Travis auf galaktischer Mission
Zwölf Jahre nach der Erstveröffentlichung von No More Heroes 2: Desperate Struggle und zwei Jahre nach Travis Strikes Again: No More Heroes ist ab sofort der heiß ersehnte Nachfolger No More Heroes 3 erhältlich. Mitunter aufgrund der Bewegungssteuerung der Joy-Con-Controller hat sich No More Heroes-Erfinder Suda51 dazu entschieden, das Spiel exklusiv auf die Nintendo Switch zu bringen, beliebte Kernelemente beizubehalten und zugleich ein paar neue Features sowie eine neue Story einzubauen.
Die Handlung von No More Heroes 3 beginnt mit einem Blick in die Vergangenheit, als ein junger Bub namens Damon (bekannt aus Travis Strikes Again: No More Heroes) das kleine außerirdische Wesen Fu traf und sich mit ihm anfreundete. In der an E.T. angelehnten Eröffnungssequenz schworen die beiden, für immer beste Freunde zu bleiben und Fu versprach bei der Verabschiedung in seine Weltall-Heimat, Damon und die Erde in 20 Jahren wieder zu besuchen. Fu sollte sein Versprechen halten, doch 20 Jahre sind eine lange Zeit und als er auf die Erde zurückkehrt, ist er kaum mehr wiederzuerkennen: Als mächtiger Prinz Jess Baptiste VI trifft Fu den nun erfolgreichen Firmenboss Damon wieder und kündigt überraschenderweise an, mit einigen weiteren „Weltraum-Superhelden“ die Erde erobern zu wollen. Nun liegt es an Serien-Protagonist Travis Touchdown, mit seinem Laserkatana bewaffnet, die Welt vor den Aliens zu beschützen und als Auftragskiller in der galaktischen Rangliste durch das Ermorden der Eindringlinge von Platz 10 auf Platz 1 vorzudringen. Auch ist die Partnerin von Travis, Sylvia Christel, wieder mit von der Partie und leitet den Otaku durch die Ranglistenkämpfe gegen die Außerirdischen. Zudem begleitet Jeane, die mittlerweile zwölf Jahre alte Katze, Travis auf seinen Abenteuern und Spieler können erstmals die menschliche Stimme des Haustiers hören.

Jede Menge Gegner warten darauf, von Travis niedergemetzelt zu werden.
© Marvelous Inc. / Grasshopper Manufacture Inc.
Gleich zu Beginn des Spiels bekommt ihr ein schönes Steuerungs-Tutorial von Meister Gida, das ihr auch später jederzeit erneut spielen oder als Mail-Format im sogenannten Thunder Tiger Mailing Service im Hauptmenü nachschlagen könnt. Die empfohlene Steuerungsart ist jene mit den Joy-Con-Controllern, bei welchen ihr neben den regulären Schlägen mit der Knopfsteuerung bei ausgewählten Moves wie Würfen, Killer Slashes (finale Schwerthiebe), beim ikonischen Aufladen des Laserkatanas und bei manchen Minispielen die Bewegungssteuerung nutzen könnt, indem ihr die Controller entweder in eine vorgegebene Richtung schwingt oder schüttelt. Spielt ihr mit einem anderen Controllerformat oder im Handheld-Modus, so lässt sich das Spiel auch komplett mit Knopfsteuerung spielen und der rechte Controlstick kommt für die Killer Slashes & Co. zum Einsatz.
Ein wichtiges Gameplay-Element in No More Heroes 3 ist das perfekte Ausweichen mit dem A-Knopf kurz bevor der Gegner euch treffen würde (vergleichbar mit derselben Mechanik in Zelda: Breath of the Wild), wodurch ihr die Zeit verlangsamen könnt, um Gegnern in Zeitlupe mit Schlägen oder Pro-Wrestling-Moves viel Schaden zuzufügen. Immer wieder könnt ihr im Kampf die aus früheren Ablegern bekannte Slot-Maschine aktivieren, bei der ihr die Chance habt, drei gleiche Symbole zu bekommen und spezielle brandneue Fähigkeiten wie vorübergehende Unverwundbarkeit oder den Mustang-Modus zu nutzen, mit dem ihr Gegner in Rekordgeschwindigkeit niedermetzeln könnt. Andere Bonuseffekte bei drei gleichen Symbolen sind eine erhöhte Menge an Geld (UtopiCoins) oder sogenannte WESN (World End Super Nova), die jeweils für allerlei nützliche Dinge ausgegeben werden können.
