehn Punkten liegen. Wird der ohnmächtige Spieler erneut getroffen, verringert sich der LP-Zähler um genau 1. Sinkt der Zähler des Hauptcharakters auf null, ist das Spiel an dieser Stelle für dich vorbei. Besonders lange Dungeons und viele, teils überraschend schwere Gegner können die LP noch vor einem Bosskampf gut runterdrücken. Heilung ist außerhalb von Städten zudem nur sehr schwer möglich, da entsprechende Heilungsitems nicht unbedingt überall herumliegen. Zwar werden die HP nach jedem Kampf vollständig wiederhergestellt, die LP bleiben jedoch unberührt. Es kann also gut sein, dass man schwer verwundet in einen Bosskampf starten muss und dann … na ja, einfach versagt. Das ist unglaublich frustrierend und gerade jetzt beim Schreiben spüre ich wieder, wie das Adrenalin und die Wut in meiner Brust schwellen – etwas, das ich schon lange nicht mehr bei Spielen spüren konnte. Mit SaGa Frontier Remastered bekommt man endlich wieder die Gelegenheit, richtig ins Schwitzen zu kommen und seine spielerischen und strategischen Fähigkeiten auf ein höheres Niveau zu heben.
Bereits der ursprüngliche Titel aus den späten Neunzigern glänzte im Übrigen mit seinen packenden Melodien aus der Feder des Komponisten Kenji Ito. Ito ist besonders durch seine musikalische Arbeit an anderen Titeln des SaGa-Franchise und auch durch seine Mitarbeit an den Trial of Mana-Titeln bekannt. Für das Remaster wurde er ein weiteres Mal mit ins Boot geholt, um den zusätzlichen musikalischen Inhalt zu gestalten. So gibt es nun den zuvor erwähnten achten Charakter namens Fuse zu spielen, welcher seine eigenen interessanten Stücke spendiert bekommen hat. Außerdem wurde auch die Questreihe von Assellus, einer spielbaren Protagonistin, erweitert. Ich habe das Gefühl, dass sich das Produktionsteam viel Mühe gegeben hat, mehr zu bieten als einfach nur das Spiel auf andere Konsolen zu portieren. Ich für meinen Teil habe diese Erweiterungen wirklich genossen.

Jeder Abschnitt der Spielwelt ist mit einem scharfen Auge für Details überarbeitet worden. Diese Szenerie ist nur eine von vielen weiteren Kunstwerken.
© Square Enix Co., Ltd.
Grafisch ist das Spiel sehr künstlerisch ausgearbeitet. Man hat versucht, über geschickte Kameraführung und mithilfe schöner 2D-Sprites Leben in das Geschehen einzuhauchen. Dieses grafische Erlebnis ist zwar auch schon in der ursprünglichen Fassung vorhanden. Im Remaster merkt man aber, dass an vielen Stellen noch einmal ordentlich mit dem Farbpinsel geschwungen wurde. Die verschiedenen Örtlichkeiten wirken durch die modernen Anpassungen wesentlich authentischer. Auch die Animationen fühlen sich merklich flüssiger als bei der ersten Version des Spiels an. Durch die Paarung zwischen guten, vergangenen Ideen und der modernen Renovierung bekommt man ein Spielerlebnis, das sich nicht nur für Fans der Reihe lohnen wird. Neben großen Anpassungen wie Questergänzung oder dem neuen Charakter, gibt es auch einige kleine Details, die das Spielerlebnis aufwerten. So gibt es die Möglichkeit, das Spielgeschehen doppelt so schnell abspielen zu lassen. In den Optionen lässt sich dies sogar noch weiter anpassen, sodass man auch mit einer noch höheren Geschwindigkeit spielen kann. Das ist besonders dann interessant, wenn man sowieso nur dabei ist, seine Beute abzugreifen.
Auch wenn ich bereits mehrere Stunden in das Spiel versenkt habe, spüre ich noch immer große Lust, mich weiter und intensiver in diese epischen Geschichten zu vertiefen. Zu viele Möglichkeiten sind noch offen und zu viele Erzählungen warten auf ihre Entdeckung. Ich gehe davon aus, dass noch mehr Stunden im zweistelligen Bereich hinzukommen werden – Stunden voller Freude, Kampfeswillen und purer Verzweiflung.
Unser Fazit

7
Spaßgarant