Bekommt ihr bei der Slot-Maschine drei 7er, dann aktiviert sich der neue Full Green-Modus und Travis wird in eine Vollrüstung für Landgefechte gesteckt, durch welche er noch viel stärker wird und sowohl zuschlagen als auch Projektile abfeuern kann. Dieser Modus hält jedoch nur ein paar Sekunden an, weshalb ihr euch gut überlegen solltet, wann ihr im Kampf die Transformation einsetzen wollt. Nicht nur auf dem Land, sondern auch im Weltall finden hin und wieder Kämpfe statt. In solchen Fällen kämpft Travis auch in einer Rüstung und eure Aufgabe besteht darin, den feindlichen Angriffen und Projektilen auszuweichen sowie zugleich die Schwachstellen der mächtigen Gegner mit eigenen Geschossen zu treffen.
Des Weiteren hat Travis in Landkämpfen mit dem L-Knopf Zugriff auf den aus Travis Strikes Again bekannten Death Glove, der ihm neue Fähigkeiten verleiht. Zunächst ist lediglich der Death Kick, ein mächtiger Fußkick gegen Gegner, verfügbar, doch schon nach kurzer Zeit werden drei weitere Fähigkeiten auf einmal freigeschaltet: Beim Death Rain prasselt ein schädlicher Regen auf die Gegner ein, mit Death Force können Gegner zurückgestoßen und mit Death Slow verlangsamt werden. Diese Techniken im richtigen Moment gegen Gegner einzusetzen, ist essenziell, um erfolgreich zu sein. Trotz der zahlreichen Spezialfähigkeiten wird der Großteil der spaßigen Kämpfe allerdings weiterhin durch normale Schläge und Hiebe mit dem Laserkatana bestritten, bis das Blut spritzt (welches optional im Menü zensierbar ist).
Die Weltraumgegner bringen frischen Wind in das No More Heroes-Universum und mitunter dank zahlreicher Bosse und neuer Gegner sowie den verschiedenen neuen Fähigkeiten fühlt sich das Kämpfen in No More Heroes 3 noch besser und abwechslungsreicher als in den Vorgängern an. Einige Gegner sind richtig knifflig und etwas mehr Strategie ist gefragt, um den Angriffen auszuweichen und mit den passenden Konterangriffen zu antworten.
Im originalen No More Heroes konnte man die fiktive, jedoch etwas öde und leere Stadt Santa Destroy nach Belieben erkunden – in No More Heroes 2 verzichtete Suda51 auf eine frei befahrbare Oberwelt, nachdem diese im ersten Teil oft kritisiert wurde. In No More Heroes 3 feiert nicht nur die offene Welt von Santa Destroy ein Comeback, sondern zusätzlich dazu sind vier weitere Bereiche des Inselkomplexes (Perfect World, Thunder Dome, Call of Battle und Neo Brazil) zugänglich, die ihr im Laufe des Spiels freischaltet.

Die Oberwelt stellt weder optisch noch spielerisch eine große Verbesserung dar.
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In No More Heroes 3 müsst ihr wie gewohnt Geld sammeln, um die Teilnahmegebühr für den jeweils nächsten Rang- bzw. Bosskampf bezahlen zu können, damit ihr in der galaktischen Superheldenrangliste aufsteigt. Zusätzlich dazu müsst ihr zuvor stets drei Kämpfe absolvieren, die von der United Assassins Association organisiert werden und die ihr mit eurem neuen Motorrad auf der Oberwelt finden könnt. In dieser Oberwelt gibt es keine Gegner, sondern verstreute Warppunkte, die euch direkt zu Kämpfen, Missionen oder Minispielen führen, wo ihr das erforderliche Geld leicht auftreiben könnt. Positiv zu erwähnen ist eine Schnellreisefunktion, mit der ihr jederzeit ohne Umwege zwischen den verschiedenen Gebieten hin- und herreisen könnt.
Anders als in den ersten beiden Hauptteilen gibt es in No More Heroes 3 kaum Abschnitte, bei denen ihr durch Gebiete wandert oder ihr euch durch Gegner-Horden kämpfen müsst, bevor ihr am Ende der jeweiligen Passage auf den Bossgegner trefft. Diesmal wird man bei den meisten Rangkämpfen direkt zum Boss geschickt, was sich für mich so anfühlt, als würde ein elementarer Teil des Abenteuers einfach fehlen. Auf der in Summe relativ kleinen Oberwelt gibt es zwar Dutzende optionale Kämpfe und Verteidigungsmissionen mit Gegnerwellen, zu denen ihr euch warpen könnt, jedoch sind diese meist unabhängig von der Geschichte und finden in kleinen Bereichen statt, die sich jeweils sehr ähneln.
In Santa Destroy und den anderen Abschnitten der Oberwelt hat sich grafisch leider sehr wenig getan und die Umgebungen sehen teilweise erschreckend schlecht aus. An manchen Orten wie in Neo Brazil oder in Perfect World sind die Boden- und Umgebungs-Texturen derart schwach und detailarm, dass man es kaum für möglich hält, es hier mit einem Nintendo Switch-Spiel zu tun zu haben. Egal, ob die generischen Büsche, das unrealistische Wasser am Strand oder die pixelhaften Bäume – die Grafik ist alles andere als zeitgemäß. Kurz nach dem Befahren von neuen Bereichen mit dem Motorrad bricht die Framerate manchmal für kurze Zeit ein, größtenteils bleibt sie jedoch bei stabilen knapp 30 Bildern pro Sekunde auf der Oberwelt. Die gute Nachricht: Kampfabschnitte laufen glücklicherweise sehr flüssig mit 60 Bildern pro Sekunde und nur selten habe ich kleinere Bugs bemerkt.
Noch störender als die Texturen ist die schreckliche Weitsicht: Oft sind Hindernisse, Objekte und Umgebungen in der Ferne überhaupt nicht zu sehen und ploppen erst wenige Meter davor auf, wenn man nach vorne wandert oder fährt. Links und rechts werden wiederum Umgebungstexturen nachgeladen und in Summe ist das Erlebnis auf der Oberwelt alles andere als schön. Ja, es macht zwar weiterhin Spaß, mit dem Motorrad auf der Insel umherzudüsen und es gibt auch um einiges mehr zu entdecken als im ersten No More Heroes-Teil (so lassen sich einige NPCs finden, die beispielsweise Sammel-Aufgaben oder Belohnungen für Missionen für Travis haben), trotzdem wäre viel mehr möglich gewesen. Dass man manche Laternen einfach wie Streichhölzer niederfahren kann und sich Autos der Gegenfahrbahn bei der kleinsten Kollision in Luft auflösen, während man bei anderen Hindernissen sofort vom Motorrad geschmissen wird, mag für manche der typische „Travis-Trash-Faktor“ sein, für andere hingegen möglicherweise ein weiterer Kritikpunkt.
Fans von Minispielen im Stile des ersten No More Heroes-Ablegers dürfen sich erneut auf einige zum Brüllen komische Aktivitäten freuen, die dieses Mal komplett optional sind und bei denen ihr ein wenig Geld dazu verdienen könnt: Beispielsweise sind zahlreiche Toiletten auf der Oberwelt verstopft und jedes Mal, wenn ihr in der Stadt ein Klo zum Speichern aufsuchen wollt, müsst ihr dieses zunächst als Kloputzer mit der Saugglocke reinigen, indem ihr den Joy-Con-Controller auf- und abschüttelt. Woanders am Strand müsst ihr wiederum Riesen-Alligatoren abschießen, die auf das Ufer zuschwimmen, Rohstoffe in gefährlichen Lavahöhlen abbauen oder in Vorgärten den Rasen mähen. Solltet ihr keine Lust auf optionale Minispiele oder Kampfmissionen haben, dann könnt ihr übrigens gefundene bzw. in Kämpfen erhaltene Ressourcen jederzeit als „Schrott“ im Filmshop neben dem Motel verkaufen, um an das nötige Startgeld für die Ranglistenkämpfe zu kommen.
Die große Stärke von No More Heroes 3 ist neben dem spaßigen und flüssigen Gameplay auf jeden Fall die Story, der Humor und der durchgeknallte, nicht jugendfreie Erzählstil. Nicht selten dachte ich mir: „Was zur Hölle passiert gerade?“ und genau diese Momente machen das Spiel so besonders. Dies fängt bereits beim Intro an und zieht sich durch das gesamte Spiel. Fans der früheren Ableger dürfen sich auf die Auftritte einiger bekannter Charaktere wie Shinobu oder Bad Girl freuen, wenngleich die meisten leider nur kurz im Verlauf des Spiels auftauchen.

Verbesserungen eurer Fähigkeiten könnt ihr bei der Power-up-Maschine vornehmen.
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Zwar basieren Teile der Geschichte in No More Heroes 3 auf den Geschehnissen der Vorgängerspiele (insbesondere Travis Strikes Again: No More Heroes) und für das Verständnis der Story sind Vorkenntnisse empfehlenswert, doch trotzdem kann das Spiel auch von Neueinsteigern genossen werden. Generell ist No More Heroes 3 äußerst einsteigerfreundlich und bietet mehrere Schwierigkeitsgrade. Nach jedem vermeintlichen Game Over gibt es ein Glücksrad, bei dem mit etwas Glück kleine Boosts wie beispielsweise eine um das 1,5-fache erhöhte Angriffskraft oder der Mustang-Modus für den nächsten Versuch gewonnen werden können. Je öfter ihr verliert, desto langsamer dreht sich das Glücksrad, sodass ihr nach vermehrtem Scheitern leichter den „Jackpot“ erhalten könnt, nämlich die Option, trotz Game Over den Kampf mit voller Lebensleiste fortzusetzen.
In Sushi-Läden könnt ihr durch das Essen der japanischen Köstlichkeiten verschiedene Attribute temporär steigern oder euch sogar Sushi mitnehmen, das ihr mehrmals während dem Kampf essen könnt, um jeweils eure Herzen oder andere Attribute aufzuladen. Apropos Attribute verbessern: In Dr. Naomis Lab beim Motel von Travis könnt ihr gesammelte WESN in der Power-up-Maschine einsetzen, um beispielsweise eure Herzanzeige zu vergrößern, die Angriffskraft zu verstärken oder neue Attacken mit dem Laserkatana zu erlernen. Geld in Form von UtopiCoins sowie gesammelte Ressourcen können im Labor wiederum verwendet werden, um Death Glove Chips herzustellen und als Spezialeffekte für Travis auszurüsten, die in den Kämpfen helfen.

Viele Dialoge und Zwischensequenzen sorgen für eine unterhaltsame Geschichte.
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No More Heroes 3 bietet eine deutsche Textsprache, die zwar nicht immer fehlerfrei ist, jedoch eine deutliche Verbesserung gegenüber der schlampigen Übersetzungsarbeit aus dem ersten Ableger und der mittelmäßigen Übersetzung des zweiten Ablegers darstellt. Die englische Sprachausgabe ist gut gelungen und man merkt, dass sich viel Mühe mit den zahlreichen Zwischensequenzen gegeben wurde. Während manche Cutscenes mit Damon im grünlichen Visual-Novel-Retro-Stil erzählt werden, wie sie bereits aus Travis Strikes Again: No More Heroes bekannt sind, werden andere Nebengeschichten wiederum in unterschiedlichen Grafikstilen erzählt. Im Spiel finden sich übrigens wieder zahlreiche Videospiel- und Popkultur-Referenzen, so wird beispielsweise öfters über echte Filme diskutiert inklusive eines Auftritts des japanischen Regisseurs Takashi Miike.
Auch auf die ein oder anderen völlig unerwarteten Momente in der äußerst durchgedrehten Story könnt ihr euch freuen. Zwar wirken die Mecha-Alien-Bosse von Prinz Fu auf den ersten Blick allesamt sehr ähnlich, doch glücklicherweise stellen sie sich als unterschiedlich genug heraus, um für reichlich Abwechslung bei den Bosskämpfen zu sorgen, die wie in jedem No More Heroes-Spiel ein echtes Highlight darstellen. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist der von Nobuaki Kaneko und weiteren Komponisten zusammengestellte Soundtrack, der das Spielgeschehen toll untermalt. Sowohl die Lautstärke der Musik als auch jene der Soundeffekte und der Stimmen der Dialoge lassen sich individuell nach Wunsch anpassen. Der Song „Itadakimasu“, der in jedem Sushi-Laden spielt, ist so gut, dass ich oft freiwillig in die Shops gegangen bin, um meine Sushi mit dem tollen Lied im Hintergrund zu genießen.
Unser Fazit

7
Spaßgarant